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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 31/05
vom
3. Juli 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
RVG VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 278 Abs. 6
Wird in einem in erster Instanz geführten Zivilprozess über den rechtshängigen
Anspruch (auf Vorschlag des Gerichts) ein schriftlicher Vergleich nach § 278
Abs. 6 ZPO geschlossen, entsteht für die beauftragten Prozessbevollmächtigten - neben einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV und einer 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV - eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.
BGH, Beschluss vom 3. Juli 2006 - II ZB 31/05 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. Juli 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer,
Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten werden der Beschluss
des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Freiburg
vom 11. November 2005 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Konstanz vom 26. September
2005 abgeändert:
Die von dem Kläger an die Beklagte aufgrund des Vergleichs des
Landgerichts Konstanz vom 27. Juli 2005 zu erstattenden Kosten
werden
auf
3.100,68 €
nebst
Zinsen
in
Höhe
von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. August
2005 festgesetzt.
Der Kläger hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
Gründe:
1
I. Der Kläger begehrte mit seiner im Dezember 2004 bei dem Landgericht Konstanz eingegangenen Klage die Rückzahlung seiner Einlageleistungen
in Höhe von 2.835,00 € auf eine bei der Beklagten gezeichnete atypische stille
Gesellschaftsbeteiligung sowie die Feststellung, dass zwischen den Parteien
keine Vertragsbeziehungen bestehen. Das Landgericht führte ein schriftliches
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Vorverfahren durch und machte mit Beschluss vom 16. Juni 2005 gemäß § 278
Abs. 6 ZPO einen Vergleichsvorschlag, den die Parteien annahmen. Durch Beschluss vom 27. Juni 2005 stellte das Landgericht das Zustandekommen und
den Inhalt des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO fest. Hiernach hat der
Kläger die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 26.460,00 € zu
tragen.
2
In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. September 2005 berücksichtigte das Landgericht die von der Beklagten zum Ausgleich angemeldete 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses (im
Folgenden: VV) in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG und die 1,0 Einigungsgebühr
gemäß Nr. 1003 VV, sah aber von der Festsetzung der von der Beklagten beantragten 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV ab, weil ein schriftliches Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO nicht angeordnet gewesen sei. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtberücksichtigung der Terminsgebühr zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
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II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
4
1. Das Beschwerdegericht hat unter Bezugnahme auf den Beschluss des
Oberlandesgerichts Nürnberg (OLGR 2005, 179) die Ansicht vertreten, aus dem
Wortlaut von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV ergebe sich, dass bei Abschluss eines
Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO ohne mündliche Verhandlung eine Terminsgebühr nur anfalle, wenn es sich um ein Verfahren handele, das nach § 128
Abs. 2 ZPO oder § 495 a ZPO keine mündliche Verhandlung erfordere.
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2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) In Übereinstimmung mit dem III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes,
dessen Beschluss vom 27. Oktober 2005 (III ZB 42/05, NJW 2006, 157 ff.) - der
dem Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung noch nicht bekannt war - die
identische Fragestellung betrifft, ist der Senat der Ansicht, dass die Auslegung
der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV durch das Beschwerdegericht den Bedeutungsgehalt der das Entstehen der Terminsgebühr rechtfertigenden Variante "oder in
einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird" (= Variante 4) nicht ausschöpft.
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Der III. Zivilsenat (aaO S. 158) hat hierzu folgendes ausgeführt:
"Zwar stünde der Wortlaut dieser Bestimmung einer Auslegung nicht entgegen, nach der der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs nur dann eine Terminsgebühr auslöst,
wenn er in einem schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2
ZPO oder nach § 495 a ZPO geschlossen wird. Der Wortlaut legt jedoch, in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung in der Literatur, die Auslegung näher, dass
der in Variante 4 geregelte Abschluss eines schriftlichen
Vergleichs für alle Verfahren gilt, für die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, also auch für den hier vorliegenden Fall, dass die Sache durch einen Haupttermin
(§ 272 ZPO) erledigt werden soll und dieser Haupttermin
nach dem Ermessen des Vorsitzenden durch ein schriftliches Vorverfahren (§ 276 ZPO) vorbereitet wird, während
dessen Verlauf es zum Abschluss des schriftlichen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO kommt. Insoweit kann es im
Hinblick auf das Erfordernis, dass für das Verfahren die
mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nicht darauf ankommen, ob der Haupttermin durch einen frühen ersten
Termin (§ 275 ZPO) oder ein schriftliches Vorverfahren vorbereitet wird. Wollte man der einengenden Auffassung folgen, nach der lediglich ein im schriftlichen Verfahren (§ 128
Abs. 2 ZPO) oder im Verfahren nach § 495 a Satz 1 ZPO
geschlossener schriftlicher Vergleich die Terminsgebühr
nach Nr. 3104 VV auslöst, ergäben sich Wertungswidersprüche, die durch das Argument einer günstigen kosten-
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mäßigen Erledigung für die Parteien nicht ausgeräumt werden könnten. Aus der Sicht der anwaltlichen Tätigkeit macht
es keinen Unterschied, ob eine Sache mit einem 600,00 €
nicht übersteigenden Wert im Verfahren nach § 495 a
Satz 1 ZPO oder mit einem höheren Wert vor der mündlichen Verhandlung schriftlich verglichen wird. Es ließe sich
wohl kaum ernsthaft vertreten, im letzteren Fall habe der
Rechtsanwalt für seine Tätigkeit weniger Zeit und Mühe
aufgewendet, weil er noch die mündliche Verhandlung vor
Augen gehabt habe. Es will auch nicht einleuchten, dass
der Rechtsanwalt in dem letzteren Fall nur deshalb die
Terminsgebühr erhalten sollte, weil das Gericht im Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren (§ 128
Abs. 2 ZPO) angeordnet hat."
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Dem schließt sich der Senat an.
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b) Die einengende Auslegung würde darüber hinaus zu einem nicht zu
rechtfertigenden Widerspruch dazu führen, dass eine Terminsgebühr - in diesem Fall nach Absatz 3 der Vorbemerkungen 3 des VV - für den Anwalt schon
für seine Mitwirkung an Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts entsteht,
die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Danach
fällt die Terminsgebühr z. B. an, wenn die Prozessbevollmächtigten fernmündlich oder persönlich den Inhalt des Vergleichs besprechen und den Vergleichstext sodann dem Gericht zur Feststellung nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO mitteilen (OLG Koblenz NJW-RR 2006, 358; NJW 2005, 2162; OLG Nürnberg NJOZ
2005, 4039 f.; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2006, 268; Goebel BGHReport 2006, 66). Der Gesetzgeber hat mit dieser Ausweitung des Anwendungsbereichs der Terminsgebühr fördern und honorieren wollen, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in
jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen soll. Ihm soll nach
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neuem Recht eine nach früherem Recht geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin anzustreben, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokolliert wird, um eine Verhandlungsbzw. Erörterungsgebühr auszulösen, erspart bleiben (vgl. BT-Drucks. 15/1971,
S. 209).
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Erhält aber der Anwalt die Terminsgebühr für das Aushandeln eines Vergleichs ohne Mitwirkung des Gerichts, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, dem Anwalt für sein Bemühen um eine vergleichsweise Beilegung
des Verfahrens die Terminsgebühr abzusprechen, wenn der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts geschlossen wird. Sähe man dies anders, würde dies darüber hinaus zu dem Zustand führen, den der Gesetzgeber mit der Ausweitung
der Terminsgebühr - auch im Interesse der Entlastung der Gerichte - vermeiden
wollte, dass nämlich die früher geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um einer anwaltlichen Gebühr willen anzustreben, fortgesetzt
wird (siehe hierzu Goebel BGH-Report 2006, 66).
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c) Legt daher der Wortlaut von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV die Entstehung
einer Terminsgebühr nahe und stimmt dieses Ergebnis mit den Wertungen und
Intentionen des Absatz 3 der Vorbemerkung 3 des VV überein, ist einer den
Wortlaut entsprechend ausschöpfenden Auslegung der Vorzug zu geben
(ebenso III. Zivilsenat aaO S. 159).
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d) Die Entscheidungen des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom
30. März 2004 (VI ZB 81/03, NJW 2004, 2311, 2312) und vom 30. Juni 2004
(NJOZ 2004, 4083, 4084) stehen dem nicht entgegen, weil sie in einem das alte
Recht (BRAGO) betreffenden Verfahren ergangen sind und von dem
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VI. Zivilsenat selbst zutreffend als für seinen Beschluss "nicht tragend" bezeichnet worden sind.
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3. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Konstanz war daher abzuändern und die 1,2 Terminsgebühr - wie beantragt - zugunsten der Beklagten festzusetzen.
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Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.055,14 €
Goette
Kurzwelly
Gehrlein
Kraemer
Caliebe
Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 26.09.2005 - 4 O 553/04 F OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 11.11.2005 - 13 W 124/05 -