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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 190/02
Verkündet am:
22. Dezember 2005
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
AnfG § 3 Abs. 1, § 6 Nr. 2; GmbHG § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1
a) Tilgt die schuldende GmbH mit Mitteln des Gesellschaftsvermögens einen von einem Gesellschafter eigenkapitalersetzend besicherten Kredit und wird sie anschließend vorgefasster Absicht gemäß nach Sitzverlegung ins Ausland sofort still liquidiert, kann eine anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin darin bestanden haben, dass sie es unterlassen hat, einen Freistellungs-/Erstattungsanspruch nach
den Rechtsprechungsregeln zum Kapitalersatzrecht gegen ihren Gesellschafter geltend zu machen.
b) Werden die Gesellschaftsanteile an einen Erwerber veräußert, der eine faktische
Liquidation durchführen soll, ohne etwa noch offene Forderungen zu realisieren und
Gläubiger zu befriedigen, begründet dies ein erhebliches Beweisanzeichen dafür,
dass die Durchsetzung eines nach den Rechtsprechungsregeln zum Kapitalersatzrecht bestehenden Erstattungsanspruchs bewusst unterlassen wird.
-2c) Wenn eine Gesellschaft ohne ordnungsgemäße Liquidation beseitigt werden soll,
um so alle Verbindlichkeiten zu "erledigen", liegt dem der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung zu Grunde.
d) Löst die gegen die Rechtsprechungsregeln zum Kapitalersatzrecht verstoßende
Rückzahlung eines gesellschafterbesicherten Drittdarlehens durch die Gesellschaft
eine Erstattungspflicht des Gesellschafters aus, werden die Gesellschaftsgläubiger
dennoch - wenigstens mittelbar - benachteiligt, wenn zugleich der Zugriff auf diesen
Erstattungsanspruch wesentlich erschwert wird, etwa durch Verlegung des Gesellschaftssitzes ins Ausland und stille Liquidation.
BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - IX ZR 190/02 - OLG Hamm
LG Essen
-3-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die
Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Juli 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Titelgläubiger der H.
mbH
(im folgenden: Schuldnerin). Die Beklagte zu 1 war Gesellschafterin der
Schuldnerin. Die Beklagte zu 2 ist die Witwe und Erbin des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten zu 1, B.
, der zugleich alleinver-
tretungsberechtigter Geschäftsführer und Gesellschafter der Schuldnerin war.
2
Im September 1999 führte die Schuldnerin mit aus einem Auslandsgeschäft eingehenden Zahlungen einen Kontokorrentkredit bei der Nationalbank
zurück, für den die Beklagte zu 1 Grundschulden bestellt und B.
die persönliche Mithaft übernommen hatte. Daraufhin wurden die Grundschulden mit Bewilligung der Nationalbank gelöscht.
-4-
3
Ende Oktober 1999 veräußerten sämtliche Gesellschafter der Schuldnerin ihre Geschäftsanteile an einen gewissen G.
, damit dieser die
Schuldnerin in Spanien "verschwinden" lasse. Nachdem der Erwerber zum
neuen Geschäftsführer bestellt worden war, verlegte dieser den Sitz der
Schuldnerin nach Spanien und stellte ihren Geschäftsbetrieb ein. Vollstreckungsversuche des Klägers waren vergeblich.
4
Dieser nimmt nunmehr die Beklagte zu 1 als frühere Gesellschafterin der
Schuldnerin und die Beklagte zu 2 als Erbin von B.
aus dem Ge-
sichtspunkt der Gläubigeranfechtung auf Zahlung von 86.478,14 DM nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der
Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
6
Das Berufungsgericht hat den Kläger als anfechtungsberechtigt im Sinne
von § 2 AnfG angesehen. Es ist dem Kläger auch darin gefolgt, dass die Beklagten sich auf eine etwaige Versäumung der Anfechtungsfrist des § 6 Nr. 2
AnfG nicht berufen könnten (§ 242 BGB). Indes sei, so das Berufungsgericht,
keiner der in Betracht kommenden Anfechtungstatbestände verwirklicht. Insbe-
-5-
sondere seien die Voraussetzungen des § 6 Nr. 2 AnfG nicht gegeben. Gehe es
- wie im Streitfall - um ein von einem Gesellschafter besichertes Drittdarlehen,
so bestimmten sich die Folgen einer Enthaftung des Gesellschafters durch Darlehensrückzahlung seitens der Gesellschaft ausschließlich nach § 32b GmbHG,
der eine Erstattungspflicht jedoch nur im Insolvenzfall vorsehe. Die Enthaftung
sei auch nicht nach § 3 Abs. 1 AnfG anfechtbar, weil es an einer Rechtshandlung der Schuldnerin fehle. Diese habe keine Möglichkeit gehabt, den von der
Nationalbank kontrollierten Geldfluss aus dem letzten Geschäft der Schuldnerin
zu beeinflussen. § 3 Abs. 2 AnfG scheide aus, weil die Beklagten mit der Löschung der Grundschulden nichts aus dem Vermögen der Schuldnerin erworben hätten. § 4 AnfG sei unanwendbar, weil die Löschung der Grundschulden
nicht unentgeltlich gewesen sei. Die Schuldnerin habe die Beklagten von der
Haftung freizustellen gehabt, und diese hätten der Schuldnerin ihre Aufwendungen nicht erstatten müssen. Auch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 283c StGB seien
nicht erfüllt.
II.
7
Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen
Punkten nicht stand.
8
1. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten erwirtschaftete die Schuldnerin regelmäßig Verluste, die dadurch ausgeglichen wurden, dass die Beklagte
zu 1 auf die Rückforderung von Darlehen verzichtete. Die Hausbank war nicht
bereit, ihr Kreditengagement zu verlängern. Obwohl die Liquidation der Schuldnerin angezeigt war, lehnte der geschäftsführende Gesellschafter B.
dies ab.
-6-
Im Juni 1999 empfahl ihm sein als Rechtsanwalt tätiger Sohn, der nunmehrige
Streithelfer
der
Beklagten,
die
Geschäftsanteile
an
G.
zu
ver-
äußern, der die Gesellschaft in Spanien "verschwinden" lasse. Mit der Beseitigung der Gesellschaft seien alle Verbindlichkeiten erledigt.
9
2. Auf dieser Grundlage in Verbindung mit dem bislang unwiderlegten
Vorbringen des Klägers kann die Anfechtung durchgreifen.
10
a) Die Anfechtungsberechtigung des Klägers nach § 2 AnfG hat das Berufungsgericht für gegeben erachtet. Dies wird in der Revisionsinstanz nicht
angegriffen und lässt Rechtsfehler auch nicht erkennen.
11
b) Das Vorgehen der Schuldnerin kann den Tatbestand der vorsätzlichen
Gläubigerbenachteiligung nach § 3 Abs. 1 AnfG erfüllen. Nach dem derzeitigen
Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, das die Schuldnerin in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem entsprechenden Vorsatz eine
gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung vorgenommen und der andere Teil
diesen Vorsatz zur Zeit der Schuldnerhandlung gekannt hat.
12
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine Rechtshandlung der Schuldnerin vorliegen. Diese ist allerdings weniger in der Tilgung des
Darlehens der Nationalbank zu sehen, auf welche die Schuldnerin möglicherweise keinen Einfluss nehmen konnte. Die anfechtbare Rechtshandlung der
Schuldnerin kann jedoch darin bestanden haben, dass sie es unterlassen hat,
einen Freistellungs-/Erstattungsanspruch entsprechend §§ 30, 31 GmbHG gegen die Beklagte zu 1 und den früheren Mitgesellschafter B.
geltend zu
machen, der sich aus der Darlehenstilgung und dem dadurch ausgelösten Freiwerden der von den Gesellschaftern gestellten Sicherheiten ergab, falls diese
-7-
diese kapitalersetzenden Charakter hatten. Wenn ein solcher Anspruch bestand, oblag es im Innenverhältnis zur Gesellschaft den Gesellschaftern, den
Grundschuldgläubiger zu befriedigen.
(1) Neben den §§ 32a, 32b GmbHG besteht das aus den §§ 30, 31
13
GmbHG richterrechtlich entwickelte Kapitalersatzrecht (sogenannte Rechtsprechungsregeln) fort (vgl. BGHZ 90, 370, 376 ff; 106, 7, 11; 109, 55, 67; 123, 289,
294). Dieses greift auch und gerade dann ein, wenn es - etwa mangels Masse
oder weil das Unternehmen still liquidiert wird - nicht zu einem Insolvenzverfahren
über
der
Vermögen
der
Gesellschaft
kommt
(MünchKomm-InsO/
Stodolkowitz, § 135 Rn. 106; HK-InsO/Kreft, 3. Aufl. § 135 Rn. 6). Erfüllt die
gesellschafterbesicherte Kreditgewährung die Voraussetzungen der entsprechend anzuwendenden §§ 30, 31 GmbHG, so stellt eine Rückführung des Kredits aus Mitteln des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögens eine Auszahlung an den besichernden Gesellschafter dar,
die nach § 31 Abs. 1 GmbHG eine Erstattungspflicht auslöst. Der Begriff der
Gesellschaftersicherheit ist weit zu verstehen. Es fallen alle Arten dinglicher und
persönlicher Absicherung darunter (MünchKomm-InsO/Stodolkowitz, § 135
Rn. 82). In einem solchen Fall ist der Gesellschafter der Gesellschaft gegenüber sogar verpflichtet, es gar nicht erst zu der Auszahlung kommen zu lassen.
Er hat die Gesellschaft demgemäß von der Rückzahlungsforderung des Darlehensgebers freizustellen (BGH, Urt. v. 9. Dezember 1991 - II ZR 43/91, WM
1992, 223, 224).
-8-
14
(2) Nach dem Vortrag des Klägers hatten die von der Beklagten zu 1 und
dem früheren Mitgesellschafter B.
für das von der Nationalbank gewährte
Darlehen gestellten Sicherheiten verlorenes Stammkapital abgedeckt.
15
Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei bereits zum 31. Dezember
1996 überschuldet, zumindest jedoch im Spätjahr 1999 kreditunwürdig gewesen. Falls Überschuldung vorliegt, kommt es nicht mehr auf eine Kreditunwürdigkeit an (BGH, Urt. v. 23. Februar 2004 - II ZR 207/01, ZIP 2004, 1049, 1052).
Diese liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn
die Gesellschaft von dritter Seite den zur Fortführung des Unternehmens benötigten Kredit zu marktüblichen Bedingungen nicht erhält und deshalb liquidiert
werden müsste, wenn nicht der Gesellschafter mit seiner Leistung einspringen
würde (BGHZ 119, 201, 204; BGH, Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, WM
1997, 1770, 1772; v. 17. November 1997 - II ZR 224/96, WM 1998, 243, 244).
Nach dem Vortrag des Klägers hat die Schuldnerin bis zu den Vorgängen vom
Spätjahr 1999 nur fortbestehen können, weil die Beklagte zu 1 auf die Rückzahlung von Darlehen, die sie der Schuldnerin gewährt gehabt habe, teilweise verzichtet und für neue Bankkredite Sicherheiten gestellt habe. Eine eigene Bonität
habe die Schuldnerin nicht mehr besessen.
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(3) Falls die Besicherungen durch die Beklagte zu 1 und den früheren
Mitgesellschafter B.
kapitalersetzend waren, hatten diese die National-
bank schon vorher zu befriedigen, damit die Vergütung aus dem letzten Auslandsgeschäft in das Gesellschaftsvermögen gelangte. Nachdem die Vergütung
auf das Konto bei der Nationalbank gelangt und dort verrechnet worden war,
hatten die Gesellschafter der Schuldnerin den entsprechenden Betrag zu erstatten (§ 31 Abs. 1 GmbHG).
-9-
17
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Revisionsinstanz zu unterstellende Überschuldung oder Kreditunwürdigkeit mit der Rückführung des Bankkredits nachhaltig (vgl. BGH, Urt. v. 8. Januar 2004 - II ZR
300/02, ZIP 2005, 82, 84) behoben war. Denn nach dem – bisher unwiderlegten - Vortrag des Klägers hatte sich die Vermögenssituation der Schuldnerin
laufend verschlechtert.
18
(4) Diesen Freistellungs- oder Ersatzanspruch geltend zu machen, hat
die Schuldnerin unterlassen.
19
Unterlassungen stehen anfechtungsrechtlich den Rechtshandlungen
gleich (§ 1 Abs. 2 AnfG, § 129 Abs. 2 InsO). Dies gilt auch für § 3 Abs. 1 AnfG.
Wie bei der parallelen Bestimmung des § 133 Abs. 1 InsO ist lediglich erforderlich, dass die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, also bewusst
und gewollt erfolgt (Huber, Anfechtungsgesetz 9. Aufl. § 1 Rn. 5; Kübler/
Prütting/Paulus, § 1 AnfG Rn. 5; vgl. zur Insolvenzanfechtung BGH, Urt. v.
24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, WM 1996, 2250, 2252). Nötig ist das Bewusstsein, dass das Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen haben wird (vgl.
MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 24; HK-InsO/Kreft, § 129 Rn. 23; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 129 Rn. 64; Kübler/Prütting/Paulus, § 129 InsO
Rn. 16). Auf eine konkrete Rechtsfolge brauchen sich die Vorstellungen des
Schuldners nicht zu richten; sie müssen auch nicht rechtlich zutreffend sein.
Anfechtbar ist es deshalb, wenn aus einer Situation, die naheliegender Weise
materiellrechtliche Ansprüche auslöst, bewusst keine Konsequenzen gezogen
werden (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 29 Rn. 10; MünchKomm-InsO/
Kirchhof, § 129 Rn. 25) oder eine Besicherung belassen wird, nachdem der besicherte Gesellschafterkredit erkennbar kapitalersetzend geworden ist (vgl.
OLG Hamburg NJW-RR 1988, 46, 49).
- 10 -
Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten hat die Schuldnerin, weil sie
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den Rat ihres nunmehrigen Streithelfers befolgte, in Spanien still zu "verschwinden", eine faktische Liquidation durchgeführt, ohne etwa noch offene
Forderungen zu realisieren. Ein derartiges Verhalten der für die Schuldnerin
handlungsberechtigten Personen, das darauf abzielt, die Gesellschaft dem
Rechtsverkehr zu entziehen, begründet ein erhebliches Beweisanzeichen dafür,
dass die Durchsetzung von Ansprüchen nach §§ 30 ff GmbHG gegen die Gesellschafter bewusst unterlassen wurde. Diesem Umstand kommt grundsätzlich
dieselbe Rechtswirkung zu wie der Inkongruenz einer Sicherung oder Befriedigung für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis des Anfechtungsgegners im Rahmen des § 133 InsO, § 3
Abs. 1 AnfG. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist danach ein bewusstes Unterlassen im Sinne des § 1 Abs. 2 AnfG zu bejahen.
(5) Da die maßgeblichen Vorgänge alle im Jahr 1999 stattgefunden ha-
21
ben, ist die Anfechtungsfrist von 10 Jahren unproblematisch eingehalten.
bb) Der Plan umfasste darüber hinaus den Vorsatz der Gläubigerbenach-
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teiligung. Dies folgt bereits aus dem Vortrag der Beklagten, die Gesellschaft
habe beseitigt werden sollen, um so alle Verbindlichkeiten zu "erledigen".
cc) Der Vorsatz der Schuldnerin war dem anderen Teil - nämlich den von
23
der Unterlassung begünstigten Gesellschaftern, also der Beklagten zu 1 und
B.
, dem Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2 - bekannt. Wegen
der Verknüpfung der Schuldnerin und ihrer Gesellschafter in der Person des
B.
kann von einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der
Gesellschaft und den Gesellschaftern ausgegangen werden.
- 11 -
24
dd) Durch das beschriebene Vorgehen der Schuldnerin und ihrer Gesellschafter wurden die Gläubiger objektiv benachteiligt.
25
(1) Allerdings erschließt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, ob die
Schuldnerin rechtlich noch existiert. Auch der Kläger hat sich dazu nicht geäußert. Eine "Sitzverlegung über die Grenze", eine "faktische Liquidation" und die
angebliche Unerreichbarkeit des einzigen Gesellschafters sind insoweit nicht
hinreichend aussagekräftig. Ob mit der Einstellung des Unternehmens ein Auflösungsbeschluss gefasst (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) und die Schuldnerin
gelöscht worden ist, steht nicht fest. Falls die Schuldnerin gelöscht sein sollte,
wäre die Möglichkeit einer Nachtragsliquidation nicht von vornherein ausgeschlossen. Eine Nachtragsliquidation findet statt, wenn trotz der (scheinbaren)
Vollbeendigung noch verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist. Dafür kommt
insbesondere ein realisierbarer Anspruch der Gesellschaft gegen Gesellschafter entsprechend §§ 30, 31 GmbHG in Betracht (Scholz/K. Schmidt, aaO § 74
Rn. 19). Ob eine derartige Nachtragsliquidation hier angeregt worden ist, was
auch ein Gläubiger der Gesellschaft kann (Scholz/K. Schmidt, aaO § 74 Rn. 25;
Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, aaO § 74 Rn. 21; Michalski/Nerlich, aaO
§ 74 Rn. 50), und welchen Erfolg der Kläger damit hatte, ist nicht festgestellt
und vom Kläger bisher auch nicht vorgetragen.
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(2) Hat die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder
die Aktivmasse verkürzt, liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor. Dies kann
auch dann der Fall sein, wenn durch die Rechtshandlung der Zugriff auf das
Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert wird, etwa für einen
aufgegebenen Vermögenswert ein anderer in das Schuldnervermögen gelangt,
der jedoch für die Gläubiger minder leicht oder weniger rasch verwertbar ist (so
- 12 -
zum Anfechtungsgesetz BGHZ 78, 318, 328; BGH, Urt. v. 27. September 1990
– IX ZR 67/90, WM 1990, 1981, 1983; zur Konkursordnung BGH, Urt. v.
21. April 1988 - IX ZR 71/87, NJW 1989, 1037). Davon ist im Streitfall auszugehen.
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Zwar kann die gegen §§ 30, 31 GmbHG (in analoger Anwendung) verstoßende Rückzahlung eines gesellschafterbesicherten Drittdarlehens durch die
Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter wegen der dadurch ausgelösten
Erstattungspflicht aus § 31 Abs. 1 GmbHG rechtlich ausgeglichen sein. Den
gegen den Gesellschafter gerichteten Erstattungsanspruch der Gesellschaft
kann deren Gläubiger pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.
Daran ändert sich auch nichts, wenn die Gesellschaft auf ihren Erstattungsanspruch verzichtet. Denn dieser Verzicht ist unwirksam (§ 31 Abs. 4 GmbHG).
Unentgeltlich wird die Rückzahlung auch nicht dadurch, dass die Gesellschaft
es rein tatsächlich unterlässt, von ihrem Erstattungsanspruch Gebrauch zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 - IX ZR 429/97, WM 1999, 394, 395).
Denn dadurch bleibt die Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger rechtlich unberührt.
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Jedoch liegt ungeachtet einer theoretisch noch gegebenen Möglichkeit
des Zugriffs der Gläubiger auf den Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1
GmbHG eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor, wenn dieser Zugriff durch
die Rechtshandlung des Schuldners tatsächlich unmöglich gemacht oder doch
wesentlich erschwert wird. Dies ist vorliegend wenigstens mittelbar, was für § 3
Abs. 1 AnfG ausreicht, der Fall. Durch das "Verschwindenlassen" der Schuldnerin ist die Gläubigerin des Erstattungsanspruchs faktisch nicht mehr existent.
Eine Vollstreckung in diesen Anspruch setzt eine erfolgreiche Nachtragsliquidation voraus. Diese begegnet zumindest erheblichen Schwierigkeiten.
- 13 -
29
c) Danach kann offen bleiben, ob der Sachverhalt nicht auch die Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung (§ 4 AnfG) oder - alternativ - einer Anfechtung nach § 3 Abs. 2 AnfG oder einer solchen nach § 6 Nr. 2 AnfG erfüllt.
Nicht vertiefen muss der Senat schließlich auch, ob die Handlungsweise der
Schuldnerin und/oder ihrer Gesellschafter eine Haftung wegen sittenwidriger
Schädigung (§ 826 BGB) oder existenzvernichtenden Eingriffs (vgl. BGHZ 149,
10; 150, 61, 67; 151, 181, 187; BGH, Urt. v. 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, NJW
2004, 2248, 2255, z.V.b. in BGHSt) begründet. Anspruchsvoraussetzung wäre
jeweils die - noch festzustellende - Kapitalersatzfunktion der Besicherungen.
30
3. Falls die Anfechtung gegen B.
begründet gewesen wä-
re, haftet die Beklagte zu 2 als dessen Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 15 Abs. 1
AnfG, §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB). Selbst wenn nur gegen die Beklagte zu 1 ein
Anfechtungstatbestand verwirklicht wäre, haftete die Beklagte zu 2 daneben als
Gesamtrechtsnachfolgerin des B.
als persönlich haftenden Ge-
sellschafters der Beklagten zu 1 (§§ 128, 161 Abs. 2 HGB, §§ 1922, 1967
Abs. 1 BGB).
31
4. Wenn die Schuldnerin rechtlich nicht mehr existiert und eine Nachtragsliquidation ausscheidet, kann der Kläger - falls dessen Anfechtung durchgreift - von den Beklagten Zahlung verlangen. Ist eine Nachtragsliquidation
noch möglich, hat der Anfechtungsanspruch einen geringeren Umfang. Gegebenenfalls kann der Kläger nur verlangen, dass die Beklagten die Pfändung des
Erstattungsanspruchs der Schuldnerin aus § 31 Abs. 1 GmbHG gestatten (vgl.
Huber, aaO § 13 Rn. 23; Kübler/Prütting/Paulus, § 13 AnfG Rn. 7).
III.
- 14 -
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
32
ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit geprüft wird, ob gemäß dem Vorbringen
des Klägers die Besicherung kapitalersetzend im Sinne der §§ 30, 31 GmbHG
war.
33
Gegebenenfalls wird der Frage nachgegangen werden müssen, ob der
Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG - etwa im Wege einer Nachtragsliquidation - noch realisiert werden kann. Da dies bisher im Verfahren nicht
- 15 -
behandelt worden und auch kein Hinweis an die Parteien erfolgt ist, muss diesen noch Gelegenheit zum Vortrag gegeben werden.
Fischer
Ganter
Kayser
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 21.06.2001 - 18 O 526/00 OLG Hamm, Entscheidung vom 04.07.2002 - 27 U 187/01 -
Raebel
Cierniak