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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotSt (Brfg) 1/15
vom
20. Juli 2015
in der Disziplinarsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VwGO § 124a Abs. 4 Satz 4
Die Frist aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung ist nicht verlängerbar.
BGH, Beschluss vom 20. Juli 2015 - NotSt(Brfg) 1/15 - OLG Celle
-2-
Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wöstmann und Prof. Dr. Radtke
sowie die Notare Dr. Frank und Müller-Eising
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in die Versäumung
der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung
zu gewähren, wird abgelehnt.
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Notarsenats bei dem Oberlandesgericht Celle vom 13. Oktober 2014
zuzulassen, wird verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro
festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Der Beklagte hat durch Disziplinarverfügung dem Kläger wegen eines
einheitlichen Dienstvergehens (§ 95 BNotO) eine Geldbuße in Höhe von 5.000
Euro auferlegt. Die dagegen gerichtete Klage hat das Oberlandesgericht durch
das ihm am 12. November 2014 zugestellte Urteil vom 13. Oktober 2014 abgewiesen. Durch am 12. Dezember 2014 bei dem Oberlandesgericht eingegange-
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nen, nicht mit einer Begründung versehenen Schriftsatz hat er die Zulassung
der Berufung gegen das vorgenannte Urteil beantragt.
2
Mit einem an das Oberlandesgericht C.
adressierten Schreiben vom
9. Januar 2015 hat der Kläger unter Hinweis u.a. auf seine urlaubsbedingte
Abwesenheit zwischen dem 22. Dezember 2014 und dem 6. Januar 2015 um
eine Verlängerung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der
Berufung um einen Monat, mithin bis zum 12. Februar 2015, gebeten. Der Vorsitzende des Senats für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat mit Schreiben
vom 19. Januar 2015 dem Ersuchen nicht entsprochen und darauf verwiesen,
dass das Gesetz eine Fristverlängerung nicht vorsieht. Eine Begründung des
Antrags des Klägers auf Zulassung der Berufung ist am 13. Februar 2015 bei
dem Bundesgerichtshof eingegangen.
II.
3
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Der Kläger hat die
zweimonatige Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO iVm § 105 BNotO, § 64
Abs. 2 BDG zur Begründung des Zulassungsantrags nicht eingehalten. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO iVm § 96 Abs. 1
Satz 1 BNotO, § 3 BDG war nicht zu gewähren. Denn der Kläger war nicht ohne
sein Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Begründungsfrist gehindert.
4
1. Die zweimonatige Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, über die der
Kläger durch die Rechtsmittelbelehrung des oberlandesgerichtlichen Urteils unterrichtet worden war, begann mit der Zustellung des Urteils, vorliegend am
12. November 2014. Sie endete mit dem Ablauf des 12. Januar 2015 (§ 57
-4-
VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die erst am
13. Februar 2015 eingegangene Begründung war daher verspätet.
5
Bei der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung
handelt es sich - wie sich aus § 124a Abs. 4 Satz 4 iVm § 57 Abs. 2 VwGO,
§ 224 Abs. 2 ZPO ergibt - um eine nicht verlängerbare gesetzliche Frist (allgM;
siehe nur Dietz in Gärditz, VwGO, § 124a Rn. 34 mwN). Dem entspricht auch
die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der
identischen Frist aus § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO zur Begründung des Antrags
auf Zulassung der Revision (etwa BVerwG, Beschlüsse vom 22. Januar 2002
- 5 B 105/01 Rn. 1; vom 5. Juni 2009 - 5 B 28/09 Rn. 2; vom 30. April 2010
- 8 PKH 5/09 Rn. 7 jeweils mwN).
6
2. Der Senat legt den Inhalt des Schreibens des Klägers vom 30. März
2015 in Verbindung mit seinen Schriftsätzen vom 13. Februar und 10. März
2015 als Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 60 Abs. 1 VwGO in die Frist
zur Begründung des Zulassungsantrags aus. Dafür spricht die Bemerkung des
Klägers, den beiden vorgenannten Schreiben seien auch Wiedereinsetzungsgründe zu entnehmen.
7
Der Antrag bleibt jedoch ohne Erfolg. Der Kläger war entgegen § 60
Abs. 1 VwGO nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert.
8
a) Eine Fristversäumung ist dann verschuldet, wenn der Betroffene nicht
die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (BayVGH, Beschluss vom 27. Oktober 2014
- 8 ZB 14.1142 Rn. 7 mwN; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. November 2008 - 3 L 68/06 Rn. 6).
-5-
9
b) Soweit der Kläger geltend macht, die Fristversäumung sei darauf zurückzuführen, dass er die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO für eine verlängerbare gesetzliche Frist gehalten hat, wofür sein Ersuchen vom 9. Januar
2015 spricht, schließt der darin liegende Rechtsirrtum sein Verschulden im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO gerade nicht aus. Rechtsirrtümer kommen als Entschuldigungsgrund für eine Fristversäumnis grundsätzlich nicht in Betracht (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2002 - 5 B 105/01, Rn. 3; OVG SachsenAnhalt, Beschluss vom 14. November 2008 - 3 L 68/06 Rn. 9; Dietz aaO § 60
Rn. 34 mwN). Es gehört zu den Aufgaben des als Rechtsanwalt zugelassenen
Klägers, Form und Frist einer Rechtsmittelschrift anhand des Gesetzes und gegebenenfalls dazu ergangener Rechtsprechung zu überprüfen (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 22. Januar 2002 - 5 B 105/01; OVG Sachsen-Anhalt aaO). Die
Rechtslage ist vorliegend eindeutig. Wie bereits aufgezeigt (Rn. 5) handelt es
sich nach einhelliger Auffassung bei der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO
um eine nicht verlängerbare Frist. Eine Prüfung der Rechtslage durch den Kläger hätte ihn ohne jeden Zweifel zu dieser Erkenntnis geführt.
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Aus dem Hinweis des Klägers in seinem Schriftsatz vom 10. März 2015
auf die in § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG vorgesehene Möglichkeit, die Frist zur Begründung einer nach § 64 Abs. 1 BDG zulässigen Berufung vor Fristablauf zu
verlängern, resultiert ebenfalls kein unvermeidbarer, zum Ausschluss einer
schuldhaften Fristversäumnis führender Rechtsirrtum. § 64 Abs. 1 Satz 4 BDG
sieht die Fristverlängerung lediglich für die Berufungsbegründungsfrist bei Urteilen vor, die aufgrund einer Disziplinarklage ergangen sind. Für die hier vorliegende Anfechtungsklage ist die Berufung gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 BDG, in
Notarsachen in Verbindung mit § 105 BNotO, erst mit Zulassung durch das zuständige Berufungsgericht zulässig. Das Gesetz enthält in § 64 Abs. 2 BDG für
den Antrag auf Zulassung der Berufung die durch § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG eröffnete Verlängerungsmöglichkeit gerade nicht. Die Unterschiede im Wortlaut
-6-
und der systematische Zusammenhang zwischen den beiden Absätzen des
§ 64 BDG sind derart eindeutig, dass der vom Kläger in Anspruch genommene
Rechtsirrtum vermeidbar und die Fristversäumung damit verschuldet ist.
11
c) Die weiteren, in dem Schriftsatz vom 9. Januar 2015 mit dem Ersuchen um Fristverlängerung angeführten Umstände vermögen eine unverschuldete Fristversäumnis ebenfalls nicht zu begründen. Bei der urlaubsbedingten
Abwesenheit handelt es sich erkennbar nicht um einen plötzlich eintretenden
Umstand, auf den sich der Kläger nicht durch entsprechende Zeitplanung angesichts der bereits am 12. November 2014 beginnenden Begründungsfrist hätte
einstellen können. Gerade im Hinblick auf den rund 14tägigen Urlaub hätte der
Kläger Vorkehrungen treffen müssen, um die Begründungsfrist zu wahren.
12
Entsprechendes gilt auch für den angeführten Umstand einer - im Übrigen nicht näher dargelegten - "übermäßig hohen" Arbeitsbelastung vor Weihnachten. Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts kann eine
Wiedereinsetzung nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich
und unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich eingeschränkt wird (BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2012
- XII ZB 298/11, FamRZ 2012, 621 Rn. 16; vom 8. Mai 2013 - XII ZB 396/12
Rn. 8; in der Sache ebenso Bay.VGH, Beschluss vom 29. September 1997
- 8 ZS 97.2401, NJW 1998, 1507 f.). Führt der als Rechtsanwalt und Notar zugelassene Kläger den ihn betreffenden Rechtsstreit in eigener Person, gelten
keine anderen Maßstäbe als für von einem Verfahrensbeteiligten mandatierte
Rechtsanwälte. Die ausnahmsweise zur Entschuldigung aufgrund hoher Arbeitsbelastung führenden Voraussetzungen sind von dem Kläger weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) noch
sonst ersichtlich (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO).
-7-
III.
13
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO iVm
§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 111g Abs. 1 Satz 1
BNotO in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG.
Galke
Wöstmann
Frank
Radtke
Müller-Eising
Vorinstanzen:
OLG Celle, Entscheidung vom 13.10.2014 - Not 9/12 -