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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 24/09
Verkündet am:
20. Januar 2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, den
Richter Felsch und die Richterin Harsdorf-Gebhardt auf die mündliche
Verhandlung vom 20. Januar 2010
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Januar
2009 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Schaustellerkaskoversicherung unter anderem für ein Kinderfahrgeschäft (Freifallturm), das
ausweislich eines Nachtrags zum Versicherungsschein vom 26. Juni
2006 gegen "Diebstahl ganzes Fahrzeug mit 20% Selbstbeteiligung" versichert war. Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB Schausteller 2001) zugrunde, die auszugsweise wie
folgt lauten:
-3-
"§ 5 Obliegenheiten vor dem Schadenfall
5. Aufenthalte bis zu 30 Tagen (§ 2 Nr. 2)
Dauert ein Aufenthalt zwischen den Veranstaltungen länger
als 10 Tage, so muß vom 11. Tage des Aufenthaltes an eine erhöhte Sicherheit der versicherten Gegenstände gegen
unbefugten Zugang gewährleistet sein. Dies kann entweder
durch ständige Beaufsichtigung oder durch Abstellen auf
rundum hoch (mindestens 1,5 m) eingezäunten und mit verschlossenen Zugängen versehenen Grundstücken oder in
verschlossenen festen Gebäuden geschehen. Als Beaufsichtigung gilt die ständige Anwesenheit des Versicherungsnehmers oder einer von ihm beauftragten Vertrauensperson beim Geschäft, verbunden mit Kontrollen.
7. Verletzt der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant eine der Obliegenheiten gemäß Nr. 1 bis 6, so ist der
Versicherer nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 VVG
leistungsfrei. Abweichend von § 6 Abs. 1 S. 3 VVG bleibt
der Versicherer wegen Verletzung einer vor Eintritt des
Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheit auch dann
leistungsfrei, wenn er von seinem Kündigungsrecht keinen
Gebrauch macht. …
§ 13 Kündigung nach dem Versicherungsfall
1. Nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles können sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherer
den Versicherungsvertrag kündigen. …"
2
Im Nachtrag zum Versicherungsschein war unter "Klausel 4 - Diebstahl und Raub" unter Nr. 3c folgende Regelung enthalten:
"Erhöhte Sicherheit (§ 5 Nr. 5 AVB Schausteller) muß bereits bei Aufenthalten von über 24 Stunden gewährleistet
sein."
-4-
3
Der Kläger beschickte mit dem Freifallturm im Juli 2006 das Schützenfest in G.
. Nach dessen Beendigung ließ er bei seiner Abreise
am Abend des 9. Juli 2006 das Fahrgeschäft zurück. Mit seiner Beaufsichtigung beauftragte er den Zeugen K.
, der diese Aufgabe am
Abend des 11. Juli 2006 auf den Zeugen Kö.
übertrug. Bei seiner
Rückkehr am 12. Juli 2006 um die Mittagszeit stellte der Kläger fest,
dass das Fahrgeschäft von unbekannten Tätern entwendet worden war.
Die Beklagte lehnte am 4. Oktober 2006 wegen der Verletzung
4
vereinbarter Sicherheitsvorschriften Versicherungsleistungen ab. Bereits
am 28. Juli 2006 hatte sie anlässlich der Regulierung eines weiteren
Versicherungsfalles - des Sturmschadens an einem ebenfalls versicherten Wohnwagen - die Kündigung gemäß § 13 AVB Schausteller 2001 erklärt.
5
Das Landgericht hat die auf Zahlung des Zeitwertes des Freifallturms abzüglich des Selbstbehalts gerichtete Klage in Höhe von 75.640 €
nebst Zinsen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Dagegen wendet sie
sich mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe:
6
Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Es sei unstreitig ein Versicherungsfall eingetreten. Auf Leistungsfreiheit könne sich die Beklagte
nicht berufen. Es fehle schon am objektiven Tatbestand einer Obliegen-
-5-
heitsverletzung. Der Nachtrag zum Versicherungsschein vom 26. Juni
2006 enthalte nicht nur in Klausel 4 Nr. 3c, sondern auch in Klausel 2
Nr. 4 eine Ergänzung zu § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001. Danach dürfe
der Versicherungsnehmer abgestellte Fahrzeuge und/oder abgestellte
oder aufgebaute Geschäfte nicht länger als 24 Stunden unbeaufsichtigt
lassen. Der genaue Zusammenhang zwischen den beiden Regelungen
erschließe sich dem Versicherungsnehmer nicht. Diese Unklarheit sei
der Beklagten als Versicherer anzulasten. Zugunsten des Versicherungsnehmers sei daher davon auszugehen, dass bei einem Zeitraum
von bis zu 24 Stunden eine Beaufsichtigung des Fahrgeschäftes nicht
notwendig sei.
8
Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass ab Dienstagabend nach Abfahrt des Zeugen K.
das Fahrgeschäft nicht mehr im
Sinne der Versicherungsbedingungen hinreichend beaufsichtigt worden
sei. Denn der Zeuge Kö.
, der mit seinem Wohnwagen 300 m Luftlinie
entfernt vom Freifallturm gestanden habe, sei weder ständig am Fahrgeschäft anwesend gewesen, noch habe er dieses ständig beobachtet oder
Kontrollen vor Ort vorgenommen. Der Zeuge Kö.
sei aber nur von
Dienstagabend gegen 19.00 Uhr bis zum Eintreffen des Klägers am
Mittwochmittag für die Beaufsichtigung des Fahrgeschäftes zuständig
gewesen, mithin über einen Zeitraum von weniger als 24 Stunden. Der
Zeuge K.
hingegen habe bis Dienstagabend den Sicherheitsvor-
schriften genügt. Er habe das Fahrgeschäft aus etwa 200 m Entfernung
frei im Blick gehabt und zweimal täglich Kontrollgänge vorgenommen.
Das reiche aus, weil eine "ständige Anwesenheit" vom durchschnittlichen
Versicherungsnehmer nicht so verstanden werden müsse, dass eine Aufsichtsperson die gesamte Zeit über gleichsam "auf einem Stuhl neben
dem Fahrgeschäft sitzen" und dieses beaufsichtigen müsse.
-6-
9
Unabhängig davon sei die Beklagte ihrer Kündigungsobliegenheit
aus § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. nicht nachgekommen. Diese gesetzliche
Regelung sei in § 5 Nr. 7 AVB Schausteller 2001 nicht wirksam abbedungen, da die Klausel zum Nachteil des Klägers als Versicherungsnehmer von ihr abweiche (§ 15a VVG a.F). Die Kündigung vom 28. Juli 2006
habe die Beklagte im Zuge der Abwicklung eines anderen Versicherungsfalles ausgesprochen. Dadurch sei keine Kündigung des gesamten
Versicherungsverhältnisses erfolgt unter Einbeziehung auch des streitbefangenen Freifallturms. Nach § 30 Abs. 1 VVG a.F. stehe dem Versicherer dann, wenn die Voraussetzungen für eine Kündigung nur wegen eines Teils der versicherten Gegenstände vorlägen, das Recht zur Kündigung für die übrigen Teile nur zu, wenn anzunehmen sei, dass er für diese allein den Vertrag unter den gleichen Bedingungen nicht geschlossen
haben würde. Davon sei hier - bei insgesamt 15 versicherten Schaustellergeschäften - nicht auszugehen; anderes habe die Beklagte nicht dargelegt. Von der Kündigungspflicht sei die Beklagte schließlich nicht deshalb entbunden, weil mit dem Diebstahl des Freifallturms zugleich das
versicherte Interesse entfallen sei. Bei dem entsprechenden Fahrgeschäft handele es sich um keine "Massenware", die ohne weiteres etwa
ins Ausland verschoben werden könne. Überdies bestehe das versicherte Interesse für die übrigen Fahrgeschäfte - als Sachgesamtheit - fort.
10
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung aus mehreren Gründen nicht
stand. Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger von ihrer Leistungspflicht
frei geworden.
-7-
11
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich der
Inhalt der Sicherheitsobliegenheit ausschließlich aus § 5 Nr. 5 AVB
Schausteller 2001 i.V. mit der zwischen den Parteien vereinbarten Klausel 4 Nr. 3c. Diese ist im Nachtrag zum Versicherungsschein vom
26. Juni 2006 enthalten, der nach den vom Berufungsgericht auf Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens getroffenen Feststellungen die
Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergänzt.
12
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine
Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher
Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer
Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs
verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines
Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse
und damit - auch - auf seine Interessen an (Senat in BGHZ 123, 83, 85).
13
b) Ein verständiger Versicherungsnehmer wird bei der gebotenen
aufmerksamen Durchsicht der Versicherungsbedingungen schon den einleitenden Formulierungen der betreffenden Klauseln 2 und 4 entnehmen,
welchen - klar voneinander abgegrenzten - Anwendungsbereich diese
haben sollen. Die Klausel 4 ist mit "Diebstahl und Raub" überschrieben
und bezieht sich gemäß Nr. 1 auf die versicherten Fahrgeschäfte nebst
den darin enthaltenen versicherten Sachen, wenn diese zusammen mit
dem Fahrzeug entwendet werden. Die Klausel 2 trägt hingegen die
Überschrift "Einbruchdiebstahl und Raub" und erfasst nach Nr. 1 alle
Waren und sonstigen zum Geschäft gehörenden beweglichen Gegenstände, soweit diese sich in einem allseitig fest umschlossenen Fahrzeug
befinden. Darum geht es hier ersichtlich nicht, weil das Fahrgeschäft in
seiner Gesamtheit abhanden gekommen ist. Der Unterschied zwischen
-8-
einem Diebstahl - der Entwendung des gesamten Fahrgeschäfts - und
einem Einbruchdiebstahl - des Eindringens in ein Fahrgeschäft unter
Entwendung nur des Inhalts - ist auch einem juristischen Laien geläufig
und kann von einem verständigen Versicherungsnehmer entsprechend
eingeordnet werden. Die vom Berufungsgericht hervorgehobene Unklarheit der Versicherungsbedingungen, weil dem Versicherungsnehmer
nicht deutlich werde, welche der Verhaltensanforderungen - Klausel 4
Nr. 3c oder Klausel 2 Nr. 4 des Nachtrags - für ihn im gegebenen Fall
maßgeblich sein solle, besteht somit nicht.
14
(2) Der Versicherungsnehmer wird weiter der - allein maßgeblichen - Klausel 4 Nr. 3c entnehmen, dass gegenüber § 5 Nr. 5, 7 AVB
Schausteller 2001 veränderte Verhaltensanforderungen vereinbart sein
sollen. Eine erhöhte Sicherheit nach Maßgabe des § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 muss bereits bei einem Aufenthalt von über 24 Stunden gewährleistet sein. Die von ihm zu erfüllende Sicherheitsobliegenheit wird
der Versicherungsnehmer nach alledem so verstehen, dass er für den
Fall, dass der (gesamte) Aufenthalt zwischen den Veranstaltungen länger als 24 Stunden dauert, für eine erhöhte Sicherheit Sorge tragen
muss, nämlich durch das Abstellen des Fahrgeschäfts auf einem besonders gesicherten Gelände bzw. in einem verschlossenen festen Gebäude
oder ständige Beaufsichtigung.
15
c) In dieser Lesart ist die Klausel 4 Nr. 3c hinreichend transparent
(§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB); sie ist auch nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB unwirksam, weil sie mit dem durch die Rechtsprechung geprägten
Leitbild des Rechts der Obliegenheiten vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles (§ 6 VVG a.F.) zu vereinbaren ist.
-9-
16
(1) Die Klausel führt dem Versicherungsnehmer seine Rechte und
Pflichten klar und durchschaubar vor Augen. Sie ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht nur verständlich, sondern lässt auch
die damit für ihn verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen, wie dies nach den Umständen vom Versicherer gefordert werden kann (vgl. BGHZ 136, 394, 401 f.; 141, 137, 143; 147,
354, 361 f.; Senatsurteile vom 30. April 2008 - IV ZR 241/04 - VersR
2008, 816 Tz. 14 f. und vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06 - VersR
2007, 1690 Tz. 16). Sie verweist ausdrücklich auf § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 und bringt zum Ausdruck, dass die dort näher umschriebenen
Sicherheitsanforderungen
bereits
bei
Aufenthalten
von
über
24 Stunden gewährleistet sein müssen. Den Bezug zwischen der ursprünglichen und der abgeänderten Fassung der Sicherheitsvorschrift
kann der Versicherungsnehmer ohne weiteres herstellen. Die Klausel
lässt somit mit der erforderlichen Eindeutigkeit - und ohne die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu überfordern - erkennen, was im Einzelnen von ihm verlangt wird, um sich den
Versicherungsschutz durch bestimmte Handlungen zu erhalten (vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2008 - IV ZR 53/05 - VersR 2008, 961 Tz. 5;
Senatsurteile vom 9. Dezember 1987 - IVa ZR 155/86 - VersR 1988, 267
unter II; vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08 - VersR 2009, 341 Tz. 18).
17
(2) Durch die in Klausel 4 Nr. 3c formulierte Verhaltensanforderung
wird der Versicherungsnehmer nicht unzumutbar belastet, insbesondere
sein von der Beklagten versprochener Versicherungsschutz nicht unangemessen ausgehöhlt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die in § 5 Nr. 5
AVB Schausteller 2001 aufgenommenen und in Klausel 4 Nr. 3c modifizierten Sicherheitsvorkehrungen schon bei nur kurzfristigen Aufenthalten
zwischen zwei Veranstaltungen - etwa von einigen wenigen Stunden - zu
- 10 -
treffen wären. Davon ist indes hier nicht auszugehen. Ein Aufenthalt für
einen Zeitraum von mehr als einem Tag erhöht objektiv nachvollziehbar
das Diebstahlsrisiko, so dass vom Versicherungsnehmer verlangt werden
kann, für entsprechende Maßnahmen Sorge zu tragen. Dies umso mehr,
als der Versicherungsnehmer die freie Wahl hat, eine Person seines Vertrauens mit der Beaufsichtigung zu beauftragen oder das versicherte
Fahrgeschäft auf ein eingezäuntes und mit verschlossenen Zugängen
versehenes Grundstück oder in ein verschlossenes festes Gebäude zu
verbringen.
18
2. Der vereinbarten Sicherheitsobliegenheit ist der Kläger nicht
hinreichend nachgekommen.
19
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass der Zeuge Kö.
das ihm anvertraute Fahrgeschäft in der
Zeit ab Dienstagabend bis Mittwochmittag nicht genügend beaufsichtigt
hat. Dieser hat sich überwiegend in seinem etwa 300 m Luftlinie entfernten Wohnwagen aufgehalten, nur gelegentlich einen Blick auf den Freifallturm geworfen und insbesondere keine Kontrollgänge unternommen.
Darin ist keine ständige, mit Kontrollen verbundene Beaufsichtigung i.S.
von § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 zu sehen.
20
b) Hingegen kommt es - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht darauf an, dass der Zeuge Kö.
die Aufsicht über das
Fahrgeschäft nur weniger als 24 Stunden wahrgenommen hat. So ist der
Inhalt der Klausel 4 Nr. 3c ersichtlich nicht aufzufassen, auch die - hier
nicht einschlägige - Klausel 2 Nr. 4 wäre nicht in diesem Sinne zu verstehen. Vielmehr ist bei einem Aufenthalt zwischen den Veranstaltungen,
der länger als 24 Stunden dauert, danach durchgängig eine erhöhte Si-
- 11 -
cherheit des versicherten Gegenstandes zu gewährleisten, die in einer
ständigen Anwesenheit des Versicherungsnehmers oder einer von ihm
beauftragten Vertrauensperson beim Geschäft, verbunden mit entsprechenden Kontrollen, besteht. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein über längere Zeit unbeaufsichtigtes Fahrgeschäft den
Diebstahlsanreiz für Dritte erhöht. Jede andere Interpretation setzt sich
mit dem Wortlaut, aber auch mit dem Sinn und Zweck der Klausel in Widerspruch. Wenn sich die beauftragte Person lediglich alle 24 Stunden
vergewissert, dass mit dem versicherten Fahrzeug alles in Ordnung ist,
um danach das Geschäft wieder für 24 Stunden sich selbst zu überlassen, liefe das Erfordernis einer - auf Dauer angelegten - "ständigen Anwesenheit" inhaltlich leer; von den Anforderungen der Sicherheitsvorschrift wären der Versicherungsnehmer oder die von ihm beauftragte
Person nahezu völlig entbunden.
21
c) Somit ist der objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung
gegeben. Die Verschuldensvermutung des § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
hat der Kläger nicht widerlegt; auch der Kausalitätsgegenbeweis des § 6
Abs. 2 VVG a.F. ist durch ihn nicht geführt.
22
3. Das Berufungsgericht hat allerdings richtig gesehen, dass die
Beklagte die Kündigungsobliegenheit aus § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. in
§ 5 Nr. 7 AVB Schausteller 2001 nicht wirksam abbedingen konnte (vgl.
dazu Senatsurteil vom 29. Juni 1983 - IVa ZR 220/81 - VersR 1983, 949
unter II). Jedoch erweist sich dies als nicht entscheidungserheblich.
23
a) Zwar trifft es zu, dass die Beklagte keine Kündigung erklärt hat,
die sich auf den streitbefangenen Versicherungsfall und die damit verbundene Obliegenheitsverletzung bezieht. Eine solche Kündigung gemäß
- 12 -
§ 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. ist aber dann entbehrlich, wenn der Vertrag
noch vor Ablauf der Kündigungsfrist aus anderen Gründen seine Beendigung gefunden hat; eine weitere Kündigung wäre eine überflüssige Formalität. Auch könnte dem Zweck der Kündigungsobliegenheit nicht mehr
Rechnung getragen werden, der darin liegt, dem Versicherer die Möglichkeit zu nehmen, mit dem Einwand der Leistungsfreiheit bis zum
nächsten Versicherungsfall zu warten, gleichwohl aber inzwischen in den
Genuss der Prämie zu kommen, bzw. dem Versicherungsnehmer gegenüber klarzustellen, dass er den Verstoß gegen die Obliegenheit für so
schwerwiegend ansieht, dass er sich zu einer Kündigung veranlasst sieht
(vgl. Senat in BGHZ 118, 275, 280 f.; Urteile vom 5. März 1986 - IVa ZR
63/84 - VersR 1986, 380 unter 3; vom 22. Juni 1988 - IVa ZR 25/87 VersR 1988, 1013 unter II 2; vgl. ferner BGH, Urteil vom 28. Februar
1963 - II ZR 8/60 - VersR 1963, 426 unter II).
24
b) Ob eine Kündigung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. bereits
deshalb nicht mehr erfolgen musste, weil mit dem Diebstahl zugleich das
versicherte Interesse entfallen war (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar
1997 - IV ZR 335/95 - VersR 1997, 443 unter 2 b), kann dahingestellt
bleiben. Denn jedenfalls war das Versicherungsverhältnis bereits durch
die Kündigung vom 28. Juli 2006 einen Monat nach deren Zugang insgesamt beendet worden. Das Berufungsgericht wird mit seiner Ansicht, auf
diese Kündigung komme es nicht an, dem Umstand nicht gerecht, dass
die Beklagte ausweislich ihres Schreibens von ihrem Kündigungsrecht
nach § 13 AVB Schausteller 2001 Gebrauch gemacht hatte. Gegen die
Wirksamkeit einer solchen, in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarten, ausschließlich objektiven Voraussetzungen folgenden
Kündigungsmöglichkeit bestehen keine Bedenken, sofern sie - wie hier unter denselben Voraussetzungen für beide Vertragsparteien gilt (vgl.
- 13 -
Senatsurteil vom 27. März 1991 - IV ZR 130/90 - VersR 1991, 580 unter
II 3). Sie ist vor dem Hintergrund der §§ 96, 113, 158 VVG a.F. zu sehen,
wobei es gleich ist, ob diese Bestimmungen als allgemeiner Grundgedanke des Versicherungsrechts für die Sachversicherung schlechthin
(vgl. Senatsurteil vom 27. März 1991 aaO; bejahend Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 96 Rdn. 4 f.; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. L II Rdn. 4 f.) oder nur für ihre ausdrücklich im Versicherungsvertragsgesetz geregelten Arten - der Feuer- und der Hagelversicherung - gelten. Die vertragliche Vereinbarung eines Kündigungsrechts,
das der in den §§ 96, 113, 158 VVG a.F. enthaltenen gesetzlichen Kündigungsbefugnis entspricht, ist in jedem Falle unbedenklich (vgl. auch
Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 96 Rdn. 2).
25
c) Der Sinn eines solchen Kündigungsrechts besteht darin, "das
Versicherungsverhältnis" zu kündigen, mithin dem Kündigenden die Berechtigung zu geben, sich aus der gesamten Vertragsbeziehung zu lösen
(Langheid aaO Rdn. 18). Auf die Bestimmung des § 30 VVG a.F. und
seine entsprechende Anwendbarkeit für § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F.
kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
26
d) Das Berufungsgericht hat dies bei seiner Auslegung des Schreibens vom 28. Juli 2006 nicht ausreichend bedacht; es entfernt sich zudem vom eindeutigen Wortlaut der Kündigung. Diese hatte nicht allein
den versicherten Wohnwagen anlässlich des seitens der Beklagten regulierten Sturmschadens zum Gegenstand. Bereits im Briefkopf ihres
Schreibens hat die Beklagte die "Schaustellerkaskoversicherung" mit der
dazu gehörigen Versicherungsnummer …
angeführt,
mithin das Vertragsverhältnis in seiner Gesamtheit bezeichnet. Ferner
wird das Kündigungsrecht gemäß § 13 AVB Schausteller 2001 gegen
- 14 -
Ende des Schreibens ausdrücklich in Bezug genommen, und zwar ohne
jede Einschränkung dahin, dass es sich nur um eine Teilkündigung handeln sollte.
4. Mithin war die Beklagte von der Kündigungsobliegenheit jeden-
27
falls deshalb befreit, weil das Versicherungsverhältnis insgesamt durch
die Kündigung vom 28. Juli 2006 und damit noch vor Beginn der Kündigungsfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. beendet worden ist. Sie hat
dem Kläger daher zu Recht die begehrte Versicherungsleistung versagt.
Terno
Seiffert
Felsch
Dr. Kessal-Wulf
Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 12.06.2008 - 8 O 58/07 OLG Celle, Entscheidung vom 15.01.2009 - 8 U 148/08 -