93 lines
4.8 KiB
Text
93 lines
4.8 KiB
Text
|
5 StR 92/11
|
|||
|
|
|||
|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|||
|
BESCHLUSS
|
|||
|
vom 13. April 2011
|
|||
|
in der Maßregelvollstreckungssache
|
|||
|
gegen
|
|||
|
|
|||
|
-2-
|
|||
|
|
|||
|
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2011
|
|||
|
beschlossen:
|
|||
|
|
|||
|
Das Verfahren ruht bis zur Erledigung des mit Anfragebeschluss des Senats vom 9. November 2010 – 5 StR 394, 440
|
|||
|
und 474/10 – eingeleiteten Verfahrens nach § 132 GVG.
|
|||
|
Bis dahin werden die Akten an das Oberlandesgericht München zur Fortführung der nach § 67e Abs. 1 Satz 1, § 67d
|
|||
|
Abs. 3 Satz 1, Abs. 2, § 67a Abs. 4 Satz 1 StGB gebotenen
|
|||
|
Überprüfungen zurückgegeben.
|
|||
|
|
|||
|
G r ü n d e
|
|||
|
|
|||
|
1
|
|||
|
|
|||
|
Gegen den Verurteilten wird die Maßregel der Unterbringung in der
|
|||
|
Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts Regensburg vom
|
|||
|
29. September 1988 vollstreckt, in dem gegen ihn u.a. wegen versuchter
|
|||
|
Vergewaltigung eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verhängt worden war. Seit dem 5. Januar 1994 wird gegen den Verurteilten die Sicherungsverwahrung – seit 2008 in einem psychiatrischen Krankenhaus – vollzogen.
|
|||
|
|
|||
|
2
|
|||
|
|
|||
|
Nach Rechtskraft des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Individualbeschwerde 19359/04,
|
|||
|
EuGRZ 2010, 25) zur rückwirkenden Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1
|
|||
|
StGB hat das Landgericht Deggendorf durch Beschluss vom 10. Januar 2011
|
|||
|
die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gegen den Verurteilten angeordnet.
|
|||
|
Gleichzeitig hat es den nächsten Termin zur Prüfung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf den 10. Juli 2011 bestimmt und die Einholung eines
|
|||
|
Sachverständigengutachtens zur Frage der Gefährlichkeit des Verurteilten
|
|||
|
|
|||
|
-3-
|
|||
|
|
|||
|
unter Zugrundelegung der vom Senat im Beschluss vom 9. November 2010
|
|||
|
(5 StR 394, 440, 474/10, NJW 2011, 240; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) aufgestellten Grundsätze angeordnet. Das Oberlandesgericht München möchte die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten
|
|||
|
verwerfen. Im Blick auf entgegenstehende Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010
|
|||
|
– 4 StR 577/09, NStZ 2010, 567) und die Rechtsauffassungen des 3. und
|
|||
|
4. Strafsenats (BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2011 – 3 ARs 35/10 und
|
|||
|
18. Januar 2011 – 4 ARs 27/10) hat es die Sache dem Bundesgerichtshof
|
|||
|
gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG vorgelegt.
|
|||
|
3
|
|||
|
|
|||
|
Mit seinem Anfragebeschluss hat der Senat eine rückwirkende Anwendbarkeit des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB grundsätzlich bejaht und wegen
|
|||
|
divergierender Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs
|
|||
|
zur identischen Rechtsfrage sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser
|
|||
|
Rechtsfrage das Verfahren nach § 132 GVG eingeleitet. Dabei hat der Senat
|
|||
|
§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB allerdings weiter einschränkend dahin ausgelegt,
|
|||
|
dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem
|
|||
|
Vollzug für erledigt zu erklären ist, sofern nicht eine hochgradige Gefahr
|
|||
|
schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der
|
|||
|
Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist (Leitsatz 2
|
|||
|
des genannten Beschlusses); bei diesem Maßstab kommt in Ausnahmefällen
|
|||
|
auch eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung in Betracht (Anfragebeschluss Rn. 47).
|
|||
|
|
|||
|
4
|
|||
|
|
|||
|
Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 GVG sind die Akten
|
|||
|
– nicht anders als in den Ausgangsverfahren und weiteren Parallelsachen –
|
|||
|
dem vorlegenden Oberlandesgericht zurückzugeben. Dies gilt auch, soweit
|
|||
|
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – wie hier – nach § 67a
|
|||
|
Abs. 2 Satz 1 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen wird
|
|||
|
(BGH, Beschluss vom 9. Februar 2011 – 5 StR 471/10).
|
|||
|
|
|||
|
-4-
|
|||
|
|
|||
|
5
|
|||
|
|
|||
|
2. Das Verfahren nach § 132 GVG und damit das Ruhen der Parallelsachen wird auch nach Eingang der Antworten der anderen Senate voraussichtlich noch längere Zeit andauern. Im Hinblick darauf müssen die Oberlandesgerichte – vor Klärung der Vorlegungsfrage und ihrer ungeachtet –
|
|||
|
aktuell überprüfen, ob die Freiheitsentziehung gegen den Verurteilten zu beenden ist. Sie haben nach den vorstehend bezeichneten, für sie wegen der
|
|||
|
ausschließlichen Zuständigkeit des Senats (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG) verbindlichen Maßstäben des Anfragebeschlusses zu verfahren.
|
|||
|
|
|||
|
6
|
|||
|
|
|||
|
Hierfür ist zunächst – wie vom Landgericht Deggendorf beabsichtigt –
|
|||
|
eine neue Sachentscheidung nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend notwendig. Ihr ist ein aktuelles Sachverständigengutachten nach § 463 Abs. 3
|
|||
|
Satz 4 StPO zugrunde zu legen, das sich an dem modifizierten engeren Gefahrenbegriff zu orientieren hat; ein solches wird im vorgelegten Fall derzeit
|
|||
|
eingeholt. Sollte danach wegen konkreter höchster Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit (vgl. insbesondere Rn. 42 bis 46 des Anfragebeschlusses) eine weitere Vollstreckung der Maßregel unerlässlich sein, gelten
|
|||
|
die Maßgaben unter Ziffer VII 3 (Rn. 65) des Anfragebeschlusses.
|
|||
|
Basdorf
|
|||
|
|
|||
|
Brause
|
|||
|
Schneider
|
|||
|
|
|||
|
Schaal
|
|||
|
König
|
|||
|
|
|||
|
|