187 lines
6.8 KiB
Text
187 lines
6.8 KiB
Text
|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|||
|
BESCHLUSS
|
|||
|
4 StR 79/15
|
|||
|
vom
|
|||
|
4. Februar 2016
|
|||
|
in der Strafsache
|
|||
|
gegen
|
|||
|
|
|||
|
wegen Betrugs
|
|||
|
|
|||
|
ECLI:DE:BGH:2016:040216B4STR79.15.0
|
|||
|
|
|||
|
-2-
|
|||
|
|
|||
|
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
|
|||
|
|
|||
|
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. September 2014 mit den Feststellungen
|
|||
|
aufgehoben.
|
|||
|
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
|
|||
|
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts
|
|||
|
zurückverwiesen.
|
|||
|
|
|||
|
Gründe:
|
|||
|
|
|||
|
1
|
|||
|
|
|||
|
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 14 Fällen zu der
|
|||
|
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, von welcher
|
|||
|
zwei Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten, mit der er die
|
|||
|
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg.
|
|||
|
|
|||
|
I.
|
|||
|
|
|||
|
2
|
|||
|
|
|||
|
Nach den Feststellungen des Landgerichts gründete der Angeklagte mit
|
|||
|
einem Mitgesellschafter die S.
|
|||
|
|
|||
|
Club GbR, um Anleger zum Zweck
|
|||
|
|
|||
|
-3-
|
|||
|
|
|||
|
des gemeinsamen Wertpapiersparens anzuwerben, die sich mit Bareinzahlungen an der Gesellschaft beteiligten. Die Gelder der Anleger verbrachte der Angeklagte in voller Höhe nach L.
|
|||
|
|
|||
|
, wo sie über ein von ihm eröffnetes
|
|||
|
|
|||
|
Konto zum Zweck des Day Tradings eingesetzt wurden. Die Anlage der Kundengelder erfolgte im hochspekulativen Marktsegment des Währungs- und
|
|||
|
Rohstoffhandels durch die Zeugin P.
|
|||
|
|
|||
|
, die über keinerlei Qualifikation für
|
|||
|
|
|||
|
derartige Geschäfte verfügte.
|
|||
|
|
|||
|
3
|
|||
|
|
|||
|
Der Angeklagte hatte die Zeugin, die krankheitsbedingt in ihrer kognitiven
|
|||
|
Leistungsfähigkeit eingeschränkt war, über keine kaufmännische Ausbildung für
|
|||
|
dieses Marktsegment verfügte und in keinem Arbeitsverhältnis mit Bezug zu
|
|||
|
derartigen Handelsvorgängen beschäftigt gewesen war, als Person kennen gelernt, die über Kenntnisse im Bereich des Day Tradings verfügte. Er konnte die
|
|||
|
ihm zum Zwecke eines Erfolgsnachweises vorgelegten Unterlagen mangels
|
|||
|
eigener Kompetenz nicht verstehen und sah auch die in Aussicht gestellten
|
|||
|
Gewinnversprechungen als überzogen an. Gleichwohl hielt er die Idee, die Gelder seiner Kunden im Day Trading anzulegen, für vielversprechend und glaubte
|
|||
|
der Zeugin P.
|
|||
|
|
|||
|
4
|
|||
|
|
|||
|
letztlich.
|
|||
|
|
|||
|
Im Tatzeitraum zwischen dem 12. Juli 2007 und dem 29. Juli 2009 warb
|
|||
|
der Angeklagte in insgesamt 14 Fällen Gelder bei Anlegern ein. Die entsprechenden Verträge über die Beteiligung an der S.
|
|||
|
|
|||
|
Club GbR sahen
|
|||
|
|
|||
|
dabei teilweise eine Fristbindung der Geldanlage vor. In anderen Fällen sollten
|
|||
|
die Anleger ihre Anlage ohne Fristbindung im Bedarfsfall jederzeit wieder ausgezahlt bekommen können.
|
|||
|
|
|||
|
-4-
|
|||
|
|
|||
|
5
|
|||
|
|
|||
|
In der Folgezeit kam es beim Einsatz der eingeworbenen Gelder im
|
|||
|
Wege des Day Tradings durch die Zeugin P.
|
|||
|
|
|||
|
zu einem Totalverlust auf
|
|||
|
|
|||
|
Seiten der Anleger.
|
|||
|
|
|||
|
II.
|
|||
|
|
|||
|
6
|
|||
|
|
|||
|
Der Schuldspruch wegen Betrugs in 14 Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
|
|||
|
|
|||
|
7
|
|||
|
|
|||
|
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen insbesondere nicht die
|
|||
|
Annahme, der Angeklagte habe hinsichtlich der Schädigung der Anleger vorsätzlich gehandelt.
|
|||
|
|
|||
|
8
|
|||
|
|
|||
|
Die Strafkammer hat einerseits ausdrücklich festgestellt, der Angeklagte
|
|||
|
sei von den Gewinnversprechen der Zeugin P.
|
|||
|
|
|||
|
beeindruckt gewesen. Er
|
|||
|
|
|||
|
habe die Idee, die Gelder seiner Kunden im Day Trading anzulegen, für vielversprechend gehalten. Letztlich habe er, der selbst über keine Kenntnisse auf
|
|||
|
dem Gebiet des Day Tradings verfügt habe, der Zeugin P.
|
|||
|
|
|||
|
geglaubt und
|
|||
|
|
|||
|
sich aufgrund eines „Bauchgefühls“ dazu entschlossen, eine Geschäftsbeziehung zu der Zeugin aufzunehmen (UA S. 12).
|
|||
|
|
|||
|
9
|
|||
|
|
|||
|
Andererseits seien ihm die „Unzulänglichkeiten seiner Day Traderin“
|
|||
|
bekannt gewesen. Ihm sei von Anfang an bewusst gewesen, dass die Kunden
|
|||
|
mit der Hingabe des Geldes keine werthaltige Gegenleistung erlangen würden
|
|||
|
(UA S. 15).
|
|||
|
|
|||
|
-5-
|
|||
|
|
|||
|
10
|
|||
|
|
|||
|
Mit diesen widersprüchlichen Feststellungen ist die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe hinsichtlich der Herbeiführung des Vermögensschadens „mit direktem Vorsatz“ gehandelt (UA S. 53), ebenso wenig vereinbar
|
|||
|
wie die Bejahung eines für die Verurteilung wegen Betrugs hinreichenden bedingten Vorsatzes.
|
|||
|
|
|||
|
11
|
|||
|
|
|||
|
2. Im Hinblick auf die Feststellungen zum äußeren Tatbestand des Betrugs weist der Senat auf Folgendes hin:
|
|||
|
|
|||
|
12
|
|||
|
|
|||
|
a) Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird im Fall einer erneuten Verurteilung eindeutige Feststellungen zu der Frage zu treffen haben,
|
|||
|
über welche tatsächlichen Umstände der Angeklagte konkret getäuscht haben
|
|||
|
soll.
|
|||
|
|
|||
|
13
|
|||
|
|
|||
|
b) Hinsichtlich des Vermögensschadens bemerkt der Senat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 17. August 2015, dass die von der Strafkammer vorgenommene
|
|||
|
Differenzierung zwischen fristgebundenen Anlagen, hinsichtlich derer eine hälftige Wertminderung eingetreten sei, und nicht fristgebundenen Anlagen, bei
|
|||
|
denen ein Schaden in voller Höhe vorliegen soll, auf der Grundlage der bisher
|
|||
|
getroffenen Feststellungen nicht nachvollzogen werden kann.
|
|||
|
|
|||
|
III.
|
|||
|
|
|||
|
14
|
|||
|
|
|||
|
Angesichts des Erfolgs der Sachrüge kommt es auf die erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht mehr an. Mit Blick auf das künftige Verfahren
|
|||
|
bemerkt der Senat:
|
|||
|
|
|||
|
-6-
|
|||
|
|
|||
|
15
|
|||
|
|
|||
|
Die Vorschrift des § 76 Abs. 3 GVG in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und
|
|||
|
Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom
|
|||
|
6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2554) sieht vor, dass die Mitwirkung eines dritten
|
|||
|
Richters in der Regel notwendig ist, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich
|
|||
|
länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist. Diese Bestimmung dient nach den Gesetzesmaterialien (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 17/6905 S. 8 f.) dem
|
|||
|
Zweck, die für die Besetzungsentscheidung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3
|
|||
|
GVG maßgeblichen unbestimmten Rechtsbegriffe des Umfangs und der
|
|||
|
Schwierigkeit der Sache in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, NStZ 2011,
|
|||
|
52) näher zu konturieren. Von der in § 76 Abs. 3 GVG vorgesehenen regelmäßigen Dreierbesetzung soll nur abgewichen werden, wenn im Einzelfall bei
|
|||
|
einer solchen Sache die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters nicht notwendig
|
|||
|
erscheint (BT-Drucks. 17/6905 aaO).
|
|||
|
|
|||
|
16
|
|||
|
|
|||
|
Vor dem Hintergrund der danach nicht bedenkenfreien Besetzungsentscheidung vom 3. April 2014 wird sich für die neu zur Entscheidung berufene
|
|||
|
Strafkammer empfehlen, von der Möglichkeit des § 76 Abs. 5 GVG Gebrauch
|
|||
|
zu machen und unter Berücksichtigung des verbleibenden Verfahrensstoffes
|
|||
|
|
|||
|
-7-
|
|||
|
|
|||
|
nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 und 3 GVG erneut über ihre Besetzung zu befinden.
|
|||
|
|
|||
|
Sost-Scheible
|
|||
|
|
|||
|
Roggenbuck
|
|||
|
|
|||
|
Franke
|
|||
|
|
|||
|
Cierniak
|
|||
|
|
|||
|
Bender
|
|||
|
|
|||
|
|