Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/4_str__52-11.pdf.txt

240 lines
7.3 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 52/11
vom
3. März 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
zu 1.: wegen versuchten Totschlags u.a.
zu 2.: wegen schweren Raubes u.a.
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. März 2011 beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten S.
wird das
Urteil des Landgerichts Rostock vom 3. September 2010,
soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,
a)
soweit er wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt
worden ist,
b)
2.
im Strafausspruch.
Auf die Revision des Angeklagten C.
wird das
vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in zwei
Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit besonders
schwerem Raub, schuldig ist,
b)
im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten S.
wird verworfen.
-3-
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
1
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen (besonders) schweren
Raubes (qualifiziert nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung zu Jugendstrafen von sechs Jahren und zehn Monaten
(S.
) bzw. drei Jahren und sechs Monaten (C.
lich des Angeklagten S.
) verurteilt; hinsicht-
hat es außerdem eine Adhäsionsentscheidung
zu Gunsten des durch die letztgenannte Tat Geschädigten getroffen. Gegen
dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; wobei sich der Revisionsangriff des Angeklagten C.
, wie sich aus dem Revisionsantrag und der Begründung ergibt,
auf die Verurteilung wegen versuchten Totschlags beschränkt.
2
Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; die weiter gehende Revision des Angeklagten S.
ist unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
3
Die Verurteilungen der Angeklagten wegen versuchten Totschlags halten
rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wollten die Angeklagten unter Einsatz eines Springmessers einen zufällig vorbeikommenden
Passanten berauben. In Ausführung dieses Plans fiel der Angeklagte S.
den Zeugen R.
mit einer Art Karatesprung an. Es entwickelte sich zwi-
schen beiden ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Angeklagte S.
dem
-4-
Zeugen mit bedingtem Tötungsvorsatz je zwei kräftig geführte Messerstiche in
die Brust und in den Beckenraum versetzte. Der Angeklagte C.
, der den
Überfall beobachtet und mit seinem Butterflymesser spielend abgesichert hatte,
forderte den Mitangeklagten mehrfach auf, zu ihm zu kommen. Beide verließen
sodann den Tatort, ohne den Zeugen zu berauben. Der Zeuge setzte zunächst
seinen Weg fort, da er die Stiche nur als Schläge wahrgenommen hatte, musste
sich dann aber mit Hilfe des Rettungsdienstes wegen der abstrakt lebensgefährlichen Verletzungen in stationäre Krankenhausbehandlung begeben.
5
2. Die Verurteilung des Angeklagten S.
wegen versuchten Tot-
schlags hat keinen Bestand.
6
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, als er dem Zeugen die wuchtigen Messerstiche versetzte (UA 11, 12). Es
hat aber zur Frage eines strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch
lediglich ausgeführt, dass ein solcher ausscheide, "da der Versuch beendet war
und der bloße Abbruch der Tathandlung deshalb für einen strafbefreienden
Rücktritt nicht genügt" (UA 14).
7
Diese Begründung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Für
die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die
Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts kommt es darauf an, ob der Täter
nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den
Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont;
st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, BGHSt 33,
295, 298; Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227
m.w.N.). Ein beendeter Versuch ist ferner auch dann anzunehmen, wenn ein
-5-
Täter sich nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellungen über die
Folgen seines Tuns macht (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR
449/94, BGHSt 40, 304, 306).
8
Mit der Frage des Rücktrittshorizonts hat sich das Landgericht gar nicht
befasst. Dabei hätte es entsprechender Darlegungen hier umso mehr bedurft,
als das Opfer trotz der Stichverletzungen nicht zu Boden gegangen war und
zunächst seinen Weg fortsetzen konnte. Auch dafür, dass sich der Angeklagte
nach dem Zustechen keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns gemacht
hat, geben die bisherigen Feststellungen keinen hinreichenden Anhalt.
9
Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der für sich gesehen
rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung des Angeklagten wegen der
tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des
Zeugen R.
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR
StPO § 353 Aufhebung 1; vgl. auch KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 12).
10
3. Hinsichtlich des Angeklagten C.
belegen, wie auch der Gene-
ralbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, die Feststellungen lediglich, dass er sich der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5, § 25 Abs. 2 StGB, nicht jedoch auch
eines versuchten Totschlags schuldig gemacht hat.
11
Jeder Mittäter haftet für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines
- zumindest bedingten - Vorsatzes; er ist also für den Taterfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur
Last fällt; Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, werden jedoch vom Willen
-6-
des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat
(st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, BGHR
StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32; Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09).
12
Nach den Feststellungen wusste der Angeklagte C.
zwar, dass bei
dem Raubüberfall auf einen Passanten ein Messer zum Einsatz kommen sollte
(UA 7). Dass er auch eine Tötung des Opfers billigend in Kauf genommen hat,
ist aber nicht belegt. Dagegen spricht im Übrigen schon, dass er, als er sah, mit
welcher Wucht der Mitangeklagte zustach, diesen mehrfach aufforderte, zu ihm
zu kommen, sich also von dem Geschädigten zu entfernen. Das Vorgehen des
Mitangeklagten überstieg in seiner Schwere und Gefährlichkeit den gemeinsamen Tatplan so erheblich, dass er als wesentliche Abweichung anzusehen ist,
mit der der Angeklagte nicht rechnen musste.
13
Da nicht zu erwarten ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die einen bedingten Tötungsvorsatz belegen,
stellt der Senat den Schuldspruch insoweit um.
-7-
II.
14
Die Teilaufhebung bzw. Abänderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.
Ernemann
Solin-Stojanović
Franke
Roggenbuck
Mutzbauer