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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 419/16
vom
7. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:071216B4STR419.16.0
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Dezember 2016 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 15. Juni 2016 mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu der
Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet
sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs, im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
-3-
2
Hinsichtlich des Schuldspruchs hat die Prüfung des angefochtenen
Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben.
3
Dagegen können der Strafausspruch und die Entscheidung, von einer
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, nicht
bestehen bleiben.
4
1. Nach den Feststellungen würgte der Angeklagte, der zuvor größere
Mengen alkoholischer Getränke zu sich genommen hatte, die Geschädigte, mit
der er eine Beziehung unterhielt, am Abend des 17. August 2015 in ihrer Wohnung mit seinen Händen am Hals. Im weiteren Handgemenge schlug er sie mit
seinen Händen an diversen Stellen ihres Körpers und schleifte sie halb liegend
durch die Wohnung. Hierdurch erlitt die Geschädigte Würgemale am Hals sowie
multiple Prellungen an den Armen und Beinen, im Bereich zweier Rippen und
am Kopf. Seit 15. März 2016 sind die Geschädigte und der Angeklagte verlobt.
Der Strafzumessung hat die Strafkammer den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt und dem Angeklagten unter anderem zugutegehalten, dass er sich mit der Geschädigten ausgesöhnt hat. Angesichts der von ihr angenommenen Aussöhnung zwischen der
Geschädigten und dem Angeklagten hätte sich die Strafkammer indes zur Prüfung veranlasst sehen müssen, ob die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB erfüllt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 - 3 StR 41/01, StV 2001, 457; Urteil vom 28. Januar 2016 - 3 StR
354/15, NStZ 2016, 401 f.). Dass ein Opfer dem Täter den Täter-Opfer-Ausgleich leicht macht, indem es an das Maß der Wiedergutmachungsbemühungen
keine hohen Anforderungen stellt und schnell zu einer Versöhnung bereit ist,
-4-
steht der Bejahung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 - 3 StR 41/01 aaO).
5
Der Senat kann - trotz der strafmildernden Berücksichtigung der Aussöhnung im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne - nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht im Falle einer weiteren
Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB eine mildere
Freiheitsstrafe verhängt hätte.
6
2. Die Entscheidung des Landgerichts, wegen fehlender Erfolgsaussichten von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat - sachverständig beraten angenommen, dass beim Angeklagten eine Therapiemotivation nicht gegeben
sei und auch nicht geweckt werden könne. Diese Bewertung hat es maßgeblich
darauf gestützt, dass der Angeklagte in der Vergangenheit nach anfänglichem
Bemühen eine Therapie gegen Alkoholabhängigkeit bei der Caritas kurzfristig
abbrach und im Anschluss an die abgeurteilte Tat eine Entgiftungsbehandlung
bereits nach zwei Tagen beendete, weil er nicht bereit war, sich den Stationsregeln zu unterwerfen. Indem die Strafkammer ausschließlich die vom Angeklagten bislang freiwillig unternommenen „niederschwelligen“ Versuche einer
Therapie in den Blick genommen hat, hat sie es versäumt, sich wie geboten mit
der Frage zu befassen, ob bei dem Angeklagten die Bereitschaft, sich auf eine
Behandlung seines Alkoholmissbrauchs im Rahmen einer Unterbringung nach
§ 64 StGB einzulassen, durch therapeutische Maßnahmen im Maßregelvollzug
geweckt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober
2016 - 4 StR 408/16 Rn. 7; vom 25. April 2013 - 5 StR 104/13, NStZ-RR 2013,
239, 240; vom 22. September 2010 - 2 StR 268/10, NStZ-RR 2011, 203; vom
-5-
5. Mai 2009 - 4 StR 99/09, NStZ-RR 2009, 277). Darüber hinaus lassen die
Urteilsausführungen eine Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten vermissen, wonach er nach der Tat, die für ihn ein „Denkzettel" gewesen sei, seinen Alkoholkonsum erheblich reduziert habe.
7
Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, deren Voraussetzungen nach den bislang getroffenen Feststellungen
nicht fernliegen, bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3
StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Bender
Cierniak
Paul