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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 270/00
vom
17. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Oktober
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Landshut vom 14. Februar 2000
a) mit den Feststellungen in demjenigen unter Ziffer II.2.d der
Urteilsgründe festgestellten Falle, in dem der Angeklagte der
Geschädigten mit Vergewaltigung gedroht hat, sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von
Schutzbefohlenen in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
und drei Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision in einem der abgeurteilten
Fälle auch eine Verurteilung wegen tateinheitlich begangener sexueller Nötigung. Hierauf ist ihr Rechtsmittel wirksam beschränkt. Zwar hat die Beschwerdeführerin einen unbeschränkten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag
-4-
gestellt. Dieser steht aber im Widerspruch dazu, daß sie ihre Revision lediglich
mit Ausführungen zu dem im Tenor bezeichneten Fall begründet. Deshalb ist
das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGHR
StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 5 m.w.N.),
die hier einen entsprechenden Beschränkungswillen der Beschwerdeführerin
ergibt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, daß die vom Landgericht gegebene Begründung, mit der es in einem der unter Ziffer II. 2.d der Urteilsgründe festgestellten Fälle die Annahme einer tateinheitlich begangenen
sexuellen Nötigung abgelehnt hat, nicht tragfähig ist.
a) Nach den getroffenen Feststellungen legte sich der Angeklagte auf
der Wohnzimmercouch in seiner Wohnung auf seine zur Tatzeit 15-jährige
Tochter, die zu diesem Zeitpunkt mit ihm allein in der Wohnung lebte. Er drohte
ihr, falls sie "es nicht mache", werde er sie vergewaltigen. Er versuchte, sein
Glied in die Scheide des Mädchens einzuführen. Ein vollständiges Eindringen
des Angeklagten konnte die Geschädigte dadurch verhindern, daß sie sich
verkrampfte.
Das Landgericht sieht hierin keine vollendete sexuelle Nötigung und
keine Vergewaltigung im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1
StGB. Es ist der Ansicht, die Drohung des Angeklagten, er werde seine Tochter
vergewaltigen, sei keine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Dafür sei nicht jede drohende einfache Körperverletzung ausreichend, sondern nur "eine schwerere". Eine Vergewaltigung müsse aber nicht notwendig auch eine erhebliche Körperverletzung mit sich bringen.
-5-
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs erfordert das Merkmal der Drohung mit Gefahr für Leib
oder Leben eine gewisse Schwere des in Aussicht gestellten Angriffs auf die
körperliche Unversehrtheit. Deshalb ist nicht jede Drohung mit einer Handlung,
die im Falle ihrer Verwirklichung Gewalt wäre, eine Drohung mit Gefahr für Leib
oder Leben (vgl. BGH StV 1994, 127 m.w.N.). Der Senat hat indes bereits früher hervorgehoben, daß die Androhung gegenüber einer 11-jährigen Tochter,
mit ihr gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr auszuführen, mehr als nur
die Androhung einer letztlich nicht sehr bedeutsamen Beeinträchtigung der
körperlichen Integrität ist; sie ist in ihrem Gewicht mit der Androhung etwa einer
Ohrfeige nicht vergleichbar (so BGHR StGB § 178 Abs. 1 Drohung 1). So liegt
es auch hier. Der Gebrauch des Begriffs der Vergewaltigung durch den Angeklagten im Geschehenszusammenhang schloß erkennbar die Anwendung von
Gewalt, also den Einsatz wenigstens solcher Körperkraft ein, die erforderlich
gewesen wäre, nachhaltigere Abwehrreaktionen des Opfers zu brechen und
den Geschlechtsverkehr gegen dessen Willen zu vollziehen. Eine solche - hier
konkret in Aussicht gestellte - Verletzung der körperlichen Integrität der
15-jährigen leiblichen Tochter durch den Vater ist unter den gegebenen Umständen ersichtlich von solcher Intensität und Erheblichkeit, daß sie die Voraussetzungen gegenwärtiger Leibesgefahr für das Opfer (im Sinne des § 177
Abs. 1 Nr. 2 StGB) erfüllt (vgl. auch zur Erschöpfung und Ermüdung eines
zehnjährigen Opfers als Gewaltanwendung: BGH NStZ 1996, 276; zur Berücksichtigung der Situation des Opfers: BGH bei Miebach NStZ 1993, 225 Nr. 22).
Das Landgericht hat mithin die Anforderungen an die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals überspannt.
b) Die Strafkammer geht weiter zu Gunsten des Angeklagten davon aus,
dieser habe die Gegenwehr der Geschädigten nicht bemerkt und damit inso-
-6-
weit ohne Vorsatz (Nötigungsvorsatz) gehandelt. Dabei stützt es sich auf die
Angaben der Geschädigten, die bekundet hatte, sie könne nicht sagen, ob der
Angeklagte ihren Widerstand bemerkt habe. Sie habe ein Eindringen des Angeklagten dadurch vermeiden können, daß sie sich versteift oder einfach das
Glied des Angeklagten mit der Hand weggedrückt habe.
Diese Würdigung des Landgerichts ist in tatsächlicher Hinsicht lückenhaft. Die Strafkammer hätte sich zur Frage des Nötigungsvorsatzes des Angeklagten mit den gesamten festgestellten Tatumständen auseinandersetzen
müssen, denen insoweit indizielle Bedeutung zukommen kann. Schon die
Rahmenumstände des Tatgeschehens deuteten hier darauf hin, daß die gerade 15 Jahre alt gewordene leibliche Tochter des Angeklagten nicht freiwillig zur
Duldung oder Vornahme sexueller Handlungen bereit war. In diesem Zusammenhang kann weiter von Bedeutung sein, daß die Geschädigte sich auch in
den anderen Fällen des sexuellen Mißbrauchs zumeist verkrampfte oder einfach das Glied des Angeklagten mit ihrer Hand wegdrückte, um ein Eindringen
in die Scheide zu verhindern. In weiteren Fällen des Oralverkehrs mußte sie
würgen und sich einmal auch übergeben. Der Angeklagte erklärte darauf, sie
solle das nicht vortäuschen. Das, aber auch der Umstand, daß der Angeklagte
in der gegebenen Situation überhaupt die Drohung aussprach, er werde seine
Tochter vergewaltigen, falls sie "es nicht mache", kann Schlüsse auf einen entsprechenden Nötigungsvorsatz des Angeklagten ermöglichen und bedurfte
deshalb tatrichterlicher Würdigung. Das bloße Abstellen auf die Aussage der
Geschädigten, die nicht zu sagen vermochte, ob der Angeklagte bemerkte, daß
sie "sich sperrte", greift hier zu kurz.
2. Nach allem ist in dem bezeichneten Falle eine erneute tatrichterliche
Würdigung geboten. Das bedingt auch den Wegfall der insoweit zugemesse-
-7-
nen Einzelstrafe sowie die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des
§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegen, der Angeklagte also eine Lage des Opfers
ausgenutzt hat, in der dieses seiner Einwirkung schutzlos ausgeliefert war.
Das Revisionsvorbringen der Beschwerdeführerin gibt darüber hinaus
Anlaß zu dem Hinweis, daß die bisherigen Feststellungen nicht sicher ergeben,
ob der Angeklagte den Beischlaf mit seiner Tochter vollzogen hat. Ein vollständiges Eindringen des Gliedes in die Scheide ist dazu nicht erforderlich (vgl.
BGHSt 16, 175; 37, 153, 154). Wäre es - unter den Voraussetzungen einer
Nötigung - zur Vollendung des Beischlafes (i.S.v. BGHSt 16, 175) gekommen,
könnte der Angeklagte das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt
haben und der Vergewaltigung schuldig zu sprechen sein. Läge indessen nur
eine "versuchte Vergewaltigung" bei vollendeter sexueller Nötigung (§ 177
Abs. 1 StGB) vor, müßte die Tatvollendung (sexuelle Nötigung) im Schuldspruch zum Ausdruck kommen. Die Tat kann in einem solchen Falle nicht nur
als Versuch bezeichnet werden (BGH NJW 1998, 2987, 2988).
3. Die auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der
Staatsanwaltschaft hin gemäß § 301 StPO gebotene Nachprüfung des angefochtenen Urteils in dem hier allein in Rede stehenden Einzelfall auf etwaige
den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler hat einen solchen nicht ergeben.
Die unter Ziffer II. 2.d der Urteilsgründe festgestellte Tat, um die es hier geht,
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ist noch hinreichend konkretisiert und auch gegen die weiteren Einzelfälle abgrenzbar. Sie zeichnet sich durch die Besonderheit aus, daß der Angeklagte
der Geschädigten mit ihrer Vergewaltigung drohte.
Schäfer
Nack
Schluckebier
Wahl
Schaal