118 lines
6.4 KiB
Text
118 lines
6.4 KiB
Text
|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|||
|
BESCHLUSS
|
|||
|
1 StR 153/02
|
|||
|
vom
|
|||
|
14. August 2002
|
|||
|
in der Strafsache
|
|||
|
gegen
|
|||
|
|
|||
|
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
|
|||
|
|
|||
|
-2-
|
|||
|
|
|||
|
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. August 2002 beschlossen:
|
|||
|
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
|
|||
|
Nürnberg-Fürth vom 13. Dezember 2001 wird als unbegründet
|
|||
|
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
|
|||
|
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
|
|||
|
|
|||
|
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der
|
|||
|
Senat:
|
|||
|
|
|||
|
1. Es bestand keine Hinweispflicht wegen veränderter Sachlage. Der im
|
|||
|
Urteil festgestellte Geschehensablauf weicht nicht wesentlich von der Anklage
|
|||
|
ab; jedenfalls aber war die Abweichung aus dem Gang der Hauptverhandlung
|
|||
|
erkennbar.
|
|||
|
|
|||
|
a) Allerdings geht die Anklageschrift – anders als das Urteil – von einem
|
|||
|
durch die Schläge des Angeklagten verursachten Treppensturz der Ehefrau
|
|||
|
aus. Im Hinblick darauf, daß sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung damit verteidigt hatte, der Treppensturz sei während seiner Abwesenheit erfolgt –
|
|||
|
Ursache der tödlichen Verletzungen sei also ein Unfall –, läge in der Tat eine
|
|||
|
wesentliche Abweichung vor, wenn die Anklage von einem – vom Verhalten
|
|||
|
|
|||
|
-3-
|
|||
|
|
|||
|
des Angeklagten unabhängigen – Treppensturz als a l l e i n i g e r
|
|||
|
|
|||
|
Ursache
|
|||
|
|
|||
|
der tödlichen Verletzung ausgegangen wäre.
|
|||
|
Dies trifft indessen nicht zu. Nach dem Anklagesatz sollen die Tätlichkeiten des Angeklagten dazu geführt haben, daß die Ehefrau die Kellertreppe
|
|||
|
hinunterstürzte. Im wesentlichen Ermittlungsergebnis ist ausgeführt, daß sich
|
|||
|
das wirkliche Tatgeschehen aufgrund der gesicherten Spuren nur in groben
|
|||
|
Zügen ableiten lasse (S. 7). Es könne ausgeschlossen werden, daß die Ehefrau die Verletzungen allein aufgrund des Treppensturzes erlitten habe; die
|
|||
|
Verletzungen ließen vielmehr nur die Deutung zu, daß die Ehefrau massiv verprügelt worden sei (S. 14).
|
|||
|
|
|||
|
Das zum Tode führende Kerngeschehen umschreiben Anklage und Urteil somit im wesentlichen gleich. Es waren die massiven Faustschläge des Angeklagten, insbesondere gegen den Schädel der Ehefrau, die zum Aufschlag
|
|||
|
ihres Hinterkopfes und zur Bewußtlosigkeit führten. Auch wenn die Ehefrau
|
|||
|
dabei die Treppe hinunter gestürzt sein sollte, so wäre dies im Hinblick auf die
|
|||
|
Verantwortlichkeit des Angeklagten für die ihm angelastete Körperverletzung
|
|||
|
mit Todesfolge keine wesentliche Veränderung der Sachlage, da sowohl nach
|
|||
|
der Anklage als auch nach dem Urteil seine massiven Faustschläge die entscheidende Todesursache gesetzt haben. Die Frage der Veränderung ist nämlich nicht an der (vom Anklagevorwurf abweichenden) Verteidigungsstrategie,
|
|||
|
sondern an der zugelassenen Anklage zu messen. Der in der Anklage geschilderte Sachverhalt kann nur dahin verstanden werden, daß der Treppensturz
|
|||
|
anläßlich der Gewalteinwirkungen des Angeklagten herbeigeführt wurde und
|
|||
|
somit allenfalls mitursächlich für die Todesfolge war. Von einem Treppensturz
|
|||
|
in Abwesenheit des Angeklagten ging die Anklage gerade nicht aus; er lag zudem eher fern (vgl. UA S. 22 oben).
|
|||
|
|
|||
|
-4-
|
|||
|
|
|||
|
b) Im übrigen mußte der Angeklagte auch aus dem Gang der Hauptverhandlung die naheliegende Möglichkeit erkennen, daß das Landgericht einen
|
|||
|
(mitursächlichen) Treppensturz ausschließen würde. Genau dazu wurde der
|
|||
|
Sachverständige Dr. B.
|
|||
|
|
|||
|
– ersichtlich ausführlich – vernommen (UA S. 40/41,
|
|||
|
|
|||
|
43). Nach dessen Auffassung sprach gegen einen Treppensturz insbesondere,
|
|||
|
daß die Leiche keine Einblutungen in der zentralen Rückenpartie aufwies. Damit aber war für jeden Verfahrensbeteiligten offenkundig, daß – abweichend
|
|||
|
von der Annahme der Anklage – ein Treppensturz ernsthaft auszuschließen
|
|||
|
war, und daß das Landgericht sich dem Sachverständigenbefund anschließen
|
|||
|
könnte.
|
|||
|
|
|||
|
c) Auch hinsichtlich der im Urteil festgestellten „alsbaldigen Umlagerung“
|
|||
|
der Ehefrau durch den Angeklagten vom Kellervorraum auf die Treppe bestand
|
|||
|
keine Hinweispflicht.
|
|||
|
|
|||
|
Soweit dies für den Senat rekonstruierbar ist, konnte diese Feststellung
|
|||
|
die Verteidigung angesichts des in der Hauptverhandlung erörterten Aufschlagorts für die massive Schädelverletzung nicht überraschen. Zwar hatte der
|
|||
|
Sachverständige Dr. B.
|
|||
|
|
|||
|
den Kellervorraum „als möglichen Geschehensort
|
|||
|
|
|||
|
lediglich mit der Erwägung ausgeschlossen, daß die sofort blutende Rißquetschwunde am Hinterhaupt bei entsprechender Verweildauer zu Blutantragungen am Aufschlagpunkt führen müsse, dergleichen aber im Kellervorraum
|
|||
|
nicht in nennenswertem Umfang vorhanden gewesen sei.“ Damit mußte den
|
|||
|
Verfahrensbeteiligten aber klar sein, daß das Gericht die Prämisse der „entsprechenden Verweildauer“ im Kellervorraum für relevant halten würde. Der
|
|||
|
Revision ist zuzugeben, daß das Urteil sich nicht dazu verhält, ob der Sachver-
|
|||
|
|
|||
|
-5-
|
|||
|
|
|||
|
ständige dazu befragt wurde, inwieweit das Blutspurenbild auch mit einer „alsbaldigen Umlagerung“ vereinbar ist. Damit wird geltend gemacht, ein Beweismittel sei nicht ausgeschöpft worden. Unbeschadet des Umstands, daß
|
|||
|
|
|||
|
-6-
|
|||
|
|
|||
|
eine solche Befragung für das Revisionsgericht nicht zuverlässig rekonstruierbar ist, kann dem Befund des Sachverständigen im Umkehrschluß entnommen
|
|||
|
werden, daß dieser das Blutspurenbild mit einer nur kurzen Verweildauer des
|
|||
|
Opfers im Kellervorraum für vereinbar gehalten hat; andernfalls machte seine
|
|||
|
Einschränkung „bei entsprechender Verweildauer“ keinen Sinn.
|
|||
|
|
|||
|
2. Die Beweiswürdigung enthält keine sachlich-rechtlichen Fehler.
|
|||
|
|
|||
|
a) Die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe seine Ehefrau (zunächst) auf die Treppe gelegt, um das vorangegangene Geschehen zu
|
|||
|
verheimlichen (und einen versehentlichen Treppensturz vorzutäuschen), ist mit
|
|||
|
der (nochmaligen) Umlagerung in den Vorraum durchaus vereinbar. Wenn er –
|
|||
|
wovon das Landgericht ausgeht (UA S. 8) beim Eintreffen der von ihm herbeigerufenen Polizei einen Unglücksfall vortäuschen wollte, so ist die Lagerung
|
|||
|
der Ehefrau in stabiler Seitenlage im Vorraum durchaus stimmig.
|
|||
|
|
|||
|
-7-
|
|||
|
|
|||
|
b) Auch einen Treppensturz hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen (UA S. 40, 43). Die daran anschließenden Ausführungen des Sachverständigen auf UA S. 40/41 betreffen lediglich die Hilfserwägung, ob der Angeklagte – wie er angab – seine Ehefrau „in gestreckter Rückenlage auf der
|
|||
|
Treppe aufgefunden“ haben kann.
|
|||
|
|
|||
|
Schäfer
|
|||
|
|
|||
|
Nack
|
|||
|
Schluckebier
|
|||
|
|
|||
|
Boetticher
|
|||
|
Hebenstreit
|
|||
|
|
|||
|
|