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234 lines
13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 162/00
  4. vom
  5. 23. Juli 2003
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1, Abs. 4 i.V. mit Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5;
  11. BetrAVG § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2
  12. Zur Ermittlung des Ehezeitanteils sowie zur Umwertung eines Anrechts der betrieblichen Altersversorgung, wenn diese in Form einer Direktversicherung gewährt wird.
  13. BGH, Beschluß vom 23. Juli 2003 - XII ZB 162/00 - OLG Karlsruhe
  14. AG Schwetzingen
  15. -2-
  16. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
  17. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt
  18. beschlossen:
  19. Auf die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. August 2000 aufgehoben.
  20. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
  21. über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  22. Beschwerdewert: 511,29
  23. 
  24. 1.000 DM).
  25. Gründe:
  26. I.
  27. Die am 13. Juni 1969 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der
  28. Ehefrau (Antragsgegnerin) am 18. September 1998 zugestellten Antrag des
  29. Ehemannes (Antragsteller) durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwetzingen vom 22. Juli 1999 (insoweit rechtskräftig seit dem
  30. 16. Dezember 1999) geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.
  31. Während der Ehe (1. Juni 1969 bis 31. August 1998, § 1587 Abs. 2 BGB)
  32. erwarb die Ehefrau nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Renten-
  33. -3-
  34. anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 1 - BfA) in Höhe von
  35. 1.162,29 DM. Daneben besteht ein auf die Ehezeit entfallendes Anrecht der
  36. betrieblichen Altersversorgung, zu dessen Höhe die Instanzgerichte keine Feststellungen getroffen haben, weil das Anrecht noch nicht unverfallbar sei.
  37. Der Ehemann erwarb während der Ehezeit ebenfalls Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der BfA, und zwar nach den
  38. Feststellungen des Oberlandesgerichts in Höhe von 1.072,68 DM. Außerdem
  39. besteht für den Ehemann aus einer als betriebliche Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung seines Arbeitgebers, der L.
  40. desbausparkasse, bei der Ö.
  41. Lan-
  42. AG (weitere Beteiligte
  43. zu 2) ein ehezeitliches Deckungskapital von 120.382,06 DM.
  44. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es
  45. für die Ehefrau im Wege der Realteilung bei der Ö.
  46. AG
  47. ebenfalls eine Rentenversicherung begründet, dem für den Ehemann bei der
  48. Ö.
  49. AG bestehenden Deckungskapital hierzu einen
  50. Teilbetrag von 48.935,78 DM entnommen und die Berechnung der Rentenversicherung der Ehefrau unter Zugrundelegung dieses Betrags dem Versorgungsträger überlassen hat. Dabei hat es aus dem für den Ehemann bestehenden ehezeitlichen Deckungskapital durch dessen fiktive Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung eine volldynamische Rente von [120.382,06
  51. x 0,0000916571 x 47,65 DM =] 525,77 DM ermittelt und die Ausgleichsforderung der Ehefrau mit [(1.072,68 + 525,77 =) 1.598,45 - 1.162,29 DM
  52. = 436,16 DM : 2 =] 218,08 DM errechnet; das sind [(218,08 x 100) : (525,77 : 2)
  53. =] 82,96 % des Betrages, der bei hälftiger Teilung des für den Ehemann bei der
  54. Ö.
  55. AG bestehenden ehezeitlichen Anrechts auf die
  56. Ehefrau entfiele. Das Amtsgericht hat daher das Deckungskapitel, das bei hälf-
  57. -4-
  58. tiger Teilung des ehezeitlichen Anrechts nach Vornahme satzungsmäßiger Abschläge für die Ehefrau zur Verfügung stünde und das sich nach Mitteilung des
  59. Versorgungsträgers auf 58.987,20 DM beläuft, auf 82,96 % dieses Betrags gekürzt und der Ehefrau im Wege der Realteilung Deckungskapital in Höhe von
  60. nur [58.987,20 x 82,96 : 100 =] 48.935,78 DM gutgebracht.
  61. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Ehefrau gerügt, daß
  62. die Bewertung der bei der Ö.
  63. AG begründeten An-
  64. rechte des Ehemannes anhand der Barwert-Verordnung zu einer Unterbewertung dieser Anrechte führe, die gegen Art. 3 GG verstoße. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde, mit der die Ehefrau weiterhin die Abänderung der
  65. Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
  66. II.
  67. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.
  68. 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts findet für die Umrechnung
  69. von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung - hier: des Ehemannes bei
  70. der Ö.
  71. AG - nach der ausdrücklichen Bestimmung des
  72. § 1587a Abs. 4 BGB die Regelung des Abs. 3 Nr. 2 und damit die Barwert-Verordnung Anwendung. Diese Vorschrift sichere die Anwendung der
  73. Barwert-Verordnung auf alle Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die
  74. nicht volldynamisch seien; dies gelte auch dann, wenn die Versorgungsleistungen aus einem individuellen Deckungskapital oder einer vergleichbaren Dekkungsrücklage gewährt würden.
  75. -5-
  76. Diese Auffassung entspricht zwar der Rechtsprechung des Senats (Beschluß vom 29. September 1993 - XII ZB 31/90 - FamRZ 1994, 23, 24). Sie findet in dem angefochtenen und vom Oberlandesgericht bestätigten Urteil des
  77. Amtsgerichts aber keinen Niederschlag.
  78. a) Das Amtsgericht geht - vom Oberlandesgericht unbeanstandet - bereits von einem fehlerhaft ermittelten Ehezeitanteil des für den Ehemann bei der
  79. Ö.
  80. AG begründeten Anrechts aus.
  81. In Übereinstimmung mit der vom Versorgungsträger erteilten Auskunft
  82. hat das Amtsgericht den Ehezeitenanteil dieser Versorgung ersichtlich auf der
  83. Grundlage des Deckungskapitals bemessen, das für den Ehemann in der Zeit
  84. vom Versicherungsbeginn bis zum Ehezeitende angespart worden ist. Das ist
  85. jedoch nicht richtig. Der Ehezeitanteil von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung ist auch dann nach Maßgabe des § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB
  86. zeitratierlich aus der zugesagten Versorgungsleistung zu ermitteln, wenn die
  87. betriebliche Altersversorgung des Ehemannes in Form einer Direktversicherung
  88. gewährt wird. Auch in einem solchen Fall ist, wenn - wie hier - die Betriebszugehörigkeit des Anrechtsinhabers zum Ehezeitende andauert, deshalb grundsätzlich der Teil der künftigen Versicherungsleistung auszugleichen, der dem
  89. Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zur gesamten, auf
  90. die vorgesehene Altersgrenze hochgerechneten Betriebszugehörigkeit entspricht (§ 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 lit. a BGB). Der Umstand, daß im vorliegenden Fall die Direktversicherung erst nach der Eheschließung begründet und
  91. das bis zum Ehezeitende angesparte Deckungskapital deshalb ausschließlich
  92. in der Ehezeit erworben worden ist, ändert daran nichts.
  93. Allerdings kann die von § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB vorgegebene
  94. Berechnungsweise bei Direktversicherungen zu Problemen führen, wenn sich
  95. -6-
  96. der Arbeitgeber für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens des Ehegatten aus
  97. dem Betrieb für die sog. versicherungsvertragliche Lösung (§ 2 Abs. 2 Satz 2
  98. BetrAVG) entschieden hat. In diesem Fall kann der Arbeitgeber seine Versorgungsleistung gegenüber dem vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer auf die
  99. vom Direktversicherer aufgrund der bereits geleisteten Prämien zu erbringenden Versicherungsleistungen beschränken. Diese Leistungen werden vielfach
  100. niedriger sein als die Versorgungsleistung, die sich ergibt, wenn die auf das
  101. Ende der Betriebszugehörigkeit hochgerechnete Versorgungsleistung (nach
  102. Maßgabe des § 2 Abs. 1 BetrAVG) ratierlich - nämlich nach dem Verhältnis der
  103. tatsächlichen zur möglichen Betriebszugehörigkeit - ermittelt wird. Das gilt namentlich dann, wenn der Arbeitnehmer etwa erst nach langjähriger Betriebszugehörigkeit eine Direktversicherungszusage erhalten hat; vergleichbare Divergenzen können sich bei nicht-gleichförmigen Prämienzahlungen während des
  104. Versicherungsverlaufs ergeben. In derartigen Fällen kann auch die Höhe eines
  105. nach Maßgabe des § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB zeitratierlich ermittelten
  106. Ehezeitanteils der zugesagten Versorgung hinter der Höhe des Ehezeitanteils
  107. zurückbleiben, der sich ergibt, wenn die nach der versicherungsvertraglichen
  108. Lösung geschuldete Leistung zeitratierlich aufgeteilt, d.h. mit dem Verhältnis
  109. der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zur gesamten Betriebszugehörigkeit multipliziert wird. Von daher ließe sich denken, den Ehezeitanteil einer
  110. als betriebliche Altersversorgung bestehenden Direktversicherung jedenfalls
  111. dann nicht gemäß § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 lit. b BGB nach der vom Arbeitgeber zugesagten Versorgungsleistung, sondern - nach Maßgabe des § 1587a
  112. Abs. 2 Nr. 5 b BGB - unter Rückgriff auf das in der Ehezeit im Rahmen des
  113. Versicherungsvertrags tatsächlich angesammelten Deckungskapital - zu ermitteln, wenn feststeht, daß die versicherungsvertragliche Lösung zum Zuge
  114. kommt
  115. (Johannsen/Henrich/Hahne
  116. Eherecht
  117. 4. Aufl.
  118. § 1587a
  119. Rdn. 192;
  120. MünchKomm/Rühmann BGB 4. Aufl. § 1587a Rdn. 363 a.E.; differenzierend
  121. -7-
  122. Soergel/Häußermann BGB 13. Aufl. § 1587a Rdn. 234). Die Frage kann indes
  123. offenbleiben, da der Ehemann weder aus seinem Betrieb ausgeschieden ist
  124. noch sein Arbeitgeber für die versicherungsvertragliche Lösung optiert hat und
  125. die dargestellte Voraussetzung für eine Anwendung des § 1587a Abs. 2 Nr. 5 b
  126. BGB deshalb hier nicht vorliegt.
  127. b) Außerdem hat das Amtsgericht das für den Ehemann bei der
  128. Ö.
  129. AG begründete Anrecht gerade nicht - wie vom
  130. Oberlandesgericht angenommen - (gemäß § 1587a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2
  131. BGB und der Barwert-Verordnung) im Wege der Ermittlung seines Barwertes in
  132. ein volldynamisches Anrecht umgerechnet. Das Amtsgericht ist vielmehr - im
  133. Gegenteil - von dessen in der Ehezeit begründetem Deckungskapital ausgegangen und hat - mittels dessen fiktiver Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung (gemäß § 1587a Abs. 3 Nr. 1 BGB) - den Wert eines entsprechenden volldynamischen Anrechts ermittelt. Diese Vorgehensweise ist, wie
  134. das Oberlandesgericht selbst darlegt, rechtsfehlerhaft. Zwar ergibt sich aus der
  135. Formulierung des § 1587a Abs. 3 BGB, daß die Umrechnung auf der Grundlage
  136. eines Deckungskapitals mit Hilfe der Barwert-Verordnung gemäß Nr. 2 dieser
  137. Vorschrift nur zum Zuge kommt, wenn für die Versorgungsleistungen kein individuelles Deckungskapital gebildet worden ist, wie es von Nr. 1 der Vorschrift
  138. vorausgesetzt wird. Dies kann jedoch für Anrechte der betrieblichen Altersversorgung nicht in gleicher Weise gelten. Bei deren Umrechnung findet nach der
  139. ausdrücklichen Bestimmung des § 1587a Abs. 4 BGB die Regelung des Abs. 3
  140. Nr. 2 BGB und damit die Barwert-Verordnung Anwendung.
  141. Der Senat hat bislang offengelassen, ob dies ausnahmslos auch für Fälle
  142. gilt, in denen - wie hier - die betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung gewährt wird oder ob deckungskapitalbezogene betriebliche Altersversorgungen dann nach § 1587a Abs. 3 Nr. 1 BGB umzuwerten sind, wenn
  143. -8-
  144. feststeht, daß gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG die sog. versicherungsvertragliche Lösung zum Zuge kommt (Beschluß vom 29. September 1993 aaO; bejahend MünchKomm/Rühmann BGB 4. Aufl. § 1587a Rdn. 363 a.E., vgl. aber
  145. auch Rdn. 470, 493; Johannsen/Henrich/Hahne aaO 238 unter Hinweis auf die
  146. hier auftretenden zusätzlichen Bewertungsprobleme; vgl. dazu Ellger/Glockner
  147. FamRZ 1984, 733, 734 f.). Die Frage kann auch hier dahinstehen, da - wie
  148. zu 1. ausgeführt - die Voraussetzungen der versicherungsvertraglichen Lösung
  149. nicht vorliegen.
  150. 2. Der angefochtene Beschluß kann danach nicht bestehen bleiben. Der
  151. Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden.
  152. a) Für eine Ermittlung des Barwertes der für den Ehemann bei der
  153. Ö.
  154. AG begründeten Anrechte fehlt es an den erforder-
  155. lichen Feststellungen zur Höhe des Ehezeitanteils und zur Dynamik der erworbenen Rente. Soweit die für den Ehemann bei der Ö.
  156. AG
  157. begründeten Anrechte nicht volldynamisch sind und ihr Nominalbetrag deshalb
  158. - nach Ermittlung des Ehezeitanteils - gemäß § 1587a Abs. 4 i.V.m. § 1587a
  159. Abs. 3 Nr. 2 BGB in den entsprechenden Wert volldynamischer Anrechte umzurechnen ist, wird das Oberlandesgericht den Barwert des ehezeitlichen Anrechts auf der Grundlage der Barwert-Verordnung in der Fassung der Zweiten
  160. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 26. Mai 2003 (BGBl. I
  161. S. 728) zu errechnen und in die Ausgleichsbilanz einzustellen haben. Mit dieser
  162. Änderungsverordnung ist den Bedenken, die der Senat gegen die bisherige
  163. Fassung der Barwert-Verordnung geltend gemacht hat (BGHZ 148, 351),
  164. Rechnung getragen. Soweit in der Literatur vereinzelt auch gegen die Neufassung der Barwert-Verordnung - weitergehende - Einwendungen erhoben werden, teilt der Senat diese Kritik nicht (Senatsbeschluß vom 23. Juli 2003
  165. - XII ZB 152/01 - zur Veröffentlichung bestimmt).
  166. -9-
  167. b) Außerdem wird das Oberlandesgericht zu prüfen haben, ob das für die
  168. Ehefrau bestehende Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe
  169. des § 31f Satz 1 Nr. 2 BetrAVG unverfallbar und deshalb in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen ist. Nach der Auskunft
  170. des Versorgungsträgers vom 20. Oktober 1998 besteht das Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau seit dem 1. August 1986; als Versicherungsbeginn ist der
  171. 1. Dezember 1995 angegeben. Hierzu wie auch zur Höhe des Anrechts fehlt es
  172. jedoch an tatrichterlichen Feststellungen.
  173. Hahne
  174. Sprick
  175. Wagenitz
  176. Weber-Monecke
  177. Bundesrichter Dr. Ahlt
  178. ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben
  179. Hahne