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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 21/13
  5. Verkündet am:
  6. 18. März 2015
  7. Vorusso,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Bb
  19. Die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen ist, soweit sie dem Mieter im
  20. Mietvertrag auferlegt ist, eine einheitliche, nicht in Einzelmaßnahmen aufspaltbare
  21. Rechtspflicht mit der Folge, dass die Unwirksamkeit der einen Einzelaspekt dieser
  22. einheitlichen Rechtspflicht betreffenden Formularbestimmung in der gebotenen Gesamtschau der Regelung zur Unwirksamkeit der gesamten Vornahmeklausel führt.
  23. Dies gilt auch, wenn die inhaltliche Ausgestaltung der einheitlichen Rechtspflicht in
  24. verschiedenen, sprachlich voneinander unabhängigen Klauseln des Mietvertrags geregelt ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 48/09, NJW
  25. 2010, 674 Rn. 14).
  26. BGH, Urteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 21/13 - LG Berlin
  27. AG Berlin-Mitte
  28. -2-
  29. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 18. März 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin
  31. Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol
  32. für Recht erkannt:
  33. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des
  34. Landgerichts Berlin vom 14. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
  35. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Die Beklagte zu 1 war seit Juni 2003 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Im Februar 2006 trat der Beklagte zu 2 in das Mietverhältnis ein.
  40. Das Mietverhältnis mit beiden Beklagten endete am 31. August 2010.
  41. 2
  42. Der Mietvertrag vom 13./16. Juni 2003 enthält in § 10 Nr. 4 und Nr. 5 folgende vorformulierte Klauseln:
  43. "4. Da in der Miete hierfür keine Kosten kalkuliert sind, ist der Mieter
  44. verpflichtet, die Schönheitsreparaturen hinsichtlich der Malerarbeiten an Wänden und Decken, in Küche, Bad und Duschräumen alle
  45. 3 Jahre, in Wohn- und Schlafzimmern, Flur, Dielen und Toiletten alle 5 Jahre sowie in sonstigen Räumen alle 7 Jahre, jeweils gerechnet vom Beginn des Mietverhältnisses (bzw. soweit Schönheitsreparaturen nach diesem Zeitpunkt vom Mieter fachgerecht durchgeführt
  46. wurden, von diesem Zeitpunkt an), fachgerecht auszuführen. […]
  47. -3-
  48. 5.
  49. 3
  50. Da in der Miete hierfür keine Kosten kalkuliert sind, ist der Mieter
  51. verpflichtet, die Schönheitsreparaturen in Bezug auf das Lackieren
  52. der Fenster und der Wohnungseingangstüre von Innen, der Wohnungstüren sowie der Heizkörper einschließlich der Heizrohre alle
  53. 5 Jahre, jeweils gerechnet vom Beginn des Mietverhältnisses (bzw.
  54. soweit Schönheitsreparaturen nach diesem Zeitpunkt vom Mieter
  55. fachgerecht durchgeführt wurden, von diesem Zeitpunkt an), fachgerecht durchzuführen, es sei denn, sie sind nicht erforderlich, da
  56. keine Lackabplatzungen, kein Nachdunkeln etc. vorhanden sind.
  57. Dieselbe Durchführungsverpflichtung und Ausführungsfrist gilt für
  58. das Schamponieren von Teppichen. […]"
  59. Die Klägerin nimmt die Beklagten, nach erfolgloser Aufforderung, auf Ersatz der für die Lackierarbeiten an den Innenseiten der Fenster und Türen anfallenden Kosten in Höhe von 2.758,27 € in Anspruch. Die Beklagten halten die
  60. Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf sie für unwirksam und meinen, die
  61. Arbeiten seien im Übrigen nicht fällig.
  62. 4
  63. Das Amtsgericht hat die Klage - bis auf ein geringfügiges Teilanerkenntnis der Beklagten - abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin
  64. hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag im streitigen
  65. Umfang weiter.
  66. Entscheidungsgründe:
  67. 5
  68. Die Revision hat keinen Erfolg.
  69. I.
  70. 6
  71. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  72. -4-
  73. 7
  74. Der Klägerin stehe gegenüber den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen gemäß § 280 Abs. 1,
  75. 3, § 281 BGB zu. Die Klausel in § 10 Nr. 5 des Mietvertrags, mit der die Vornahme der Schönheitsreparaturen auf den Mieter übertragen werde, sei gemäß
  76. § 307 BGB unwirksam.
  77. 8
  78. Die in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Durchführungsverpflichtung betreffend die Übertragung von Schönheitsreparaturen
  79. auf den Mieter dürfe nicht vom konkreten Bedarf gelöst werden. Der Bundesgerichtshof habe daher starre Fristen für die Ausführung der Schönheitsreparaturen als unwirksam angesehen. Nach dieser Rechtsprechung komme es darauf
  80. an, ob ein angegebener Zeitraum durch Formulierungen wie "in der Regel", "im
  81. Allgemeinen" oder ähnliche Wendungen - für den Mieter erkennbar - so flexibel
  82. vereinbart sei, dass nach dem Wortlaut der Klausel im Einzelfall eine Anpassung der Renovierungsintervalle an den tatsächlichen Renovierungsbedarf
  83. möglich sei.
  84. 9
  85. Vorliegend enthalte zwar § 10 Nr. 5 des Mietvertrags, der die Lackierarbeiten an Fenstern, Türen und Heizkörpern regele, die an sich in diesem Sinne
  86. zur "Aufweichung" führende Einschränkung "… es sei denn, sie sind nicht erforderlich …"; auch würden von der Klägerin ausschließlich die in § 10 Nr. 5 des
  87. Mietvertrags geregelten Lackierarbeiten geltend gemacht. Da jedoch die Regelung in § 10 Nr. 4 des Mietvertrags, der die Malerarbeiten an Wänden und Decken betreffe, mangels Einschränkung der Erforderlichkeit eine starre Frist enthalte und damit unwirksam sei, führe dies auch zur Unwirksamkeit der hier
  88. maßgeblichen Regelung in § 10 Nr. 5 des Mietvertrags.
  89. 10
  90. Zwar stellten § 10 Nr. 4 und Nr. 5 des Mietvertrags jeweils an sich
  91. sprachlich voneinander unabhängige Regelungen dar, die unterschiedliche Ar-
  92. -5-
  93. beiten beträfen. Jedoch handele es sich bei einer dem Mieter auferlegten Pflicht
  94. zur Vornahme von Schönheitsreparaturen um eine einheitliche Rechtspflicht,
  95. die sich nicht in Einzelmaßnahmen oder Einzelaspekte aufspalten lasse und
  96. deren Ausgestaltung durch den Mietvertrag insgesamt zu bewerten sei. Stelle
  97. sich diese Verpflichtung aufgrund unzulässiger Ausgestaltung - sei es hinsichtlich der zeitlichen Modalitäten, der Ausführungsart oder des gegenständlichen
  98. Umfangs - in ihrer Gesamtheit als übermäßig dar, habe dies die Unwirksamkeit
  99. der Vornahmeklausel insgesamt zur Folge, und zwar unabhängig davon, ob die
  100. Verpflichtung als solche und ihre unzulässige inhaltliche Ausgestaltung in einer
  101. oder in zwei sprachlich voneinander unabhängigen Klauseln enthalten sei.
  102. 11
  103. Ob daneben auch ein Verstoß gegen § 309 Nr. 12 a BGB wegen einer
  104. unzulässigen Beweislastumkehr vorliege, könne dahinstehen.
  105. II.
  106. 12
  107. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass
  108. die Revision zurückzuweisen ist.
  109. 13
  110. 1. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten
  111. Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen
  112. unterlassener Lackierarbeiten an den Innenseiten von Fenstern und Türen zu
  113. Recht verneint. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, hält die Klausel in § 10 Nr. 5 des Mietvertrags, die im Kontext mit der unmittelbar vorangehenden Bestimmung des § 10 Nr. 4 beurteilt werden muss, der Inhaltskontrolle
  114. nach den §§ 307 ff. BGB nicht stand; die Regelungen in § 10 Nr. 4 und Nr. 5
  115. benachteiligen die Beklagten in der gebotenen Gesamtbetrachtung unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und sind deshalb
  116. -6-
  117. unwirksam, weil das nicht in einzelne Bestandteile trennbare Klauselwerk in
  118. seiner Gesamtheit keine bedarfsorientierte, flexible Vornahmepflicht des Mieters vorsieht. Auf die zwischen den Parteien streitige Tatsache, ob die Wohnung der Beklagten zu 1 bei Mietbeginn in unrenoviertem Zustand übergeben
  119. wurde und die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgerungen für den Bestand der Vornahmeklausel (vgl. hierzu: Senatsurteil vom 18. März 2015
  120. - VIII ZR 185/14, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) kommt es mithin im
  121. Streitfall nicht an.
  122. 14
  123. 2. Nach der seit dem Urteil vom 23. Juni 2004 (VIII ZR 361/03, NJW
  124. 2004, 2568 unter II 2) ständigen Rechtsprechung des Senats halten als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehende vorformulierte Vertragsklauseln
  125. - wie hier § 10 Nr. 4 und Nr. 5 des Mietvertrags der Parteien -, die dem Mieter
  126. die Verpflichtung zur Vornahme der Schönheitsreparaturen übertragen, der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB nur stand, wenn und soweit die in der
  127. Vornahmeklausel enthaltenen Renovierungsfristen nicht unveränderbar sind,
  128. sondern durch ihre flexible Gestaltung Raum lassen, den konkreten Renovierungsbedarf der angesprochenen Mieträume zu berücksichtigen, so dass die
  129. genannten Fristen letztlich nur den Charakter einer Richtlinie oder unverbindlichen Orientierungshilfe haben (Senatsurteile vom 18. Februar 2009 - VIII ZR
  130. 210/08, NJW 2009, 1408 Rn. 13; vom 13. Juli 2005 - VIII ZR 351/04, NJW
  131. 2005, 3416 unter II 2; Senatsbeschluss vom 20. März 2012 - VIII ZR 192/11,
  132. NZM 2012, 527 Rn. 3 f.; jeweils mwN).
  133. 15
  134. a) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, wird die die Anstrichund Lackierarbeiten an Fenstern, Türen und Heizkörpern regelnde Klausel in
  135. § 10 Nr. 5 des Mietvertrags, auf den allein die Klägerin ihren Anspruch stützt,
  136. den oben genannten rechtlichen Vorgaben - für sich genommen - gerecht.
  137. Denn durch die Formulierung, die Schönheitsreparaturen seien "alle fünf Jahre
  138. -7-
  139. …" durchzuführen, "… es sei denn, sie sind nicht erforderlich …", wird der Mieter lediglich verpflichtet, die Schönheitsreparaturen nur dann alle fünf Jahre vorzunehmen, wenn ein entsprechender Renovierungsbedarf tatsächlich zu dieser
  140. Zeit besteht. Die Klausel sagt mit für jeden durchschnittlichen und verständigen
  141. Mieter hinreichender Klarheit aus, dass bei normaler Abnutzung der Räume die
  142. Schönheitsreparaturen in dem genannten Zeitabstand vorzunehmen sind, der
  143. Mieter jedoch bei einem geringeren Grad der Abnutzung eine längere Renovierungsfrist in Anspruch nehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2005
  144. - VIII ZR 351/04, aaO). Damit hat § 10 Nr. 5 des Mietvertrags für sich genommen lediglich den Charakter einer unverbindlichen Orientierungshilfe zur Bestimmung des im konkreten Fall maßgebenden Renovierungsintervalls.
  145. 16
  146. b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei sieht das Berufungsgericht die unmittelbar
  147. voranstehende Bestimmung in § 10 Nr. 4 des Mietvertrags, der die Abwälzung
  148. der Malerarbeiten an Wänden und Decken auf den Mieter betrifft, als eine den
  149. Mieter unangemessen benachteiligende Regelung im Sinne des § 307 Abs. 1
  150. Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB an, da diese Klausel eine bedarfsorientierte Einschränkung der Renovierungsverpflichtung nicht enthält, sondern sich in einer
  151. starren Fristenregelung erschöpft.
  152. 17
  153. c) In der gebotenen Gesamtbetrachtung führt dies dazu, dass die Abwälzung der Schönheitsreparaturverpflichtung auf den Mieter insgesamt nach
  154. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und damit unwirksam ist.
  155. Die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen ist, soweit sie dem Mieter
  156. im Mietvertrag auferlegt ist, eine einheitliche, nicht in Einzelmaßnahmen aufspaltbare Rechtspflicht mit der Folge, dass die Unwirksamkeit der einen Einzelaspekt dieser einheitlichen Pflicht betreffenden Bestimmung in der gebotenen
  157. Gesamtschau der Regelung zur Unwirksamkeit der gesamten Vornahmeklausel
  158. führt (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 48/09, NJW 2010, 674
  159. -8-
  160. Rn. 14). Denn Konkretisierungen der Schönheitsreparaturverpflichtung hinsichtlich ihres gegenständlichen und zeitlichen Umfangs sowie ihrer Ausführungsart
  161. sind inhaltlich derart eng mit der Verpflichtung selbst verknüpft, dass diese bei
  162. einer Beschränkung der Unwirksamkeit auf die unzulässige Ausführungsmodalität inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde
  163. (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 48/09, aaO); eine solche inhaltliche
  164. Umgestaltung der Vornahmepflicht widerspräche dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unangemessener formularvertraglicher Regelungen (Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 199/06, NJW 2007, 1743 Rn. 11 mwN). Dies
  165. gilt auch, wenn die inhaltliche Ausgestaltung der einheitlichen Pflicht - wie im
  166. Streitfall - in verschiedenen, sprachlich voneinander unabhängigen Klauseln
  167. geregelt ist (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 48/09, aaO).
  168. Dr. Milger
  169. Dr. Hessel
  170. Dr. Bünger
  171. Dr. Schneider
  172. Kosziol
  173. Vorinstanzen:
  174. AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 10.01.2012 - 14 C 64/11 LG Berlin, Entscheidung vom 14.12.2012 - 63 S 179/12 -