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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 115/04
  5. Verkündet am:
  6. 17. November 2004
  7. Potsch,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3
  18. Die Frist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB zur Abrechnung über die Vorauszahlungen für
  19. Betriebskosten wird mit einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung gewahrt; auf
  20. die inhaltliche Richtigkeit kommt es für die Einhaltung der Frist nicht an.
  21. Weicht der in der Abrechnung verwendete und angegebene Umlageschlüssel von
  22. dem im Mietvertrag vereinbarten ab, liegt ein inhaltlicher Fehler und kein formeller
  23. Mangel der Abrechnung vor.
  24. Eine Korrektur des Fehlers zu Lasten des Mieters ist nach Ablauf der Abrechnungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat
  25. den Fehler nicht zu vertreten.
  26. BGH, Urteil vom 17. November 2004 - VIII ZR 115/04 - LG Potsdam
  27. AG Potsdam
  28. -2-
  29. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
  30. Schriftsatzfrist bis zum 24. September 2004 durch die Vorsitzende Richterin
  31. Dr. Deppert, die Richter Dr. Beyer, Ball, Dr. Wolst sowie die Richterin
  32. Hermanns
  33. für Recht erkannt:
  34. Auf die Revision der Kläger wird unter Zurückweisung der Revision im übrigen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts
  35. Potsdam vom 18. März 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung in Höhe von mehr als 36,13 € zurückgewiesen worden ist.
  36. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts
  37. Potsdam vom 17. Juli 2003 teilweise abgeändert. Die Beklagten
  38. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger weitere
  39. 658,01 € zu zahlen.
  40. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. Die Kläger sind Vermieter, die Beklagten Mieter einer Eigentumswohnung in T.
  44. . Nach § 4 Nr. 2 des Mietvertrags vom 19. Juli 2000 sollen die
  45. Betriebskosten, die von den Beklagten gesondert zu zahlen sind, weitestgehend auf der Basis der Miteigentumsanteile errechnet und umgelegt werden.
  46. Als Stichtag für die Abrechnung ist der 31. Dezember eines jeden Jahres festgelegt.
  47. -3-
  48. Im Jahr 2002 erstellte die Hausverwaltung der Kläger die Betriebskostenabrechnungen für den Abrechnungszeitraum 13. Oktober bis 31. Dezember
  49. 2000 sowie für das gesamte Jahr 2001. Als Umlageschlüssel wurde das Verhältnis der Wohnfläche der Mietsache zur Gesamtfläche des Hauses bzw. der
  50. Wirtschaftseinheit verwendet. Dabei ergaben sich Nachforderungen gegenüber
  51. den Beklagten von 433,42 € für das Jahr 2000 und 658,01 € für das Jahr 2001.
  52. Auf den Widerspruch der Beklagten wurden als Umlageschlüssel wie
  53. vereinbart die Miteigentumsanteile zugrunde gelegt. Mit Schreiben vom
  54. 6. Februar 2003 erhielten die Beklagten entsprechend geänderte Abrechnungen, die mit Nachforderungen von 431,05 € für das Jahr 2000 und von 694,14 €
  55. für 2001 endeten.
  56. Die Kläger haben zunächst den sich daraus ergebenden Gesamtbetrag
  57. von 1.125,19 € nebst Zinsen geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 431,05 € nebst Zinsen für das Jahr 2000 verurteilt und die
  58. Klage im übrigen abgewiesen. Die gegen die Teilabweisung gerichtete Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen sie ihre Nachforderung für das Jahr 2001 in Höhe von
  59. 694,14 € weiter.
  60. Entscheidungsgründe:
  61. I.
  62. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:
  63. Die Kläger seien mit ihrer Nachforderung für das Jahr 2001 gemäß § 556
  64. Abs. 3 Satz 3 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 3 Abs. 9 EGBGB ausgeschlos-
  65. -4-
  66. sen, weil sie die in § 556 Abs. 3 BGB angeordnete einjährige Abrechnungsfrist
  67. versäumt hätten. Zwar könne eine vor Fristablauf erfolgte formell ordnungsgemäße, in Umfang und Inhalt an § 259 BGB orientierte, aber unter inhaltlichen
  68. Mängeln leidende Abrechnung in gewissen Grenzen nach Fristablauf nachgebessert werden. Das ursprüngliche Rechenwerk müsse jedoch wenigstens den
  69. Mindestanforderungen einer ordnungsgemäßen Abrechnung genügen. Daran
  70. fehle es hier, so daß eine auf die spätere Änderung gestützte Nachforderung
  71. ausscheide. Die Nichtverwendung des vertraglich vereinbarten Umlageschlüssels stelle einen schwerwiegenden strukturellen Mangel der Abrechnung dar mit
  72. der Folge, daß die Erklärung des Vermieters nicht mehr als Abrechnung qualifiziert werden könne und eine Behebung des Fehlers mit rechtswahrender Wirkung nach Fristablauf ausgeschlossen sei.
  73. II.
  74. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
  75. stand. Die Kläger haben gemäß § 4 Nr. 2 des Mietvertrags vom 19. Juli 2000
  76. Anspruch auf Zahlung weiterer Betriebskosten für das Jahr 2001 in Höhe von
  77. 658,01 €. Nur in dem darüber hinausgehenden Umfang ist ihre Nachforderung
  78. durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen, so daß die Klage insoweit unbegründet ist.
  79. 1. Nach § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB ist über die Vorauszahlungen für Betriebskosten jährlich abzurechnen. Die Abrechnung ist dem Mieter gemäß § 556
  80. Abs. 3 Satz 2 BGB, der in der seit dem 1. September 2001 geltenden Fassung
  81. auf den am 31. Dezember 2001 endenden Abrechnungszeitraum Anwendung
  82. findet (arg. Art. 229 § 3 Abs. 9 EGBGB), spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sind die Kläger mit der den Beklagten noch im Jahr 2002 übermittelten
  83. -5-
  84. Abrechnung, die für das Jahr 2001 mit einem Betrag von 658,01 € endete,
  85. nachgekommen. Die Abrechnung war formell ordnungsgemäß und deshalb
  86. entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zur Wahrung der Abrechnungsfrist genügend.
  87. a) Für die Einhaltung der Abrechnungsfrist kommt es nach einhelliger
  88. Ansicht auf die materielle Richtigkeit der Abrechnung nicht an. Die Frist wird mit
  89. einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung gewahrt, inhaltliche Fehler können
  90. auch nach Fristablauf korrigiert werden (Gies, NZM 2002, 514, 515; Langenberg, WuM 2001, 523, 527; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Aufl.,
  91. § 556 BGB Rdnr. 465; Weitemeyer, in: Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl.,
  92. § 556 Rdnr. 66; Ehlert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 556 Rdnr. 38; Palandt/
  93. Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., § 556 Rdnr. 11; Staudinger/Weitemeyer, BGB
  94. (2003), § 556 Rdnr. 108). Die Gefahr, daß der Vermieter durch sogenannte
  95. Alibi-Abrechnungen kurz vor Fristablauf, die er später untermauert, die gesetzliche Regelung unterlaufen könnte (so Sternel, ZMR 2001, 937, 939), besteht
  96. dadurch nicht. Denn formell ordnungsgemäß ist eine Betriebskostenabrechnung
  97. nur, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also
  98. eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben
  99. aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils
  100. des Mieters und der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters (Senatsurteile
  101. vom 27. November 2002 - VIII ZR 108/02, NJW-RR 2003, 442 unter III 1; vom
  102. 23. November 1981 - VIII ZR 298/80, NJW 1982, 573 unter I 2 a aa). Diesen
  103. Anforderungen wurde die Abrechnung der Kläger in vollem Umfang gerecht.
  104. -6-
  105. b) Sie war allerdings insofern fehlerhaft, als der verwendete und angegebene Verteilungsschlüssel "Wohn-/Nutzfläche" nicht der Vereinbarung im Mietvertrag vom 19. Juli 2000 entsprach, nach der die Umlegung weitestgehend
  106. nach Miteigentumsanteilen erfolgen sollte. Nach einer im Schrifttum (Langenberg, WuM 2003, 670, 673; jurisPK-BGB/Tonner, 2. Aufl., § 556 Rdnr. 86) vertretenen Auffassung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, stellt
  107. die Abweichung von dem vertraglich vereinbarten Umlageschlüssel einen formellen Mangel der Betriebskostenabrechnung dar, der zu deren Unwirksamkeit
  108. führt. Die Erklärung des Vermieters könne nicht mehr als Abrechnung qualifiziert werden, wenn ein anderer als der vertraglich vereinbarte Umlageschlüssel
  109. verwendet worden sei, die Behebung des Fehlers mit rechtswahrender Wirkung
  110. nach Ablauf der Ausschlußfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB sei deshalb ausgeschlossen.
  111. Diese Ansicht teilt der Senat nicht. Weist die Abrechnung - wie hier - den
  112. tatsächlich verwendeten Umlageschlüssel aus, handelt es sich um eine formell
  113. ordnungsgemäße Abrechnung, die alle Anforderungen des § 259 BGB erfüllt.
  114. Sie verliert ihren Charakter und ihre Funktion als Rechnungslegung nicht dadurch, daß die aufgeführten Betriebskostenarten anders umgelegt werden, als
  115. dies im Mietvertrag vereinbart ist, also der Sache nach falsch zugeordnet werden. Dieser Fehler stellt vielmehr einen inhaltlichen Mangel der Abrechnung dar
  116. (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 8. Aufl., Rdnr. 3247; OLG Düsseldorf, GE 2003, 879; LG Hamburg, WuM 1998, 727).
  117. Der Zweck des § 556 Abs. 3 BGB gebietet es nicht, die Abrechnung in
  118. einem solchen Fall als formell unwirksam anzusehen. Die Abrechnungsfrist und
  119. der durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnete Ausschluß von Nachforderungen nach Fristablauf dienen der Abrechnungssicherheit und sollen Streit vermeiden (BT-Drucks. 14/4553, S. 37). Sie gewährleisten eine zeitnahe Abrech-
  120. -7-
  121. nung, damit der Mieter in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang mit
  122. dem Abrechnungszeitraum entweder über ein sich bei der Abrechnung zu seinen Gunsten ergebendes Guthaben verfügen kann oder Gewißheit darüber erlangt, ob und in welcher Höhe er mit einer Nachforderung des Vermieters rechnen muß. Dieses Ziel wird nicht allein deshalb verfehlt, weil der in der Abrechnung verwendete und angegebene Umlageschlüssel nicht mit dem vertraglich
  123. vereinbarten übereinstimmt. Die Abrechnung soll den Mieter in die Lage versetzen, den Anspruch des Vermieters nachzuprüfen, also gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen. Für einen durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter, auf dessen Verständnis es insoweit
  124. ankommt (Senatsurteile vom 27. November 2002, aaO unter III 2, und vom
  125. 23. November 1981, aaO), ist bei einer derartigen Kontrolle der Abrechnung
  126. klar erkennbar, daß diese im Hinblick auf den verwendeten Umlageschlüssel
  127. einen inhaltlichen Fehler aufweist und insoweit der Korrektur bedarf. Er kann
  128. zwar - anders als etwa bei bloßen Rechenfehlern innerhalb der Abrechnung möglicherweise den tatsächlich geschuldeten Betrag nicht selbst berechnen,
  129. weil er die dafür maßgeblichen Bezugsdaten - wie beispielsweise hier die jeweiligen Miteigentumsanteile - nicht kennt. Er ist jedoch in der Lage, vom Vermieter
  130. gezielt eine Neuberechnung auf der Grundlage des vertraglich vereinbarten
  131. Umlageschlüssels zu verlangen, wie dies die Beklagten vorliegend getan haben. Innerhalb der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB kann die gebotene inhaltliche Korrektur zu seinen Lasten ausfallen, nicht anders, als wenn
  132. die fehlerhafte Abrechnung insgesamt als (formell) unwirksam qualifiziert würde. Nach Ablauf der Abrechnungsfrist ist der Mieter vor einer Berichtigung zu
  133. seinen Lasten durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB weitgehend geschützt (s. dazu
  134. unten unter 2).
  135. 2. Die Kläger sind deshalb mit ihrem Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten nicht schon grundsätzlich wegen Fehlens einer wirksamen Ab-
  136. -8-
  137. rechnung vor Ablauf der gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB am 31. Dezember
  138. 2002 endenden Abrechnungsfrist ausgeschlossen. Daß sich bei einer vertragsgemäßen Umlage nach Miteigentumsanteilen materiell eine Nachforderung in
  139. der aus der korrigierten Abrechnung zu entnehmenden Höhe von 694,14 € ergibt, haben die Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Die Kläger können diese
  140. Nachforderung allerdings nur noch geltend machen, soweit die Betriebskosten
  141. nach Grund und Höhe vor dem 31. Dezember 2002 abgerechnet worden sind.
  142. Das war hier lediglich mit einem Betrag von 658,01 € der Fall. An der darüber
  143. hinausgehenden Nachforderung in Höhe von 36,13 € sind die Kläger durch
  144. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB gehindert.
  145. Wie bereits ausgeführt, soll die Ausschlußfrist für den Mieter die Sicherheit gewähren, daß er nach Fristablauf nicht mehr mit (weiteren) Nachforderungen des Vermieters rechnen muß. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn bei Vorlage einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung innerhalb der Frist ein darin
  146. enthaltener materieller Fehler auch noch nach Fristablauf zu Lasten des Mieters
  147. korrigiert werden könnte. Das gilt sowohl hinsichtlich der Art als auch hinsichtlich der Höhe der abgerechneten Einzelpositionen und unabhängig von dem
  148. Ausmaß der Abweichung. Der Ablauf der Abrechnungsfrist hat deshalb zur Folge, daß die Nachforderung nach einer erst später erfolgenden inhaltlichen Korrektur das Ergebnis der fristgemäß vorgelegten Rechnung weder in den Einzelpositionen noch insgesamt überschreiten darf (Gies, NZM 2002, 514, 515; Langenberg, WuM 2001, 523, 527; Schmid, ZMR 2001, 761, 767; Palandt/
  149. Weidenkaff, aaO; Weitemeyer, in: Emmerich/Sonnenschein, aaO). Dem Interesse des Vermieters wird nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB nur dann der Vorrang
  150. eingeräumt, wenn er die verspätete Geltendmachung bzw. verspätete Korrektur
  151. nicht zu vertreten hat. Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte.
  152. -9-
  153. III.
  154. Auf die Revision der Kläger ist daher das Berufungsurteil aufzuheben,
  155. soweit ihre Berufung gegen die Abweisung der Klage in Höhe von mehr als
  156. 36,13 € zurückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der
  157. Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis
  158. erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3
  159. ZPO). Danach ist der Klage in Höhe von 658,01 € mit der Kostenfolge des § 92
  160. Abs. 2 Nr. 1 ZPO stattzugeben.
  161. Dr. Deppert
  162. Dr. Beyer
  163. Dr. Wolst
  164. Ball
  165. Hermanns