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33 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 53/03
  5. Verkündet am:
  6. 27. November 2003
  7. Seelinger-Schardt,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. AGBG § 9 A, Ca, Cb; BGB § 157 Ge, § 641 Abs. 3
  16. a) Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten
  17. Bedingungen kann sich ein von dem Verwender zu widerlegender Anschein
  18. dafür ergeben, daß sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert worden sind
  19. (im Anschluß an BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118,
  20. 229, 238).
  21. b) Eine vom Auftraggeber gestellte Klausel in einem Bauvertrag, nach der jegliche Nachforderungen ausgeschlossen sind, wenn sie nicht auf schriftlichen
  22. Zusatz- und Nachtragsaufträgen des Auftraggebers beruhen, benachteiligt
  23. den Auftragnehmer unangemessen und ist deshalb gemäß § 9 Abs. 1 AGBG
  24. unwirksam.
  25. c) Ein Zahlungsplan in einem Bauvertrag, wonach die 12. Rate nach Fertigstellung der Leistung und die 13. und letzte Rate nach Beseitigung aller Mängel,
  26. Abnahme und Vorlage einer Gewährleistungsbürgschaft zu zahlen ist, ist
  27. vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen dahin zu verstehen, daß die 13.
  28. Rate fällig wird, wenn die Abnahme trotz vorhandener Mängel erfolgt. Dem
  29. Auftraggeber steht dann in Höhe des mindestens Dreifachen der Mängelbeseitigungskosten ein Leistungsverweigerungsrecht zu.
  30. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 53/03 -
  31. OLG Frankfurt
  32. LG Frankfurt
  33. -2-
  34. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  35. vom 27. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
  36. Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
  37. für Recht erkannt:
  38. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats
  39. des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 2003
  40. aufgehoben.
  41. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
  42. auch über die Kosten der Revision, an einen anderen Senat des
  43. Berufungsgerichts zurückverwiesen.
  44. Von Rechts wegen
  45. Tatbestand:
  46. Die Klägerin verlangt Werklohn in Höhe von 1.573.776,47
  47. 
  48. 3.078.039,23 DM) für abgenommene Bauleistungen aus einem Pauschalpreisvertrag vom 18. November 1993, in dem die Beklagten die Rechtsvorgängerin
  49. der Klägerin mit der Errichtung der "Boddenpassage" in B. beauftragt haben.
  50. Die Parteien streiten zum einen um verschiedene Nachforderungen in
  51. Höhe von 1.985.539,23 DM. Diese Nachforderungen sind nicht schriftlich beauftragt worden. Die Beklagten vertreten die Auffassung, sie müßten deshalb
  52. nicht bezahlt werden und berufen sich auf das von ihnen verwendete Vertragswerk. Dieses enthält folgende Regelungen:
  53. -3-
  54. § 3 des Bauwerkvertrages (BV)
  55. "Als Vergütung für die vereinbarten Bauleistungen gemäß § 1 erhält der
  56. Auftragnehmer einen pauschalen Festpreis von 12.150.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer...
  57. Der Pauschalfestpreis versteht sich auch einschließlich aller Lieferungen
  58. und Leistungen, die in den Vertragsunterlagen im einzelnen nicht aufgeführt, jedoch zum vollständigen ordnungsgemäßen Leistungsumfang erforderlich sind. Im übrigen sind Nachforderungen in jedem Fall, auch für
  59. den Fall außergewöhnlicher Steigerungen von Materialpreisen oder
  60. Lohnkosten der Bauindustrie, ausgeschlossen. Ausgenommen hiervon
  61. sind ausdrückliche schriftliche Zusatz- und Nachtragsaufträge des Auftraggebers..."
  62. § 1.1 der Zusätzlichen Bedingungen für Bauleistungen (ZBB)
  63. "Der vereinbarte Preis ist ein Festpreis, Nachforderungen sind ausgeschlossen..."
  64. § 1.5 ZBB
  65. "Werden Mehrleistungen über den vertraglich erteilten Auftrag erforderlich, so hat der Auftragnehmer unaufgefordert ein Nachtragsangebot einzureichen. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung. Hierzu legt der Auftragnehmer
  66. entsprechende Angebote von Subunternehmern vor, die nach Auswahl
  67. durch den Auftraggeber mit einem Zuschlag von 10 % abgerechnet wer-
  68. -4-
  69. den. Ein Anspruch auf Vergütung besteht erst, wenn der Auftraggeber
  70. dieses Nachtragsangebot angenommen und schriftlich bestätigt hat..."
  71. Ferner streiten die Parteien darüber, ob die Beklagten die 13. Zahlungsrate von 1.092.500 DM schulden. Die Beklagten verweigern die Zahlung dieser
  72. Rate, weil die Werkleistung mangelhaft sei. Nach dem Zahlungsplan sollte die
  73. 13. und letzte Rate in Höhe von 950.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer fällig
  74. werden "nach Beseitigung aller Mängel, erfolgter Abnahme und Vorlage der
  75. Gewährleistungsbürgschaft".
  76. § 8.5 ZBB enthält folgende Regelung:
  77. "Besteht während der Bauzeit, der Bauabnahme oder während der Gewährleistungsfrist Meinungsverschiedenheit zwischen den Vertragspartnern darüber, ob und welche Mängel vorhanden sind, ist über die Frage
  78. durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit
  79. verbindlicher Wirkung zwischen den Parteien zu entscheiden. Der Sachverständige ist durch die IHK zu benennen...Die Feststellungen des
  80. Sachverständigen sind in jedem Fall für die Parteien hinsichtlich der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens der Mängel und der Bewertung
  81. verbindlich".
  82. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist zurückgewiesen worden. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Die Auslegung der streitgegenständlichen Klauseln weise grundsätzliche Bedeutung auf.
  83. Die Zulassung sei auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung angezeigt. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
  84. -5-
  85. Entscheidungsgründe:
  86. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  87. und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
  88. Auf das Schuldverhältnis finden die Gesetze in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
  89. A. Nachforderungen
  90. I.
  91. Das Berufungsgericht läßt es dahinstehen, ob die VOB/B wirksam in den
  92. Vertrag einbezogen ist. Ansprüche aus § 2 Nr. 5 und 2 Nr. 6 VOB/B scheiterten
  93. an den vertraglichen Regeln im Bauwerkvertrag. Diese seien wirksam.
  94. Zweifelhaft sei schon, ob diese Regeln Allgemeine Geschäftsbedingungen seien. Die Absicht der Mehrfachverwendung dürfte für die Beklagten fehlen. Es sei nicht hinreichend geklärt, welches gebräuchliche Vertragsmuster die
  95. Beklagten verwendet hätten, wenn auch eine gewisse Lebenserfahrung dafür
  96. spreche, daß die verwendeten Klauseln für eine mehrfache Verwendung entworfen worden seien. Unter Berücksichtigung von § 15 ZBB, wonach die zusätzlichen Bedingungen für Bauleistungen eine Einheit mit dem Bauwerkvertrag
  97. bildeten und individuell ausgehandelt seien, liege nicht fern, daß dies so sei, da
  98. die Klägerin als eines der größten deutschen Bauunternehmen in diesem Regelungszusammenhang nicht allzu schutzbedürftig erscheine.
  99. -6-
  100. Selbst wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen vorlägen, wären diese
  101. nicht unwirksam. Der Auftraggeber verfolge mit den Schriftformklauseln legitimerweise sein Interesse an Eindeutigkeit, Beweissicherheit und Rechtssicherheit.
  102. Indirekt führten sie zu einer Vollmachtsbeschränkung für Mitarbeiter der Beklagten und für ihre Architekten oder Bauleiter. Die Schriftform schütze auch
  103. den Auftragnehmer, der ein großes Interesse daran habe, nur beweisbaren Anordnungen Folge zu leisten.
  104. II.
  105. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sind die Klauseln unter
  106. § 3 BV und § 1.1 und § 1.5 ZBB Allgemeine Geschäftsbedingungen, so sind sie
  107. unwirksam. Der Vergütungsanspruch der Klägerin kann dann nicht mit der Begründung versagt werden, sie habe die Voraussetzungen des § 1.5 ZBB nicht
  108. dargelegt.
  109. 1. In der Revision ist davon auszugehen, daß § 3 BV und die Zusätzlichen Bedingungen des Bauvertrages von den Beklagten verwendete Allgemeine Geschäftsbedingungen sind. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, daß der
  110. Vertrag von den Beklagten gestellt worden ist. Streitig ist lediglich, ob der Vertrag zur Mehrfachverwendung entworfen worden und ob er zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt worden ist.
  111. a) Das Berufungsgericht läßt offen, ob der Vertrag bzw. die entscheidungsrelevanten Klauseln des Vertrages im Einzelnen ausgehandelt worden
  112. sind. In der Revision ist davon auszugehen, daß das nicht geschehen ist.
  113. -7-
  114. b) Das Berufungsgericht äußert Zweifel daran, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, weil die Klägerin die Absicht der Mehrfachverwendung durch die Beklagten nicht dargetan habe. Diese Zweifel lassen sich
  115. mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht aufrecht erhalten.
  116. aa) Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein von dem Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, daß sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert worden
  117. sind (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 238). Das
  118. kann z.B. der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist. Das hat der
  119. Senat für den Bauträgervertrag ausgeführt. Es gilt gleichermaßen für den Bauvertrag.
  120. bb) Die Vertragsklauseln sind allem Anschein nach für eine Mehrfachverwendung vorformuliert. Sie bestehen aus einer Vielzahl von formelhaften
  121. Wendungen zur Regelung der typischen konfliktgefährdeten Sachverhalte. Sie
  122. enthalten fast ausschließlich den Auftragnehmer belastende Regelungen. Jedenfalls eine der beklagten Gesellschafter ist im Immobiliengewerbe tätig (vgl.
  123. BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99, BauR 2000, 1182, 1185 = NZBau
  124. 2000, 375 = ZfBR 2000, 472). Die Vertragsklauseln sind nicht auf das Bauvorhaben der Beklagten und die Beauftragung der Klägerin zugeschnitten, wie u.a.
  125. auch daran erkennbar ist, daß unter § 14.1 ZBB allgemein der Fall geregelt ist,
  126. daß der Auftragnehmer in einer Arbeitsgemeinschaft organisiert ist. Der Anschein von zur Mehrfachverwendung entworfenen Bedingungen gilt nicht nur für
  127. die Zusätzlichen Bedingungen für Bauleistungen. Er gilt auch für § 3 BV, auf
  128. den sich das Berufungsgericht auch stützt. Denn § 3 BV enthält jedenfalls zu
  129. der Frage, inwieweit der Pauschalpreis abgeändert werden kann, formelhafte,
  130. nicht auf das konkrete Bauvorhaben zugeschnittene Wendungen, die im engen
  131. -8-
  132. Zusammenhang mit § 1.5 ZBB stehen. Unerheblich ist, daß § 3 Satz 1 BV zunächst den Pauschalpreis enthält, der individuell vereinbart ist. Denn der Anschein eines zur Mehrfachverwendung entwickelten Vertrages wird nicht dadurch widerlegt, daß er in Teilen individuelle Vereinbarungen enthält (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, aaO).
  133. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Vertrag in § 15 ZBB
  134. die Regelung enthält, diese Bedingungen bildeten mit dem Bauvertrag eine
  135. rechtliche Einheit, sie seien individuell ausgehandelt und stellten keine Geschäftsbedingungen dar. Diese Regelung verdeutlicht vielmehr den Anschein
  136. eines zur Vielfachverwendung entwickelten Vertrages, weil sie in formelhafter
  137. Wendung den Tatbestand des § 1 Abs. 2 AGBG manifestieren will. Diese Regelung vermittelt deshalb auch keinen Anschein, daß der Vertrag tatsächlich
  138. individuell ausgehandelt worden ist.
  139. cc) Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, auf dieser Grundlage wären bauvertragliche Regelungen als Individualvereinbarungen praktisch ausgeschlossen. Die Nutzung von ganz überwiegend formelhaften Klauseln in Verträgen schließt nicht aus, daß Individualvereinbarungen getroffen sind. Sind formelhafte Klauseln z.B. in eine individuelle Gestaltung des Vertrages eingebettet, kann es an einem Anschein für eine Mehrfachverwendung fehlen. Ergibt die
  140. Vertragsgestaltung einen Anschein der Mehrfachverwendung, bleibt dem Verwender die Möglichkeit, diesen Anschein zu widerlegen. Kann der Verwender
  141. den Anschein nicht widerlegen, bleibt ihm der Nachweis, daß die Klauseln im
  142. Einzelnen ausgehandelt worden sind. Ist das nicht der Fall, ist es interessengerecht, die Regelungen des AGB-Gesetzes anzuwenden. Soweit das Berufungsgericht bei der Frage, ob zur Mehrfachverwendung entwickelte Geschäftsbedingungen vorliegen, wiederholt auf die eingeschränkte Schutzbedürftigkeit der
  143. Klägerin als große Bauunternehmung abstellt, ist darauf hinzuweisen, daß das
  144. -9-
  145. AGB-Gesetz insoweit keine Einschränkungen vorsieht. Auch ein großes Bauunternehmen kann sich auf die Regelungen des § 1 Abs. 1, § 9 AGBG berufen.
  146. c) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die
  147. Beklagten den Anschein eines zur Mehrfachverwendung entworfenen Vertrages
  148. widerlegt haben. In der Revision ist deshalb davon auszugehen, daß das AGBGesetz zu Lasten der Beklagten anwendbar ist.
  149. 2. Unzutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Bestimmungen des Vertrages, wonach Nachforderungen ausgeschlossen sind, wenn
  150. sie nicht auf einer schriftlichen Beauftragung durch die Beklagten beruhen,
  151. hielten der Inhaltskontrolle stand.
  152. a) Nach der im Vertragswerk des § 3 BV und des § 1.5 ZBB vorgesehenen Regelung können Ansprüche für vertraglich zunächst nicht geschuldete
  153. Leistungen nur auf vertraglicher Grundlage entstehen und zwar nach Maßgabe
  154. des § 1.5 ZBB nur dann, wenn der Auftragnehmer ein Nachtragsangebot (seiner Subunternehmer) eingereicht und der Auftraggeber dieses angenommen
  155. und schriftlich bestätigt hat.
  156. Damit sind, wie sowohl § 3 BV als auch § 1.1 ZBB hervorheben, Nachforderungen zum vereinbarten Festpreis ausgeschlossen, soweit sie nicht auf
  157. einer derartigen schriftlich bestätigten Vereinbarung beruhen. Dieser Ausschluß
  158. betrifft alle denkbaren Forderungen für vertraglich zunächst nicht vereinbarte
  159. Leistungen. Es sind nicht nur vertragliche, sondern auch eventuelle Ansprüche
  160. aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B sowie Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherung ausgeschlossen. Davon geht auch das Berufungsgericht aus, wie sich daraus ergibt, daß es die Anwendung der gesetzlichen
  161. Vorschriften "unter den gegebenen Umständen" verneint und "im übrigen" die
  162. Voraussetzungen für nicht gegeben hielte.
  163. - 10 -
  164. b) Ein derartiger Ausschluß aller sich aus der Erbringung von vertraglich
  165. nicht vorgesehenen Leistungen ergebenden Ansprüchen benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen.
  166. aa) Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, daß eine Regelung in einem Bauvertrag den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, wonach die
  167. gesetzlichen Ansprüche für notwendige Leistungen ausgeschlossen sind, wenn
  168. diese nicht unverzüglich angezeigt wurden (isolierte Inhaltskontrolle des § 2
  169. Nr. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 VOB/B). Das Interesse des Auftraggebers an
  170. einer frühzeitigen Information rechtfertige zwar die Anzeigepflicht, nicht jedoch
  171. den Ausschluß der Ansprüche (Urteil vom 31. Januar 1991 - VII ZR 291/88,
  172. BGHZ 113, 315, 323).
  173. bb) Erst recht liegt eine unangemessene Benachteiligung vor, wenn die
  174. gesetzlichen Ansprüche für alle zusätzlichen und geänderten Leistungen insgesamt ausgeschlossen werden. Die gesetzlichen Ansprüche stellen einen regelmäßig angemessenen Interessenausgleich für den Fall dar, daß vertragliche
  175. Ansprüche nicht gegeben sind. Ihre uneingeschränkte Abbedingung ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren, § 9
  176. Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Das gilt auch für den Bauvertrag. Die gesetzlichen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherung kommen vor allem
  177. dann zur Geltung, wenn der Auftragnehmer für das Bauvorhaben notwendige
  178. oder vom Auftraggeber gewollte und später genutzte Leistungen erbracht hat,
  179. ohne daß sie wirksam beauftragt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. April
  180. 2001 - VII ZR 222/99, BauR 2001, 1412, 1414 = ZfBR 2001, 455; Urteil vom
  181. 4. April 2002 - VII ZR 26/01, BauR 2002, 1245, 1246 = NZBau 2002, 562 =
  182. ZfBR 2002, 565). Das Interesse des Auftraggebers an Kostenklarheit, Kostensicherheit und Vermeidung unliebsamer Überraschungen sowie von Auseinandersetzungen über die häufig umstrittenen Nachforderungen vermag nicht aus-
  183. - 11 -
  184. reichend zu begründen, daß der Auftraggeber die Leistungen ohne geldwerten
  185. Ausgleich behalten und nutzen kann. Denn letztlich sind diese Nachforderungen, so sie denn berechtigt sind, in vielen Fällen entweder auf nachträgliche
  186. Sonderwünsche des Auftraggebers, Änderungen der öffentlich-rechtlichen
  187. Rahmenbedingungen, unzureichende Ausschreibung und Beauftragung oder
  188. auf eine nach Nutzerwünschen geänderte Planung zurückzuführen, die sich der
  189. Auftraggeber häufig zu eigen macht. Sie haben deshalb ihre Ursache regelmäßig im Verantwortungsbereich des Auftraggebers.
  190. Insbesondere läßt sich die Angemessenheit einer derartigen Klausel
  191. nicht damit begründen, sie liege auch im Interesse des Auftragnehmers, dieser
  192. habe zudem ein Leistungsverweigerungsrecht, solange Nachträge nicht schriftlich beauftragt seien (Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, 4. Aufl., Band 1, Rdn. 962). Die Klausel nimmt
  193. dem Auftragnehmer gesetzliche Ansprüche und ist deshalb nicht in seinem Interesse. Ob und inwieweit der Auftragnehmer bei Geltung der Klausel ein Zurückbehaltungsrecht bei ausstehender schriftlicher Beauftragung hat, kann dahin stehen. Der Umstand, daß er es nicht ausgeübt hat und es deshalb auch zu
  194. keiner Beauftragung gekommen ist, ist dann die Ursache dafür, daß er keine
  195. vertraglichen Ansprüche durchsetzen kann, rechtfertigt jedoch nicht die Beschränkung der gesetzlichen Ansprüche.
  196. cc) Dieser Beurteilung liegt auch die von den Beklagten herangezogene
  197. Entscheidung des Senats zugrunde (Urteil vom 14. Juli 1994 - VII ZR 186/93,
  198. BauR 1994, 760, 762 = ZfBR 1995, 15). Der Senat hat die in dieser Entscheidung zu beurteilende Klausel so verstanden, daß mit ihr nicht die Ansprüche
  199. aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B und auch keine eventuellen gesetzlichen Ansprüche ausgeschlossen sein sollten. Im übrigen hat er offen gelassen, ob die
  200. Schriftformklausel der Inhaltskontrolle stand hält, jedoch darauf hingewiesen,
  201. - 12 -
  202. daß die formularmäßige Beschränkung der Vertretungsmacht des für den Auftraggeber tätigen Bauleiters gesetzeskonform ist.
  203. c) Die Unwirksamkeit der von den Beklagten verwendeten Klauseln beschränkt sich nicht auf den Ausschluß der gesetzlichen Ansprüche. Auch soweit
  204. vertragliche Ansprüche von der Schriftform abhängig gemacht werden, sind die
  205. Klauseln unwirksam. Denn sie differenzieren nicht zwischen den verschiedenen
  206. Ansprüchen. Vielmehr erheben sie die schriftliche Vereinbarung zur einzigen
  207. Möglichkeit, einen Anspruch durchzusetzen. Die darin liegende unangemessene Benachteiligung kann nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion ausgeglichen werden.
  208. d) Es kann danach dahin stehen, ob die Schriftformklausel in § 1.5 ZBB
  209. auch deshalb unangemessen ist, weil sie die Vergütungspflicht davon abhängig
  210. macht, daß der Auftragnehmer "unaufgefordert ein Nachtragsangebot" für erforderliche Mehrleistungen einzureichen hat, dem seinerseits ein Nachtragsangebot seines Subunternehmers zugrunde liegt. Dahin stehen kann auch, ob die
  211. Klauseln auch deshalb unwirksam sind, weil sie nach ihrer Gestaltung Nachforderungen auch dann ausschließen sollen, wenn ungeachtet der Schriftformklausel wirksame mündliche Vereinbarungen mit den Beklagten oder deren Bevollmächtigten getroffen worden sind.
  212. 3. Das Berufungsurteil kann insoweit keinen Bestand haben. Es ist nicht
  213. aus anderen Gründen richtig.
  214. Das Berufungsgericht hat sich nicht abschließend dazu geäußert, ob und
  215. welche Ansprüche die Klägerin hätte, wenn die Klausel nichtig ist. Es hat zwar
  216. mehrere Erwägungen dazu angestellt, welche Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage bestehen könnten. Letztlich hat es die Berechtigung der Bedenken jedoch dahin stehen lassen. Das Berufungsgericht wird deshalb die in Be-
  217. - 13 -
  218. tracht kommenden Ansprüche abschließend zu prüfen und zu bewerten haben.
  219. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, da die notwendigen
  220. Feststellungen fehlen. Vorsorglich weist der Senat auf folgendes hin:
  221. a) Das Berufungsgericht läßt es dahinstehen, ob die VOB/B überhaupt
  222. wirksam in den Vertrag einbezogen worden ist und ob auf die Regelungen der
  223. VOB/B zurückgegriffen werden könnte, wenn die Schriftformklausel unwirksam
  224. wäre. Dies sind Fragen der Vertragsauslegung, die das Berufungsgericht nachzuholen hat.
  225. aa) Mit dem Berufungsgericht spricht viel dafür, daß die VOB/B nachrangig nach den Vertragsbedingungen in den Vertrag einbezogen sein sollte.
  226. bb) Die Unwirksamkeit der Schriftformklausel führt nicht automatisch zur
  227. Geltung der nachrangig etwa vereinbarten VOB/B. Vielmehr gilt grundsätzlich
  228. die gesetzliche Regelung, § 6 Abs. 2 AGBG. Die Parteien können jedoch vereinbaren, daß die Regelungen der VOB/B gelten sollen, soweit vertragliche Regelungen unwirksam sind. Das Berufungsgericht erhält Gelegenheit, dazu Feststellungen zu treffen. Gegen die Ersatzgeltung der VOB/B könnte sprechen,
  229. daß deren Regelungen in zahlreichen Klauseln abgeändert wurde, was insbesondere auch die Vergütungsregelungen betrifft.
  230. cc) Kommt das Berufungsgericht gleichwohl zu der Auffassung, daß bei
  231. Unwirksamkeit der Schriftformklauseln die Regelungen der VOB/B Anwendung
  232. finden sollen, ist zu beachten, daß die VOB/B nicht als Ganzes in den Vertrag
  233. einbezogen worden ist. Das Vertragswerk sieht eine Vielzahl von Klauseln vor,
  234. die die VOB/B abändern. Das hat zur Folge, daß die Regelungen des § 2 Nr. 8
  235. Abs. 1 und Abs. 2 VOB/B nicht eingreifen würden, soweit sie die gesetzlichen
  236. Ansprüche ausschließen (BGH, Urteil vom 31. Januar 1991 - VII ZR 291/88,
  237. BGHZ 113, 315, 322). Die Regelungen des § 2 Nr. 5 und § 2 Nr. 6 VOB/B wä-
  238. - 14 -
  239. ren mit dem vom Senat entwickelten Verständnis anwendbar (BGH, Urteil vom
  240. 25. Januar 1996 - VII ZR 233/94, BGHZ 131, 392, 400; Urteil vom 23. Mai 1996
  241. - VII ZR 245/94, BGHZ 133, 44, 46 ff.; Urteil vom 27. Juni 1996 - VII ZR 59/95,
  242. BauR 1997, 126, 129 = ZfBR 1997, 29).
  243. b) Zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Beauftragung der Klägerin durch den Architekten der Beklagten oder durch dessen
  244. Mitarbeiter, z.B. durch Übersendung vom Vertrag abweichender Pläne, grundsätzlich keine vertraglichen Ansprüche begründen kann, soweit diese keine
  245. Vertretungsmacht hatten, sei sie durch eine rechtsgeschäftliche Vollmacht oder
  246. durch die Tatbestände der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht begründet
  247. (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - VII ZR 186/93, BauR 1994, 760, 762 = ZfBR
  248. 1995, 15). Allein die Veranlassung der geänderten oder zusätzlichen Leistungen durch diese Personen reicht nicht, einen Vergütungstatbestand auszulösen. Soweit sich aus einer Entscheidung des X. Zivilsenats (Urteil vom 8. Januar 2002 - X ZR 6/00, BauR 2002, 787 = NZBau 2002, 325 = ZfBR 2002, 465) zu
  249. einem Fall, in dem der Auftragnehmer mit der Entwicklung von Software beauftragt war, etwas anderes ergeben sollte, kann dem für das Bauvertragsrecht
  250. nicht gefolgt werden.
  251. c) Ein Preisanpassungsanspruch der Klägerin scheitert nicht daran, daß
  252. der Mehraufwand von 14% unter einer "Zumutbarkeitsgrenze" liege. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf Leistungsänderungen und zusätzliche Leistungen.
  253. Insoweit wäre bei Geltung der VOB/B § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 4 heranzuziehen.
  254. Danach ist § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B anwendbar ungeachtet der Frage, ob die
  255. Mehraufwendungen erheblich sind (BGH, Beschluß vom 12. September 2002
  256. - VII ZR 81/01, BauR 2002, 1847 = NZBau 2002, 669 = ZfBR 2003, 31). Maßgeblich ist allein, ob sich die geänderten oder zusätzlichen Leistungen auf die
  257. Kalkulationsgrundlagen auswirken.
  258. - 15 -
  259. Bei Geltung des gesetzlichen Vertragsrechts käme es ebenfalls grundsätzlich nicht darauf an, ob die Mehraufwendungen erheblich sind. Einigen sich
  260. die Parteien im Pauschalvertrag auf zusätzliche oder geänderte Leistungen und
  261. treffen sie keine Vergütungsvereinbarung, so ergibt sich der Vergütungsanspruch vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen aus § 632 BGB.
  262. Nur in den Fällen, in denen die Mehraufwendungen so gering sind, daß üblicherweise dafür kein Entgelt verlangt wird, kann keine zusätzliche Vergütung
  263. verlangt werden.
  264. Eine "Zumutbarkeitsgrenze" kann dann eine Rolle spielen, wenn ein Fall
  265. des § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 VOB/B bzw. des § 242 BGB vorliegt. Ein Anwendungsbereich dieser Regelung sind Mengenabweichungen von erheblichem
  266. Gewicht, ohne daß diesen eine Leistungsänderung oder zusätzliche Leistung
  267. zugrunde liegt. Es ist darauf hinzuweisen, daß der Senat es abgelehnt hat, insoweit eine starre Grenze von 20% zu entwickeln (BGH, Urteil vom 2. November 1995 - VII ZR 29/95, BauR 1996, 250, 251 = ZfBR 1996, 82).
  268. Der Anspruch der Klägerin scheitert nicht daran, daß sie teilweise keine
  269. Subunternehmerangebote vorgelegt hat. Dieser Teil der Klausel § 1.5 ZBB ist
  270. Bestandteil der nichtigen Regelung.
  271. d) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag können nicht mit der
  272. Begründung zurückgewiesen werden, es fehle schon deshalb an dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten, weil sie davon hätten ausgehen
  273. dürfen, daß Ansprüche nur unter den geregelten vertraglichen Voraussetzungen entstehen. Liegen nicht ausgehandelte Allgemeine Geschäftsbedingungen
  274. vor, ist das schon deshalb nicht richtig, weil die Beklagten kein Vertrauen auf
  275. ihre nichtigen Klauseln entwickeln konnten. Zu prüfen ist, ob die Leistungen
  276. - 16 -
  277. durch die Klägerin dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprachen,
  278. maßgeblich ist nicht, ob die Beklagten Kostensicherheit haben wollten.
  279. Gleiches gilt für die entsprechende Erwägung des Berufungsgerichts
  280. zum Anspruch aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B.
  281. e) Soweit das Berufungsgericht einen Bereicherungsanspruch nicht für
  282. möglich hält, weil dieser in überzeugender Weise nicht nach der üblichen Vergütung berechnet werden könnte, ist auf die Rechtsprechung des Senats hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 - VII ZR 222/99, BauR 2001,
  283. 1412, 1414 = ZfBR 2001, 455; Urteil vom 4. April 2002 - VII ZR 26/01, BauR
  284. 2002, 1245, 1246 = IBR 2002, 463 = NZBau 2002, 562 = ZfBR 2002, 565). Soweit die Klägerin die Vergütung aus der Kalkulation ableitet, kann die Klage
  285. nicht ohne weiteres deshalb abgewiesen werden, weil ihr möglicherweise die
  286. übliche Vergütung zusteht. Die Klägerin muß Gelegenheit erhalten, entweder
  287. darzutun, daß ihre Berechnung der üblichen Vergütung entspricht, oder diese
  288. gesondert zu berechnen.
  289. f) Auf eine Verletzung der Kooperationspflicht kann der Ausschluß der
  290. Nachforderungen nicht gestützt werden, wenn die diese Kooperationspflicht
  291. begründenden Regelungen des Vertrages unwirksam sind.
  292. - 17 -
  293. B. Anspruch auf Zahlung der 13. Rate
  294. I.
  295. Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung der 13. Rate von 1.092.500 DM zu. Diese Rate sei nicht fällig, weil noch
  296. nicht alle bei Abnahme festgestellten Mängel des Bauwerks beseitigt seien. Das
  297. ergebe sich aus den Schiedsgutachten, die auch hinsichtlich der Frage verbindlich seien, ob die zunächst festgestellten Mängel beseitigt sind. Gegen die
  298. Wirksamkeit der Schiedsgutachterklausel bestünden keine Bedenken.
  299. Es verstoße nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Werklohnanspruch
  300. in Höhe der 13. Rate wegen relativ geringfügiger Mängel zurückbehalten würde.
  301. Es sei deshalb auch keine restriktive Auslegung der Regelung angezeigt.
  302. II.
  303. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Berufungsgericht die
  304. Revision auch zu diesem Teil der Klage zugelassen. Eine Beschränkung der
  305. Zulassung auf den Teil, der die Nachforderungen betrifft, ist der Begründung
  306. des Berufungsgerichts zur Zulassung nicht zu entnehmen. Die Zulassung erfolgte, weil die Auslegung der streitgegenständlichen Klauseln grundsätzliche
  307. Bedeutung habe. Streitgegenständlich ist auch die Klausel § 8.5 zur Schiedsgutachtervereinbarung. Diese ist nur im Zusammenhang mit der 13. Rate erheblich.
  308. - 18 -
  309. III.
  310. Die Revision hat auch insoweit Erfolg.
  311. 1. Das Berufungsgericht legt die Vereinbarung dahin aus, daß die Fälligkeit der 13. Rate von der Beseitigung jedenfalls der bei der Abnahme festgestellten Mängel abhängt. Das hält der Überprüfung nicht stand. Diese Auslegung verstößt vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, gegen den Grundsatz der
  312. interessengerechten Auslegung.
  313. a) Bereits das Landgericht hat die Vereinbarung zur 13. Rate so verstanden, daß diese erst dann fällig werde, wenn die bei der Abnahme festgestellten
  314. Mängel beseitigt sind. Es hat darauf hingewiesen, daß deren Behebung nach
  315. §§ 640, 641 BGB Voraussetzung für die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs ist.
  316. Das ist nicht richtig. Mit der Abnahme wird der Vergütungsanspruch nach § 641
  317. Abs. 1 Satz 1 BGB insgesamt fällig. Das gilt auch dann, wenn sich der Auftraggeber bei der Abnahme die Rechte wegen Mängeln vorbehält. Wegen dieser
  318. Mängel steht ihm in Höhe des mindestens Dreifachen der Mängelbeseitigungskosten ein Leistungsverweigerungsrecht zu, § 641 Abs. 3 BGB. Diese durch
  319. das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen eingebrachte Regelung ist
  320. auch auf Verträge anwendbar, die vor dem 1. Mai 2000 geschlossen worden
  321. sind, Art. 229 § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB. Bereits vor dieser Gesetzesänderung
  322. bestand ein Leistungsverweigerungsrecht, das allerdings vom Einzelfall abhing
  323. und von der Rechtsprechung mit in der Regel dem Zwei- bis Dreifachen der
  324. Mängelbeseitigungskosten bewertet wurde.
  325. b) Die Vereinbarung zur 13. Rate läßt nicht erkennen, daß diese gesetzliche Regelung abbedungen worden ist. Das Berufungsgericht läßt bei seiner
  326. - 19 -
  327. Auslegung den systematischen Zusammenhang des Zahlungsplans und die
  328. Interessenlage der Parteien unberücksichtigt.
  329. aa) Nach dem Zahlungsplan wird die 12. Rate nach Fertigstellung aller
  330. Leistungen fällig. Ersichtlich ist damit keine mängelfreie Fertigstellung gemeint.
  331. Vielmehr ist der Auftraggeber berechtigt, zunächst die 13. Rate zurückzuhalten,
  332. bis deren Voraussetzungen vorliegen. Die Aufzählung dieser Voraussetzungen
  333. erweckt den Eindruck, daß der in einer chronologischen Reihenfolge abzuwikkelnde Fortgang nach Fertigstellung der Bauleistung geregelt und zur Fälligkeitsvoraussetzung erhoben wird. Danach hat der Auftragnehmer Mängel der
  334. fertiggestellten Leistung zu beseitigen, bevor er die Abnahme fordern kann.
  335. Sind die Mängel beseitigt, hat der Auftraggeber die Abnahme zu erklären und
  336. kann eine Gewährleistungsbürgschaft verlangen. Die Vereinbarung geht davon
  337. aus, daß die Abnahme nach Mängelbeseitigung erklärt wird und entsprechend
  338. der gesetzlichen Regel der Restwerklohn vor Abnahme nicht fällig wird. Sie betrifft nicht den Fall, daß die Abnahme trotz vorhandener Mängel erklärt wird.
  339. Insoweit gilt bei interessengerechter Auslegung die gesetzliche Regelung. Die
  340. 13. Rate wird fällig. Den Beklagten steht jedoch wegen der vorbehaltenen und
  341. anderer Mängel ein Leistungsverweigerungsrecht in gesetzlicher Höhe zu. Außerdem haben sie Anspruch auf Absicherung durch eine Gewährleistungsbürgschaft.
  342. bb) Eine andere Auslegung verbietet sich schon deshalb, weil sie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu einer unangemessenen, gegen
  343. Treu und Glauben verstoßenden Benachteiligung der Klägerin führen würde.
  344. Denn sie würde dazu führen, daß die Beklagten nach Abnahme auch wegen
  345. sehr geringfügiger Mängel noch einen ganz erheblichen Teil des Werklohns
  346. zurückhalten dürften. Mit diesem Verständnis konnte die Klägerin nicht rechnen,
  347. vgl. § 157 BGB. Es gibt kein anerkennenswertes Interesse der Beklagten, das
  348. - 20 -
  349. ein derart umfassendes Leistungsverweigerungsrecht rechtfertigen könnte. Ihr
  350. Interesse an Mängelbeseitigung wird durch das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht ausreichend geschützt.
  351. 2. Das Berufungsurteil kann deshalb auch insoweit keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht entscheiden, ob das Berufungsurteil aus anderen
  352. Gründen richtig ist. Feststellungen des Berufungsgerichts, ob die Klägerin eine
  353. den vertraglichen Anforderungen entsprechende Bürgschaft gestellt hat, fehlen.
  354. 3. Zur Frage, inwieweit nach den vertraglichen Vereinbarungen zu berücksichtigende Mängel noch bestehen, weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
  355. a) Unbedenklich ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Schiedsgutachterklausel benachteilige die Klägerin nicht unangemessen. Die Grundsätze, die der Senat zu einer Schiedsgutachterklausel in einem Fertighausvertrag für die zu Lasten des Unternehmers vorzunehmende Inhaltskontrolle entwickelt hat (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1991 - VII ZR 2/91, BGHZ 115, 329,
  356. 331 ff.), sind auf die Inhaltskontrolle zu Lasten des Auftraggebers eines Vertrages über die Erstellung eines Geschäftshauses nicht anwendbar.
  357. b) Ebensowenig ist die Meinung des Berufungsgerichts zu beanstanden,
  358. allein der Schiedsgutachter sei befugt, über das Vorhandensein von Mängeln
  359. zu entscheiden. Das gilt sowohl für bei der Abnahme gerügte und angeblich
  360. beseitigte Mängel als auch für neu aufgetretene Mängel.
  361. c) Die Vereinbarung ist dahin zu verstehen, daß der Sachverständige
  362. auch die Bewertung der Mängel vorzunehmen hat, wie sich aus dem letzten
  363. Satz der Klausel ergibt. Diese Bewertung ist Grundlage für ein eventuelles Lei-
  364. - 21 -
  365. stungsverweigerungsrecht in Höhe des mindestens Dreifachen der Mängelbeseitigungskosten.
  366. d) Soweit die Mängelbeseitigung unmöglich ist oder wegen unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert werden kann oder die Beklagten keine Mängelbeseitigung mehr fordern, kann ein Leistungsverweigerungsrecht nicht geltend gemacht werden. Insoweit findet eine Abrechnung statt (BGH, Urteil vom
  367. 10. Oktober 2002 - VII ZR 315/01, BauR 2003, 88, 89 = NZBau 2003, 35 =
  368. ZfBR 2003, 140).
  369. Dressler
  370. Thode
  371. Kniffka
  372. Kuffer
  373. Bauner