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316 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 271/99
  5. Verkündet am:
  6. 11. Februar 2000
  7. Riegel,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. -----------------------------------
  19. GG Art. 2 Abs. 1; 20 Abs. 3; 92; 140 i.V.m. WRV Art. 137 Abs. 3;
  20. BGB § 1004
  21. a) Eine Kirchen- oder Religionsgemeinschaft (hier: jüdische Gemeinde) kann vor
  22. den staatlichen Gerichten ein Mitglied auf Unterlassung in Anspruch nehmen,
  23. auch wenn dazu innergemeinschaftliche Vorfragen (hier: zur Vertretung der Gemeinde) geklärt werden müssen.
  24. b) Ist die Vorfrage durch ein Schiedsgericht der Kirche oder Religionsgemeinschaft
  25. entschieden (hier durch Einsetzung eines kommissarischen Vorstandes), so sind
  26. die staatlichen Gerichte daran grundsätzlich gebunden.
  27. BGH, Urt. v. 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - OLG Naumburg
  28. LG Halle
  29. -2-
  30. -3-
  31. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  32. vom 11. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
  33. Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein
  34. für Recht erkannt:
  35. Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Dezember 1998 wird auf Kosten des
  36. Beklagten zurückgewiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. Die Klägerin ist eine jüdische Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Dezember 1996 wurde der Beklagte in deren Vorstand gewählt und von diesem zum Vorsitzenden bestimmt.
  40. Diese Wahl wurde von dem früheren, im Oktober 1995 gewählten Vorstand
  41. und dessen Vorsitzenden nicht anerkannt. Es kam zu Streitigkeiten darüber,
  42. wer die Klägerin rechtswirksam vertrete. Das von beiden Vorsitzenden als Repräsentanten der streitenden Gruppen jeweils namens der Klägerin angerufene
  43. Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte mit
  44. Schiedsurteil vom 17. April 1997 beide Wahlen für ungültig und übertrug die
  45. Geschäftsführung kommissarisch einer von dem Präsidium des Zentralrats der
  46. Juden in Deutschland zu benennenden Person mit der Aufgabe, nach Vorlage
  47. eines Berichts des Landesrechnungshofs Neuwahlen durchführen zu lassen.
  48. -4-
  49. Zwischen dem kommissarisch eingesetzten Vorsitzenden und dem Beklagten kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen um die Führung der
  50. Klägerin. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Unterlassung folgender
  51. Handlungen zu verurteilen:
  52. 1. die Räume der Klägerin zu betreten,
  53. 2. die Geschäftsführung des kommissarischen Geschäftsführers zu behindern, insbesondere diesem den Zutritt zu den Verwaltungsräumen
  54. zu verwehren,
  55. 3. Einfluß auf die Verwaltungstätigkeit der Klägerin zu nehmen, insbesondere deren Angestellten organisatorische Weisungen zu erteilen,
  56. 4. sich als Vorstandsvorsitzenden der Klägerin zu bezeichnen und unter
  57. dieser Bezeichnung im Rechtsverkehr, insbesondere unter Verwendung eines entsprechenden Kopfbogens, des Davidsterns oder des
  58. Amtssiegels aufzutreten.
  59. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat
  60. die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich der
  61. Klageantrag Nr. 1 erledigt hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision
  62. des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung, deren Zurückweisung die
  63. Klägerin beantragt.
  64. -5-
  65. Entscheidungsgründe:
  66. I.
  67. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen den
  68. Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 862, 1004 BGB zu. Der
  69. Beklagte habe die ihm vorgeworfenen Handlungen eingeräumt. Die alleinige
  70. Vertretungsmacht des kommissarischen Vorsitzenden stehe aufgrund des Urteils des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland als einer
  71. von einer "innerkirchlichen" Gerichtsbarkeit getroffenen Entscheidung fest. Um
  72. die autonome "kirchliche" Körperschaft nicht rechtsschutzlos zu stellen, müsse
  73. der Staat die Durchsetzung einer religionsintern getroffenen Entscheidung gewährleisten.
  74. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
  75. II.
  76. 1. Den Rechtsweg zu den Zivilgerichten hat schon das Landgericht
  77. durch unangefochtenen Beschluß bejaht. Dies bindet den Senat (§ 17 a GVG).
  78. Davon zu trennen ist die andere Frage, ob die Klägerin überhaupt bei staatlichen Gerichten um Rechtsschutz nachsuchen kann. Diese Frage ist auch in
  79. der Revisionsinstanz in vollem Umfang zu prüfen, weil es weder um den
  80. Rechtsweg unter den staatlichen Gerichten, noch um Fragen der Zuständigkeit
  81. (§ 549 Abs. 2 ZPO) geht.
  82. -6-
  83. Ohne Erfolg rügt die Revision insoweit, die Klage sei bereits als unzulässig abzuweisen, da eine rein innergemeinschaftliche Angelegenheit gegeben sei, die keiner Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte unterliege.
  84. Aus der dem Staat obliegenden Justizgewährungspflicht (Art. 2 Abs. 1
  85. GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; Art. 92 GG) folgt, daß die
  86. staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen
  87. sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet (BVerfG, NJW
  88. 1999, 349; BVerfGE 85, 337, 345; von Campenhausen, Staatskirchenrecht,
  89. 3. Aufl., S. 365; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 111).
  90. Insoweit kann es weder auf ein staatliches Einverständnis zur Inanspruchnahme der Gerichte durch Kirche bzw. Religionsgemeinschaft ankommen, noch ist
  91. die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der Gerichtsbarkeit der Religionsgemeinschaft subsidiär (von Campenhausen, aaO, S. 205; ders., AöR 112 (1987)
  92. 623, 629; Bock, Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in Das Recht
  93. der Kirche Bd. III, 531, 536). Sollte in BGHZ 46, 96, 101 und in BGHZ 34, 372,
  94. 374 hierzu etwas anderes zum Ausdruck gekommen sein, hält der Senat (der
  95. für die Beurteilung kirchenrechtlicher Verhältnisse zuständig ist) hieran nicht
  96. fest. Ist der Rechtsweg durch die staatlichen Prozeßordnungen allgemein eröffnet, widerspräche es dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Ansprüche der
  97. Religionsgemeinschaften auf staatlichen Rechtsschutz anders zu behandeln
  98. als Ansprüche der anderen Rechtssubjekte (Weber, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (HdbStKirchR), 2. Aufl., S. 1051).
  99. Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat deshalb sowohl gegen als
  100. auch zugunsten der Religionsgemeinschaften in gleicher Weise wie für und
  101. gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn
  102. bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze religionsgemeinschaftliche Vorfra-
  103. -7-
  104. gen zu klären sind (von Campenhausen, aaO, 627; Weber, NJW 1989, 2217,
  105. 2218 f; Rüfner, HdbStKirchR, S. 1090 f; Schmidt-Bleibtreu, GG, 9. Aufl.,
  106. Art. 140 Rdn. 4 a).
  107. Allerdings garantiert der über Art. 140 GG als Bestandteil des Grundgesetzes fortgeltende Art. 137 Abs. 3 WRV vom 11. August 1919 den Kirchen
  108. und Religionsgesellschaften, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der
  109. Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten
  110. (BVerfGE 18, 385, 386). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Garantie eine notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) die dazu unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (BVerfGE 70, 138, 164 m.w.N.). Dieses religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht ist neben der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und der Trennung
  111. von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) die dritte Säule
  112. der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Es gilt für alle Religionsgemeinschaften unabhängig davon, ob sie - wie die Klägerin - die Rechte
  113. einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, privatrechtliche Vereine
  114. sind oder der Rechtsfähigkeit überhaupt entbehren (von Campenhausen,
  115. Staatskirchenrecht, aaO, S. 105 f) und schließt für rein "innerkirchliche" Maßnahmen jede staatliche Einmischung - auch eine Überprüfung durch staatliche
  116. Gerichte - in der Regel aus (BVerfG, NJW 1999, 350 m.w.N.; SchmidtBleibtreu, aaO, Art. 140 Rdn. 4 a).
  117. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften
  118. setzt folglich dem staatlichen Rechtsschutz Grenzen (Schmidt-Aßmann, in:
  119. Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 113). Selbstverwaltungsrecht und allge-
  120. -8-
  121. meine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte stehen
  122. damit in einem Wechselverhältnis, dem durch entsprechende Güterabwägung
  123. Rechnung zu tragen ist. Dabei ist dem Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften besonderes Gewicht beizumessen (BVerfG, NJW 1999,
  124. 349, 350). Es kommt deshalb darauf an, ob und inwieweit die jeweils in Rede
  125. stehende Maßnahme von deren Selbstbestimmungsrecht erfaßt wird und die
  126. Schranken "des für alle geltenden Gesetzes" nicht überschreitet. Die Frage, ob
  127. eine Maßnahme diesem Bereich zuzurechnen ist oder den staatlichen Bereich
  128. berührt, entscheidet sich danach, was materiell, der Natur der Sache oder
  129. Zweckbeziehung nach, als eigene Angelegenheit der Kirche oder Religionsgemeinschaft anzusehen ist (BVerfGE 18, 385, 387). Zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten gehört auch das Organisationsrecht, namentlich
  130. die Wahl der Vertretungsorgane. Der bürgerliche Rechtskreis der beteiligten
  131. Personenkreise wird durch solche Regeln nicht berührt (BVerfG NJW 1999,
  132. 350).
  133. Das Berufungsgericht hat demnach die Klage zu Recht als zulässig erachtet. Streitgegenstand sind die von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche und nicht die Frage ihrer Vertretung, die lediglich eine
  134. Vorfrage ist. Das Klagebegehren ist zivilrechtlicher Natur. Das Zivilrecht gehört
  135. zu den "für alle geltenden Gesetzen" und nicht zu den innergemeinschaftlichen
  136. Angelegenheiten (von Campenhausen, aaO, 633; ders., Staatskirchenrecht, S.
  137. 121; Rüfner, aaO, S. 1091). Es ist somit nach staatlichem Recht zu beurteilen.
  138. Daß dabei möglicherweise innergemeinschaftliche Regelungen oder
  139. Entscheidungen von präjudizieller Bedeutung sind für die Beurteilung des
  140. streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, steht dem nicht entgegen. Die
  141. -9-
  142. staatliche Gerichtsbarkeit kann wegen der Justizgewährungspflicht, die hier
  143. aus dem zivilrechtlichen Streitgegenstand folgt, einer Entscheidung nicht ausweichen, auch wenn im Rahmen der Begründetheit innergemeinschaftlichen
  144. Vorfragen in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist (Sachs, DVBl 1989,
  145. 487, 494).
  146. 2. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 862, 1004 BGB. Diese Vorschriften sind, soweit es
  147. nicht ohnehin um Besitz und Eigentum der Klägerin geht, jedenfalls analog anwendbar, als die Klägerin damit den Schutz ihrer autonomen Verwaltungstätigkeit durch den eingesetzten kommissarischen Geschäftsführer geltend macht.
  148. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß das Verhalten des Beklagten in der Vergangenheit
  149. die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen des in den Klageanträgen 2 bis 4
  150. bezeichneten Rechtsbereichs der Klägerin begründet.
  151. Mit Recht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die vorgreifliche Frage der Vertretung der Klägerin auf das insoweit die staatlichen Gerichte bindende Urteil des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland
  152. vom 17. April 1997 abgestellt. Die Revisionsangriffe des Beklagten hiergegen
  153. greifen nicht durch.
  154. Das Schiedsurteil ist eine Entscheidung in einer innergemeinschaftlichen Angelegenheit durch ein Gericht der Religionsgemeinschaft. Sie ist für
  155. den Senat bindend und einer Überprüfung nicht zugänglich. Dies folgt unmittelbar aus den oben unter I 1 dargestellten Grundsätzen über die Beachtung
  156. des Selbstbestimmungsrechts und die dadurch gegebene Begrenzung des
  157. - 10 -
  158. staatlichen Rechtsschutzes im Bereich der Religionsgemeinschaft. Zwar hat
  159. die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Vertretung der Klägerin auch
  160. mittelbare Rechtswirkungen etwa im bürgerlichen Recht. Das rechtfertigt jedoch keine erweiterte Prüfungskompetenz staatlicher Gerichte. Vielmehr sind
  161. solche vorgreiflichen Entscheidungen selbst dann grundsätzlich zu respektieren (BGHZ 12, 321, 323; OVG Magdeburg, NJW 1998, 3070, 3071; OLG
  162. Naumburg NJW 1998, 3060, 3061; Sachs, aaO, 495; Heckel, aaO, S. 228;
  163. Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, Nachprüfbarkeit kirchlicher Rechtshandlungen
  164. der staatlichen Gerichte (1956) S. 195 f; im Ergebnis auch Hesse, aaO, S. 136,
  165. der andernfalls die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sieht), wenn
  166. das im Einzelfall dazu führen kann, daß staatliche Gerichte an der Durchsetzung von Entscheidungen mitwirken, von denen sie mangels vollständiger
  167. Überprüfbarkeit gar nicht wissen, ob die angeordneten Maßnahmen berechtigt
  168. sind (vgl. BGHZ 29, 352, 363 zum Vereinsrecht). Das ist im Hinblick auf das
  169. verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und
  170. Religionsgemeinschaften hinzunehmen, jedenfalls solange die Entscheidung
  171. nicht willkürlich ist oder gegen fundamentale Rechtsprinzipien verstößt (vgl.
  172. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, aaO, S. 195). Das bezweifelt im Ansatz auch die Revision nicht.
  173. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, das Schiedsgericht sei nur von "Privatpersonen" angerufen worden und könne schon deshalb
  174. zugunsten der Klägerin keine Bindungswirkung entfalten. Das Schiedsgericht
  175. angerufen haben sowohl der Beklagte als auch sein Konkurrent (als Repräsentanten der streitenden Gruppen innerhalb der Klägerin) jeweils - wie das
  176. Berufungsgericht unangefochten feststellt - namens der Klägerin, wobei jeder
  177. für sich in Anspruch nahm, rechtswirksam deren Vorstandsvorsitzender zu
  178. - 11 -
  179. sein. Auch das Ziel des Beklagten war es mithin, seine Vertretungsbefugnis für
  180. die Klägerin durch das Schiedsgericht feststellen zu lassen. Die für ihn (und
  181. seinen Konkurrenten) negative Entscheidung durch Schiedsurteil kann der Beklagte insoweit nicht dadurch in Frage stellen, daß er nunmehr hervorhebt,
  182. nach dem eigenen Standpunkt des Schiedsgerichts habe wegen Unwirksamkeit
  183. der vorangegangenen Wahlen weder er noch sein Konkurrent die Klägerin
  184. wirksam vertreten und sie damit dem Spruch des Schiedsgerichts unterwerfen
  185. können. Dies liefe sonst letztlich auf eine sachliche Überprüfung des
  186. Schiedsurteils hinaus, die den staatlichen Gerichten entzogen ist. Das
  187. Schiedsurteil entfaltet für diese vielmehr eine Art Tatbestandswirkung, die als
  188. solche nur festzustellen und zu respektieren ist.
  189. Das Schiedsurteil verstößt weder gegen fundamentale Rechtsgrundsätze, noch ist es willkürlich. Zwar ist in § 15 Abs. 2 der Schiedsgerichtssatzung
  190. vorgesehen, das Gericht werde in Streitigkeiten satzungsrechtlicher Art nur
  191. nach Vorlage einer von den Streitparteien rechtswirksam unterzeichneten
  192. schriftlichen Unterwerfungserklärung tätig. Ob das Fehlen einer solchen Unterwerfungserklärung als Verfahrensfehler beurteilt werden könnte, mag offenbleiben. Die damals allein in Betracht kommenden Beteiligten, nämlich der Beklagte und sein Konkurrent, haben nämlich eine Entscheidung des Schiedsgerichts zur Vertretung der Klägerin nachgesucht und das Fehlen einer Unterwerfungserklärung nicht gerügt. Von einer willkürlichen Verfahrensweise kann
  193. mithin keine Rede sein. Der Beklagte verhält sich im übrigen auch treuwidrig,
  194. wenn er nunmehr das Schiedsurteil unter dem erörterten formalen Aspekt nicht
  195. gegen sich gelten lassen will.
  196. - 12 -
  197. Das Schiedsurteil ist als innergemeinschaftlicher Akt auch insoweit der
  198. Nachprüfung entzogen, als es um die Frage geht, ob das Gericht mit der Einsetzung eines vom Zentralrat der Juden zu benennenden kommissarischen
  199. Vorsitzenden seine Entscheidungskompetenz überschritten hat. In Anbetracht
  200. der von ihm selbst angenommenen Ungültigkeit beider vorangegangenen
  201. Wahlen war es weder willkürlich noch ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze, die Handlungsfähigkeit der Klägerin durch die Einsetzung eines Notgeschäftsführers wieder herzustellen, zumal - wie das Berufungsgericht auch unangegriffen feststellt - die wirtschaftliche Existenz der Klägerin unter Verwendung eines jährlichen Landeszuschusses in Höhe von 450.000 DM in hohem
  202. Grade gefährdet war.
  203. Rechtlich zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, daß die
  204. streitenden Konkurrenten das einmal ergangene Schiedsurteil nicht über eine
  205. Vereinbarung vom 29. Mai 1997 wieder aus der Welt schaffen konnten. Dieses
  206. Urteil erging zwar auf Veranlassung der damals Beteiligten, verhielt sich aber
  207. zur Vertretung der Klägerin, die es - wovon hier nach den obigen Ausführungen
  208. auszugehen ist - verbindlich regelte. Es begründete damit eine Rechtsposition
  209. zugunsten der Klägerin, die die um den Vorstandsvorsitz streitenden Beteiligten nicht mehr ohne deren Mitwirkung beseitigen konnten, zumal sie nach dem
  210. Ausgangspunkt des Schiedsurteils gerade nicht zur Vertretung der Klägerin
  211. berechtigt waren.
  212. Soweit sich der Beklagte auf ein von ihm vorgelegtes Urteil eines israelischen Rabbinatsgerichts von 25. Juni 1997 bezieht, das die Unwirksamkeit des
  213. Schiedsurteils vom 17. Mai 1997 feststellt und eine Vertretung der Klägerin
  214. unter anderem durch den Beklagten annimmt, hat das Berufungsgericht unter
  215. - 13 -
  216. Auseinandersetzung mit entsprechenden Fachgutachten angenommen, dieses
  217. Urteil des Rabbinatsgerichts als eines sog. "Gerechtigkeitsgerichts" entfalte
  218. keine Rechtswirkungen gegenüber dem Schiedsurteil und verstoße im übrigen
  219. auch wegen Verletzung elementarer Grundsätze (Verletzung des Anspruchs
  220. auf rechtliches Gehör) gegen den "ordre public". Ob die dagegen vorgebrachten Rügen der Revision durchgreifen, kann offenbleiben, weil nach dem unstreitigen Sachvortrag das Urteil des Rabbinatsgerichts später wieder aufgehoben worden ist.
  221. Regelt mithin das Schiedsurteil die Vertretung der Klägerin verbindlich
  222. auch gegenüber dem Beklagten bis zu der vom kommissarischen Vorsitzenden
  223. durchzuführenden Neuwahl eines neuen Vorstands, so folgt daraus, daß die
  224. vom Beklagten einberufene außerordentliche Mitgliederversammlung vom
  225. 25. Mai 1997 und die dort gefaßten Beschlüsse zur Abberufung des kommissarischen Geschäftsführers die rechtswirksame Vertretung der Klägerin durch
  226. diesen nicht in Frage stellen können. Daß dies nach innergemeinschaftlichem
  227. Recht anders sein könnte, hat der Beklagte nicht hinreichend dargetan.
  228. Offenbleiben kann, ob die vom kommissarischen Geschäftsführer der
  229. Klägerin veranlaßte Ausarbeitung einer neuen Satzung und Wahlordnung sowie die Beschlußfassung hierüber aus dem Jahre 1998 rechtswirksam ist; denn
  230. diese Vorgänge können an der Vertretung der Klägerin ohnehin nichts ändern.
  231. Den staatlichen Gerichten steht es auch nicht zu, darüber zu befinden, ob entgegen dem Schiedsurteil die Notgeschäftsführung bei der Klägerin durch
  232. Zeitablauf beendet ist. Das Schiedsurteil hat eine kommissarische Vertretung
  233. der Klägerin angeordnet bis zur Durchführung neuer Vorstandswahlen.
  234. - 14 -
  235. 3. Das Berufungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung festgestellt,
  236. daß der Klageantrag Nr. 1 erledigt sei, ist hierauf in den Entscheidungsgründen
  237. aber nicht weiter eingegangen. Soweit die Revision insoweit eine Rüge nach
  238. § 551 Nr. 7 ZPO erhebt, greift sie nicht durch. Eine Begründung ist nämlich
  239. dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Der Antrag Nr. 1
  240. war darauf gerichtet, dem Beklagten das Betreten der Gemeinderäume zu verbieten, weil der Geschäftsführer ihm aufgrund gewisser Vorgänge Hausverbot
  241. erteilt hatte. Nachdem dieses Hausverbot während des Rechtsstreits wieder
  242. aufgehoben worden ist, erklärte die Klägerin den Antrag Nr. 1 für erledigt. Der
  243. Teilerledigungserklärung hat sich der Beklagte nicht angeschlossen. Da die
  244. Klage entsprechend den vorstehenden Ausführungen begründet war, ist die
  245. streitige Erledigungsfeststellung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden.
  246. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  247. Wenzel
  248. Vogt
  249. Krüger
  250. Schneider
  251. Klein