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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 105/03
  5. Verkündet am:
  6. 2. April 2004
  7. K a n i k,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. DDR-KommVerf § 44 Abs. 6
  19. Der Umstand allein, daß eine Gemeinde durch einen Vertrag eine Verpflichtung eingeht, die teilweise oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen ist, führt
  20. nicht zur Genehmigungsbedürftigkeit nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf. Dasselbe
  21. gilt für eine Stundung, die dem Zweck dient, die Zug-um-Zug-Abwicklung der gegenseitigen Pflichten eines Grundstückskaufvertrages sicher zu stellen.
  22. BGB § 271 Abs. 1
  23. Eine Stundungsabrede liegt nicht vor, wenn die Vertragsparteien den Zahlungszeitpunkt so festlegen, daß eine Zug-um-Zug-Abwicklung der beiderseitigen Pflichten
  24. gewährleistet ist.
  25. BGH, Urt. v. 2. April 2004 - V ZR 105/03 - KG Berlin
  26. LG Berlin
  27. -2-
  28. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 2. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
  30. Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
  31. Dr. Stresemann
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats
  34. des Kammergerichts in Berlin vom 17. Februar 2003 aufgehoben.
  35. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 9
  36. des Landgerichts Berlin vom 5. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
  37. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. Mit notariellem Vertrag vom 24. Juni 1993 kaufte die Beklagte von der
  41. Namensvorgängerin der Klägerin mehrere Grundstücke zu einem Kaufpreis
  42. von 492.752 DM. Besitz, Nutzen und Lasten gingen mit Vertragsschluß auf die
  43. Beklagte über. Der Kaufpreis sollte binnen zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung des Notars gezahlt werden, daß eine Auflassungsvormerkung eingetra-
  44. -3-
  45. gen sei und die Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung vorlägen.
  46. Bis zur Fälligkeit war der Kaufpreis mit 8 % zu verzinsen.
  47. Die Beklagte verpflichtete sich, auf den Kaufgrundstücken durch eine
  48. Wohnbebauung insgesamt 5.386.210 DM zu investieren. Diese Zusage ist
  49. durch eine Vertragsstrafe in Höhe von 30 % der nicht aufgewendeten Investitionssumme gesichert.
  50. Mit Schreiben vom 8. Juni 1995 teilte der Notar mit, daß die Fälligkeitsvoraussetzungen gegeben seien. Die Beklagte zahlte Anfang 1996 lediglich
  51. einen Teilbetrag von 29.000 DM und blieb den Restkaufpreis ebenso schuldig
  52. wie die versprochenen Investitionen.
  53. Die Klägerin verlangt im Wege der Teilklage 200.000 DM nebst Zinsen
  54. als Kaufpreis und 100.000 DM nebst Zinsen als Vertragsstrafe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Kammergericht hat sie abgewiesen. Mit
  55. der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
  56. Entscheidungsgründe:
  57. I.
  58. Das Berufungsgericht hält den notariellen Kaufvertrag, auf den die Klage
  59. gestützt wird, für schwebend unwirksam, da es an der erforderlichen Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde fehle. Der Vertrag sei nach § 44 Abs. 6
  60. -4-
  61. DDR-KommVerf genehmigungsbedürftig, da er wirtschaftlich der Eingehung
  62. einer Kreditverpflichtung gleichkomme. Das zeige sich daran, daß der Beklagten der Kaufpreis über einen längeren Zeitraum gestundet worden sei. Sie habe daher im laufenden Haushaltsjahr eine Leistung erhalten, während sie die
  63. von ihr geschuldete Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt habe erbringen
  64. müssen. Darin liege eine Kreditierung.
  65. II.
  66. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt der Kaufvertrag der
  67. Parteien nicht dem Genehmigungserfordernis des § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf.
  68. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus und sieht den Zweck des Genehmigungserfordernisses darin, die Gemeinde vor der Eingehung einer langfristigen Leistungsverpflichtung mit erheblichen Belastungen für künftige Haushaltsjahre zu
  69. schützen (vgl. auch Schneider/Dreßler/Lüll, Hess. Gemeindeordnung, Stand:
  70. Dezember 2003, § 103 Anm. 15; Grundlach, LKV 2001, 203, 205, für § 100
  71. Abs. 5
  72. SachsAnhGO). Daraus darf indes, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, nicht gefolgert werden, daß jede Verpflichtung, die eine Gemeinde zur
  73. Erlangung einer Leistung im laufenden Haushaltsjahr eingeht und die teilweise
  74. oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen ist, einer genehmigungsbedürftigen Kreditverpflichtung gleichkommt. Dies kann so sein (wie
  75. Grundlach aaO zutreffend anmerkt), muß aber nicht so sein. Das zeigt schon,
  76. -5-
  77. daß Gemeinden Verpflichtungsermächtigungen zu Lasten späterer Haushaltsjahre im Haushalt veranschlagen können, die die Grundlage für die Eingehung
  78. von Verpflichtungen bieten, die nicht in demselben Haushaltsjahr zu erfüllen
  79. sind (§ 43 DDR-KommVerf). Solche Fälle werden von § 44 Abs. 6 DDRKommVerf nicht generell erfaßt. Entscheidend ist vielmehr die vertragliche Gestaltung im Einzelfall.
  80. 2. Nicht tragfähig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe der Beklagten den Kaufpreis gestundet und ihr damit einen Kredit
  81. gewährt. Auch insoweit gilt, daß die Vereinbarung einer Stundung geschuldeter
  82. Beträge, etwa aus Kaufverträgen, wie auch die Vereinbarung von Ratenzahlungen den Tatbestand eines einer Kreditaufnahme gleichkommenden Rechtsgeschäfts erfüllen kann. Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden Württemberg, Stand:
  83. Januar 1987, § 87 Rdn. 80). Danach fehlt es hier an den für eine Kreditierung
  84. charakteristischen Merkmalen.
  85. a) Unzutreffend ist schon, daß die Zahlungsvereinbarung in dem Kaufvertrag eine Stundung des Kaufpreises, also ein Hinausschieben der Fälligkeit
  86. (BGH, Beschl. v. 25. März 1998, VIII ZR 298/97, NJW 1998, 2060, 2061
  87. m.w.N.), zum Inhalt hat. Das Berufungsgericht schließt dies aus dem Umstand,
  88. daß die Fälligkeit abweichend von § 271 Abs. 1 BGB nicht sofort, d.h. mit Vertragsschluß, sondern nach Vorliegen bestimmter zur Umschreibung des Eigentums erforderlicher Voraussetzungen eintreten sollte. Dies verkennt jedoch den
  89. Regelungsgehalt des § 271 BGB. Die Norm enthält subsidiäre Regelungen. Sie
  90. greift nur ein, wenn eine Leistungszeit nicht in anderer Weise bestimmt ist
  91. (MünchKomm-BGB/Krüger, 4. Aufl., Band 2 a, § 271 Rdn. 5, 31). Hier haben
  92. -6-
  93. die Parteien eine Fälligkeitsbestimmung vorgenommen. Sie schiebt den Leistungszeitpunkt nicht hinaus, sondern regelt ihn.
  94. Zwar kann eine Stundungsabrede auch sogleich bei Vertragsschluß getroffen werden (Esser/Schmidt, Schuldrecht Band 1, Teilband 1, 8. Aufl.,
  95. § 15 II 2). Sie muß aber ein Hinausschieben der Fälligkeit über den nach dem
  96. Vertrag an sich naheliegenden und üblichen Zeitpunkt hinaus zum Inhalt haben, etwa wenn die Vertragsparteien die Fälligkeit abweichend von dem
  97. Grundsatz der Zug-um-Zug-Leistung regeln (vgl. MünchKomm-BGB/Krüger,
  98. § 271 Rdn. 21). Das ist hier gerade nicht der Fall. Vielmehr dient die Bestimmung des Zahlungszeitpunkts der Abwicklung der beiderseitigen Leistungspflichten aus dem Grundstückskaufvertrag, dessen Besonderheit darin besteht,
  99. daß die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht regelmäßig nicht sogleich
  100. möglich ist, sondern, schon wegen der notwendigen Mitwirkung des Grundbuchamts, Zeit benötigt.
  101. b) Selbst wenn man aber von einer Stundungsabrede ausgeht, liegt darin keine Kreditierung des Kaufpreises, die die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag, wirtschaftlich betrachtet, in die Nähe einer Kreditverpflichtung rücken.
  102. Dagegen spricht zum einen der Zweck der Fälligkeitsbestimmung, die
  103. Zug-um-Zug-Abwicklung der gegenseitigen Verpflichtungen den Eigentümlichkeiten eines Grundstückskaufvertrages anzupassen und den beiderseitigen
  104. Risiken Rechnung zu tragen. Sie weicht inhaltlich im Ergebnis nicht wesentlich
  105. von dem ab, was auch bei sofortiger Fälligkeit des Kaufpreises, dann aufgrund
  106. von § 320 Abs. 1 BGB, gelten würde. Die Beklagte könnte die Zahlung bis zur
  107. Eigentumsübertragung verweigern. Das Bestehen der Einrede hinderte den
  108. -7-
  109. Verzugseintritt (MünchKomm-BGB/Emmerich, § 320 Rdn. 46 m.w.N.). Zinsen
  110. sind weder nach §§ 291, 641 BGB (vgl. BGHZ 55, 198; 61, 42, 46) noch nach
  111. § 353 HGB geschuldet (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 320 Rdn. 12). Die
  112. Beklagte hat daher durch die Vertragsgestaltung keine Kreditmittel erhalten,
  113. die ihr anderenfalls nicht zugestanden hätten. Zudem blieb die Beklagte nach
  114. der gewählten Vertragsgestaltung ohnehin noch vorleistungspflichtig, da die
  115. Auflassung erst nach nachgewiesener Zahlung vorzunehmen war.
  116. 3. Einen kreditähnlichen Charakter hat auch nicht die Vereinbarung über
  117. den vorgezogenen Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten. Darin liegt zwar
  118. an sich eine Vorleistung der Klägerin, für die als Gegenleistung und als Ausgleich für die der Beklagten schon überlassenen Nutzungsmöglichkeit eine
  119. Verzinsung - Nutzungszins (vgl. Senat, Urt. v. 26. Mai 2000, V ZR 49/99,
  120. NJW-RR 2001, 195) - vereinbart war. Obwohl diese Gegenleistung erst zusammen mit dem Kaufpreis, also erhebliche Zeit nach dem Übergang von Besitz und Nutzen, zu erbringen war, liegt darin keine Kreditierung des Nutzungszinses. Dies belegt ein Vergleich mit der gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit des Mietzinses. Sowohl nach der im vorliegenden Fall noch geltenden
  121. (Art. 229 § 3 Nr. 7 EGBGB) Regelung in § 551 Abs. 1 BGB a.F. wie auch nach
  122. der Neuregelung des § 579 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Miete für ein Grundstück,
  123. wenn nicht Zeitabschnitte vereinbart sind, am Ende der Mietzeit zu entrichten.
  124. Wenn die Parteien die Fälligkeit des Nutzungszinses, der wirtschaftlich einem
  125. Mietzins gleicht, in ähnlicher Weise, nämlich auf das Ende der Nutzungszeit,
  126. die nicht durch den Kaufpreis abgedeckt ist, gelegt haben, so haben sie damit
  127. eine dem Gesetz entsprechende Fälligkeitsbestimmung vorgenommen. Eine
  128. Kreditierung des Nutzungsentgelts kann darin nicht erblickt werden.
  129. -8-
  130. Soweit die Revisionserwiderung die Zinsvereinbarung als Hinweis für
  131. ein kreditähnliches Geschäft wertet (vgl. auch Kunze/Bronner/Katz aaO, § 87
  132. Rdn. 77), verkennt sie, daß die Zinsen nicht die Gegenleistung für eine vom
  133. dispositiven Recht abweichende Stundung darstellen (was für ein Kreditgeschäft sprechen könnte), sondern ein Entgelt für die gewährte Nutzungsmöglichkeit sind.
  134. 4. Daß die mit dem Kaufvertrag übernommenen Investitionsverpflichtungen möglicherweise die Leistungsfähigkeit der Beklagten überschreiten, führt
  135. entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht zur Genehmigungsbedürftigkeit nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf. Die Norm schützt die Gemeinden nicht generell vor der Eingehung von Geschäften, die sie finanziell überfordern. Sie schützt sie nur vor einer unüberlegten Kreditaufnahme und vor
  136. dem Abschluß kreditähnlicher Verträge. Bei großen Investitionen sind sie allein
  137. durch das Haushaltsrecht, insbesondere durch die Bestimmungen über die
  138. Veranschlagung von Verpflichtungsermächtigungen gebunden. Genehmigungserfordernisse für vertragliche Bindungen bestehen indes nicht. Auch der
  139. Umstand, daß die Beklagte zur Erfüllung der in dem Vertrag übernommenen
  140. Verpflichtungen möglicherweise einen Kredit aufnehmen muß, macht das
  141. Rechtsgeschäft selbst, wie das Berufungsgericht auch nicht verkannt hat, nicht
  142. zu einem kreditähnlichen und damit genehmigungsbedürftigen Geschäft. Die
  143. Genehmigungserfordernisse in den Gemeindeordnungen der Länder sind auf
  144. bestimmte, im einzelnen festgelegte Geschäfte begrenzt. Sie stellen einen besonders starken Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar (BGH, Urt. v.
  145. 10. Juni 1999, IX ZR 409/97, NJW 1999, 3335, 3336). Sie bedürfen deswegen
  146. und wegen ihrer Auswirkungen auf das Privatrecht, die Belange des Verkehrsschutzes und der Rechtssicherheit berühren, einer Rechtsgrundlage, aus der
  147. die Fälle der Genehmigungsbedürftigkeit deutlich erkennbar sind (BGH aaO,
  148. -9-
  149. 3337). Damit ist ein Genehmigungserfordernis, das darauf abstellt, ob die Gemeinde im konkreten Fall zur Erfüllung der eingegangenen Vertragspflichten
  150. einen Kredit aufnehmen muß, nicht vereinbar (zutreffend OLG Thüringen,
  151. OLGR 2001, 539; aA, ohne Begründung, OLG Rostock, NJW-RR 1994, 661,
  152. 662). Denn es müßte in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die jeweilige Haushaltslage die Erfüllung des Vertrages erlaubt oder die nachträgliche - selbst
  153. auch genehmigungspflichtige - Kreditaufnahme erfordert. Für den Vertragspartner läge darin eine Ungewißheit, die verläßliche Planungen ausschließt
  154. und ihm nicht zugemutet werden kann. Entscheidend kann daher nur der Charakter des Rechtsgeschäfts selbst sein, nicht die Frage nach der Notwendigkeit
  155. einer Finanzierung im Einzelfall.
  156. 5. Die Berechtigung der geltend gemachten Forderungen selbst, einen
  157. wirksamen Vertrag vorausgesetzt, stellt die Revisionserwiderung nicht in Frage. Rechtsfehler sind in dem zusprechenden Urteil des Landgerichts, das sich
  158. bezüglich der Ausführungen zur Vertragsstrafe auf dem Boden der Senatsrechtsprechung (Urt. v. 3. April 1998, V ZR 6/97, NJW 1998, 2600) bewegt,
  159. insoweit auch nicht ersichtlich.
  160. III.
  161. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
  162. Wenzel
  163. Krüger
  164. Gaier
  165. Klein
  166. Stresemann