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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZR 212/08
  4. vom
  5. 23. März 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 Abs. 2 Satz 3
  14. Rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht habe die allgemein bezeichnete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundlegend missverstanden,
  15. so ist die Erforderlichkeit der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen
  16. Rechtsprechung nur dann hinreichend ausgeführt, wenn durch einen Vergleich der
  17. entscheidungstragenden, nicht notwendig geschriebenen Obersätze des Berufungsurteils mit der herangezogenen Rechtsprechung eine Rechtssatzabweichung dargelegt wird.
  18. BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - IX ZR 212/08 - OLG Hamm
  19. LG Dortmund
  20. -2-
  21. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  22. Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
  23. Möhring
  24. am 23. März 2011
  25. beschlossen:
  26. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil
  27. des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. September 2008 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
  28. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.
  29. Gründe:
  30. 1
  31. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
  32. I.
  33. 2
  34. Die Begründung des Rechtsmittels genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
  35. 3
  36. 1. Mit der Rüge von Rechtsfehlern und der Behauptung, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des Senats zu der Frage, wann ein Scha-
  37. - 3 -
  38. densersatzanspruch gegen den Steuerberater entstanden sei (beispielhaftes
  39. Zitat von BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786 und
  40. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386), grundlegend
  41. missverstanden, ist das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als Grund der Revisionszulassung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO)
  42. nicht dargelegt. Die Beschwerdebegründung hätte vielmehr einen bestimmten,
  43. entscheidungserheblichen Obersatz des Berufungsurteils herausarbeiten müssen, der, sei es aufgrund eines Missverständnisses, sei es aufgrund anderer
  44. Erwägungen, von dem Obersatz einer Vergleichsentscheidung abweicht. In
  45. dieser Hinsicht gilt nichts anderes als für die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Rechtsfortbildung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom
  46. 22. Oktober 2009 - IX ZB 50/09, WM 2010, 237 Rn. 4). Auf den Obersatzvergleich stellt der Senat auch für die Einheitlichkeitssicherung in ständiger Rechtsprechung ab (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010
  47. - IX ZR 150/08, bei juris Rn. 2; vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 56/09, bei juris
  48. Rn. 2; vom 16. September 2010 - IX ZB 203/09, bei juris Rn. 1).
  49. 4
  50. Diese Auslegung deckt sich mit dem von der Beschwerde selbst angeführten Beschluss des V. Zivilsenats vom 8. September 2004 (V ZR 260/03,
  51. NJW 2005, 154, 155 unter II. 2. a). Der V. Zivilsenat hat dort zwar zum Ausdruck gebracht, ebenso wie die Heranziehung eines unrichtigen Obersatzes
  52. erzeuge ein grundlegendes Missverständnis eine strukturelle Wiederholungsgefahr der fehlerhaften Rechtsanwendung (kritisch dagegen Hk-ZPO/Kayser,
  53. 4. Aufl. § 543 Rn. 28). In der Sache bedeutet das jedoch nichts anderes als die
  54. Subsumtion unter einen Obersatz, welcher - hier infolge eines Missverständnisses - von der Vergleichsentscheidung abweicht. Sonst kann ein Missverständnis zwar schwerwiegend sein, es wäre aber nicht grundlegend.
  55. - 4 -
  56. 5
  57. Im Sinne des Obersatzvergleiches hat auch der V. Zivilsenat seine ältere
  58. Zulassungsrechtsprechung klargestellt (grundlegend BGH, Beschluss vom
  59. 18. März 2004 - V ZR 222/03, NJW 2004, 1960, 1961 unter 2.a; aus jüngerer
  60. Zeit vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - V ZA 5/09, bei juris; vom
  61. 19. Juni 2008 - V ZR 190/07, bei juris Rn. 7). Ebenso verfahren andere oberste
  62. Bundesgerichte (vgl. etwa BFH/NV 2009, 1264 Nr. 792). Um nichts anderes als
  63. eine versteckte Obersatzdivergenz handelt es sich schließlich, wenn ein Gericht
  64. in einer bestimmten Rechtsfrage in ständiger Praxis höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtigt, was der V. Zivilsenat als Rechtsfehler mit symptomatischer Bedeutung bezeichnet (vgl. Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB
  65. 11/02, BGHZ 151, 42, 46).
  66. 6
  67. Der Obersatzvergleich muss, ähnlich wie früher bei der Divergenzrevision, von der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nachvollzogen werden (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, aaO S. 45;
  68. vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 293; Hk-ZPO/Kayser aaO
  69. § 544 Rn. 18). Diesen Begründungsanforderungen der Nichtzulassungsbeschwerde ist mit der Bezeichnung der ganz allgemeinen Rechtsfrage, wann der
  70. Schadensersatzanspruch gegen den Steuerberater entsteht, hier nicht genügt.
  71. 7
  72. 2. Der von der Beschwerde weiter genannte Grund zur Sicherung einer
  73. einheitlichen Rechtsprechung, das Berufungsurteil habe unter Bezugnahme auf
  74. das Senatsurteil vom 12. Februar 1998 (IX ZR 190/97, aaO) fehlerhaft angenommen, schon die belastenden Steuerbescheide beruhten auf pflichtwidrigem
  75. Verhalten des Beraters und die Versäumung der Einspruchsfrist habe diesen
  76. Schaden nur verfestigt, statt erstmals einen Schaden entstehen zu lassen, bezeichnet nur einen Subsumtionsfehler, der nicht zur Zulassung der Revision
  77. führen kann. Diese Abgrenzungsfrage mag der tatrichterlichen Würdigung
  78. - 5 -
  79. Schwierigkeiten bereiten und häufiger zu Fehlern führen. Es ist aber nicht dargelegt, dass solche Subsumtionsergebnisse auf der Anwendung eines abweichenden Obersatzes beruhen. Unter diesen Umständen ist eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr durch das Berufungsurteil, die ohnehin nur
  80. indizielle Bedeutung für eine Obersatzabweichung haben können, nach der Zulassungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht begründet.
  81. II.
  82. 8
  83. Die Rechtsgrundsätze, nach denen das Berufungsgericht den Streitfall
  84. entschieden hat, sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt
  85. und ohne Abweichung im Grundsätzlichen angewendet worden.
  86. 9
  87. 1. Die Haftung des Steuerberaters für einen Veranlagungsschaden des
  88. Mandanten, den der Berater zu vertreten hat, beginnt mit der Bekanntgabe der
  89. entsprechenden Steuerbescheide (BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR
  90. 140/94, BGHZ 129, 386, 390; st.Rspr.). Als Bekanntgabe genügt diejenige an
  91. den Berater; auf die Kenntnis des Mandanten selbst kann es erst in Fällen ankommen, in denen § 68 StBerG aF, anders als hier, für den Verjährungsbeginn
  92. nicht mehr anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - IX ZR 53/06,
  93. WM 2008, 613 Rn. 11; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 198/06, WM 2008, 1612
  94. Rn. 29). Soweit es sich um einen Schaden aus Beteiligung an einer Personengesellschaft handelt, reicht infolge der Bindungswirkung für die persönliche
  95. Steuerfestsetzung die Bekanntgabe der Grundlagenbescheide an die Gesellschaft oder ihren steuerlichen Berater aus (BGH, Urteil vom 12. November
  96. 2009 - IX ZR 218/08, WM 2010, 138 Rn. 11).
  97. - 6 -
  98. 10
  99. 2. Hat eine einzige, in sich abgeschlossene Verletzungshandlung mehrere Schadensfolgen ausgelöst, beginnt nach dem Grundsatz der Schadenseinheit die Anspruchsverjährung bereits, sobald irgendein Teilschaden entstanden
  100. ist. Das gilt auch im Hinblick auf nachträglich auftretende, zunächst nur drohende Folgen, die als möglich vorhersehbar sind. Haben sich dagegen mehrere
  101. selbständige Handlungen des Schädigers ausgewirkt, so beginnt die Verjährung
  102. regelmäßig mit den jeweils dadurch verursachten Schäden gesondert zu laufen
  103. (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - IX ZR 115/01, WM 2006, 148, 150 unter
  104. III. 2. a mwN).
  105. 11
  106. a) Im Beschwerdefall hat das Berufungsgericht bereits nach unstreitigem
  107. Sachverhalt angenommen, der Beklagte habe die mangelhafte Buchführung der
  108. von ihm betreuten Gesellschaften zu vertreten und damit den Schaden der auf
  109. Schätzungen des Finanzamts beruhenden Steuerbescheide vom 14. Oktober
  110. 2003 schuldhaft verursacht. Die Beweislastfrage hat es in diesem Zusammenhang ausdrücklich offen gelassen. Ein auf die Beweislast bezogener Zulassungsgrund eröffnet sich folglich nach dem Berufungsurteil nicht. Der Angriff
  111. der Beschwerde gegen die Subsumtion des Berufungsgerichts, nach welcher
  112. der Beklagte bereits aufgrund seiner vorangegangenen Pflichtverletzungen auf
  113. Ersatz des Veranlagungsschadens der Schätzungsbescheide vom 14. Oktober
  114. 2003 gehaftet hat, könnte zwar revisionsrechtlich von Interesse sein, lässt aber
  115. gleichfalls keinen Grund zur Zulassung des Hauptrechtsmittels erkennen.
  116. 12
  117. b) Der Beklagte hat allerdings mit der verspäteten Einlegung der Einsprüche gegen die Steuerbescheide vom 14. Oktober 2003 erneut seine Pflichten verletzt. Er musste hierbei aber nur Nachteile seiner Mandanten aus der
  118. vorangegangenen Pflichtverletzung abwenden oder mindern, für die er nach der
  119. hier maßgeblichen Ansicht des Berufungsgerichts ohnehin einzustehen hatte.
  120. - 7 -
  121. Ein solches Versäumnis enthält keine selbständige schadensursächliche
  122. Pflichtverletzung, welche die frühere schadensstiftende Handlung - als Schadenszurechnungsgrund - gleichsam aufgehoben hat und eine neue Verjährungsfrist hätte anlaufen lassen können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember
  123. 1997 - IX ZR 180/96, WM 1998, 779, 780 unter II. 1.).
  124. 13
  125. Der geltend gemachte Schaden war nach Annahme des Berufungsgerichts bereits aufgrund der älteren Pflichtverletzung des Beklagten vollen Umfanges entstanden. Dagegen rügt die Beschwerde zwar, der geltend gemachte
  126. Veranlagungsschaden beruhe ausschließlich auf einem groben Schätzungsfehler des Finanzamtes und sei deshalb dem Beklagten nicht als Folge der von
  127. ihm zu vertretenden Buchhaltungsmängel zuzurechnen. Sie beanstandet jedoch auch hier lediglich einen Rechtsfehler, ohne die grundsätzliche Bedeutung
  128. des Schutzzwecks der verletzten Vertragspflicht im Hinblick auf das finanzverfahrensrechtlich drohende Risiko einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
  129. herauszuarbeiten. Das genügt zulassungsrechtlich nicht.
  130. 14
  131. Das Risiko einer fehlerhaften Schätzung gehört im Übrigen typischerweise in den Zurechnungszusammenhang einer Pflichtverletzung, nach welcher
  132. das Finanzamt Besteuerungsgrundlagen schätzen durfte. Bestand der mögliche
  133. Fehler - wie hier - darin, dass das Finanzamt bei unklarer Verteilung der Gewinne zwischen einem Speiseeishersteller und einem Verkäufer dieser Produkte an Endverbraucher für beide Gesellschaften den wahrscheinlich insgesamt
  134. erzielten Gewinn als Besteuerungsgrundlage in Ansatz gebracht hat, statt eine
  135. immerhin fragwürdige Aufteilung vorzunehmen, so lag gerade diese Vorgehensweise nicht außerhalb jeder Erwartung, sondern verwirklichte nur das spezifische Schätzungsrisiko, welches nach dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichtes von dem Beklagten zu vertreten war.
  136. - 8 -
  137. 15
  138. c) Für die nach den Schätzungsbescheiden vom 14. Oktober 2003 veranlagten Körperschaftsteuern der GmbH sind die Kläger als ihre Gesellschafter
  139. durch Haftungsbescheide vom 25. Januar 2007, die dem Beklagten am
  140. Folgetage zugegangen sind, persönlich in Anspruch genommen worden. Hieran
  141. will die Beschwerde für den Verjährungsbeginn anknüpfen, obwohl die Haftungsbescheide nur einen Teilschaden betreffen.
  142. 16
  143. Der Bundesgerichtshof hat noch nicht entschieden, wann der Anspruch
  144. auf Ersatz eines Drittschadens der Geschäftsführer bei dem laufenden Buchführungs- und Steuerberatungsmandat einer GmbH verjährt, sofern sie in dessen Schutzbereich einbezogen sind und vom Finanzamt persönlich nach den
  145. §§ 34, 69, 191 AO für Steuernachforderungen gegen die GmbH in Haftung genommen werden. Diese Rechtsfrage hat die Beschwerde weder bezeichnet
  146. noch hat sie hieraus eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache herzuleiten versucht, was freilich mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erfolgversprechend gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 - X ZR
  147. 82/02, BGHZ 153, 254, 257). Für das Beschwerdegericht war die bezeichnete
  148. - 9 -
  149. Frage nicht entscheidungserheblich, weil es als schadensbegründend auch insoweit bereits die Schätzungsbescheide vom 14. Oktober 2003 angesehen hat.
  150. Kayser
  151. Raebel
  152. Grupp
  153. Gehrlein
  154. Möhring
  155. Vorinstanzen:
  156. LG Dortmund, Entscheidung vom 28.06.2007 - 7 O 477/06 OLG Hamm, Entscheidung vom 23.09.2008 - 25 U 114/07 -