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370 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 318/13
  5. Verkündet am:
  6. 7. September 2016
  7. Schick
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. ECLI:DE:BGH:2016:070916UIVZR318.13.0
  13. -2-
  14. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
  15. Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt,
  16. den Richter Dr. Karczewski und die Richterin Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2016
  17. für Recht erkannt:
  18. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 13. August
  19. 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. 1
  23. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer infolge
  24. des Bezugs von Krankengeld einbehaltenen Betriebsrente.
  25. 2
  26. Die beklagte Zusatzversorgungskasse (im Folgenden: die Beklagte) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten A rbeitgeber des öffentlichen Dienstes auf der Grundlage entsprechender
  27. Versorgungstarifverträge im Wege privatrechtlicher Versicherung eine
  28. zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung
  29. zu gewähren.
  30. 3
  31. Die Klägerin ist als Bankkauffrau bei einer Sparkasse beschäftigt
  32. und bei der Beklagten pflichtversichert. Nach einem Schlaganfall bewilligte ihr die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Be-
  33. -3-
  34. scheid vom 26. August 2003 rückwirkend ab dem 1. Januar 2002 eine
  35. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Von der Beklagten erhielt die
  36. Klägerin seit dem 1. Januar 2002 eine Betriebsrente wegen teilweiser
  37. Erwerbsminderung.
  38. 4
  39. Die Klägerin, die auch nach Rentenbewilligung im Rahmen der
  40. Hinzuverdienstgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin bei
  41. ihrer bisherigen Arbeitgeberin beschäftigt blieb, erkrankte im Jahre 2010
  42. an Krebs. Sie bezog nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums in der
  43. Zeit vom 6. Dezember 2010 bis zum 23. November 2011 Krankengeld
  44. sowie in der Zeit vom 24. November 2011 bis zum 29. Januar 2012
  45. Übergangsgeld. Eine Kürzung der gesetzlichen Rente unterblieb in diesen Zeiträumen, weil Kranken- und Übergangsgeld die Hinzuverdienstgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überschritten.
  46. 5
  47. Nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 3. Juni
  48. 2011 vom Krankengeldbezug in Kenntnis gesetzt hatte, stellte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juni 2011 das Ruhen der Betriebsrente
  49. wegen des Bezugs von Krankengeld ab dem 6. Dezember 2010 fest. Zugleich forderte sie bis zum 31. Juli 2011 erbrachte Rentenleistungen in
  50. Höhe von 1.149,60 € zurück und verrechnete diesen Betrag später nach
  51. Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch die Klägerin mit anderen
  52. Rentenleistungen.
  53. 6
  54. Die Beklagte beruft sich auf § 39 ihrer Satzung (im Weiteren:
  55. BayZVKS) in der Neufassung vom 25. Juni 2002, wo es auszugsweise
  56. heißt:
  57. -4-
  58. "§ 39 Nichtzahlung und Ruhen
  59. (1) 1 Die Betriebsrente wird von dem Zeitpunkt an nicht gezahlt, von dem an die Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 100 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 SGB VI endet. 2 Die Betriebsrente
  60. ist auf Antrag vom Ersten des Monats an wieder zu zahlen,
  61. für den der/dem Rentenberechtigten die Rente wegen Alters
  62. aus der gesetzlichen Rentenversicherung wieder geleistet
  63. wird. 3Wird die Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung nach Eintritt des Versicherungsfalls (§ 31) als Teilre nte gezahlt, wird die Betriebsrente nur in Höhe eines en tsprechenden Anteils gezahlt.
  64. (2) Ist der Versicherungsfall wegen voller oder teilweiser
  65. Erwerbsminderung eingetreten und wird die Rente aus der
  66. gesetzlichen Rentenversicherung wegen Hinzuverdienstes
  67. nicht oder nur zu einem Anteil gezahlt, wird auch die B etriebsrente nicht oder nur in Höhe eines entsprechenden
  68. Anteils gezahlt.
  69. (3) Die Betriebsrente ruht, solange die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ganz oder teilweise versagt
  70. wird.
  71. (4) 1 Die Betriebsrente ruht ferner, solange die/der Berechtigte
  72. ihren/seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb
  73. eines Mitgliedstaates der Europäischen Union hat und trotz
  74. Aufforderung der Kasse keine Empfangsbevollmächtigte/keinen Empfangsbevollmächtigten im Inland bestellt.
  75. 2
  76. Die Kasse kann Ausnahmen zulassen.
  77. (5) Die Betriebsrente ruht ferner in Höhe des Betrages des
  78. für die Zeit nach dem Beginn der Betriebsrente gezahlten
  79. Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung,
  80. soweit dieses nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI auf eine
  81. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen oder
  82. bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine
  83. Rente wegen Alters als Vollrente dem Träger der Kranke nversicherung zu erstatten ist. […]"
  84. -5-
  85. 7
  86. Die Klägerin hält das Vorgehen der Beklagten für unzulässig und
  87. fordert die einbehaltenen bzw. verrechneten Rentenzahlungen. Zuletzt
  88. hat sie Zahlung in Höhe von 2.201,64 € nebst Zinsen und Erstattung von
  89. Rechtsverfolgungskosten begehrt.
  90. 8
  91. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
  92. Klägerin hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision
  93. erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
  94. Entscheidungsgründe:
  95. 9
  96. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
  97. 10
  98. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe trotz des
  99. Bezugs von Krankengeld Anspruch auf Zahlung der Betriebsrente. Deren
  100. Ruhen komme nach § 39 Abs. 5 BayZVKS für die Zeit nach Rentenbeginn nur in Betracht, wenn Krankengeld nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI
  101. auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen sei. An
  102. dieser Voraussetzung fehle es, da die Klägerin Krankengeld für eine
  103. nach Rentenbeginn eingetretene Arbeitsunfähigkeit erhalten habe. Dieses Krankengeld sei nach § 96a Abs. 3 SGB VI dem Arbeitsentgelt
  104. gleichgestellt und mithin auf eine gesetzliche Rente wegen teilweiser
  105. Erwerbsminderung grundsätzlich anzurechnen. Darauf, dass diese Anrechnung im Streitfall wegen Unterschreitung der Hinzuverdienstgrenzen
  106. unterblieben sei, komme es nicht an, denn § 39 Abs. 5 BayZVKS nehme
  107. lediglich auf § 96a Abs. 3 SGB VI, nicht jedoch auf die Anrechnungsvor-
  108. -6-
  109. schriften zu den Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 1 und 2 SGB VI
  110. Bezug. Die Satzungsbestimmung sei daher nur anzuwenden, wenn
  111. Krankengeld zwar in der Zeit nach dem Beginn der Betriebsrente, jedoch
  112. wegen einer schon vor Rentenbeginn eingetretenen Arbeitsunfähigkeit
  113. gezahlt werde; nur in diesem Fall werde das Krankengeld dem Arbeitsentgelt gemäß § 96a Abs. 3 SGB VI nicht gleichgestellt und sei deshalb
  114. nicht auf die gesetzliche Rente anzurechnen.
  115. 11
  116. Dieser Auslegung stehe der Zweck der Satzungsbestimmung, einerseits eine Leistungskumulation zu begrenzen und andererseits eine
  117. zweimalige Anrechnung zu vermeiden, nicht entgegen. Durch die Zahlung des Krankengeldes anstelle des Arbeitsentgelts trete hier keine
  118. Leistungskumulation ein. Auch eine Doppelanrechnung erfolge nicht, d a
  119. das Krankengeld weder auf die gesetzliche Rente noch auf die Betrieb srente angerechnet werde.
  120. 12
  121. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
  122. 13
  123. § 39 Abs. 5 BayZVKS bestimmt unter anderem, die Betriebsrente
  124. ruhe in Höhe des Betrages eines für die Zeit nach dem Beginn der Betriebsrente gezahlten Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenvers icherung, soweit dieses nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI auf eine Rente
  125. wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen ist. Damit hat die Beklagte inhaltsgleich die Regelung aus § 12 Abs. 5 des Tarifvertrages
  126. über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen
  127. Dienstes vom 1. März 2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrages
  128. Nr. 2 vom 12. März 2003 (ATV-K) übernommen.
  129. -7-
  130. 14
  131. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats finden die Satzungsbestimmungen der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskassen
  132. als Allgemeine Versicherungsbedingungen auf die Gruppenversich erungsverträge Anwendung, die von den beteiligten Arbeitgebern als Ve rsicherungsnehmern mit der Zusatzversorgungskasse als Versicherer zugunsten der versicherten Arbeitnehmer, abgeschlossen werden (Senatsurteile vom 23. Juni 1999 - IV ZR 136/98, BGHZ 142, 103, 106 ff. unter
  133. 2 a [juris Rn. 10-13]; vom 12. Januar 2011 - IV ZR 118/10, VersR 2011,
  134. 611 Rn. 11; vom 29. September 2010 - IV ZR 99/09, juris Rn. 13; vom
  135. 24. März 2010 - IV ZR 296/07, VersR 2010, 656 Rn. 15, jeweils zur Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder; vom 14. Juni
  136. 2006 - IV ZR 55/05, VersR 2006, 1248 Rn. 8 zur Satzung der Zusatzversorgungskasse des Saarlandes). Für die Auslegung der Satzungsbestimmungen einer solchen Gruppenversicherung kommt es auch auf das
  137. Verständnis und Interesse eines durchschnittlichen Versicherten an (Senatsurteile vom 12. Januar 2011; vom 29. September 2010; vom
  138. 24. März 2010, jeweils aaO; vom 3. Dezember 2008 - IV ZR 104/06,
  139. VersR 2009, 201 Rn. 13; vom 14. Februar 2007 - IV ZR 267/04, VersR
  140. 2007, 676 Rn. 10; vom 14. Juni 2006 - IV ZR 55/05, VersR 2006, 1248
  141. Rn. 8; vom 14. Mai 2003 - IV ZR 76/02, VersR 2003, 895 unter II 1 a [juris Rn. 27]).
  142. 15
  143. 2. Er wird zunächst die in § 39 BayZVKS getroffene Regelung über
  144. Nichtzahlung und Ruhen der Betriebsrente als Ganzes in den Blick ne hmen und feststellen, dass die von der Beklagten gewährte Betriebsrente
  145. in Abhängigkeit von der gesetzlichen Rente gezahlt wird. So ist in § 39
  146. Abs. 1 BayZVKS bestimmt, die Zahlung der Betriebsrente ende mit dem
  147. Ende der gesetzlichen Rente und werde bei Fortsetzung der gesetzlichen Rentenzahlungen wieder geleistet. § 39 Abs. 2 BayZVKS kann der
  148. -8-
  149. Versicherte weiter entnehmen, dass bei Anrechnung eines Hinzuve rdienstes auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente auch die Zusat zrente wegen Erwerbsminderung einer entsprechenden Anrechnung des
  150. Hinzuverdienstes unterliegt. Der Versicherte wird diese Regelung so verstehen, dass ihm Rentenleistungen wegen Erwerbsminderung - sowohl
  151. aus der gesetzlichen Rentenversicherung als auch aus der Zusatzvers icherung - nicht zustehen sollen, soweit ein Hinzuverdienst bestimmte
  152. Grenzen übersteigt und daher auf die Rentenleistungen anzurechnen ist.
  153. 16
  154. Die Grenzen eines insoweit neben der Erwerbsminderungsrente
  155. unbedenklichen Hinzuverdienstes sind für die gesetzliche Rente in § 96a
  156. Abs. 1 und 2 SGB VI festgelegt. § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB
  157. VI, auf welchen der Versicherte in § 39 Abs. 5 BayZVKS hingewiesen
  158. wird, bestimmt insoweit ergänzend, dass bei der Feststellung eines Hi nzuverdienstes neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
  159. dem Arbeitsentgelt oder -einkommen der Bezug von Krankengeld gleichsteht, welches aufgrund einer nach Rentenbeginn eingetretenen Arbeit sunfähigkeit geleistet wird. Daraus kann der durchschnittliche Versicherte
  160. entnehmen, dass ein - anstelle seines Hinzuverdienstes - im Krankheitsfalle gezahltes Krankengeld grundsätzlich in gleicher Weise wie der ursprüngliche Hinzuverdienst nach § 39 Abs. 2 BayZVKS auf die gesetzliche Rente wegen Erwerbsminderung anzurechnen ist und insoweit di eselben Hinzuverdienstgrenzen gelten. Daraus folgt weiter, dass das einen Hinzuverdienst ersetzende Krankengeld ohne Einfluss sowohl auf
  161. die gesetzliche Rente wegen Erwerbsminderung als auch die Zusatzre nte der Beklagten bleibt, solange die gesetzlichen Hinzuverdienstgrenzen
  162. aus § 96a Abs. 2 SGB VI nicht überschritten werden.
  163. -9-
  164. 17
  165. 3. § 39 Abs. 5 BayZVKS enthält eine weitere Regelung über das
  166. Ruhen der Betriebsrente infolge von Krankengeldzahlungen. Die Satzungsklausel setzt für das Ruhen einer Betriebsrente wegen teilweiser
  167. Erwerbsminderung voraus, dass der Versicherte ein nach Rentenbeginn
  168. gezahltes Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung erhält,
  169. welches nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI auf die gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen ist.
  170. 18
  171. a) Die Bestimmung wirft für den durchschnittlichen Versicherten,
  172. der in erster Linie vom Klauselwortlaut ausgehen wird, die Frage auf, ob
  173. davon auch ein den Hinzuverdienst ersetzendes Krankengeld erfasst
  174. wird, welches lediglich infolge einer Unterschreitung der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 SGB VI nach § 96a Abs. 1 SGB VI nicht auf
  175. die gesetzliche Erwerbsminderungsrente anzurechnen ist, oder ob die
  176. Bestimmung nur in Fällen anzuwenden ist, in denen eine Krankengelda nrechnung schon an den Voraussetzungen des § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
  177. SGB VI scheitert.
  178. 19
  179. b) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sprechen sowohl der Bedingungswortlaut als auch der systematische Regelungszusammenhang, in den die Bestimmung gestellt ist, für die letztgenannte
  180. Auslegung.
  181. 20
  182. § 39 Abs. 5 BayZVKS macht dem durchschnittlichen Versicherten
  183. schon nicht deutlich, dass mit dieser Klausel die in § 39 Abs. 2 BayZVKS
  184. getroffene Regelung über Hinzuverdienst ergänzt oder verändert werden
  185. soll. Im Anschluss an § 39 Abs. 2 BayZVKS enthalten die Absätze 3 und
  186. 4 der Satzungsbestimmung weitere selbständige Regeln über das Ruhen
  187. der Zusatzrente bei Versagung der gesetzlichen Rente (Abs. 3) sowie im
  188. - 10 -
  189. Falle eines Wohnsitzes des Versicherten außerhalb der Europäischen
  190. Union (Abs. 4). Diese Ruhenstatbestände stehen mit der in § 39 Abs. 2
  191. BayZVKS getroffenen Regelung über Hinzuverdienst ersichtlich in keinem inneren Zusammenhang. Hätte der Satzungsgeber mit der erst in
  192. Absatz 5 getroffenen Regelung die bereits in Absatz 2 getroffene Regelung über die Anrechnung von Hinzuverdienst modifizieren oder ergänzen wollen, hätte es daher nahegelegen, die Regelung entweder in A bsatz 2 selbst oder zumindest im unmittelbaren Anschluss daran in Abs atz
  193. 3 zu treffen. § 39 Abs. 5 BayZVKS verweist im Übrigen für die Frage der
  194. Anrechenbarkeit von Krankengeld auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente lediglich auf § 96a Abs. 3 SGB VI, welcher die grundsätzlichen Voraussetzungen der Anrechenbarkeit des Krankengeldes regelt,
  195. nicht jedoch auf § 96a Abs. 1 und 2 SGB VI, wo die für eine Anrechnung
  196. maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen geregelt sind.
  197. 21
  198. Auch soweit sich der durchschnittliche Versicherte bemüht, den inhaltlichen Regelungszusammenhang zu erfassen, in den § 39 Abs. 5
  199. BayZVKS gestellt ist, deutet für ihn die in Absatz 2 der Klausel getroffene Regelung über die Anrechnung von Hinzuverdienst auf beide Renten
  200. in Verbindung mit § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI darauf hin,
  201. dass die Frage einer Anrechnung von Hinzuverdienst oder (diesen ersetzendes) Krankengeld dort abschließend geregelt ist und § 39 Abs. 5
  202. BayZVKS, in welchem von einem Hinzuverdienst nicht die Rede ist und
  203. die Nichtanwendung des § 96a Abs. 3 SGB VI gerade vorausgesetzt
  204. wird, einen anderen Fall regelt.
  205. 22
  206. c) Bei dem von der Beklagten vertretenen Verständnis de s § 39
  207. Abs. 5 BayZVKS ergeben sich zudem inhaltliche Widersprüche, die sich
  208. für den durchschnittlichen Versicherten nicht auflösen lassen.
  209. - 11 -
  210. 23
  211. aa) Beträfe auch die in § 39 Abs. 5 BayZVKS getroffene Ruhen sregelung das einen Hinzuverdienst ersetzende Krankengeld im Sinne
  212. von § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI und hinge das Ruhen
  213. der Betriebsrente davon ab, ob das Krankengeld die Hinzuverdiens tgrenzen des § 96a Abs. 2 SGB VI unterschreitet, stünde der Versicherte
  214. - wie die Klägerin im Streitfall - bei Erhalt eines niedrigen Krankengeldes
  215. unter Umständen schlechter da, als wenn das Krankengeld die Hinzuverdienstgrenze überschritte. Denn in diesem Fall wäre die Betriebsrente
  216. lediglich nach § 39 Abs. 2 BayZVKS anteilig zu kürzen, während sie bei
  217. Unterschreitung der Hinzuverdienstgrenzen in voller Höhe zum Ruhen
  218. gebracht werden könnte.
  219. 24
  220. bb) Der durchschnittliche Versicherte wird den Sinn der gesetzl ichen und satzungsmäßigen Verbote des Kumulierens sozialer Leistu ngen darin erkennen, dass bestimmte Beeinträchtigungen seiner Erwerbsfähigkeit nicht mehrfach ausgeglichen werden sollen und er insoweit
  221. nicht besser gestellt werden soll als durch das zu ersetzende Arbeitsentgelt oder -einkommen (vgl. BT-Drucks. 13/8671, S. 118; Jentsch in
  222. jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. § 96a Rn. 31). Er wird deshalb verstehen, dass
  223. er für denselben Einnahmeausfall nicht mehrfachen Ausgleich von ve rschiedenen sozialen Leistungsträgern erhalten kann, sofern eine solche
  224. Kumulation ihm nicht - wie bei der von der Beklagten getragenen Zusatzversorgung neben der gesetzlichen Rente - ausdrücklich gesetzlich oder
  225. vertraglich zugesagt ist. Er wird mithin weiter verstehen, dass derselbe
  226. Erwerbsausfall ihm nicht zugleich durch Renten- und Krankengeldzahlungen ausgeglichen werden soll. Dieses Verständnis setzt allerdings voraus, dass zwischen beiden Ansprüchen eine Kongruenz hinsichtlich des
  227. auszugleichenden Einnahmeausfalls besteht (vgl. zur Kongruenz auch
  228. - 12 -
  229. BSG, Urteil vom 25. November 2015 - B 3 KR 3/15 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, hier zitiert aus juris Rn. 10 und 24).
  230. 25
  231. An dieser Deckungsgleichheit des Ausfallgrundes fehlt es im
  232. Streitfall. Die Klägerin hat vor ihrer Krebserkrankung einen Ausgleich für
  233. ihre zuvor bereits erlittene teilweise Erwerbsminderung in Form von g esetzlicher Erwerbsminderungsrente und Zusatzrente erhalten und dan eben aus ihrer verbliebenen (und insoweit nicht durch Rentenzahlungen
  234. ausgeglichenen) Arbeitskraft einen unterhalb der maßgeblichen Hinz uverdienstgrenzen liegenden Hinzuverdienst erzielt. Das nach
  235. ihrer
  236. Krebserkrankung bezogene Krankengeld hat allein den Wegfall der diesen Hinzuverdienst tragenden Rest-Arbeitsfähigkeit, nicht hingegen die
  237. bereits zuvor erlittene Erwerbsminderung ausgeglichen. Von einer Leistungskumulation kann insofern keine Rede sein. Die Ruhensentscheidung der Beklagten hat deshalb auch nicht eine nach der Erkrankung der
  238. Klägerin
  239. eingetretene
  240. Besserstellung
  241. beseitigt,
  242. sondern
  243. zu
  244. einer
  245. Schlechterstellung geführt, denn vor ihrer Krebserkrankung bezog die
  246. Klägerin zwei Erwerbsminderungsrenten und ihren Hinzuverdienst, während ihr danach infolge der Entscheidung der Beklagten lediglich die g esetzliche Erwerbsminderungsrente und das Krankengeld als Ersatz für
  247. den ausgefallenen Hinzuverdienst verblieb.
  248. 26
  249. cc) Die dargelegten inhaltlichen Widersprüche, welche sich bei der
  250. von der Beklagten vertretenen Auslegung des § 39 Abs. 5 BayZVKS e rgeben, werden den durchschnittlichen Versicherten in der Annahme b estärken, dass die in § 39 Abs. 5 BayZVKS getroffene Regelung für Kra nkengeld im Sinne von § 96a Abs. 3 SGB VI, welches einen Hinzuverdienst ersetzt, keine Anwendung findet, gleichviel ob es die Hinzuve rdienstgrenzen überschreitet oder nicht.
  251. - 13 -
  252. 27
  253. 4. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass nicht ersichtlich sei,
  254. in welchen Fällen § 39 Abs. 5 BayZVKS bei der hier vertretenen Auslegung noch zur Anwendung komme, überspannt sie die Anforderungen an
  255. die Erkenntnismöglichkeiten eines juristisch nicht vorgebildeten durc hschnittlichen Versicherten. Er hat keinen Überblick über die komplizierten
  256. sozialrechtlichen Regelungen zur Anrechnung von Krankengeld. Insb esondere ist ihm auch die gesetzliche Regelung in § 50 SGB V über die
  257. Beendigung oder Kürzung von neben Rentenzahlungen gewährtem Kran kengeld nicht geläufig. Er ist deshalb zu der von der Beklagten angesprochenen Prüfung nicht in der Lage. Auch soweit die Revision geltend
  258. macht, die Beschränkung der Regelung in § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
  259. Buchst. a SGB VI auf Krankengeld, das aufgrund einer erst nach Rentenbeginn eingetretenen Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, habe ihren
  260. Grund allein in einer unterschiedlichen Leistungsabwicklung der Kra nkenkassen, und erlaube nicht den Rückschluss, dass § 39 Abs. 5
  261. BayZVKS lediglich auf Krankengeld anzuwenden sei, welches wegen e iner vor Rentenbeginn eingetretenen Erkrankung gezahlt werde, ist der
  262. durchschnittliche Versicherte zu solchen Überlegungen nicht in der Lage,
  263. - 14 -
  264. weil sie im Bedingungswortlaut keine ausreichende Stütze finden und er
  265. weder die Entstehungsgeschichte und Motive des § 39 Abs. 5 BayZVKS
  266. noch des § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI kennt.
  267. Mayen
  268. Felsch
  269. Dr. Karczewski
  270. Harsdorf -Gebhardt
  271. Dr. Bußmann
  272. Vorinstanzen:
  273. AG München, Entscheidung vom 21.09.2012 - 233 C 11551/12 LG München I, Entscheidung vom 13.08.2013 - 20 S 22851/12 -