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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. Verkündet am:
  5. 16. Februar 2005
  6. Fritz
  7. Justizangestellte
  8. als Urkundsbeamtin
  9. der Geschäftsstelle
  10. IV ZR 275/03
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
  14. Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
  15. vom 16. Februar 2005
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Köln
  18. - 24. Zivilkammer - vom 11. Dezember 2003 wird auf
  19. Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Reiseveranstalter-Insolvenzversicherung in Anspruch.
  23. Er hatte eine 14-tägige Pauschalreise für vier Personen in die Türkei bei einem Reiseveranstalter gebucht, den Gesamtpreis von 5.398 DM
  24. vor Reiseantritt bezahlt und vom Veranstalter einen den Anforderungen
  25. des § 651 k BGB entsprechenden Sicherungsschein der Beklagten erhalten. Die Reise wurde Ende Juli/Anfang August 2001 durchgeführt. Nach
  26. ihrem Abschluß machte der Kläger Schadensersatz- und Minderungsansprüche wegen Mängeln geltend und erstritt am 29. Januar 2002 ein Versäumnisurteil über insgesamt 10.690 DM gegen den Reiseveranstalter.
  27. -3-
  28. Bereits am 10. Januar 2002 war ein vorläufiger Insolvenzverwalter für
  29. das Unternehmen des Reiseveranstalters bestellt worden.
  30. Deshalb verlangt der Kläger Deckung von der Beklagten, allerdings nur in Höhe des Preises, den er für die Reise bezahlt hat.
  31. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision
  32. verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
  33. Entscheidungsgründe
  34. Die Revision hat keinen Erfolg.
  35. 1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 651 k
  36. BGB nicht, daß vom Versicherungsschutz auch Ansprüche des Reisenden wegen Mängeln erfaßt seien. Auch Art. 7 der Richtlinie des Rates
  37. der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 1990 (90/314/EWG,
  38. ABlEG 1990 Nr. L 158/59 ff.), der durch § 651 k BGB in deutsches Recht
  39. umgesetzt worden ist, fordere lediglich, daß im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt würden. Ein Insolvenzschutz für Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln
  40. einer vor Eintritt der Insolvenz bereits abgeschlossenen Reise sei dagegen nicht vorgesehen. Insofern stehe der Reisende nicht anders als jeder Gläubiger, der vorgeleistet habe und mit Ansprüchen wegen
  41. Schlechterfüllung der Gegenleistung aufgrund einer Insolvenz seines
  42. Schuldners ausfalle.
  43. -4-
  44. 2. Demgegenüber geht die Revision unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 28. März 2001 (IV ZR 19/00 - NJW 2001, 1934 = VersR 2001,
  45. 714 jeweils unter 4 b) davon aus, daß § 651 k BGB richtlinienkonform
  46. auszulegen sei. Die Richtlinie 90/314/EWG bezwecke einen umfassenden Schutz des Reisenden auch im Hinblick auf mangelhafte Reiseleistungen, wie insbesondere die Regelungen in Art. 5 zeigten. Nach dem
  47. 20. Erwägungsgrund dieser Richtlinie sei sowohl dem Verbraucher als
  48. auch der Pauschalreisebranche damit gedient, wenn der Reiseveranstalter verpflichtet sei, Sicherheiten für den Fall der Zahlungsunfähigkeit
  49. oder des Konkurses nachzuweisen. Eine Beschränkung der Sicherheiten
  50. auf bestimmte Schäden sei an dieser Stelle nicht vorgesehen. Aus Art. 7
  51. der Richtlinie ergebe sich lediglich der Höhe nach eine Begrenzung auf
  52. die gezahlten Beträge. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gewähre dem Reisenden in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Pauschalreiserichtlinie einen umfassenden Schutz gegen
  53. Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung. Die Revision hält eine Vorlage
  54. der Sache an den EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EGV zur Klärung der Frage für unausweichlich, ob die in Art. 7 der Richtlinie vorgeschriebene Sicherung auch Ansprüche des Reisenden wegen Reisemängeln umfasse.
  55. 3. Die Entscheidung der Vorinstanzen erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig. Eine Vorlage an den EuGH kommt schon deshalb nicht
  56. in Betracht, weil § 651 k BGB die von der Revision gewünschte Auslegung nicht zuläßt. Darüber hinaus ergibt sich aus der gesicherten Rechtsprechung des EuGH zu der hier in Rede stehenden Richtlinie, daß
  57. Art. 7 eine Sicherung des Reisenden nur für die dort genannten Scha-
  58. -5-
  59. densfälle fordert, unter die sich die hier geltend gemachten Ansprüche
  60. aber nicht einordnen lassen.
  61. a) Unstreitig hat die Beklagte Versicherungsschutz nach Maßgabe
  62. des § 651 k BGB versprochen. Abgesehen von Aufwendungen des Reisenden, die für seine Rückreise infolge Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters entstehen (§ 651 k Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB), beschränkt
  63. sich die Pflicht zur Sicherstellung des Reisenden gemäß § 651 k Abs. 1
  64. Satz 1 Nr. 1 BGB auf die Rückerstattung des bereits gezahlten Reisepreises, soweit Reiseleistungen infolge Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veranstalters
  65. ausfallen. Unter diesen Wortlaut der Vorschrift läßt sich der vorliegende
  66. Fall nicht subsumieren: Denn Reiseleistungen sind nicht ausgefallen,
  67. sondern bis zur Rückkehr erbracht worden; außerdem ist der Veranstalter vor Abschluß der Reise nicht zahlungsunfähig geworden.
  68. Der Senat hat in seinem Urteil vom 28. März 2001 (aaO) in Betracht gezogen, daß durch § 651 k BGB die Vorschrift des Art. 7 der EGRichtlinie über Pauschalreisen (aaO) in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Das Ziel des Art. 7 der Richtlinie hat der Senat unter Bezug auf
  69. die Rechtsprechung des EuGH im Schutz des Verbrauchers gegen Risiken gesehen, die sich aus der Insolvenz des Reiseveranstalters ergeben
  70. (ähnlich BGH, Urteil vom 10. Dezember 2002 - X ZR 193/99 - NJW 2003,
  71. 743 unter II 4 c bb). Der Senat hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH weiter ausgeführt, Art. 7 bezwecke den vollständigen
  72. Schutz der in dieser Vorschrift genannten Rechte der Verbraucher und
  73. damit den Schutz der Verbraucher gegen sämtliche in diesem Artikel ge-
  74. -6-
  75. nannten Risiken, die sich aus der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters ergeben. Art. 7 lautet in der deutschen Fassung:
  76. Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist,
  77. weist nach, daß im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des
  78. Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind.
  79. Der vollständige Schutz, den Art. 7 der Richtlinie bietet, bezieht
  80. sich mithin auf Ansprüche des Verbrauchers auf Erstattung gezahlter,
  81. aber wegen entfallener Reiseleistungen nicht verbrauchter Geldbeträge
  82. sowie auf seinen Rücktransport an den Ausgangsort der Reise. Geschützt wird der Verbraucher hinsichtlich dieser Rechte durch Art. 7 nur,
  83. soweit sie durch Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters gefährdet
  84. sind (Kemper NJW 1993, 3293, 3295).
  85. Zwar war in Art. 7 des der Richtlinie vorangegangenen Kommissionsentwurf vom 23. März 1988 (ABlEG Nr. C 96/5 ff.) vorgesehen, daß
  86. die Reiseveranstalter den versicherungsfähigen Teil der von ihnen nach
  87. der Richtlinie überhaupt zu tragenden Haftung versichern sollten, womit
  88. auch die in Art. 5 des Entwurfs vorgesehene Mängelhaftung umfaßt war
  89. (so auch die 20. Begründungserwägung dieses Entwurfs). Demgegenüber ist die Sicherungspflicht des Reiseveranstalters in der Richtlinie
  90. gewordenen Fassung des Art. 7 in der dargestellten Weise eingeschränkt worden. Diese Entstehungsgeschichte bestärkt die bereits aus
  91. dem Wortlaut des Art. 7 der Richtlinie zu entnehmende Begrenzung der
  92. Sicherungspflicht auf bestimmte Ansprüche und Risiken. Mehr oder anderes als eine Umsetzung des Art. 7 der Richtlinie war vom deutschen
  93. -7-
  94. Gesetzgeber mit der Einführung von § 651 k BGB nicht beabsichtigt
  95. (BT-Drucks. 12/5354 S. 9 und 11).
  96. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Auslegung des § 651 k
  97. BGB ausgeschlossen, die von Wortlaut, Sinnzusammenhang und Entstehungsgeschichte abweichend zu einer Sicherungspflicht des Reiseveranstalters auch für Gewährleistungsansprüche führen würde, die nach
  98. abgeschlossener Reise wegen einer erst danach eingetretenen Insolvenz
  99. nicht durchgesetzt werden können. Das entspricht der insoweit einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa LG Aachen RuS
  100. 1998,
  101. 342;
  102. Staudinger/J.Eckert,
  103. BGB
  104. [2001]
  105. § 651 k
  106. Rdn. 9;
  107. MünchKommBGB/Tonner, 4. Aufl. § 651 k Rdn. 11; Soergel/K.H.Eckert,
  108. BGB 12. Aufl. § 651 k Rdn. 8; Erman/Seiler, BGB 11. Aufl. § 651 k
  109. Rdn. 6; Bamberger/Roth/Geib, BGB § 651 k Rdn. 6; Jauernig/Teichmann,
  110. BGB 11. Aufl. § 651 k Rdn. 2; Führich, Reiserecht, 4. Aufl. Rdn. 456 d,
  111. 457; Seyderhelm, Reiserecht § 651 k Rdn. 10; Bidinger/Müller, Reisevertragsrecht 2. Aufl. § 651 k Anm. 1).
  112. Danach kommt eine richtlinienkonforme Auslegung in der von der
  113. Revision gewünschten Richtung schon deshalb nicht in Betracht, weil
  114. § 651 k BGB in der hier streitigen Frage einen unterschiedlicher Auslegung zugänglichen Entscheidungsspielraum nicht eröffnet (zu dieser
  115. Voraussetzung vgl. BGHZ 149, 165, 173 f.). Erst recht fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger dem Sicherungsschein der Beklagten
  116. einen über § 651 k Abs. 1 Satz 1 BGB hinausgehenden Umfang des ihm
  117. zugesagten Versicherungsschutzes hätte entnehmen können.
  118. -8-
  119. b)
  120. Es
  121. kommt
  122. hinzu:
  123. In
  124. seinem
  125. Urteil
  126. vom
  127. 14. Mai
  128. 1998
  129. (Rs. C-364/96 - Verein für Konsumenteninformation - NJW 1998, 2201)
  130. hat der EuGH in Rdn. 19 festgestellt, die Garantie der "Erstattung der
  131. gezahlten Beträge" betreffe die Fälle, in denen die Zahlungsunfähigkeit
  132. oder der Konkurs des Veranstalters nach Vertragsschluß und vor Beginn
  133. der Erfüllung des Vertrages eintrete oder in denen die Leistungen während der Vertragserfüllung eingestellt werden und dem Verbraucher der
  134. Teil der Zahlung zu erstatten ist, der den nicht erbrachten Leistungen
  135. entspricht. Was die Garantie der "Rückreise des Verbrauchers" angehe,
  136. solle diese verhindern, daß letzterer während der Erfüllung des Vertrages an seinem Aufenthaltsort deswegen festgehalten wird, weil der Beförderer sich wegen der Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters weigere,
  137. die der Rückreise entsprechende Leistung zu erbringen. Mit diesen Ausführungen hat der EuGH die beiden Tatbestände des Art. 7 der Richtlinie
  138. so präzisiert, daß Ansprüche wegen Mängeln einer bis zum Abschluß
  139. vom Veranstalter durchgeführten Reise, die wegen einer erst nach der
  140. Reise eingetretenen Insolvenz des Veranstalters nicht durchgesetzt werden können, nicht unter die Verpflichtung zur Sicherstellung des Verbrauchers fallen. Der EuGH hat diese Rechtsprechung in einem Urteil
  141. vom 15. Juni 1999 (Rs. C-140/97 - Rechberger - NJW 1999, 3181) bestätigt. Dort heißt es in Rdn. 28, die Kläger jenes Falles seien den Risiken
  142. ausgesetzt gewesen, denen Art. 7 der Richtlinie gerade begegnen solle.
  143. Sie hätten sich nämlich erstens durch Zahlung von Beträgen vor Reiseantritt dem Risiko des Verlustes dieser Beträge und zweitens im Fall der
  144. Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters während der Reise dem Risiko ausgesetzt, am Aufenthaltsort festzusitzen,
  145. wenn der Beförderer es aufgrund dieser Zahlungsunfähigkeit oder dieses
  146. -9-
  147. Konkurses ablehne, die aus der Rückreise bestehende Leistung zu
  148. erbringen.
  149. Soweit der EuGH, wie die Revision hervorhebt, den umfassenden
  150. Schutz des Reisenden betont, ist nicht zu übersehen, daß der Gerichtshof nur den Schutz der in Art. 7 der Richtlinie genannten Rechte der
  151. Verbraucher und damit den Schutz des Verbrauchers gegen sämtliche in
  152. diesem Artikel genannten, sich aus der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters ergebenden Risiken im Auge hat (so ausdrücklich Rdn. 61
  153. im Urteil vom 15. Juni 1999 aaO; ferner Rdn. 59 im Urteil vom 8. Oktober
  154. 1996 - verb. Rs. C-178/94 u.a. - Dillenkofer - NJW 1996, 3141). Das hat
  155. auch der Senat in seinem Urteil vom 28. März 2001 (aaO) zugrunde gelegt.
  156. - 10 -
  157. Danach kommt eine Vorlage an den EuGH hier auch deshalb nicht
  158. in Betracht, weil die streitige Frage vom Gerichtshof bereits geklärt ist.
  159. Ein Anspruch gegen die Beklagte steht dem Kläger mithin nicht zu.
  160. Terno
  161. Dr. Schlichting
  162. Dr. Kessal-Wulf
  163. Seiffert
  164. Felsch