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11 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 48/11
  5. Verkündet am:
  6. 19. Januar 2012
  7. Kiefer
  8. Justizangestellter
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. - 2 -
  13. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 19. Januar 2012 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
  15. Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
  18. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
  19. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  20. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand
  23. 1
  24. Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf fehlerhafter Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
  25. 2
  26. Auf Empfehlung des Geschäftsführers der Beklagten zeichnete der Kläger am 5. Dezember 2003 eine mittelbare - über einen Treuhänder gehaltene Kommanditbeteiligung an der F.
  27. & E.
  28. VIP M.
  29. 3 GmbH
  30. & Co. KG, einem geschlossenen Medienfonds, in Höhe von 55.000 € zuzüglich
  31. - 3 -
  32. 5 % Agio (2.750 €). Diese Beteiligung finanzierte der Kläger in einem Umfang
  33. von 33.000 € aus Eigenmitteln und in Höhe des Restbetrags von 24.750 € über
  34. ein von der Beklagten vermitteltes Darlehen des Hamburger Bankhauses W.
  35. & Co.
  36. 3
  37. Der Kläger hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte habe die ihr hieraus erwachsenen Pflichten verletzt, indem sie keine ordnungsgemäße Plausibilitätsprüfung
  38. vorgenommen, irreführende und mangelhafte Prospektangaben nicht erörtert
  39. und zudem unrichtig mitgeteilt habe, dass die versprochenen steuerlichen Vorteile sicher seien und die Rückzahlung der Einlage an die einzelnen Anleger
  40. garantiert sei. Darüber hinaus habe sie es pflichtwidrig unterlassen, ihn, den
  41. Kläger, über die Höhe der ihr aus der erfolgreichen Empfehlung der Kapitalanlage zufließenden Provision aufzuklären.
  42. 4
  43. Das Landgericht hat der Klage auf Ersatz des Zeichnungsschadens
  44. (Zahlung, Freistellung vom Bankdarlehen und Feststellung der Verpflichtung
  45. zum Ersatz etwaiger weiterer Nachteile) weitgehend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen.
  46. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte
  47. weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
  48. - 4 -
  49. Entscheidungsgründe
  50. 5
  51. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der
  52. Sache an das Berufungsgericht.
  53. I.
  54. 6
  55. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  56. 7
  57. Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag geschlossen
  58. worden. Aus diesem Verhältnis sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger unaufgefordert über die genaue Höhe der ihr im Rahmen der Anlageberatung zufließenden Vergütung - hier: 7 % der Zeichnungssumme - aufzuklären.
  59. Diese Aufklärungspflicht ergebe sich aus der Pflicht des Anlageberaters, zuvörderst die Interessen seines eine Kapitalanlage suchenden Auftraggebers zu
  60. wahren. Um dem Vorwurf des Vertrauensmissbrauchs entgehen zu können, sei
  61. der Berater gehalten, vertragswidrige Interessenkonflikte in ihrem konkreten
  62. Ausmaß aufzudecken. In diesem Zusammenhang müsse der genaue Umfang
  63. der gesamten Vergütung mitgeteilt werden, damit der Anlageinteressent das
  64. Umsatzinteresse des Beraters und das Ausmaß des daraus resultierenden Interessenkonflikts einschätzen und die Objektivität der angebotenen Beratung beurteilen könne. Dies gelte für einen freien Anlageberater ebenso wie für eine
  65. Bank. Die sonach bestehende Aufklärungspflicht habe die Beklagte verletzt, da
  66. sie keine Mitteilungen zu ihrer Vergütung gemacht habe und der Anlageprospekt keine Angaben über die gerade der Beklagten zufließende Provision und
  67. - 5 -
  68. deren konkreten Umfang enthalte. Diese Pflichtverletzung, die für die Anlageentscheidung des Klägers kausal gewesen sei, habe die Beklagte zu vertreten
  69. und verpflichte diese zum Ersatz des gesamten Zeichnungsschadens.
  70. II.
  71. 8
  72. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden
  73. Punkt nicht stand.
  74. 9
  75. 1.
  76. Auch bei Annahme des Zustandekommens eines Anlageberatungsver-
  77. trags - wogegen die Revision keine Einwände erhebt - war die Beklagte nicht
  78. verpflichtet, den Kläger unaufgefordert über die genaue Höhe der ihr zufließenden Vergütung für die erfolgreiche Empfehlung der Fondsanlage aufzuklären.
  79. 10
  80. a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht wegen
  81. der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und
  82. einem freien, nicht bankmäßig gebundenen Anlageberater - soweit nicht § 31d
  83. des Wertpapierhandelsgesetzes eingreift - jedenfalls dann keine Verpflichtung
  84. für den Berater, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Vergütung oder Provision aufzuklären, wenn der Anleger selbst keine
  85. Vergütung an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden (Senat, Urteil vom 15. April 2010 - III ZR 196/09,
  86. BGHZ 185, 185, 187 ff Rn. 9 ff; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR
  87. 127/10, WM 2011, 526 f Rn. 9 ff; Urteile vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, WM
  88. 2011, 640 ff Rn. 10 ff; vom 5. Mai 2011 - III ZR 84/10, BeckRS 2011, 13871
  89. Rn. 9 ff und vom 10. November 2011 - III ZR 245/10, BeckRS 2011, 26787
  90. - 6 -
  91. Rn. 11). Der Senat hat in diesen Entscheidungen des Näheren ausgeführt, dass
  92. sich die vorerwähnte Gestaltung der Anlageberatung durch einen freien Anlageberater - bei gebotener typisierender Betrachtungsweise - grundlegend von
  93. der Anlageberatung durch eine Bank unterscheidet (Senatsurteile vom 15. April
  94. 2010 aaO S. 188 ff Rn. 11 ff; vom 3. März 2011 aaO S. 641 f Rn. 18 ff; vom
  95. 5. Mai 2011 aaO Rn. 10 und vom 10. November 2011 aaO; s. auch BGH, Beschlüsse vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925, 927 Rn. 29 ff und
  96. vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506, 1507 Rn. 6). Für den Anleger besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass der freie,
  97. von ihm selbst nicht vergütete Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des
  98. Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der gerade dem Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des
  99. Anlegers - dem das generelle Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -,
  100. dieserhalb bei dem Anlageberater nachzufragen (Senatsurteile vom 15. April
  101. 2010 aaO S. 189 f Rn. 13; vom 3. März 2011 aaO S. 642 Rn. 21; vom 5. Mai
  102. 2011 aaO und vom 10. November 2011 aaO). Hiervon unberührt bleibt die generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung
  103. unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine
  104. Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals
  105. überschreiten, und etwaige irreführende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen zu unterlassen beziehungsweise rechtzeitig richtigzustellen (s. Senatsurteile vom 3. März 2011 aaO S. 641 Rn. 16 mwN, S. 642 Rn. 22; vom
  106. 5. Mai 2011 aaO und vom 10. November 2011 aaO).
  107. - 7 -
  108. 11
  109. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Insbesondere hält der Senat nach wie vor daran fest, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise zwischen dem Pflichtenkreis freier, bankungebundener
  110. Berater und der im Bankensektor tätigen Berater zu unterscheiden ist. Diese
  111. Differenzierung nach Berufsgruppen ist verfassungsrechtlich unbedenklich
  112. (BVerfG, WM 2012, 68, 69) und hat auch die ausdrückliche Zustimmung des XI.
  113. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs gefunden (Beschlüsse vom 9. März und
  114. 19. Juli 2011 aaO).
  115. 12
  116. b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, weil sie keine
  117. Mitteilungen zu ihrer Vergütung gemacht habe und der Anlageprospekt keine
  118. Angaben über die genaue Höhe der ihr zufließenden Provision enthalte.
  119. 13
  120. Die nicht bankmäßig gebundene Beklagte erhielt vom Kläger selbst kein
  121. Entgelt und keine Provision. In dem Zeichnungsschein und im Anlageprospekt
  122. sind offen ein Agio von 5 % des Beteiligungsbetrags sowie weitere Kosten in
  123. Höhe von 8,90 % der Zeichnungssumme für die Eigenkapitalvermittlung ausgewiesen. Bei dieser Lage war die Beklagte nach den vorstehend beschriebenen Rechtsprechungsgrundsätzen nicht gehalten, den Kläger unaufgefordert
  124. über die (genaue) Höhe der ihr zufließenden Provision in Kenntnis zu setzen.
  125. Dabei ist es unerheblich, dass die Vergütung der Beklagten 7 % der Beteiligungssumme betragen und damit das Agio in Höhe von 5 % des Zeichnungsbetrags überstiegen hat. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - keine Pflicht der Beklagten, den Kläger ungefragt über
  126. die Höhe ihrer Provision aufzuklären (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2011
  127. aaO Rn. 14). Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht
  128. - 8 -
  129. der Revisionserwiderung auch die damalige freundschaftliche Verbundenheit
  130. zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten. Das hiermit einhergehende besondere Vertrauen des Klägers in eine an seinen Interessen orientierte Beratung bestand unbeschadet des ihm bewussten Umstands, dass die
  131. Beklagte für die Empfehlung der Kapitalanlage von der Vertriebsseite eine Vergütung erhalten würde. Sollte ihm daran gelegen gewesen sein, die genaue
  132. Höhe der der Beklagten zufließenden Provision zu erfahren, so hätte er deswegen nachfragen können und müssen (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2011
  133. aaO).
  134. 14
  135. 2.
  136. Das Berufungsurteil ist nach alldem im Umfang der Anfechtung aufzuhe-
  137. ben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und
  138. Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
  139. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der weiteren, vom Kläger geltend gemachten Pflichtverletzungen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine (abschließenden) Feststel-
  140. - 9 -
  141. lungen getroffen hat und die Sache daher nicht zur Endentscheidung reif ist
  142. (§ 563 Abs. 3 ZPO).
  143. Schlick
  144. Dörr
  145. Hucke
  146. Herrmann
  147. Tombrink
  148. Vorinstanzen:
  149. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.11.2009 - 16 O 398/08 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.01.2011 - I-6 U 9/10 -