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198 lines
10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZR 317/07
  4. vom
  5. 11. November 2008
  6. in dem Rechtsstreit
  7. - 2 -
  8. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2008 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dörr, Dr. Herrmann, Wöstmann
  10. und die Richterin Harsdorf-Gebhardt
  11. beschlossen:
  12. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 2007 - 1 U 139/07 - wird zurückgewiesen.
  13. Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben der Kläger zu 1
  14. 16,74 %, der Kläger zu 2 70,07 %, die Klägerin zu 3 3,05 %, der
  15. Kläger zu 4 6 % und der Kläger zu 5 4,14 % zu tragen.
  16. Der Beschwerdewert wird auf 113.600,36 € festgesetzt.
  17. Gründe:
  18. I.
  19. Die Kläger beteiligten sich - jeder für sich, aber teilweise zusammen mit
  20. 1
  21. ihren Ehepartnern - unter Vermittlung der T.
  22. in W.
  23. GmbH
  24. zwischen März 1999 und Juli 2003 an einem von der P.
  25. GmbH (im Folgenden: P. GmbH) aufgelegten P.
  26. Managed
  27. Account. Bei dieser Anlage wurden Gelder von Anlegern gesammelt, um auf
  28. - 3 -
  29. deren gemeinsame Rechnung Handel mit Termingeschäften zu betreiben. Im
  30. Jahr 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH eröffnet. Der seit 1990 für diese Gesellschaft, später als deren Mitgeschäftsführer
  31. tätige M.
  32. wurde im Jahr 2006 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfäl-
  33. schung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt.
  34. Der Beklagte, ein Wirtschaftsprüfer, prüfte im Auftrag der Gesellschaft seit 1997
  35. deren Jahres- und Konzernabschlüsse nach §§ 316 ff HGB sowie die Einhaltung der Meldepflichten und Verhaltensregeln nach § 36 WpHG und erteilte, da
  36. seine Prüfungen zu keinen Beanstandungen führten, Bestätigungsvermerke.
  37. Dass M.
  38. Fälschungen vorgenommen hatte, die sich auf ein in Wirklichkeit
  39. nicht bestehendes Konto bei einer Brokergesellschaft bezogen, bemerkte der
  40. Beklagte bei seinen Prüfungen nicht.
  41. 2
  42. Die Kläger nehmen den Beklagten wegen des Verlustes ihrer eingezahlten Beträge auf Schadensersatz in Anspruch, weil sich der Beklagte in einem
  43. Telefongespräch mit der Vermittlerin im Oktober 2000 positiv über die Seriosität
  44. der P. GmbH geäußert und angeboten habe, Prüfberichte und Testate zum
  45. Zwecke der Weiterleitung an ihre Kunden zu übermitteln. In den Beratungsgesprächen habe die Vermittlerin hierauf Bezug genommen und - soweit vorhanden - Prüfberichte des Beklagten vorgelegt, die Grundlage für die Anlageentscheidung der Kläger geworden seien.
  46. 3
  47. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit ihrer Beschwerde
  48. erstreben die Kläger die Zulassung der Revision.
  49. - 4 -
  50. II.
  51. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
  52. 4
  53. Die Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfordert die
  54. Eröffnung eines Revisionsverfahrens nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
  55. 5
  56. 1.
  57. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, unter welchen näheren
  58. Voraussetzungen die Haftung eines Wirtschaftsprüfers, der mit der Pflichtprüfung einer Gesellschaft nach §§ 316 ff HGB betraut ist, Dritten gegenüber in
  59. Betracht kommt (vgl. BGHZ 138, 257; 167, 155). Danach gilt grundsätzlich,
  60. dass der Abschlussprüfer für Fehler nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB nur der Gesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist,
  61. auch diesem gegenüber, nicht jedoch den Anteilseignern und sonstigen Gläubigern der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist (vgl. BGHZ 138, 257, 259 f). Die Bestimmung des § 323 HGB schließt
  62. zwar nicht von Rechts wegen aus, dass für den Abschlussprüfer auf vertraglicher Grundlage auch eine Schutzpflicht gegenüber dritten Personen begründet
  63. werden kann (BGHZ aaO S. 260 f). An die Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich sind jedoch strenge Anforderungen
  64. zu stellen (BGHZ 167, 155, 162 ff Rn. 13). Da Bestätigungsvermerken nach
  65. § 325 Abs. 1 HGB ohnehin die Bedeutung zukommt, Dritten Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und
  66. ihnen für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben,
  67. dies den Gesetzgeber aber nicht veranlasst hat, die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ebenso weit zu ziehen, genügt es für die Annahme einer
  68. Schutzwirkung in dem hier betroffenen Bereich allein nicht, dass ein Dritter die
  69. von Sachkunde geprägte Stellungnahme des Prüfers für diesen erkennbar zur
  70. - 5 -
  71. Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen machen möchte. Der
  72. Senat hat daher namentlich Bedenken gegen eine stillschweigende Ausdehnung der Haftung auf Dritte geäußert und es hierfür grundsätzlich für erforderlich gehalten, dass dem Abschlussprüfer deutlich wird, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht (vgl. BGHZ 167, 155, 166
  73. Rn. 15).
  74. 6
  75. 2.
  76. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das
  77. Berufungsgericht eine vertragliche Haftung des Beklagten verneint hat.
  78. 7
  79. a) Unmittelbare vertragliche Beziehungen bestanden zwischen den Parteien nicht, auch nicht auf der Grundlage eines Auskunftsvertrags. Die Beschwerde beanstandet auch nicht die Feststellung des Berufungsgerichts, dass
  80. sich aus dem Prüfvertrag der P. GmbH mit dem Beklagten keine Schutzwirkungen zugunsten der beitretenden Anleger ergaben.
  81. 8
  82. b) Die Beschwerde möchte den telefonischen Kontakten der Vermittlerin
  83. mit dem Beklagten im Oktober 2000 entnehmen, dass insoweit ein Auskunftsvertrag zustande gekommen sei, in den alle - auch künftige - Kunden der Vermittlerin einbezogen worden seien. Insoweit hält sie die Zulassung der Revision
  84. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Rechtsfortbildung für
  85. erforderlich.
  86. 9
  87. Es ist schon zweifelhaft, was die Beschwerde aber ohne weiteres unterstellt, ob dem Telefongespräch von Oktober 2000 ein Auskunftsvertrag zwischen der Vermittlerin und dem Beklagten entnommen werden kann. Das Berufungsgericht hat dies nach dem Verständnis des Senats nicht etwa bejaht, son-
  88. - 6 -
  89. dern ist sofort auf die Frage eingegangen, ob sich aus diesem Gespräch
  90. Schutzwirkungen für die Kunden der Vermittlerin ergeben konnten. Dies hat es
  91. auf der Grundlage seiner nachvollziehbaren Würdigung, die Vermittlerin habe
  92. nicht nur an die Einbeziehung von etwa 100 bis 200 Kunden aus dem vorhandenen Kundenkreis, sondern von weiteren neuen Kunden gedacht, rechtsfehlerfrei verneint. Die Beschwerde macht zwar unter Bezugnahme auf die Urteile
  93. des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1997 (X ZR
  94. 144/94 - NJW 1998, 1059, 1062) und vom 20. April 2004 (X ZR 250/02 - BGHZ
  95. 159, 1, 10) geltend, die Einbeziehung setze nicht voraus, dass die Zahl und
  96. Namen der zu schützenden Dritten von vornherein feststünden und dass der
  97. Schuldner sie kenne. Die Fallgestaltungen, die jenen Entscheidungen zugrunde
  98. lagen, sind indes nicht vergleichbar. In der Sache X ZR 144/94 ging es um die
  99. Einbeziehung eines (unbekannten) Bürgen, ohne dass damit eine Vervielfältigung des Risikos verbunden war, während in der Sache X ZR 250/02 der Wert
  100. des als Sicherheit vorgesehenen Grundstücks das Risiko des als Gutachter
  101. herangezogenen Sachverständigen begrenzte.
  102. 10
  103. Demgegenüber ist für die hier vorliegende Fallkonstellation maßgeblich,
  104. dass eine Dritthaftung des Pflichtprüfers nur unter strengen Voraussetzungen
  105. angenommen werden kann (siehe oben 1). Das ist auch bei der Prüfung der
  106. Frage von Bedeutung, ob im Rahmen eines Auskunftsvertrags von einem
  107. Pflichtprüfer, der wenig mehr bestätigt, als dass er eine Prüfung vorgenommen
  108. und dass diese - bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt - keine Beanstandungen ergeben hat, billigerweise erwartet werden kann, er wolle gegenüber
  109. einer Vielzahl ihm nicht bekannter Kunden einer Vermittlerin für die Seriosität
  110. des geprüften Unternehmens eintreten (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember
  111. 2005 - III ZR 424/04 - NJW-RR 2006, 611, 612 Rn. 12). Es wäre ein Verstoß
  112. gegen die gesetzliche Wertung des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB, wenn man unter
  113. - 7 -
  114. den hier gegebenen Umständen annehmen wollte, der Pflichtprüfer übernehme
  115. ohne besonderen Anlass und ohne Gegenleistung - gewissermaßen in doppelter Hinsicht konkludent - sowohl die Begründung als auch die mögliche Vervielfältigung seiner Haftung.
  116. Unter diesen Umständen ist auch kein Raum für die Überlegung der Be-
  117. 11
  118. schwerde, es komme ferner ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus
  119. Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht.
  120. 12
  121. 3.
  122. Soweit es um eine mögliche deliktische Verantwortlichkeit des Beklagten
  123. geht, hat das Berufungsgericht zwar erwogen, dem Beklagten könne bei seinen
  124. Prüfungen grobe Leichtfertigkeit zur Last gefallen sein und er möge eine Schädigung von Anlegern billigend in Kauf genommen haben. § 826 BGB setze Sittenwidrigkeit aber gerade im Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten voraus. Die Kläger behaupteten nicht, dass sie zu dem Personenkreis gehörten, der auf die nach Publizitätsvorschriften offen gelegten Bestätigungsvermerke vertraut habe.
  125. 13
  126. Ob dies in Einklang damit steht, dass den Klägern nach ihrem Vortrag
  127. über die Vermittlerin Kopien von verschiedenen Bestätigungsvermerken vorgelegt worden sein sollen, mag auf sich beruhen. Denn die angefochtene Entscheidung wird von der tatrichterlichen Erwägung getragen, die Kläger hätten
  128. nicht bewiesen, dass der Beklagte das Bewusstsein gehabt habe, seine künftigen, nach Oktober 2000 zu erstellenden Prüfberichte und Testate würden
  129. - entgegen den Vereinbarungen mit der P. GmbH - als Argumentationshilfe bei
  130. Verhandlungen mit Anlageinteressenten eingesetzt.
  131. - 8 -
  132. 14
  133. 4.
  134. Auch die weiter erhobenen Rügen der Beschwerde erfordern eine Zulas-
  135. sung der Revision nicht. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544
  136. Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
  137. Schlick
  138. Dörr
  139. Wöstmann
  140. Herrmann
  141. Harsdorf-Gebhardt
  142. Vorinstanzen:
  143. LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 22.02.2007 - 2/14 O 215/06 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 05.11.2007 - 1 U 139/07 -