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18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 265/99
  5. Verkündet am:
  6. 16. November 2000
  7. Fitterer
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ------------------------------------
  19. BGB § 839 I; VwGO § 80 Abs. 5 und 7
  20. Verwaltungsgerichtliche Eilentscheidungen, die im Aussetzungsverfahren nach § 80
  21. Abs. 5 VwGO getroffen werden und vom Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 7
  22. VwGO jederzeit geändert oder aufgehoben werden können, entfalten im Amtshaftungsprozeß keine Bindungswirkung. Dies gilt auch dann, wenn das amtspflichtwidrige Verhalten nicht im Erlaß des Verwaltungsakts selbst, sondern nur in der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit durch die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
  23. VwGO gesehen werden kann.
  24. BGH, Urteil vom 16. November 2000 - III ZR 265/99 - OLG Schleswig
  25. LG Lübeck
  26. - 2 -
  27. - 3 -
  28. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 16. November 2000 durch die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick, Dörr und
  30. Galke
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats
  33. des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 22. Juli
  34. 1999 aufgehoben.
  35. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer
  36. des Landgerichts Lübeck vom 19. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
  37. Die Klägerin hat auch die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
  38. Von Rechts wegen
  39. - 4 -
  40. Tatbestand
  41. Die Klägerin betreibt auf teils in ihrem Eigentum befindlichen, teils angepachteten Flurstücken in der Gemarkung L., Gemeinde R., den Abbau von
  42. Kies. Der Bescheid des beklagten Landkreises vom 18. September 1979, durch
  43. den dieser als untere Landschaftspflegebehörde das "Bodenabbau- und Auffüllungsvorhaben" der Klägerin genehmigt hatte, bestimmte, daß für geplante
  44. Aufschüttungen nur die Materialien "Bodenaushub, Straßenaufbruch, Bauschutt, Gartenabfälle" verwandt werden dürften. Als "Zeitpunkt der Beendigung
  45. der Abbau-, Aufschüttungs- und Rekultivierungsmaßnahme" war der 31. Dezember 1990 festgesetzt worden.
  46. Die Klägerin, die bis zu dem genannten Zeitpunkt den genehmigten Abbau- und Rekultivierungsplan nicht erfüllt hatte, setzte ihr Vorhaben über den
  47. 31. Dezember 1990 hinaus fort.
  48. Mit Bescheid vom 18. Juni 1992 lehnte der Beklagte die als "Neuanträge" gewerteten Anträge der Klägerin vom Februar und März 1992 ab, die Genehmigung aus dem Jahre 1979 bis zum 31. Dezember 1996 zu verlängern.
  49. Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht. Sie begehrte festzustellen, daß die Genehmigung vom 18. September 1979 nicht am 31. Dezember 1990 abgelaufen sei;
  50. hilfsweise, den Bescheid des Beklagten aufzuheben und diesen zu verpflichten, die Genehmigung zu verlängern oder die Klägerin nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Das Verwaltungsgericht wies die Klage
  51. durch Urteil vom 15. April 1993 ab. Die dagegen eingelegte Berufung blieb er-
  52. - 5 -
  53. folglos; allerdings gab das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom
  54. 20. April 1994 einem weiteren Hilfsantrag der Klägerin statt und sprach aus,
  55. daß die beantragte Genehmigung jedenfalls nicht aus planungsrechtlichen
  56. Gründen versagt werden dürfe.
  57. Etwa einen Monat, nachdem der Beklagte den Antrag der Klägerin auf
  58. Verlängerung der Genehmigung aus dem Jahre 1979 abgelehnt hatte, nämlich
  59. am 16. Juli 1992, untersagte der Beklagte der Klägerin ab sofort "jedes weitere
  60. Einbringen von Materialien jeglicher Art in der Kiesgrube in L.". Die sofortige
  61. Vollziehung rechtfertigte der Beklagte damit, daß durch unkontrollierte Ablagerungen der Boden oder das Grundwasser geschädigt werden könnten.
  62. Gegen diese Untersagungsverfügung legte die Klägerin rechtzeitig Widerspruch ein und beantragte zugleich beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederherzustellen. Dieser Antrag wurde
  63. durch Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 13. August 1992 abgelehnt. Die
  64. dagegen eingelegte Beschwerde der Klägerin wies das Oberverwaltungsgericht durch Beschluß vom 17. September 1992 zurück. Nachdem die Klägerin
  65. die gerichtliche Aufhebung des Sofortvollzugs erneut betrieben hatte, einigten
  66. sich die Parteien im Juni 1993 aufgrund eines Vergleichsangebots des Beklagten und eines dieses Angebot aufgreifenden Vergleichsvorschlags des
  67. Verwaltungsgerichts dahin, daß die Klägerin weiterhin Boden in der Kiesgrube
  68. deponieren dürfe, und zwar "ausschließlich Boden, der nicht durch Inhaltsstoffe
  69. belastet oder durch Schadstoffe verunreinigt ist". Aufgrund dieses Vergleichsschlusses wurde das Hauptsacheverfahren nicht mehr weiterbetrieben; die
  70. Parteien haben vielmehr den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
  71. für erledigt erklärt.
  72. - 6 -
  73. Die Klägerin verlangt in dem vorliegenden Rechtsstreit von dem Beklagten Ersatz des Schadens, der ihr infolge des sofortigen Vollzugs der Untersagungsverfügung vom 16. Juli 1992 dadurch entstanden sein soll, daß sie bis
  74. zum Abschluß des Vergleichs in dem gegen den Sofortvollzug angestrengten
  75. verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren daran gehindert war, unbelasteten Bodenaushub in der Kiesgrube einzubringen.
  76. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt
  77. erklärt. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  78. Entscheidungsgründe
  79. Die Revision hat Erfolg.
  80. I.
  81. Gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung des Beklagten vom 16. Juli
  82. 1992, mit der der Klägerin das weitere Einbringen von Materialien jeglicher Art
  83. in der Kiesgrube untersagt wurde, bestehen keine Bedenken. Auch das Berufungsgericht ist von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts als solchem ausgegangen.
  84. - 7 -
  85. Nach § 7 Abs. 1 des damals geltenden schleswig-holsteinischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Landschaftspflegegesetz LPflegG) i.d.F. des Gesetzes vom 19. November 1982 (GVOBl. Schl.-H.S. 256)
  86. stellten die Gewinnung von Kies und die (anschließende) Verfüllung der entstandenen Kiesgrube Eingriffe dar, die nach § 13 Abs. 1 LPflegG der Genehmigung der unteren Landschaftspflegebehörde bedurften (vgl. nunmehr die
  87. §§ 7, 7 a, 13 des Gesetzes zum Schutz der Natur - Landesnaturschutzgesetz LNatSchG i.d.F. des Gesetzes vom 16. Juni 1993, GVOBl. Schl.-H.S. 215).
  88. Im fraglichen Zeitraum lag eine solche Genehmigung nicht vor. Das Begehren der Klägerin festzustellen, daß der Bescheid vom 18. September 1979
  89. nicht am 31. Dezember 1990 abgelaufen ist, ist durch die Urteile des Verwaltungsgerichts vom 15. April 1993 und des Oberverwaltungsgerichts vom
  90. 20. April 1994 rechtskräftig abgewiesen worden. Damit steht auch für die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozeß bindend fest, daß die der Klägerin damals
  91. erteilte Genehmigung eines Bodenabbau- und Auffüllungsvorhabens nur bis
  92. zum Ablauf des 31. Dezember 1990 gegolten hat (vgl. nur Senatsurteile BGHZ
  93. 134, 268, 273 f; vom 6. Februar 1997 - III ZR 241/95 - NVwZ 1997, 1243,
  94. 1244). Zwar hatte die Klägerin bereits im Februar und März 1992 eine Verlängerung der abgelaufenen Genehmigung beantragt. Dieser Antrag war jedoch
  95. bereits durch den Bescheid des Beklagten vom 18. Juni 1992 abgelehnt worden. Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage, den Beklagten zu verpflichten, die Genehmigung vom 18. September 1979
  96. zu verlängern oder die Klägerin nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu
  97. zu bescheiden, ist durch die genannten Urteile ebenfalls rechtskräftig abgewiesen worden.
  98. - 8 -
  99. Ausgehend hiervon ist nicht ersichtlich, warum die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 16. Juli 1992 rechtswidrig gewesen sein sollte. Denn
  100. jegliches weiteres Verfüllen der Kiesgrube durch die Klägerin wäre, wie die Revision zu Recht geltend macht, selbst dann, wenn die Klägerin im Grundsatz
  101. einen - auf der Grundlage eines von ihr zu erarbeitenden und vorzulegenden
  102. "Rekultivierungskonzepts" durch Verwaltungsakt näher zu konkretisierenden Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung gehabt hätte bzw. heute noch haben sollte, jedenfalls formell illegal gewesen.
  103. II.
  104. Das Berufungsgericht sieht die den Beklagten zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Amtspflichtverletzung darin, daß der Beklagte die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung vom 16. Juli 1992 in vollem
  105. Umfang angeordnet und nicht das Einbringen von unbelastetem Bodenmaterial
  106. ausgenommen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt: Einer Beurteilung der
  107. Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (a.F.) als rechtswidriger Maßnahme stehe nicht entgegen, daß die Verwaltungsgerichte dem
  108. Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die
  109. Verfügung vom 16. Juli 1992 wiederherzustellen, nicht entsprochen hätten.
  110. Denn diese Entscheidungen, die nur aufgrund einer summarischen Prüfung
  111. ergangen seien und jederzeit hätten geändert oder aufgehoben werden können, entfalteten im Amtshaftungsprozeß keine Bindungswirkung.
  112. - 9 -
  113. Der Beklagte habe nicht berücksichtigt, daß nicht alle in der Genehmigung aus dem Jahre 1979 aufgeführten Materialien - wie etwa Bauschutt, der
  114. aufgrund der 1992 geltenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen nicht mehr
  115. in die Kiesgrube hätte eingebracht werden dürfen - zu Schäden hätten führen
  116. können. Ein öffentliches Interesse daran, auch das Einbringen von reinem Bodenaushub zu verhindern, sei demgegenüber nicht erkennbar gewesen, zumal
  117. der Beklagte ungeachtet des Ablaufs der Genehmigung aus dem Jahre 1979
  118. seine Absicht, die Kiesgrube (weiter) rekultivieren zu lassen, nicht aufgegeben
  119. habe. Daß eine Verfüllung mit reinem Bodenaushub unbedenklich gewesen
  120. sei, hätten auch die weiteren Ereignisse bestätigt. So habe der Beklagte etwa
  121. zwei Monate nach dem Erlaß der Untersagungsverfügung vom 16. Juli 1992
  122. dem unmittelbaren Grundstücksnachbarn Sch. das Verfüllen einer brachliegenden Kiesgrube mit von der Klägerin angeliefertem Bodenaushub genehmigt. Schließlich sei im Zuge der im Juni 1993 zwischen den Parteien zustande
  123. gekommenen Einigung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren der Klägerin
  124. das Deponieren von unbelastetem bzw. nicht verunreinigtem Boden gestattet
  125. worden. Das Einbringen unbelasteter Materialien hätte im übrigen auch erkennbar dem privaten Interesse der Klägerin gedient, ohne daß es in diesem
  126. Zusammenhang darauf ankommen würde, ob die Klägerin insoweit dem Beklagten einen ausdrücklichen Hinweis erteilt habe.
  127. Die Bediensteten des Beklagten hätten auch fahrlässig gehandelt. Dabei
  128. könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, daß die Verwaltungsgerichte bei
  129. ihren Eilentscheidungen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit für
  130. rechtmäßig erachtet hätten. Der Grundsatz, daß die Billigung des Verhaltens
  131. eines Beamten durch ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht den Vorwurf des Verschuldens des amtspflichtwidrig handelnden Amts-
  132. - 10 -
  133. walters ausschließe, gelte nicht bei Entscheidungen, die in einem Verfahren
  134. mit lediglich summarischer Prüfung ergingen.
  135. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
  136. 1.
  137. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß
  138. die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozeß an verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die im sogenannten Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
  139. ergangen sind, nicht gebunden sind. Dies folgt, soweit es um die Beurteilung
  140. der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts selbst geht, schon daraus, daß diese
  141. Frage, auch wenn sie im Rahmen der vom Verwaltungsgericht anzustellenden
  142. Interessenabwägung eine maßgebliche Rolle spielt, nicht Streitgegenstand des
  143. Aussetzungsverfahrens ist (vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
  144. VwGO [Stand: Januar 2000], § 80 Rn. 248). Aber auch, wenn - wie hier - nur
  145. die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs in Rede steht, ist eine
  146. solche Bindung abzulehnen.
  147. Dies ergibt sich freilich nicht schon daraus, daß verwaltungsgerichtliche
  148. Eilentscheidungen nicht in Urteilsform ergehen. Daß im Beschlußverfahren und
  149. ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, steht einer Bindungswirkung
  150. nicht entgegen. Entscheidend ist, daß die betreffende Entscheidung in gleicher
  151. Weise wie ein verwaltungsgerichtliches Urteil der materiellen Rechtskraft fähig
  152. ist (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 - NJW 1994, 1950, 1951,
  153. wo der Senat ausgesprochen hat, daß die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozeß
  154. an die Entscheidung des Strafsenats eines Oberlandesgerichts im Verfahren
  155. nach §§ 23 ff EGGVG gebunden sind).
  156. - 11 -
  157. Eine derartige Rechtskraftwirkung kommt jedoch einem Beschluß, der
  158. auf einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hin ergangen ist, nicht zu. Zwar bindet ein Aussetzungsbeschluß nach § 80 Abs. 5 VwGO die Beteiligten; insbesondere darf sich die Behörde über einen zugunsten des Bürgers ergangenen
  159. Beschluß nicht hinwegsetzen und erneut die sofortige Vollziehbarkeit anordnen
  160. (vgl. BayVGH, DVBl. 1999, 624, 625; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1995, 376;
  161. Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rn. 98; Kopp/Schenke, VwGO,
  162. 12. Aufl., § 80 Rn. 172). Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann jedoch das Verwaltungsgericht Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit
  163. ändern oder aufheben. Ob das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch
  164. macht, steht allein in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Eine Veränderung der
  165. Umstände ist nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn das Gericht bei objektiv
  166. gleich gebliebener Sach- und Rechtslage zu besserer Rechtserkenntnis gelangt oder ihm die vorgenommene Interessenabwägung korrekturbedürftig erscheint (OVG Weimar, DVBl. 1999, 480; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 603,
  167. 604; VGH Kassel, DVBl. 1996, 1320; Eyermann/Jörg Schmidt aaO § 80
  168. Rn. 102; Kopp/Schenke aaO § 80 Rn. 217 f; a.A. OVG Münster, NVwZ 1999,
  169. 894 f). Angesichts dieser weitreichenden Änderungsbefugnis ist die materielle
  170. Rechtskraftwirkung von Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 VwGO, sofern man diesen Begriff in diesem Zusammenhang überhaupt verwenden will (vgl. Schoch
  171. aaO § 80 Rn. 358), jedenfalls so eingeschränkt, daß es nicht gerechtfertigt erscheint, die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozeß hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung an die im Aussetzungsverfahren
  172. von den Verwaltungsgerichten getroffenen Entscheidungen zu binden.
  173. - 12 -
  174. 2.
  175. In der Sache geht der Vorwurf des Berufungsgerichts fehl, der Beklagte
  176. habe bei Erlaß der Untersagungsverfügung vom 16. Juli 1992 nicht hinreichend
  177. bedacht, daß das Einbringen von unbelastetem Bodenmaterial unbedenklich
  178. sei. Dem Beklagten ging es ersichtlich nicht darum, das Einbringen von reinem
  179. Bodenaushub zu verhindern; vielmehr stand im Vordergrund das Bestreben,
  180. der befürchteten Ablagerung nicht (mehr) genehmigungsfähiger Materialien, zu
  181. denen insbesondere Bauschutt gehörte, wirkungsvoll entgegenzutreten.
  182. Die Gefahr unzulässiger Ablagerungen war schon deshalb nicht von der
  183. Hand zu weisen, weil die Klägerin unbeschadet des von ihr (hilfsweise) gestellten Verlängerungsantrags dezidiert den Standpunkt vertreten hatte, die ihr
  184. am 18. September 1979 erteilte Genehmigung, aufgrund derer der Klägerin
  185. ausdrücklich auch die Verwendung von Straßenaufbruch und Bauschutt gestattet war, sei nach wie vor gültig. Weiter macht die Revision zu Recht geltend, angesichts des öffentlichen Interesses an einem effektiven Bodenschutz
  186. und der Unmöglichkeit einer ständigen behördlichen Überwachung der Verfüllungsvorgänge sei nicht von vornherein zu beanstanden, daß der Beklagte das
  187. Verfüllungsverbot generell für sofort vollziehbar erklärt habe. Demgegenüber
  188. fällt weder bei der Einschätzung der Gefahr noch bei der Wahl der dagegen zu
  189. ergreifenden Mittel entscheidend ins Gewicht, daß das Einbringen von unbelastetem Bodenmaterial für sich genommen unbedenklich ist und reiner Bodenaushub bei einer der Klägerin nach Maßgabe der Bestimmungen des Landschaftspflege- bzw. (nunmehr) des Landesnaturschutzgesetzes genehmigten
  190. oder ihr sogar durch Verwaltungsakt vorgeschriebenen Rekultivierung des
  191. fraglichen Geländes ohne weiteres als Auffüllmaterial verwendet werden
  192. könnte.
  193. - 13 -
  194. In Anbetracht dieser Umstände war es auch Sache der Klägerin, dem
  195. Beklagten gegenüber deutlich zu machen, daß sie bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung der Reichweite der ihr 1979 erteilten Genehmigung ungeachtet
  196. des von ihr eingenommenen Rechtsstandpunkts willens und dazu bereit sei,
  197. auf das Einbringen von Bauschutt, Straßenaufbruch etc. zu verzichten, und um
  198. die Erlaubnis nachzusuchen, ausschließlich unbelastetes bzw. nicht verunreinigtes Bodenmaterial in der Kiesgrube ablagern zu dürfen. Nur und erst dann,
  199. wenn dies geschehen war, bestand für den Beklagten Anlaß zur Prüfung, ob
  200. einem solchen Antrag unter Einschränkung (jedenfalls) des Sofortvollzugs der
  201. Verfügung vom 16. Juli 1992 stattgegeben werden könnte.
  202. III.
  203. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst
  204. zugunsten des Beklagten entscheiden.
  205. Wie ausgeführt hätte die Klägerin ausdrücklich einen Antrag des Inhalts
  206. stellen müssen, ihr das Einbringen von unbelastetem Material vorläufig - also
  207. vor Erteilung einer (neuen) umfassenden Rekultivierungsgenehmigung - zu
  208. gestatten bzw. das Einbringen solchen Materials unter (teilweiser) Einschränkung des angeordneten Sofortvollzugs zu dulden. Ein solcher Antrag, den die
  209. Klägerin nicht nur bei dem Beklagten, sondern auch - und zwar (naheliegenderweise) nach § 123 VwGO im Zusammenhang mit dem (in der Hauptsache
  210. erfolglos gebliebenen) Genehmigungsverfahren oder aber auch (gleich) im
  211. Rahmen des von ihr angestrengten Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 5
  212. VwGO - beim Verwaltungsgericht hätte anbringen können - und unter dem
  213. - 14 -
  214. Aspekt des § 839 Abs. 3 BGB auch hätte anbringen müssen -, ist jedoch nicht
  215. gestellt worden. Erst im Zuge des nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO von der Klägerin in Gang gesetzten Verfahrens auf Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat sie dies nachgeholt, was zu
  216. der erwähnten Einigung im Vergleichswege führte.
  217. Danach ist die Klage abzuweisen, ohne daß es auf die weitere, in der
  218. mündlichen Verhandlung erörterte Frage ankommt, inwieweit das Fehlen bzw.
  219. die im Zusammenhang mit der beantragten Verlängerung der Genehmigung
  220. vom 18. September 1979 erfolgte Versagung des gemeindlichen Einvernehmens einem Amtshaftungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten entgegenstehen könnte.
  221. Wurm
  222. Streck
  223. Dörr
  224. Schlick
  225. Galke