Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

433 lines
26 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 1/11
  5. Verkündet am:
  6. 27. November 2014
  7. Bürk
  8. Amtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. nein
  17. ja
  18. Parfumflakon III
  19. Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 93 Abs. 5; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 3
  20. a) Die Annahme einer Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG)
  21. 40/94 setzt ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb
  22. die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung
  23. zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet.
  24. b) An dem internationalen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3
  25. Brüssel-I-VO können neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung auch
  26. Nebenansprüche auf Auskunftserteilung geltend gemacht werden.
  27. c) Die Annahme einer internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für eine
  28. auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützte Klage unter dem Gesichtspunkt
  29. des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs setzt voraus, dass nach dem Vortrag des
  30. Klägers ein Wettbewerbsverstoß, der einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat, nicht ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein schädigendes
  31. Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, aus dem sich ein Wettbewerbsverstoß ergibt,
  32. ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist.
  33. BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 1/11 - OLG Düsseldorf
  34. LG Düsseldorf
  35. -2-
  36. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  37. vom 27. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
  38. Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
  39. für Recht erkannt:
  40. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats
  41. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2010 unter
  42. Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt
  43. und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das
  44. Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 17. September 2009 im Hinblick auf die auf Wettbewerbsrecht gestützten Klageanträge zurückgewiesen worden ist.
  45. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  46. und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  47. Von Rechts wegen
  48. -3-
  49. Tatbestand:
  50. 1
  51. Die Klägerin produziert und vertreibt Parfüm- und Kosmetikerzeugnisse. Sie
  52. leitet Rechte aus der nachfolgend abgebildeten, für Parfümeriewaren eingetragenen dreidimensionalen (schwarz/weißen) Gemeinschaftsmarke Nr. 003788767
  53. ab:
  54. 2
  55. Die Klägerin vertreibt in einem der Gemeinschaftsmarke nachgebildeten
  56. farbig gestalteten und beschrifteten Flakon das Damenparfüm "Davidoff Cool
  57. Water Woman".
  58. 3
  59. Die Beklagte, eine in Belgien ansässige Gesellschaft, betreibt den Großhandel mit Parfüms. Zu ihrer Produktpalette gehört ein Damenparfüm, das sie
  60. unter der Bezeichnung "Blue Safe for Women" anbietet. Im Januar 2007 verkaufte sie das Parfüm an den in Deutschland geschäftsansässigen Stefan P.
  61. 4
  62. Die Klägerin hat in dem Vertrieb des Parfümerzeugnisses durch die Beklagte in dem im Klageantrag abgebildeten Parfümflakon eine Markenverletzung, eine unzulässige vergleichende Werbung und eine unlautere Nachahmung gesehen. Sie hat behauptet, von der Markeninhaberin, der Zino Davidoff
  63. -4-
  64. S.A., Schweiz, zur Geltendmachung der Ansprüche aus der Gemeinschaftsmarke ermächtigt zu sein. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass Stefan P.
  65. beabsichtigt habe, das in Belgien erworbene Parfüm in Deutschland weiterzuverkaufen.
  66. 5
  67. Die Klägerin hat beantragt,
  68. I. die Beklagte zu verurteilen,
  69. 1. Auskunft zu erteilen,
  70. a) über Namen und Anschrift desjenigen, von dem die Beklagte die von ihr
  71. an Kunden in Deutschland, unter anderem Stefan P. Warenhandel,
  72. veräußerten Parfüms mit der Bezeichnung "Blue Safe for Women" in
  73. dem nachstehend eingeblendeten Flakon erworben hat unter Vorlage
  74. der Lieferbelege:
  75. hilfsweise:
  76. b) über Namen und Anschrift desjenigen, von dem die Beklagte die von ihr
  77. an Kunden in Deutschland, unter anderem Stefan P. Warenhandel,
  78. veräußerten Parfüms mit der Bezeichnung "Blue Safe for Women" in
  79. dem nachstehend eingeblendeten Flakon erworben hat und unter Vorlage der Lieferbelege, soweit dieser Verkäufer in Deutschland geschäftsansässig ist:
  80. (es folgt die vorstehend unter I 1 a wiedergegebene Abbildung);
  81. 2. an die Klägerin 1.379,80 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem
  82. Basiszinssatz seit dem 12. September 2007 zu zahlen,
  83. hilfsweise hierzu:
  84. -5-
  85. die Klägerin von Kostenforderungen ihrer Verfahrensbevollmächtigten für
  86. die außergerichtliche Vertretung im Abmahnverfahren bis zu einem Betrag
  87. in Höhe von 1.379,80 € freizustellen;
  88. II. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat,
  89. der aus dem Vertrieb des Parfüms mit der Bezeichnung "Blue Safe for Women" in der zu Ziffer I 1 a bezeichneten Ausstattung nach Deutschland entstanden ist und noch entstehen wird.
  90. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Beru6
  91. fung hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die
  92. Klage als unzulässig abgewiesen hat.
  93. 7
  94. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
  95. ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  96. 8
  97. Mit Beschluss vom 28. Juni 2012 (GRUR 2012, 1065 = WRP 2012, 1246
  98. - Parfumflakon II) hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung des Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/1994
  99. des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke und zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
  100. Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
  101. 1. Ist Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 dahin auszulegen, dass eine Verletzungshandlung in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) im Sinne von Art. 93
  102. Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 begangen worden ist, wenn durch eine
  103. Handlung in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) eine Teilnahme an
  104. der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) begangenen Rechtsverletzung erfolgt?
  105. 2. Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 dahin auszulegen, dass das schädigende Ereignis in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) eingetreten ist, wenn
  106. die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder aus der Ansprüche abgeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) be-
  107. -6-
  108. gangen ist und in der Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung (Haupttat) besteht?
  109. 9
  110. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom
  111. 5. Juni 2014 (C-360/12, GRUR 2014, 806 - Coty/First Note Perfumes) wie folgt
  112. entschieden:
  113. 1. Der in Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke enthaltene Begriff des Mitgliedstaats, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist, ist dahin auszulegen, dass sich im Fall eines Verkaufs und einer Lieferung einer nachgeahmten Ware in einem Mitgliedstaat, die anschließend durch den Erwerber in einem
  114. anderen Mitgliedstaat weiterverkauft wird, aus dieser Bestimmung für die Entscheidung über eine Verletzungsklage gegen den ursprünglichen Verkäufer, der
  115. in dem Mitgliedstaat, dem das angerufene Gericht angehört, selbst keine Handlung vorgenommen hat, eine gerichtliche Zuständigkeit nicht herleiten lässt.
  116. 2. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember
  117. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen,
  118. dass sich im Fall der Behauptung einer unzulässigen vergleichenden Werbung
  119. oder einer unlauteren Nachahmung eines durch eine Gemeinschaftsmarke geschützten Zeichens - beides Verbotstatbestände nach dem Gesetz gegen den
  120. unlauteren Wettbewerb des Mitgliedstaats, dem das angerufene Gericht angehört - aus dieser Bestimmung die Zuständigkeit eines Gerichts dieses Mitgliedstaats nicht kraft des Ortes des Geschehens herleiten lässt, das für einen
  121. Schaden, der sich aus der Verletzung des genannten Gesetzes ergibt, ursächlich ist, wenn derjenige der mutmaßlichen Täter, der in besagtem Mitgliedstaat
  122. verklagt wird, dort selbst keine Handlung vorgenommen hat. Dagegen lässt sich
  123. in einem solchen Fall aus dieser Bestimmung die gerichtliche Zuständigkeit für
  124. die Entscheidung über eine auf das besagte nationale Gesetz gestützte Haftungsklage gegen eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist
  125. und dort eine Handlung vorgenommen haben soll, die im Zuständigkeitsbereich
  126. des angerufenen Gerichts einen Schaden verursacht hat oder zu verursachen
  127. droht, kraft des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs herleiten.
  128. Entscheidungsgründe:
  129. 10
  130. I. Das Berufungsgericht hat für die Klage gegen die in Belgien ansässige
  131. Beklagte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der Gemein-
  132. -7-
  133. schaftsmarkenverordnung und nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001
  134. des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
  135. Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-VO) verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
  136. 11
  137. Die Beklagte selbst habe in Deutschland keine Rechtsverletzung begangen. Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, dass die Beklagte die Parfümflakons nach Deutschland geliefert habe. Vielmehr dürfte im
  138. Gegenteil davon auszugehen sein, dass der Käufer Stefan P. die Waren bei der
  139. Beklagten in Belgien erworben und abgeholt habe. Dort seien der Handlungsort
  140. und der Ort, an dem der Primärschaden eingetreten sei.
  141. 12
  142. Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich auch nicht aus einer
  143. Beihilfe der Beklagten zu einer etwaigen Verletzungshandlung des deutschen
  144. Käufers. Wenn der Vertrieb der Parfümflakons die Gemeinschaftsmarke verletze, sei die Beklagte Täterin. Als solche könne sie nicht auch Teilnehmerin einer
  145. etwaigen Verletzungshandlung des deutschen Käufers sein.
  146. 13
  147. II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie gegen die Abweisung der auf die Gemeinschaftsmarke gestützten Klage als unzulässig gerichtet ist (dazu unter II. 2). Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg gegen
  148. die Abweisung der Klage als unzulässig, soweit die Klägerin die Verletzung
  149. wettbewerbsrechtlicher Tatbestände geltend gemacht hat (dazu unter II. 3).
  150. 14
  151. 1. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren in der Revisionsinstanz kumulativ
  152. auf die Gemeinschaftsmarke Nr. 003788767 und auf wettbewerbsrechtliche
  153. Tatbestände sowie hilfsweise - soweit eine kumulative Klagehäufung ausscheidet - in erster Linie auf die Gemeinschaftsmarke und in zweiter Linie auf Wettbewerbsrecht gestützt. Trotz des einheitlichen Klagebegehrens liegen damit
  154. -8-
  155. mehrere Streitgegenstände vor (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014
  156. - I ZR 224/12, GRUR 2014, 785 Rn. 21 = WRP 2014, 839 - Flugvermittlung im
  157. Internet, mwN). In den Vorinstanzen hat die Klägerin die Ansprüche im Wege
  158. der alternativen Klagehäufung verfolgt. Diese Vorgehensweise entsprach einer
  159. im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes verbreiteten Übung, die der Senat
  160. erstmals in seinem Hinweisbeschluss vom 24. März 2011 als unzulässig angesehen hat (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56
  161. Rn. 8 - TÜV I). Die Klägerin kann in der Revisionsinstanz nicht mehr von der alternativen Klagehäufung zur kumulativen Klagehäufung übergehen, weil darin
  162. eine Klageänderung liegt, die in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist (vgl.
  163. BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 32 =
  164. WRP 2011, 1454 - TÜV II; Urteil vom 19. April 2012 - I ZR 86/10, GRUR 2012,
  165. 1145 Rn. 21 = WRP 2012, 1392 - Pelikan). Die Klägerin ist jedoch in der Revisionsinstanz hilfsweise von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung
  166. übergegangen. Diese Vorgehensweise ist zulässig (vgl. BGH, Urteil vom
  167. 9. November 2011 - I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rn. 18 = WRP 2012, 330
  168. - Basler Haar-Kosmetik). Für die Beurteilung des Streitfalls kommt es deshalb in
  169. erster Linie auf die Frage an, ob die deutschen Gerichte zur Entscheidung über
  170. die auf Auskunft, Schadensersatz und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichteten Anträge wegen Verletzung der Klagemarke international zuständig sind und nur für den Fall, dass die Klage insoweit unzulässig oder unbegründet ist, stellt sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche
  171. Tatbestände.
  172. 15
  173. 2. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher
  174. Gerichte zutreffend verneint, soweit die Klage auf die Verletzung der Gemeinschaftsmarke gestützt ist.
  175. -9-
  176. 16
  177. a) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen Verletzung
  178. der Gemeinschaftsmarke kann sich im Streitfall nur aus Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 ergeben.
  179. 17
  180. Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom
  181. 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke, der an die Stelle des Art. 93
  182. Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 getreten ist, kommt im vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf den für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen
  183. Handlungszeitpunkt im Januar 2007 nicht zur Anwendung (vgl. BGH, GRUR
  184. 2012, 1065 Rn. 13 - Parfumflakon II). In der Sache macht dies allerdings keinen
  185. Unterschied, weil Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 eine gegenüber Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 inhaltsgleiche Regelung enthält.
  186. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 93 Abs. 1
  187. 18
  188. bis 3 der Verordnung (EG) 40/94 - nachfolgend GMV - scheidet aus, weil die
  189. Beklagte in einem anderen Mitgliedstaat geschäftsansässig ist. Die internationale Zuständigkeit ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht nach
  190. Art. 93 Abs. 4 Buchst. b GMV begründet worden. Die Beklagte hat in ihrem ersten Verteidigungsvorbringen die mangelnde örtliche Zuständigkeit des zunächst
  191. angerufenen Landgerichts Berlin geltend gemacht. Darin liegt konkludent eine
  192. schlüssige Rüge im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit der deutschen
  193. Gerichte (vgl. BGH, GRUR 2012, 1065 Rn. 14 - Parfumflakon II).
  194. 19
  195. b) Nach Art. 93 Abs. 5 GMV können die Verfahren, die durch die in Art. 92
  196. GMV genannten Klagen und Widerklagen - ausgenommen Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung einer Gemeinschaftsmarke - anhängig gemacht werden, auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, in
  197. dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht oder in dem eine Handlung nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GMV begangen worden ist. Für die in-
  198. - 10 -
  199. ternationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte kommt es daher grundsätzlich darauf an, ob der Kläger eine im Inland begangene Verletzungshandlung
  200. des Beklagten im Sinne des Art. 93 Abs. 5 GMV behauptet hat und diese nicht
  201. von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO
  202. BGH, Urteil vom 8. März 2012 - I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 Rn. 18 = WRP
  203. 2012, 716 - OSCAR, mwN). Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
  204. 20
  205. aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die Beklagte habe
  206. in Deutschland keine eigene Handlung vorgenommen, die als Anknüpfungspunkt für eine Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 GMV in Betracht kommt.
  207. 21
  208. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Parfümflakons nach
  209. Deutschland geliefert, während die Beklagte vorgetragen hat, die Parfümflakons
  210. Stefan P. in Belgien übergeben zu haben. Damit ist zwischen den Parteien der
  211. Ort der Verletzungshandlung, der Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit ist, streitig. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit ist
  212. nicht allein auf den Vortrag der Klägerin abzustellen. Der Ort der Verletzungshandlung ist kein Umstand, der für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblich
  213. ist und gleichzeitig ein notwendiges Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten Anspruchs darstellt (sogenannte doppelt relevante Tatsache). Ob der Ort
  214. der Verletzungshandlung in Belgien oder in Deutschland liegt, ist nur für die Zuständigkeitsbestimmung und damit für die Zulässigkeitsprüfung von Bedeutung.
  215. In einem solchen Fall trifft die Klägerin die Beweislast, dass die Beklagte die
  216. Parfümflakons nach Deutschland geliefert hat. Den ihr obliegenden Nachweis
  217. einer Lieferung nach Deutschland hat die Klägerin nach den von der Revision
  218. nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geführt. Es ist
  219. daher vom Vortrag der Beklagten, den sich die Klägerin hilfsweise zu eigen
  220. - 11 -
  221. gemacht hat, auszugehen, nach dem der Abnehmer Stefan P. die Parfümflakons in Belgien erworben und nach Deutschland transportiert hat.
  222. bb) Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, die von ihrem
  223. 22
  224. Abnehmer Stefan P. im Inland begangene Markenverletzung rechtfertige nicht
  225. die Annahme einer inländischen Verletzungshandlung der Beklagten. Der Umstand, dass die Beklagte durch die in Belgien vorgenommene Übergabe der
  226. beanstandeten Parfümflakons Beihilfe zu dem in Deutschland eingetretenen
  227. markenverletzenden Erfolg geleistet habe, könne die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht begründen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
  228. 23
  229. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union auf den Vorlagebeschluss
  230. des Senats entschieden hat, setzt die Annahme einer Verletzungshandlung im
  231. Sinne von Art. 93 Abs. 5 GMV ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich
  232. der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu
  233. ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten,
  234. in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet (EuGH,
  235. GRUR 2014, 806 Rn. 33 ff. - Coty/First Note Perfumes). Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte keine Handlung im Inland begangen, die Anknüpfungspunkt für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Sinne von
  236. Art. 93 Abs. 5 GMV sein kann.
  237. 24
  238. 3. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass
  239. das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die
  240. wettbewerbsrechtlichen Ansprüche verneint hat. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich insoweit aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO.
  241. - 12 -
  242. 25
  243. a) Gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz
  244. im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor
  245. dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine
  246. Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche
  247. aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Gerichtsstand hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht aus, dass eine Verletzung behauptet wird und
  248. diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (BGH, GRUR 2012,
  249. 621 Rn. 18 - OSCAR, mwN). Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die
  250. vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. April 2012 - C-523/10, GRUR 2012, 654
  251. Rn. 26 - Wintersteiger; Urteil vom 3. April 2014 - C-387/12, GRUR 2014, 599
  252. Rn. 20 f. - Hi Hotel/Spoering; BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013
  253. - I ZR 131/12, GRUR 2014, 601 Rn. 17 = WRP 2014, 548 - englischsprachige
  254. Pressemitteilung).
  255. 26
  256. b) Die von der Klägerin schlüssig als verletzt geltend gemachten Tatbestände der unlauteren vergleichenden Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 und 2
  257. Nr. 6 UWG und des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 9
  258. Buchst. a und b UWG fallen unter den Begriff der unerlaubten Handlung im
  259. Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO (vgl. EuGH, GRUR 2014, 806 Rn. 56 f.
  260. - Coty/First Note Perfumes; BGH, Urteil vom 30. März 2006 - I ZR 24/03, BGHZ
  261. 167, 91 Rn. 21 - Arzneimittelwerbung im Internet). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung (vgl. BGH, Urteil vom
  262. 29. Januar 2013 - KZR 8/10, GRUR-RR 2013, 228 Rn. 12 - Trägermaterial für
  263. Kartenformulare) auch Nebenansprüche auf Auskunft (zum Auskunftsanspruch
  264. - 13 -
  265. BGH, Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 Rn. 15 =
  266. WRP 2015, 347 - Hi Hotel II; MünchKomm.ZPO/Gottwald, 4. Aufl., Art. 5 EuGVO Rn. 62 mwN).
  267. 27
  268. c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu
  269. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO ist mit der Wendung "Ort, an dem das schädigende
  270. Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht", sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen
  271. Geschehens gemeint, so dass der Beklagte grundsätzlich nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (EuGH,
  272. GRUR 2014, 806 Rn. 46 - Coty/First Note Perfumes, mwN).
  273. 28
  274. d) Allerdings ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte vorliegend nicht unter dem Gesichtspunkt des Ortes des für den Schaden ursächlichen Geschehens. Wird - wie im Streitfall - nur einer von mehreren mutmaßlichen Verursachern eines behaupteten Schadens verklagt und scheidet
  275. deshalb der Gerichtsstand der Beklagtenmehrheit im Sinne von Art. 6 Nr. 1
  276. Brüssel-I-VO aus (vgl. dazu Kur, GRUR Int. 2014, 749, 756), kann dieser Beklagte wegen des für den Schaden ursächlichen Geschehens nicht vor einem
  277. Gericht verklagt werden, in dessen Zuständigkeitsbereich er keine Handlung
  278. vorgenommen hat (EuGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - C-228/11, NJW 2013,
  279. 2099 Rn. 30, 40 - Melzer; EuGH, GRUR 2014, 806 Rn. 50 f. - Coty/First Note
  280. Perfumes).
  281. 29
  282. e) Das Berufungsgericht ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des geltend gemachten Schadens gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO international zuständig.
  283. - 14 -
  284. 30
  285. aa) Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist derjenige, an dem
  286. aus einem Ereignis, das eine Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt
  287. ist, auslösen kann, ein Schaden entstanden ist (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009
  288. - C-189/08, Slg. 2009, I-6917 = NJW 2009, 3501 Rn. 26 - Zuid-Chemie; EuGH,
  289. GRUR 2014, 806 Rn. 54 - Coty/First Note Perfumes). Wird eine Verletzung eines Rechts des geistigen oder gewerblichen Eigentums geltend gemacht, setzt
  290. dies voraus, dass das behauptete Recht im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts geschützt ist (EuGH, GRUR 2012, 654 Rn. 25 - Wintersteiger; EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 - C-170/12, GRUR 2014, 100 Rn. 33 - Pinckney). Geht
  291. es um einen Verstoß gegen ein innerstaatliches Gesetz gegen den unlauteren
  292. Wettbewerb, setzt die Annahme einer internationalen Zuständigkeit unter dem
  293. Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs voraus, dass
  294. die in einem anderen Mitgliedstaat begangene Tat nach dem Vortrag des Klägers einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat (vgl. EuGH, GRUR 2014, 806 Rn. 55 ff. - Coty/First Note Perfumes).
  295. 31
  296. bb) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-IVO die Zuständigkeit deutscher Gerichte unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des geltend gemachten Schadens begründet.
  297. 32
  298. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Verwendung der beanstandeten
  299. Flakons in Deutschland sei ein unlauterer Vergleich im Sinne von § 6 Abs. 1
  300. und 2 Nr. 6 UWG und verstoße außerdem gegen die Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG.
  301. Nach ihrem Vorbringen ist davon auszugehen, dass unter diesen Gesichtspunkten ein Schaden in Deutschland verwirklicht sein kann. Dem entspricht das Klagebegehren, das sich auf den Vertrieb der beanstandeten Flakons in Deutschland bezieht.
  302. - 15 -
  303. 33
  304. cc) Eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Verstöße kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsinstitut der Konsumtion. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Haftung der Beklagten als Täterin einer etwaigen Markenverletzung in
  305. Belgien schließe ihre Haftung als Teilnehmerin einer von Stefan P. in Deutschland begangenen Markenverletzung und eines Verstoßes gegen das UWG aus,
  306. weil die leichtere Begehungsform der Beihilfe durch die schwerere der Haupttat
  307. konsumiert werde. Dem kann nicht zugestimmt werden.
  308. 34
  309. Das nach inländischem Strafrecht für den Schuldausspruch und die Strafzumessung bedeutsame Rechtsinstitut der Konsumtion hat für die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte keine Bedeutung. Die Heranziehung nationaler Rechtskonzepte im Rahmen der Auslegung von Art. 5 Nr. 3
  310. Brüssel-I-VO würde in den Mitgliedstaaten zu voneinander abweichenden Lösungen führen, die geeignet wären, das Ziel einer Vereinheitlichung der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit, das die Verordnung nach ihrem
  311. zweiten Erwägungsgrund verfolgt, zu beeinträchtigen (EuGH, NJW 2013, 2099
  312. Rn. 34 - Melzer). Die Zuständigkeitsregelungen der Brüssel-I-VO sind deshalb
  313. autonom und unter Bezugnahme auf die Systematik und Zielsetzung dieser
  314. Verordnung auszulegen (EuGH, GRUR 2014, 806 Rn. 45 - Coty/First Note Perfumes).
  315. - 16 -
  316. 35
  317. III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit es um die von der
  318. Klägerin im Wege der eventuellen Klagehäufung geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche geht (§ 562 Abs. 1 ZPO). Insoweit ist die Sache an
  319. das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da Feststellungen zur Begründetheit
  320. der auf Wettbewerbsrecht gestützten Klageanträge nicht getroffen sind und der
  321. Senat nicht selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 1 ZPO).
  322. Büscher
  323. Koch
  324. RiBGH Prof. Dr. Schaffert ist im
  325. Urlaub und daher gehindert zu
  326. unterschreiben.
  327. Büscher
  328. Löffler
  329. Schwonke
  330. Vorinstanzen:
  331. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.09.2009 - 37 O 89/08 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.12.2010 - I-20 U 170/09 -