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414 lines
25 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 124/03
  5. Verkündet am:
  6. 9. Februar 2006
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. Rechtsanwalts-Ranglisten
  18. UWG a.F. §§ 1, 2 Abs. 1
  19. Veröffentlicht ein Verlag in einer Publikation Ranglisten - nach Region und
  20. Fachbereich -, in denen Rechtsanwälte nach Recherchen des Verlags in einer
  21. Reihenfolge aufgrund einer subjektiven Einschätzung ihrer Reputation aufgeführt werden, kann eine Absicht des Verlags nicht angenommen werden, den
  22. Wettbewerb der in den Ranglisten angeführten Rechtsanwälte zu fördern.
  23. BGH, Urt. v. 9. Februar 2006 - I ZR 124/03 - OLG München
  24. LG München I
  25. -2-
  26. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
  27. die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. März 2003 wird auf Kosten der Kläger
  30. zurückgewiesen.
  31. Von Rechts wegen
  32. Tatbestand:
  33. 1
  34. Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und 3 sind,
  35. ist ein Verlag für juristische Informationen mit Sitz in K. . Sie gibt seit 1998 ein
  36. Handbuch heraus, das nach Regionen und Rechtsgebieten untergliedert im
  37. Bereich des Wirtschaftsrechts tätige Rechtsanwaltskanzleien in Ranglisten eingruppiert. Das Handbuch ist in einen redaktionellen Teil und einen Anzeigenteil
  38. gegliedert. Der redaktionelle Teil enthält nach den Benutzerhinweisen in einem
  39. nationalen Überblick eine Analyse des Marktes bundesweit und international
  40. tätiger Kanzleien, eine regionale Übersicht wichtiger Kanzleien in den verschiedenen Regionen und nach Rechtsgebieten geordnete Kapitel, in denen bun-
  41. -3-
  42. desweit tätige Kanzleien und Rechtsanwälte vorgestellt werden, die sich besonders auf das jeweilige Sachgebiet konzentrieren.
  43. 2
  44. Die Handbücher der jeweiligen Jahrgänge enthalten einführende Informationen. In der Ausgabe 1998/99 des Handbuchs heißt es auszugsweise wie
  45. folgt:
  46. "Das vorliegende Handbuch ist vor allem für Mandanten und Rechtsanwälte bestimmt und soll dazu beitragen, den zunehmend reicheren,
  47. aber auch unübersichtlicheren Markt anwaltlicher Dienstleistungen für
  48. Wirtschaftsunternehmen transparenter zu machen. …
  49. Im Rahmen einer Recherchearbeit, die in diesem Umfang bisher in
  50. Deutschland noch nicht unternommen worden ist, hat JuVe hunderte
  51. von Interviews mit Akteuren am Markt - Anwälten, Mandanten und juristischen Akademikern - geführt, um deren Wahrnehmung und Einschätzung des Marktes und bestimmter Kanzleien zu ermitteln. Dabei wurden Kanzleien unterschiedlichster Ausrichtung und Größe berücksichtigt, denen nur eines gemeinsam ist: Sie haben sich mit ihrer Arbeit einen Namen gemacht. Die Größe einer Kanzlei allein ist also kein Auswahlkriterium.
  52. Im Einführungsteil am Anfang jedes Kapitels werden die Markttrends
  53. innerhalb einer ausgewählten Region oder eines bestimmten Rechtsbereichs analysiert (z.B. der Südwesten des Landes oder das Steuerrecht). Die Kanzleien, die laut unserer Recherche besondere Reputation genießen (eine zwar subjektive Einschätzung, die den Markt jedoch
  54. bedeutend prägt - vergleiche die Erläuterungen im Einführungskapitel),
  55. werden jeweils im Anschluss in einer Rangfolge aufgelistet. Selbstverständlich praktizieren bundesweit bedeutend mehr Kanzleien, als in
  56. -4-
  57. diesem Handbuch für die einzelnen Rechtsbereiche und Regionen aufgeführt werden.
  58. Danach werden die Aktivitäten dieser Kanzleien in den ausgewählten
  59. Regionen oder Rechtsbereichen erläutert und analysiert. Gegebenenfalls werden auch Beispiele aus der Mandantenschaft gegeben.
  60. In Rechtsbereichen, in denen der Ruf einzelner Anwälte von Bedeutung
  61. für den Markt ist, haben wir auch Tabellen bedeutender Persönlichkeiten angefertigt. Sie umfassen die Anwälte, die von Kollegen und Klientel besonders häufig empfohlen werden.
  62. Zu diesem Teil ein wichtiger Hinweis der Redaktion: Die von der Redaktion getroffene Auswahl der Anwälte und Kanzleien ist eine subjektive
  63. und reflektiert lediglich die Recherche der Redaktion. Der Verlag impliziert mit seiner Auswahl keine Geringerschätzung anderer, in diesem
  64. Handbuch nicht genannter Anwälte und Kanzleien. Die Darstellung zu
  65. den ausgewählten Kanzleien stellt keine Werbung dar und ist nicht
  66. käuflich.
  67. Die Redaktion hat größte Sorgfalt auf die genaue Wiedergabe der uns
  68. zur Verfügung gestellten Informationen gelegt, kann jedoch keine Verantwortung für die Qualität von Empfehlungen, für die fehlende Erwähnungen oder für sonstige inhaltliche Fehler oder Irrtümer bei der Erstellung dieses Handbuchs übernehmen."
  69. 3
  70. In dem redaktionellen Teil sind im Rahmen der Darstellung der Regionen
  71. und der Rechtsgebiete Tabellen angeführt, in denen ausgesuchte Rechtsanwaltskanzleien einzeln oder alphabetisch geordnet in einer Rangfolge aufgrund
  72. eines sogenannten "Kanzleiranking" aufgelistet sind. Im Anschluss an diese
  73. Tabellen heißt es jeweils:
  74. -5-
  75. "Die hier getroffene Auswahl der Kanzleien ist eine subjektive und reflektiert lediglich die auf zahlreichen Interviews basierende Recherche
  76. der Redaktion. Der Verlag impliziert damit keine Geringschätzung der
  77. anderen in diesem Gebiet tätigen, hier jedoch nicht genannten Kanzleien. Innerhalb der einzelnen Gruppen sind die Kanzleien alphabetisch
  78. geordnet."
  79. 4
  80. Die Handbücher der Beklagten zu 1 werden durch bezahlte Anzeigen
  81. von Kanzleien finanziert und im Wesentlichen kostenlos verteilt.
  82. 5
  83. Die Kläger sind Rechtsanwälte und Mitglieder einer überörtlichen Kanzlei. Sie halten die Rangeinstufungen, bei denen eine Vielzahl von im Wirtschaftsrecht tätigen Rechtsanwaltskanzleien keine Erwähnung findet, für wettbewerbswidrig. Sie haben geltend gemacht, objektive Merkmale für die Reputation der Anwälte, auf denen die Einstufungen beruhten, gebe es nicht. Ein Qualitätsvergleich von Rechtsanwälten sei unzulässig, weil nachprüfbare Kriterien
  84. fehlten und die in die Rangordnung nicht aufgenommenen Anwälte herabgesetzt würden. Die Ranglisten stellten unzulässige vergleichende Werbung dar,
  85. weil es an objektiven und nachprüfbaren Fakten fehle. Auch werde der
  86. Verbraucher darüber irregeführt, dass es sich um objektive Informationen handele. Die Beschränkung der Darstellungen im Handbuch auf wenige Kanzleien
  87. mit Schwerpunkt auf Großkanzleien gefährde den Leistungswettbewerb.
  88. 6
  89. Die Kläger haben beantragt,
  90. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen
  91. Verkehr Druckschriften über Rechtsanwälte oder Wirtschaftskanzleien, insbesondere das Handbuch "Wirtschaftskanzleien - Rechts-
  92. -6-
  93. anwälte für Unternehmen" zu verbreiten oder an der Ausstellung
  94. solcher Druckschriften mitzuwirken oder für diese zu werben, sofern diese drucktechnisch und/oder farblich hervorgehobene Aufstellungen enthalten, in denen Rechtsanwälte oder Anwaltssozietäten für geographische Regionen und/oder für Rechtsbereiche in
  95. einer Rangfolge aufgelistet werden, bei der auf die Reputation der
  96. einzelnen Anwälte oder Kanzleien Bezug genommen wird.
  97. 7
  98. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben vorgetragen,
  99. ihre Informationen beruhten nicht nur auf Angaben der Rechtsanwälte, die in
  100. dem Handbuch Erwähnung fänden, sondern auf einer Vielzahl von Interviews
  101. mit juristisch vorgebildeten Akademikern, Mandanten und ausländischen Kanzleien. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Erteilung von Anzeigenaufträgen einerseits und der Erwähnung im redaktionellen Teil sowie der Eingruppierung in die Ranglisten andererseits. Ein Verbot der Berichterstattung
  102. verstoße gegen die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Pressefreiheit.
  103. 8
  104. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG München ZIP 2000,
  105. 1593). Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt (OLG München NJW 2001, 1950). Der Senat hat die
  106. hiergegen gerichtete Revision durch Beschluss vom 21. Februar 2002 nicht angenommen. Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht das Berufungsurteil und die Entscheidung des Senats durch
  107. Beschluss vom 7. November 2002 aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (WRP 2003, 69 = NJW 2003, 277). Das Berufungsgericht hat die Berufung daraufhin zurückgewiesen (OLG München GRUR
  108. 2003, 719 = NJW 2003, 1534).
  109. -7-
  110. Dagegen richtet sich die (vom Berufungsgericht zugelassene) Revision
  111. 9
  112. der Kläger. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
  113. Entscheidungsgründe:
  114. I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch verneint. Zur
  115. 10
  116. Begründung hat es ausgeführt:
  117. Ein Verstoß gegen § 2 UWG (a.F.) sei nicht gegeben. Die Ranglisten sei-
  118. 11
  119. en keine vergleichende Werbung i.S. von § 2 Abs. 1 UWG (a.F.). Von dieser
  120. Vorschrift werde nur eine Werbung erfasst, die einen Mitbewerber oder die von
  121. diesem angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar mache. Die Beklagten seien nicht Mitbewerber der in den Tabellen herausgehobenen Anwaltskanzleien.
  122. Der Unterlassungsanspruch folge auch nicht aus § 1 UWG (a.F.) oder
  123. 12
  124. § 3 UWG (a.F.). Das begehrte generelle Verbot von Ranglisten könnten die
  125. Kläger nicht verlangen. Es gehe über die konkrete Verletzungsform durch Veröffentlichung in den Handbüchern hinaus und sei nach der Entscheidung des
  126. Bundesverfassungsgerichts nicht erforderlich, wenn klarstellende Zusätze ausreichten, um Irreführungen auszuschließen. Danach seien Fallgestaltungen
  127. denkbar, bei denen Ranglisten mit hinreichend klarstellenden Zusätzen zulässig
  128. seien.
  129. 13
  130. Das in dem umfassenden Unterlassungsbegehren als Minus enthaltene
  131. Verbot der konkreten Verletzungsform sei nicht gerechtfertigt. Eine auf § 1
  132. UWG (a.F.) gestützte Einschränkung der Meinungsfreiheit setze nach der Ent-
  133. -8-
  134. scheidung des Bundesverfassungsgerichts auf den konkreten Fall bezogene
  135. Feststellungen zur Gefährdung des Leistungswettbewerbs durch sittenwidriges
  136. Verhalten voraus. Diese Feststellungen könnten auf der Grundlage des Sachund Streitstands nicht getroffen werden. Die in den Ranglisten enthaltenen wertenden Äußerungen unterfielen dem Schutz der Meinungsfreiheit und dürften
  137. nur unter besonderen Umständen beschränkt werden. Nicht ausreichend sei,
  138. dass für die Einordnung in die Ranglisten die Reputation der Anwaltskanzleien
  139. mitbestimmend sei.
  140. 14
  141. Eine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit lasse sich nicht aus der Vorspiegelung einer in Wirklichkeit nicht stattfindenden redaktionellen Recherche
  142. herleiten. Aus der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich,
  143. dass bei der Herstellung des Handbuchs nicht lediglich Informationen Dritter
  144. ohne kritische Distanz in das Gewand eines redaktionellen Beitrags gekleidet
  145. würden. Eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise ergebe sich nicht
  146. aus einer fehlenden Offenlegung der Bewertungsgrundlagen der Einstufungen.
  147. Angesprochen werde durch das Handbuch ein Fachpublikum. Dieses sei aufgrund der beigefügten Erläuterungen zu einer kritischen Einschätzung der
  148. Ranglisten in der Lage. Dem Publikum werde nahe gebracht, dass die Ranglisten auf einer subjektiven Einschätzung einer Vielzahl von Mandanten, Anwälten
  149. und Akademikern aus dem In- und Ausland und der wiederum subjektiven Übersetzung dieser Einschätzungen durch die Beklagte zu 1 beruhten. Es sei
  150. deshalb kein Raum für die Annahme, der Verkehr nehme an, die Ranglisten
  151. basierten auf objektiven Vergleichskriterien oder auch nur einer repräsentativen
  152. Erhebung aller relevanten Berufsgruppen. Auf die Behauptung der Kläger, die
  153. begünstigten Kanzleien würden Kopien der betreffenden Tabellen ohne die erläuternden Hinweise verschicken, komme es nicht an. Es sei nicht dargetan,
  154. dass dieses Verhalten der Kanzleien von den Beklagten veranlasst oder geduldet werde.
  155. -9-
  156. 15
  157. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass die Beklagten durch die Veröffentlichung der Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt hätten. Hierzu reiche das Interesse der Beklagten an der Akquisition von Anzeigenaufträgen nicht aus. Nach dem unwiderlegten Vorbringen der
  158. Beklagten werde den Rechtsanwaltskanzleien die Möglichkeit der Anzeigenschaltung im zweiten Teil erst angeboten, wenn über die Berücksichtigung im
  159. redaktionellen Teil entschieden sei.
  160. 16
  161. Unerheblich sei, ob den Rechtsanwälten, die durch Interviews und Schaltung von Anzeigen an dem Erscheinen des Handbuchs mitwirkten, nach dem
  162. einschlägigen Werberecht die Erstellung der Tabellen verboten sei. Daraus folge nicht, dass den Beklagten, die die Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen könnten, ein derartiges Verhalten zu untersagen sei.
  163. 17
  164. Der mit der Platzierung in den Tabellen verbundene Wettbewerbsvorsprung für die hierdurch herausgehobenen Kanzleien, darunter viele Großkanzleien, sei nicht so gravierend, dass dies eine Beschränkung des Grundrechts
  165. der Meinungsfreiheit rechtfertigen könne.
  166. 18
  167. Ein Verstoß gegen § 3 UWG (a.F.) sei nicht gegeben. Es handele sich
  168. bei den Ranglisten nicht um Angaben im Sinne dieser Vorschrift, weil es sich
  169. nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts bei den in Rede stehenden Einstufungen um Werturteile handele.
  170. 19
  171. II. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts,
  172. dass den Klägern der begehrte Unterlassungsanspruch nicht zusteht, hält der
  173. revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
  174. - 10 -
  175. 20
  176. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei den beanstandeten Rangfolgetabellen handele es sich nicht um vergleichende Werbung i.S. von § 2
  177. Abs. 1 UWG a.F. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
  178. 21
  179. a) Der Vertrieb und die Bewerbung der von der Beklagten zu 1 herausgegebenen Handbücher mit den beanstandeten Ranglisten stellt keine nach § 1
  180. i.V. mit § 2 UWG a.F. unlautere vergleichende Werbung dar.
  181. 22
  182. Vergleichende Werbung ist nach § 2 Abs. 1 UWG a.F. jede Werbung, die
  183. unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder von einem Mitbewerber angebotene Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Durch die Vorschrift
  184. ist Art. 2 Nr. 2a der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984
  185. über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. EG Nr. L 250, S. 17) in der
  186. durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
  187. vom 6. Oktober 1997 (ABl. EG Nr. L 290, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 84/450/EWG) umgesetzt worden. Der Begriff der vergleichenden Werbung nach § 2 Abs. 1 UWG a.F. ist daher richtlinienkonform auszulegen. Werbung ist nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu
  188. fördern. Vergleichende Werbung i.S. von § 2 Abs. 1 UWG a.F. setzt danach
  189. neben der objektiven Eignung, den Absatz von Waren oder Dienstleistungen
  190. einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen, in subjektiver Hinsicht zusätzlich die Absicht voraus, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum
  191. Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (vgl. BGHZ 136, 111, 117 - Kaffeebohne; BGH,
  192. Urt. v. 17.1.2002 - I ZR 161/99, GRUR 2002, 633, 635 = WRP 2002, 828 - Hormonersatztherapie).
  193. - 11 -
  194. 23
  195. b) Von einer Absicht der Beklagten, den Wettbewerb der in den Ranglisten genannten Rechtsanwaltskanzleien zu Lasten derjenigen Rechtsanwälte zu
  196. fördern, die in den Listen nicht oder an weniger herausgehobener Stelle angeführt sind, ist - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - im Streitfall
  197. nicht auszugehen. Die objektive Eignung des Verhaltens der Beklagten, den
  198. Absatz der Dienstleistungen von Rechtsanwaltskanzleien zu fördern, die in den
  199. Ranglisten erwähnt werden, begründet wegen des den Beklagten zukommenden allgemeinen Presseprivilegs nach Art. 5 Abs. 1 GG keine Vermutung für
  200. eine Wettbewerbsabsicht (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1994 - I ZR 216/92, GRUR
  201. 1995, 270, 272 = WRP 1995, 186 - Dubioses Geschäftsgebaren; Urt. v.
  202. 13.4.2000 - I ZR 282/97, GRUR 2000, 703, 706 = WRP 2000, 1243
  203. - Mattscheibe). Vielmehr bedarf es in Fällen, in denen keine Vermutung für das
  204. Vorliegen einer Wettbewerbsförderungsabsicht besteht, der Feststellung konkreter Umstände, wonach neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe die Absicht des Presseorgans, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nur eine notwendigerweise begleitende Rolle gespielt hat
  205. (BGH, Urt. v. 30.4.1997 - I ZR 196/94, GRUR 1997, 912, 913 = WRP 1997,
  206. 1048 - Die Besten I; Urt. v. 30.4.1997 - I ZR 154/95, GRUR 1997, 914, 915 =
  207. WRP 1997, 1051 - Die Besten II).
  208. 24
  209. aa) Eine Absicht der Beklagten, den Wettbewerb der Beklagten zu 1 im
  210. Verlagsgeschäft zu fördern, hat vorliegend allerdings außer Betracht zu bleiben.
  211. Die Kläger werden durch eine Förderung des Verlagsgeschäfts der Beklagten
  212. zu 1 in ihrer Rechtsstellung nicht betroffen (BGH, Urt. v. 12.6.1997 - I ZR 36/95,
  213. GRUR 1998, 167, 168 = WRP 1998, 48 - Restaurantführer).
  214. 25
  215. bb) Es kommt entscheidend darauf an, ob die Beklagten in der Absicht
  216. handelten, den Wettbewerb der in den Ranglisten angeführten Rechtsanwalts-
  217. - 12 -
  218. kanzleien über das mit der Wahrnehmung ihrer publizistischen Aufgabe notwendigerweise verbundene Maß hinaus zu fördern. Davon ist das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf seine erste Entscheidung ausgegangen. Es hat
  219. angenommen, die von den Beklagten vorgenommene Ranggruppeneinteilung
  220. stelle eine Anpreisung dieser Rechtsanwaltskanzleien mit einem hohen Werbeeffekt dar, die den Rahmen einer sachlichen Information über die Spezialisierung und die Qualifikation der Anwaltskanzleien verlasse. Es handele sich um
  221. eine wettbewerbsrechtlich ins Gewicht fallende Begleiterscheinung der journalistischen Berichterstattung. Die Absicht, den fremden Wettbewerb zu fördern,
  222. werde besonders deutlich durch die Kombination von redaktionellem Teil und
  223. den als "Kanzleiprofile" und "Partnerprofile" bezeichneten bezahlten Anzeigen
  224. im zweiten Teil. Auch wenn kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem
  225. Anzeigenauftrag und der Rangeinstufung bestehe, könne nicht außer Betracht
  226. bleiben, dass die Handbücher überwiegend unentgeltlich vertrieben würden und
  227. die Beklagten deshalb ein ureigenstes wirtschaftliches Interesse daran hätten,
  228. größere zahlungskräftige Anwaltskanzleien in die Rankinglisten aufzunehmen.
  229. Die Förderung des Wettbewerbs der in den Listen angeführten Kanzleien wirke
  230. sich dadurch auf den wirtschaftlichen Erfolg des Handbuchs aus, was keine
  231. notwendige Begleiterscheinung der journalistischen Berichterstattung sei.
  232. Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts kann nicht zugestimmt wer-
  233. 26
  234. den.
  235. 27
  236. Die Aufnahme von zuvor im redaktionellen Teil besprochener Rechtsanwaltskanzleien in Ranglisten ist bei der konkreten Art der Darstellung und unter
  237. Berücksichtigung der erläuternden Hinweise keine übermäßig anpreisende
  238. Darstellung, mit der die Beklagten den Boden sachlicher Information verlassen.
  239. Die Zusammenfassung des Inhalts eines jeweiligen Abschnitts einer Publikation
  240. durch graphische Hervorhebung - sei es vorangestellt oder im Anschluss an
  241. - 13 -
  242. den Text - ist eine bei Presseerzeugnissen nicht unübliche Darstellung. Den
  243. hiermit verbundenen Werbeeffekt relativieren die Beklagten mit dem jeder
  244. Rangliste folgenden ausdrücklichen Hinweis auf die Subjektivität der Einschätzung. Verstärkt wird dies noch durch die Erläuterungen in der Einleitung der
  245. Handbücher, in denen die Beklagten die nur wertende Einschätzung der Reihenfolge nochmals hervorheben. Daraus wird deutlich, dass die Aufnahme und
  246. Einordnung der Rechtsanwälte und Kanzleien in die Ranglisten auf einer zweifach subjektiven Einschätzung beruhen. In einem ersten Schritt geben die auf
  247. dem Markt Handelnden ihre eigene Einschätzung ab. In einem zweiten Schritt
  248. erfolgt eine ebenfalls subjektive Umsetzung dieser wertenden Einschätzungen
  249. durch die Beklagte zu 1. Das Berufungsgericht hat in anderem Zusammenhang
  250. zudem rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die angesprochenen Verkehrskreise,
  251. bei denen es sich um ein Fachpublikum handelt, zu einer kritischen Würdigung
  252. der Ranglisten aufgrund der von den Beklagten gegebenen Erläuterungen in
  253. der Lage sind. Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, die
  254. Grundlagen für die Einstufung der Ranglisten seien nur sehr allgemein gehalten. Es fehlten nähere Angaben zu der Anzahl der geführten Gespräche und
  255. der ausgesprochenen Empfehlungen und dazu, dass die Empfehlungen nicht
  256. nur auf Erklärungen befreundeter Rechtsanwälte beruhten. Dahingehende Informationen können die angesprochenen Verkehrskreise aber, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, den erläuternden Hinweisen zum
  257. Zustandekommen der Ranglisten entnehmen.
  258. 28
  259. Eine Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, folgt auch nicht aus einem
  260. besonderen Interesse der Beklagten, zahlungskräftige Anwaltskanzleien in die
  261. Ranglisten aufzunehmen, um deren Bereitschaft zu erhöhen, Anzeigen zu
  262. schalten. Anzeigenfinanzierte Medien sind regelmäßig darauf angewiesen, die
  263. werbenden Verkehrskreise zur Schaltung von Anzeigen zu veranlassen (vgl.
  264. BVerfG WRP 2003, 69, 71). Diesem weit verbreiteten allgemeinen Interesse bei
  265. - 14 -
  266. der Herausgabe von Publikationen ist für sich genommen nichts dafür zu entnehmen, dass beim Erstellen der Rangliste ein Handeln zur Förderung fremden
  267. Wettbewerbs vorliegt. Dass die Beklagten die Aufnahme in die Ranglisten in
  268. irgendeiner Weise mit dem Anzeigengeschäft verknüpfen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Gegenteiliges wird auch von der Revision nicht geltend
  269. gemacht.
  270. 29
  271. 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht eine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit der Ranglisten in den
  272. Handbüchern nach § 1 UWG a.F. mit der Begründung verneint hat, eine Gefährdung des Leistungswettbewerbs habe nicht konkret festgestellt werden
  273. können. Ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F. scheidet schon deshalb aus, weil die notwendige Wettbewerbsförderungsabsicht fehlt. Das Vorliegen dieser Absicht ist unerlässliches Erfordernis eines Unterlassungsanspruchs
  274. nach § 1 UWG a.F. (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1986 - I ZR 72/84, GRUR 1986, 898,
  275. 899 - Frank der Tat; BGHZ 136, 111, 117 - Kaffeebohne; BGH, Urt. v.
  276. 19.2.1998 - I ZR 120/95, GRUR 1998, 947, 948 = WRP 1998, 595 - AZUBI '94).
  277. 30
  278. Aus denselben Gründen scheidet auch ein Unterlassungsanspruch wegen irreführender Werbung nach § 3 UWG a.F. aus.
  279. 31
  280. 3. Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch
  281. nicht entsprechend § 1004 BGB i.V. mit § 1 UWG a.F., § 43b BRAO, § 6 BORA
  282. aufgrund einer Haftung der Beklagten als Störer zu. Für eine unzulässige
  283. Selbstdarstellung einzelner Rechtsanwälte können die Beklagten nicht zur Verantwortung gezogen werden.
  284. 32
  285. a) Auch wer ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden
  286. an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten beteiligt ist, kann als Störer zur Un-
  287. - 15 -
  288. terlassung verpflichtet sein, wenn er in zurechenbarer Weise an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Von Dritten, die eine rechtswidrige Beeinträchtigung lediglich objektiv durch ihr Handeln unterstützen, darf
  289. jedoch durch eine Störerhaftung nichts Unzumutbares verlangt werden. Die
  290. Haftung als Störer setzt daher die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Die
  291. Beurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten war oder ist, richtet sich
  292. nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar
  293. vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind (BGHZ 158, 236,
  294. 251 - Internet-Versteigerung; 158, 343, 350 - Schöner Wetten). Im Hinblick auf
  295. das den Beklagten zukommende Privileg des Art. 5 GG, zur Erfüllung eines allgemeinen Informationsinteresses beizutragen, sind an die ihnen obliegenden
  296. Prüfungspflichten keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Die Störerhaftung kann deshalb im Ergebnis zu keiner weiterreichenden Haftung der Beklagten führen als die Beurteilung ihres Handelns unter dem Gesichtspunkt der
  297. Wettbewerbsförderungsabsicht (s.o.). Eine Haftung der Beklagten nach den
  298. Grundsätzen zur Störerhaftung im Wettbewerbsrecht besteht nicht.
  299. 33
  300. b) Eine Verletzung von Verhaltenspflichten durch die Beklagten scheidet
  301. im Streitfall aus. Das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA,
  302. das sich mit der Zulässigkeit anwaltlicher Werbung befasst, richtet sich ausschließlich an Rechtsanwälte und nicht an Dritte. Die Einhaltung der Vorschriften obliegt den Rechtsanwälten in eigener Verantwortung. Die Beklagten konnten sich darauf verlassen, dass die von ihnen angesprochenen Rechtsanwälte
  303. eigenständig prüfen, ob ihre Mitwirkung an der Erstellung der Ranglisten mit
  304. den berufsrechtlichen Werbevorschriften vereinbar ist, und ihre Mitarbeit an der
  305. Veröffentlichung der Ranglisten verweigern, wenn diese nicht ohne Verstoß
  306. gegen das Sachlichkeitsgebot möglich ist.
  307. - 16 -
  308. 34
  309. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  310. Ullmann
  311. v. Ungern-Sternberg
  312. Büscher
  313. Pokrant
  314. Bergmann
  315. Vorinstanzen:
  316. LG München I, Entscheidung vom 20.06.2000 - 9 HKO 10278/99 OLG München, Entscheidung vom 27.03.2003 - 29 U 4292/00 -