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395 lines
19 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 105/11
  5. Verkündet am:
  6. 19. Juli 2012
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Honorarkürzung
  19. UWG § 8 Abs. 1 Satz 1
  20. Einer Unterlassungsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit ihr auf
  21. einen Haftpflichtversicherer eingewirkt werden soll, um ihn daran zu hindern, im
  22. Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung Sachverständigenhonorare ohne auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter
  23. Hinweis auf pauschale Vergütungssätze zu kürzen, die nach der Höhe des Unfallschadens gestaffelt sind.
  24. BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 105/11 - OLG Nürnberg
  25. LG Regensburg
  26. -2-
  27. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 19. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die
  29. Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg
  32. - 3. Zivilsenat - vom 17. Mai 2011 wird auf Kosten der Klägerin mit
  33. der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage mit dem Antrag
  34. zu II nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen
  35. wird.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Die Beklagte ist ein Kraftfahrzeugversicherer. Bei der Regulierung von
  40. Unfallschäden in der Haftpflichtversicherung erstattet sie die geltend gemachten
  41. Sachverständigenkosten nach pauschalen Vergütungssätzen, die nach der Höhe des Unfallschadens gestaffelt sind. Die Vergütungssätze entsprechen dem
  42. Ergebnis von Gesprächen mit dem Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK). Übersteigen die vom Geschädigten bei der Abwicklung von Unfallschäden geltend
  43. gemachten Sachverständigenkosten die pauschalen Vergütungssätze, kürzt die
  44. Beklagte ohne weitere Prüfung im Einzelfall die Sachverständigenkosten auf
  45. den jeweiligen pauschalen Vergütungssatz und erläutert dies dem Geschädigten mit folgendem Formularschreiben:
  46. -3-
  47. Sehr geehrte Damen und Herren,
  48. die Rechnung für das Gutachten haben wir mit … Euro ausgeglichen. Wir erachten ein Sachverständigenhonorar in dieser Höhe für üblich und angemessen. Es stellt nach unserer Auffassung den "erforderlichen" Aufwand zur Schadensbeseitigung gemäß § 249 BGB dar.
  49. Hierbei sind wir den Empfehlungen 2007 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.
  50. (BVSK) gefolgt und haben das Gesprächsergebnis BVSK-Versicherungen
  51. (HUK) zugrunde gelegt.
  52. Soweit unsere Zahlung nicht als ausreichend angesehen wird, legen Sie bitte
  53. die für die Sachverständigenleistung übliche Vergütung dar. Wir nehmen insofern Bezug auf die Entscheidung des BGH vom 4.4.2006 - X ZR 80/05 und
  54. X ZR 122/05.
  55. 2
  56. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält
  57. die Vorgehensweise der Beklagten für wettbewerbsrechtlich unlauter. Durch die
  58. Honorarkürzungen ohne Einzelfallprüfung setze die Beklagte die Tätigkeiten
  59. und geschäftlichen Verhältnisse der Sachverständigen herab, deren Rechnungen gekürzt würden. Die Geschädigten würden unangemessen unsachlich beeinflusst und getäuscht. Durch das von der Beklagten verwandte Formularschreiben entstehe beim Adressaten der Eindruck, der Sachverständige halte
  60. sich nicht an verbindliche Standards. Die Geschädigten, die Sachverständige
  61. beauftragten, die sich nicht an die von der Beklagten verwendete Kostentabelle
  62. hielten, müssten mit Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung rechnen, weil
  63. sie einem Gebührenanspruch des Sachverständigen ausgesetzt seien, den sie
  64. bei der Versicherung nicht in voller Höhe realisieren könnten. Dies führe letztlich dazu, dass nur Sachverständige beauftragt würden, die sich an die Gebührensätze der Beklagten hielten.
  65. 3
  66. Die Klägerin hat beantragt,
  67. die Beklagte zu verurteilen,
  68. I. es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Kürzungen bei Honoraren von
  69. Sachverständigen im Rahmen der Regulierung von Kfz-Haftpflichtschäden
  70. -4-
  71. selbst oder durch Dritte vorzunehmen und/oder vornehmen zu lassen, ohne
  72. die dem Geschädigten gegenüber bestehende zivilrechtliche Ersatzpflicht
  73. des vollständigen vom Sachverständigen angesetzten Honorars zuvor in jedem Einzelfall zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen und die Kürzungen
  74. anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu begründen bzw. begründen zu lassen,
  75. insbesondere die Kürzung eines Sachverständigenhonorars allein damit zu
  76. begründen bzw. begründen zu lassen, dass das angesetzte Entgelt den Betrag nach dem Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg übersteige,
  77. und/oder
  78. insbesondere damit, dass grundsätzlich nur der Betrag nach dem Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg üblich und/oder angemessen sei und/
  79. oder dem zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwand entspreche;
  80. II. an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
  81. dem Basiszinssatz seit dem 14. April 2010 zu zahlen.
  82. 4
  83. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
  84. 5
  85. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin zusätzlich hilfsweise zum Klageantrag zu I beantragt,
  86. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Kürzungen bei Honoraren von Sachverständigen im Rahmen der Regulierung von
  87. Kfz-Haftpflichtschäden selbst oder durch Dritte vorzunehmen und/oder vornehmen zu lassen, soweit die jeweilige Kürzung allein wörtlich oder inhaltsgleich
  88. mit dem oben wiedergegebenen Formularschreiben begründet wird.
  89. 6
  90. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
  91. 7
  92. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  93. -5-
  94. Entscheidungsgründe:
  95. 8
  96. I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und
  97. hierzu ausgeführt:
  98. 9
  99. Einer Klage auf Unterlassung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung
  100. in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienten, fehle regelmäßig
  101. das Rechtsschutzbedürfnis. Auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten
  102. Verfahrens könne grundsätzlich nicht dadurch Einfluss genommen werden,
  103. dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt werde. Diese Grundsätze seien auch bei der Beurteilung der beanstandeten Abrechnungspraxis der
  104. Beklagten heranzuziehen. In diesem Zusammenhang sei nicht zwischen vorgerichtlicher und gerichtlicher Verteidigung der Beklagten zu differenzieren. Ein
  105. Fall, in dem ausnahmsweise etwas anderes gelten müsse, liege nicht vor. Die
  106. Abrechnungspraxis der Beklagten sei nicht auf der Hand liegend falsch und
  107. stelle keine unzulässige Schmähung der Sachverständigen dar, die höhere als
  108. die von der Beklagten anerkannten Vergütungssätze abrechneten.
  109. 10
  110. II. Die Revision ist unbegründet. Die Unterlassungsanträge zu I (Hauptund Hilfsantrag) sind unzulässig (dazu II 1 und 2). Der Zahlungsantrag zu II ist
  111. unbegründet (dazu II 3).
  112. 11
  113. 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Unterlassungshauptantrags verneint hat.
  114. 12
  115. a) Mit dem in erster Linie verfolgten Unterlassungsantrag beanstandet
  116. die Klägerin von der Beklagten vorgenommene Kürzungen des Sachverständigenhonorars bei der Regulierung von Kraftfahrzeughaftpflichtschäden in Fällen,
  117. -6-
  118. in denen die Beklagte keine auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene Prüfung vorgenommen und keine entsprechende Begründung abgegeben hat. Dabei richtet sich der Unterlassungsantrag vor allem gegen Honorarkürzungen,
  119. die die Beklagte damit begründet, dass das beanspruchte Sachverständigenhonorar das Ergebnis des Gesprächs mit dem BVSK übersteigt. Ziel des Unterlassungsantrags ist danach eine Änderung der Regulierungspraxis der Beklagten. Dabei erfasst der Antrag nicht nur das von der Klägerin beanstandete außergerichtliche Regulierungsverhalten der Beklagten, sondern auch ihre
  120. Rechtsverteidigung im Prozess. Im Falle der Verurteilung wäre die Beklagte
  121. gehindert, die Angemessenheit des Sachverständigenhonorars allein mit einer
  122. Überschreitung der Gebührensätze des Gesprächsergebnisses mit dem BVSK
  123. zu begründen.
  124. 13
  125. b) Der Verbotsantrag, mit dem auf das beanstandete außergerichtliche
  126. Regulierungsverhalten der Beklagten und ihre Rechtsverteidigung im Prozess
  127. eingewirkt werden soll, ist unzulässig.
  128. 14
  129. aa) Einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die
  130. der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die
  131. Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht
  132. dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter
  133. durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit
  134. eingeengt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem
  135. seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden
  136. (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - I ZR 177/95, GRUR 1998, 587, 589 =
  137. WRP 1998, 512 - Bilanzanalyse Pro 7; Urteil vom 10. Dezember 2009
  138. - I ZR 46/07, BGHZ 183, 309 Rn. 14 - Fischdosendeckel).
  139. -7-
  140. 15
  141. bb) Dies gilt grundsätzlich auch bei Äußerungen in einem rechtsstaatlich
  142. geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren beteiligten Dritten
  143. betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren
  144. stehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1972 - VI ZR 102/71, GRUR 1973,
  145. 550, 551 - halbseiden). Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren
  146. nicht gegen die Äußerungen wehren, ist bei der Abwägung der widerstreitenden
  147. Interessen allerdings besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung
  148. hinnehmen muss (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07, WRP
  149. 2008, 359 Rn. 15 = NJW 2008, 996; BGHZ 183, 309 - Fischdosendeckel).
  150. 16
  151. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ungehinderte Durchführung staatlich geregelter Verfahren im Interesse der daran Beteiligten, aber auch im öffentlichen Interesse nicht mehr als unbedingt notwendig behindert werden darf.
  152. Die Verfahrensbeteiligten müssen, soweit nicht zwingende rechtliche Grenzen
  153. entgegenstehen, vortragen können, was sie zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten. Dabei müssen, wenn dies der Verfahrensgegenstand rechtfertigt, auch Tatsachenbehauptungen und -bewertungen mit
  154. Bezug auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte zum Inhalt des Vorbringens gemacht werden können. Es ist dann allein Aufgabe des mit der Entscheidung in
  155. dem betreffenden Verfahren befassten Organs, die Erheblichkeit und Richtigkeit
  156. des jeweiligen Vorbringens für seine Entscheidung zu beurteilen. Nur so ist eine
  157. rechtsstaatliche Verfahrensführung gewährleistet. Es geht nicht an, dass diese
  158. mehr als unabdingbar notwendig von außen beeinflusst wird, indem Dritte durch
  159. gerichtliche, an einen Verfahrensbeteiligten gerichtete Unterlassungsgebote
  160. außerhalb des Ausgangsverfahrens vorgeben, was in diesem vorgetragen und
  161. damit zum Gegenstand der betreffenden Entscheidung gemacht werden darf
  162. (vgl. BGH, WRP 2008, 359 Rn. 16; BGHZ 183, 309 Rn. 16 - Fischdosendeckel).
  163. Die Durchsetzung individueller Ansprüche Dritter auf Schutz ihrer durch das
  164. -8-
  165. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten betroffenen Rechte ist damit nicht generell
  166. ausgeschlossen. Ist etwa ein Bezug der den Dritten betreffenden Äußerungen
  167. zum Ausgangsverfahren nicht erkennbar, sind diese auf der Hand liegend
  168. falsch oder stellen sie sich als unzulässige Schmähung dar, bei der nicht die
  169. Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im
  170. Vordergrund steht, kann eine gesonderte Klage auf Unterlassung oder Widerruf
  171. ausnahmsweise zulässig sein (BGH, WRP 2008, 359 Rn. 17; vgl. ferner
  172. BVerfG,
  173. Kammerbeschluss
  174. vom
  175. 25. September
  176. 2006
  177. - 1 BvR 1898/03,
  178. NJW-RR 2007, 840, 841).
  179. 17
  180. c) Nach diesen Maßstäben fehlt der Klägerin für den in erster Linie verfolgten Unterlassungsantrag das Rechtsschutzbedürfnis.
  181. 18
  182. aa) Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, es zu unterlassen, in einem Haftpflichtprozess über den Ersatz der Sachverständigenkosten
  183. die Kürzung des Sachverständigenhonorars ohne eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter Berufung auf das Ergebnis des
  184. BVSK-Gesprächs vorzunehmen. Dadurch würde auf die Rechtsverteidigung der
  185. Beklagten in einem gerichtlichen Verfahren eingewirkt werden, was grundsätzlich unzulässig ist.
  186. 19
  187. bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist der Unterlassungsantrag aber
  188. auch insoweit unzulässig, als er das außergerichtliche Regulierungsverhalten
  189. der Beklagten betrifft.
  190. 20
  191. (1) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass
  192. das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage nicht nur in Fällen fehlt,
  193. in denen Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren untersagt werden sollen.
  194. Privilegiert sind grundsätzlich auch Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder
  195. -9-
  196. -verteidigung in einem behördlichen Verfahren dienen oder die im Vorfeld einer
  197. gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1977
  198. - VI ZR 111/75, GRUR 1977, 745, 747 = NJW 1977, 1681, insoweit nicht in
  199. BGHZ 69, 181; Urteil vom 5. Mai 1981 - VI ZR 184/79, GRUR 1981, 616 f. =
  200. NJW
  201. 1981,
  202. 2117;
  203. vgl.
  204. auch
  205. BGH,
  206. Urteil
  207. vom
  208. 16. November
  209. 2004
  210. - VI ZR 298/03, WRP 2005, 236, 237 = NJW 2005, 279).
  211. 21
  212. (2) Danach fehlt auch einer Unterlassungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, mit der auf die Beklagte als Haftpflichtversicherer eingewirkt werden
  213. soll, um sie daran zu hindern, im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung Sachverständigenhonorare ohne auf den Einzelfall bezogene Prüfung
  214. und Begründung allein unter Berufung auf das BVSK-Gesprächsergebnis zu
  215. kürzen. Denn die Begründung für die Kürzung von Schadenspositionen im
  216. Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung einer Haftpflichtversicherung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsverteidigung im
  217. Prozess. Dies ergibt sich insbesondere aus § 100 VVG. Danach ist der Versicherer bei der Haftpflichtversicherung verpflichtet, den Versicherungsnehmer
  218. von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten aufgrund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Diese Verpflichtung umfasst die außergerichtliche und gerichtliche
  219. Abwehr von Ansprüchen Dritter (vgl. Lücke in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., § 100 VVG Rn. 10). Die Abwehr unbegründeter Ansprüche Dritter durch den Haftpflichtversicherer bildet daher eine Einheit und kann
  220. nicht in eine außergerichtliche Abwehr unbegründeter Ansprüche und eine Abwehr von Ansprüchen in einem gerichtlichen Verfahren durch den Haftpflichtversicherer aufgespaltet werden.
  221. 22
  222. - 10 -
  223. Dem geschädigten Dritten, der mit den Sachverständigenkosten belastet
  224. ist, und dem Sachverständigen stehen ausreichende Rechtsschutzgarantien zur
  225. Verfügung, um die Berechtigung der Anspruchskürzung überprüfen zu lassen.
  226. Der geschädigte Dritte kann die Beklagte als Haftpflichtversicherer im Umfang
  227. der Anspruchskürzung verklagen; der Sachverständige kann erforderlichenfalls
  228. seinen Auftraggeber auf Zahlung der (ungekürzten) Sachverständigenkosten
  229. gerichtlich in Anspruch nehmen, der der Beklagten als Haftpflichtversicherer im
  230. Honorarprozess den Streit verkünden kann (§§ 72, 73 ZPO). Die vorliegende
  231. Fallkonstellation ist entgegen der Ansicht der Revision nicht mit Äußerungen
  232. vergleichbar, die in einem Erstbericht eines Konkursverwalters an die Gläubigerversammlung enthalten sind, deren Wahrheitsgehalt im Konkursverfahren
  233. nicht rechtsverbindlich überprüft werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1994 - VI ZR 74/94, GRUR 1995, 66, 67 = NJW 1995, 397).
  234. 23
  235. (3) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, es gehe vorliegend nicht in
  236. erster Linie um konkrete Äußerungen der Beklagten, sondern um ihre Regulierungspraxis, Sachverständigenhonorare ohne eine auf den Einzelfall bezogene
  237. Prüfung und Begründung zu kürzen. Die Begründung der Beklagten, mit der sie
  238. die pauschalen Honorarkürzungen unter Hinweis auf das BVSK-Gesprächsergebnis vornimmt, lässt sich nicht von der von ihr vertretenen Ansicht trennen,
  239. nicht verpflichtet zu sein, eine einzelfallbezogene Prüfung und Begründung vorzunehmen.
  240. 24
  241. cc) Nach Ansicht des Berufungsgerichts liegt keine Konstellation vor, in
  242. der die Durchsetzung individueller Ansprüche Dritter auf Schutz ihrer durch das
  243. Vorbringen der Beklagten betroffenen Rechte ausnahmsweise Vorrang haben
  244. muss. Diese Annahme lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Es ist nichts dafür
  245. ersichtlich, dass die Begründung, mit der die Beklagte die Honorare kürzt, keinen Bezug zur Regulierung des Haftpflichtschadens hat, auf der Hand liegend
  246. - 11 -
  247. falsch ist oder eine unzulässige Schmähung der Sachverständigen darstellt, bei
  248. der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des
  249. Dritten im Vordergrund steht.
  250. 25
  251. 2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des hilfsweise verfolgten Unterlassungsantrags als unzulässig richtet.
  252. 26
  253. a) Mit diesem Unterlassungsantrag wendet sich die Klägerin gegen die
  254. mit dem beanstandeten Formularschreiben vorgenommene Kürzung der Sachverständigenhonorare.
  255. 27
  256. b) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auch für
  257. den Unterlassungshilfsantrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Insoweit gelten
  258. die vorstehenden Erwägungen zur Unzulässigkeit des Unterlassungshauptantrags im Hinblick auf das Verbot von Äußerungen der Beklagten im Rahmen
  259. des außergerichtlichen Regulierungsverhaltens entsprechend (dazu Rn. 17 bis
  260. 24).
  261. 28
  262. 3. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht auch hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten abgewiesen (Klageantrag II). Der Klageantrag zu II ist zwar nicht unzulässig, wie das Berufungsgericht, das zwischen den beiden Klageanträgen nicht unterschieden hat, offenbar
  263. angenommen hat; der Zahlungsklage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
  264. Die Klage ist jedoch insofern unbegründet. Die Klägerin kann ihre Abmahnkosten nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ersetzt verlangen, weil ihr der geltend
  265. gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht. Sie kann von der Beklagten
  266. kein Verbot der beanstandeten Äußerungen beanspruchen.
  267. - 12 -
  268. 29
  269. Die Revision ist danach mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage mit dem Klageantrag zu II nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen wird. Das Verbot der reformatio in peius steht dem nicht entgegen
  270. (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1999 - I ZR 33/97, GRUR 1999, 936, 938 =
  271. WRP 1999, 918 - Hypotonietee; Urteil vom 23. Februar 2006 - I ZR 164/03,
  272. GRUR 2006, 517 Rn. 13 = WRP 2006, 747 - Blutdruckmessungen).
  273. 30
  274. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  275. Bornkamm
  276. Pokrant
  277. Schaffert
  278. Büscher
  279. Kirchhoff
  280. Vorinstanzen:
  281. LG Regensburg, Entscheidung vom 24.08.2010 - 1 HKO 549/10 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 17.05.2011 - 3 U 1916/10 -