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7.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 42/02
  4. vom
  5. 10. April 2003
  6. in der Rechtsbeschwerdesache
  7. -2-
  8. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. April 2003 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck, Prof.
  10. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert
  11. beschlossen:
  12. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats
  13. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2002 wird auf
  14. Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
  15. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 45.786,29
  16. festgesetzt.
  17. Gründe:
  18. I. Gegen das am 25. Juli 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts vom
  19. 19. Juli 2002 legte die Klägerin am Montag, dem 26. August 2002, Berufung
  20. ein, die sie am 26. September 2002 begründete.
  21. Wegen Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung beantragte
  22. die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trug die Klägerin vor:
  23. -3-
  24. Ihr Prozeßbevollmächtigter habe seine ansonsten zuverlässige Büroleiterin sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten des neuen Zivilprozeßrechts am
  25. 1. Januar 2002 auf die Rechtsänderungen bei der Frist zur Begründung der Berufung hingewiesen. Nach der Zustellung des Urteils des Landgerichts habe ihr
  26. Prozeßbevollmächtigter seiner Büroleiterin wie üblich die Anweisung erteilt, die
  27. Fristen für die Berufung und die Berufungsbegründung im Fristenkalender zu
  28. notieren. Entgegen dieser Weisung habe die Büroleiterin die Frist für die Berufungsbegründung zunächst nicht notiert, sondern dies erst unmittelbar vor Einlegung der Berufung nachgeholt. Dabei sei die Berufungsbegründungsfrist unzutreffenderweise vom Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an berechnet
  29. worden, wie dies früherem Recht entsprochen habe. Eine vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist notierte Vorfrist sei vom Personal des Prozeßbevollmächtigten ebenfalls übersehen worden.
  30. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Es hat angenommen, der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hätte sich nach Vorlage der Berufungsschrift und nach Vorlage der Gerichtsakten davon überzeugen müssen, daß seiner Anweisung, die Frist zur
  31. Begründung der Berufung zu notieren, ordnungsgemäß nachgekommen worden sei.
  32. II. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte
  33. Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2
  34. ZPO nicht gegeben sind.
  35. -4-
  36. 1. Der Rechtsbeschwerde kommt entgegen der Meinung der Klägerin
  37. keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Grundsätzliche
  38. Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche und
  39. klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl
  40. von Fällen stellen kann (BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, NJW 2002,
  41. 3029).
  42. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geklärt
  43. sind und die Annahme des Berufungsgerichts, der Prozeßbevollmächtigte der
  44. Klägerin hätte bei Vorlage der Berufungsschrift und der Gerichtsakten die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist selbst überwachen
  45. müssen, eine nach den Gesamtumständen auf den konkreten Einzelfall bezogene Feststellung ist.
  46. Ein Rechtsanwalt darf ein Empfangsbekenntnis über die Zustellung eines
  47. Urteils erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in der maßgeblichen Handakte der Ablauf der Rechtsmittelfrist vermerkt und die Frist notiert ist (vgl. BGH,
  48. Beschl. v. 26.3.1996 - VI ZB 1 und 2/96, NJW 1996, 1900, 1901; Urt. v.
  49. 16.7.1998 - VII ZR 409/97, NJW 1998, 3125; Urt. v. 22.4.1999 - IX ZR 364/98,
  50. NJW 1999, 2120, 2121). Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß
  51. diese Verpflichtung den Rechtsanwalt nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung auch hinsichtlich der Begründungsfrist für das Rechtsmittel trifft,
  52. nachdem die zweimonatige Begründungsfrist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO
  53. mit Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu laufen beginnt.
  54. Allerdings kann der Prozeßbevollmächtigte, sofern er die erforderlichen
  55. Eintragungen in der Handakte und dem Fristenkalender nicht selbst vornimmt,
  56. -5-
  57. diese durch eine besondere Einzelanweisung an sein Büropersonal veranlassen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; Beschl. v.
  58. 31.10.2002 - III ZB 23/02, NJW-RR 2003, 276 f.). Ob die Anweisung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die Voraussetzungen erfüllte, die an eine
  59. Einzelanweisung zu stellen sind, erscheint vorliegend zweifelhaft, weil die Anweisung, die maßgeblichen Fristen zu notieren, der üblichen Verfahrensweise
  60. in der Praxis des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin entsprach. Dann ist die
  61. Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß die Eintragung der Fristen in einem
  62. Einzelfall unterbleibt. Die Frage kann aber auf sich beruhen.
  63. Jedenfalls konnte das Berufungsgericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes davon ausgehen, bei Vorlage der Berufungsschrift und bei Vorlage der Gerichtsakten sei der Prozeßbevollmächtigte
  64. der Klägerin verpflichtet gewesen, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die von ihm erteilte Anweisung zur Eintragung der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist enthielt nicht die
  65. Angabe des konkreten Zeitpunktes, zu dem der Lauf der Frist endete. Sah der
  66. Prozeßbevollmächtigte der Klägerin aber davon ab, vor Unterzeichnung und
  67. Rückgabe des Empfangsbekenntnisses die maßgeblichen Fristen selbst zu
  68. vermerken und erteilte er nur eine der üblichen Verfahrensweise entsprechende
  69. allgemeine Anweisung zur Notierung der Frist, so kam bei Vorlage der Berufungsschrift und der Gerichtsakten eine entsprechende Verpflichtung des Prozeßbevollmächtigten in Betracht, sich von dem ordnungsgemäßen Eintrag der
  70. Berufungsbegründungsfrist zu überzeugen. Die Berechnung des Endes einer
  71. Rechtsmittel- und einer Rechtsmittelbegründungsfrist ist eine besonders wichtige Aufgabe. Sie kann, wenn es sich um eine routinemäßige Fristberechnung
  72. handelt, vom Rechtsanwalt seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen werden. Der Rechtsanwalt muß durch geeignete
  73. -6-
  74. allgemeine Anweisungen auf einen verläßlichen, Fristversäumnisse möglichst
  75. vermeidenden Geschäftsgang hinwirken (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.1996
  76. - VII ZB 7/96, NJW 1996, 2514; Beschl. v. 21.11.2000 - VIII ZB 11/00, BGH-Rep
  77. 2001, 141). In zweifelhaften oder risikoträchtigen Fällen muß der Rechtsanwalt
  78. die Berechnung der Frist allerdings kontrollieren (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.1982
  79. - V ZB 10/82, VersR 1982, 974; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.3.1980
  80. - X ZB 4/80, NJW 1980, 1846).
  81. Es handelt sich vorliegend um die Entscheidung eines Einzelfalls. Er ist
  82. nach der Beurteilung des Berufungsgerichts durch ein Nebeneinander der Berechnung von Rechtsmittelbegründungsfristen nach § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO
  83. a.F. und § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. sowie dadurch gekennzeichnet, daß anders als bei der Berufungsfrist, die an einem Montag ablief (§ 222 Abs. 2 ZPO),
  84. eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht eintrat.
  85. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen
  86. Rechtsprechung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Altern. 2 ZPO). Die angefochtene
  87. Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung, die mit der Rechtsprechung des
  88. Bundesgerichtshofes in Einklang steht.
  89. -7-
  90. III. Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97
  91. Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
  92. Ullmann
  93. Starck
  94. Büscher
  95. Bornkamm
  96. Schaffert