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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 311/05
  4. vom
  5. 21. September 2005
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. September 2005 gemäß § 349
  11. Abs. 4 StPO beschlossen:
  12. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 3. März 2005 mit den Feststellungen aufgehoben,
  13. soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
  14. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
  15. und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
  16. eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer
  17. des Landgerichts Köln zurückverwiesen.
  18. Gründe:
  19. I.
  20. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer
  21. Schutzbefohlenen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
  22. in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
  23. verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
  24. -3-
  25. II.
  26. 1. Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge in vollem
  27. Umfang Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf es daher nicht
  28. mehr.
  29. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil weist rechtlich erhebliche
  30. Mängel auf (§ 337 StPO). Sie ist zwar Sache des Tatrichters und das Revisionsgericht hat sie grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt aber nicht, wenn die
  31. Beweiswürdigung lückenhaft oder unklar ist (vgl. BGH NStZ 2002, 161). Dies
  32. ist hier der Fall.
  33. a) Das Landgericht stützt die Verurteilung des Angeklagten, der sich in
  34. der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, weitgehend auf seine geständigen Einlassungen im Ermittlungsverfahren, welche "im Wesentlichen - wenn
  35. auch nicht unbedingt im Detail - mit den zuletzt in der Hauptverhandlung erhobenen Tatvorwürfen der Geschädigten" übereinstimmten (UA S. 61). Der Angeklagte hat aber - ausweislich der Urteilsgründe - im Ermittlungsverfahren die
  36. Taten - insbesondere was die Tatabläufe im Einzelnen (Ergreifen der Initiative
  37. durch die Geschädigte), aber auch was deren Intensität angeht - nicht so gestanden, wie von der Strafkammer schließlich festgestellt. Bei dieser Sachlage
  38. hätte sich die Strafkammer bei der notwendigen (vgl. BGH NJW 2005, 1440,
  39. 1441) Würdigung der Geständnisse nicht auf die pauschale Aussage beschränken dürfen, dass sich die vorprozessualen Einlassungen des Angeklagten im Wesentlichen mit den Angaben der Geschädigten deckten, ohne zu den
  40. einzelnen Fällen die Aussage der Geschädigten in der Hauptverhandlung wiederzugeben und diese im Hinblick auf ihre Glaubhaftigkeit in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise zu würdigen.
  41. -4-
  42. Unklar ist bereits, inwieweit die Strafkammer die Feststellungen zum
  43. Tatgeschehen, die über das Geständnis des Angeklagten hinausgehen, auch
  44. auf die Angaben der Geschädigten stützt. Soweit sie dabei die Angaben der
  45. Geschädigten ausdrücklich berücksichtigt, fehlt es an einer umfassenden und
  46. in sich geschlossenen Darstellung der relevanten Aussagen. Insbesondere die
  47. Angaben der Geschädigten in der Hauptverhandlung werden nicht mitgeteilt,
  48. obwohl jedenfalls im Stadium des Ermittlungsverfahrens noch in zentralen
  49. Punkten Aussage gegen Aussage stand. Bei einer solchen Beweislage muss
  50. der Tatrichter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erkennen lassen, dass er alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen
  51. geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH NStZRR 2002, 174, 175; BGH StV 1994, 359, 360; 1993, 235). In diesem Zusammenhang wäre auch nachvollziehbar darzulegen gewesen, warum die Strafkammer der Geschädigten geglaubt und den Angeklagten teilweise verurteilt,
  52. ihn aber im Übrigen mangels "entsprechender Angaben" der Geschädigten in
  53. der Hauptverhandlung (UA S. 87) freigesprochen hat.
  54. b) Darüber hinaus fehlt es an einer hinreichenden Darstellung und Würdigung des eingeholten aussagepsychologischen Gutachtens. Hält der Tatrichter die Zuziehung einer Sachverständigen für erforderlich, so hat er deren Ausführungen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der
  55. daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiederzugeben, um dem Revisionsgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGH NStZ-RR 1996, 233;
  56. BGH StV 1994, 359, 360; 1993, 235). Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Lediglich zu Tat II.15 findet sich eine knappe Würdigung der Ausführungen der Sachverständigen. Im Übrigen enthält das Urteil
  57. nur den Hinweis, dass die Angaben der Geschädigten in dem vorbereitenden
  58. -5-
  59. schriftlichen Sachverständigengutachten "vor allem zur angeblichen Unfreiwilligkeit ihrerseits während der sexuellen Übergriffe des Angeklagten und dessen
  60. angeblicher Gewaltanwendung als nicht hinreichend belegbar" beurteilt werden
  61. (UA S. 54 f.). Eine Auseinandersetzung mit diesem den Urteilsfeststellungen
  62. weitgehend widersprechenden Gutachten fehlt gänzlich.
  63. 2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
  64. a) Der neue Tatrichter wird hinsichtlich der Tat II.5 genauere Feststellungen dazu zu treffen haben, ob durch das Verhalten des Angeklagten die
  65. Erheblichkeitsschwelle des § 184 c StGB a.F. überschritten ist (vgl. BGH NStZ
  66. 1999, 45). Die bisherige Feststellung zu dieser Tat: "Der Angeklagte berührte
  67. die Geschädigte über deren Kleidung im Vaginalbereich.", lässt einen solchen
  68. Schluss nicht zweifelsfrei zu und rechtfertigt im Übrigen nicht die Verhängung
  69. einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Ausschluss eines minder schweren Falls.
  70. b) Des Weiteren wird zu überprüfen sein, ob es sich bei den unter II.14
  71. und II.17 des Urteils aufgeführten Lebenssachverhalten nicht - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausführlich dargelegt - um die nämliche Tat handelt.
  72. c) Gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB wird die neu entscheidende Strafkammer einen Anrechnungsmaßstab hinsichtlich der in Polen im Rahmen des
  73. vorliegenden Verfahrens erlittenen Haft festzulegen haben.
  74. d) Die Abfassung des Urteils veranlasst den Senat schließlich darauf
  75. hinzuweisen, dass es Aufgabe des Tatrichters ist, im Rahmen der Beweiswürdigung eine Begründung dafür zu geben, auf welchem Weg er zu den Feststellungen gelangt ist, die Grundlage der Verurteilung geworden sind. Er ist des-
  76. -6-
  77. halb gehalten, die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel im Urteil
  78. erschöpfend zu würdigen, soweit sich aus ihnen bestimmte Schlüsse zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten herleiten lassen (BGH NStZ 1985,
  79. 184). Andererseits haben die Urteilsgründe nicht die Aufgabe, den Gang der
  80. Ermittlungen oder der Hauptverhandlung sowie das mit der abgeurteilten Tat
  81. nicht im Zusammenhang stehende Randgeschehen in allen Einzelheiten wiederzugeben. Deshalb ist es auch nicht nötig, für jede Feststellung in den Urteilsgründen einen Beleg zu erbringen (vgl. BGH NStZ 2002, 49, 50;
  82. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen 27. Aufl. Rdn. 350 ff.). Die Angabe der Beweisgründe und die Bewertung der für die Urteilsfindung maßgebenden Beweismittel verlangt vielmehr eine in sich geschlossene Darstellung.
  83. Otten
  84. Kuckein
  85. Fischer
  86. Rothfuß
  87. Appl