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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 162/09
  4. vom
  5. 10. November 2009
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
  9. -2-
  10. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2009 beschlossen:
  11. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  12. Bochum vom 20. Juni 2008 wird als unbegründet verworfen.
  13. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
  14. Gründe:
  15. 1
  16. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 29 Fällen, davon in 19 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in vier
  17. Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zur Kompensation einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung hat es hiervon drei Monate als vollstreckt erklärt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die
  18. Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Es ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
  19. 2
  20. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
  21. Antragsschrift vom 13. August 2009 bemerkt der Senat:
  22. -3-
  23. 3
  24. 1. Soweit die erhobenen Verfahrensrügen nicht bereits unzulässig sind,
  25. weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen, sind
  26. sie jedenfalls unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
  27. 4
  28. a) Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht, dass die Strafkammer
  29. Hilfsbeweisanträge mit der Begründung nicht mehr beschieden hat, durch einen
  30. am 14. Mai 2008 in der Hauptverhandlung ergangenen Gerichtsbeschluss sei
  31. dem Beschwerdeführer eine abschließende Frist zur Stellung weiterer Beweisanträge bis zum 28. Mai 2008 gesetzt worden. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  32. 5
  33. Zwar kann der Vorsitzende nach Abschluss der vom Gericht nach Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) für geboten gehaltenen Beweiserhebungen die übrigen Verfahrensbeteiligten unter Fristsetzung auffordern, etwaige Beweisanträge zu stellen (vgl. BGHSt 51, 333, 344; BVerfG
  34. - Kammer - Beschl. vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08). Das Verstreichen
  35. dieser Frist führt aber nicht dazu, dass hiernach gestellte Beweisanträge vom
  36. Gericht als verspätet abgelehnt werden könnten oder überhaupt nicht mehr zu
  37. bescheiden wären. Denn diese Frist stellt keine Ausschlussfrist dar; sie lässt die
  38. Pflicht des Gerichts zur Ermittlung des wahren Sachverhalts unberührt. Es ist
  39. deshalb ausgeschlossen, einen Beweisantrag allein aufgrund eines zeitlich verzögerten Vorbringens abzulehnen (BVerfG aaO).
  40. 6
  41. Die Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen trägt im Einzelfall dem
  42. Gebot effektiver und beschleunigter Durchführung von Strafverfahren Rechnung und beugt der Gefahr vor, dass durch sukzessive Beweisantragstellung
  43. der Abschluss des Verfahrens hinausgezögert wird (BVerfG aaO). Mit der Fristsetzung betont das Gericht, aus welchen äußeren Beweisanzeichen es im Ein-
  44. -4-
  45. zelfall auf das Vorliegen der Verschleppungsabsicht schließen will. Bei der
  46. Fristversäumung handelt es sich aber lediglich um einen von mehreren Umständen, die für das Vorliegen der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes
  47. des § 244 Abs. 3 Satz 2, 6. Alt. StPO von Bedeutung sind. Wird die gesetzte
  48. Frist nicht gewahrt, kann das Gericht „signifikante Indizien“ für das Vorliegen
  49. einer der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Prozessverschleppungsabsicht annehmen. Hierdurch wird das subjektive und damit regelmäßig
  50. schwer beweisbare Moment der Verschleppungsabsicht anhand objektiver Kriterien erschlossen (vgl. BVerfG aaO). Die Nichtwahrung der Frist ist somit ein
  51. Indiz für das Vorliegen einer Prozessverschleppungsabsicht. Um dieses Indiz
  52. zu entkräften, ist der Antragsteller bei Beweisanträgen nach Ablauf der Frist
  53. gehalten, die Gründe für die späte Antragstellung substantiiert darzulegen. Besteht nach der Überzeugung des Gerichts aufgrund fehlender oder nicht ausreichender Substantiierung kein nachvollziehbarer Anlass für die Überschreitung
  54. der gesetzten Frist, so darf es - falls nicht die Aufklärungspflicht nach § 244
  55. Abs. 2 StPO zur Beweiserhebung drängt - grundsätzlich davon ausgehen, dass
  56. mit dem Antrag nur die Verzögerung des Verfahrens bezweckt wird (BGHSt 51,
  57. 333, 344). Das Gericht hat hier jedoch die Hilfsbeweisanträge nicht im Urteil
  58. wegen Prozessverschleppungsabsicht zurückgewiesen. Es fehlt vielmehr an
  59. einer ausdrücklichen Bescheidung der Anträge.
  60. 7
  61. Der Senat schließt aber aus, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Selbst eine rechtsfehlerhafte Zurückweisung eines Hilfsbeweisantrages im
  62. Urteil führt dann nicht zur Urteilsaufhebung, wenn der Antrag vom Tatgericht mit
  63. rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt werden konnte und die zutreffenden
  64. Ablehnungsgründe vom Revisionsgericht - aufgrund des Urteilsinhalts - nachgebracht oder ergänzt werden können (BGH NStZ 1998, 98; 2008, 116). Für
  65. den Fall der Nichtbescheidung eines Hilfsbeweisantrags kann nichts anderes
  66. -5-
  67. gelten, wenn die Gründe für die Ablehnung vom Revisionsgericht ergänzt werden können. So liegt der Fall auch hier.
  68. 8
  69. Den im Abschnitt I Ziffer 11, 12, 13 und 14 der Revisionsbegründungsschrift geschilderten Hilfsbeweisanträgen musste das Landgericht schon deshalb nicht nachgehen, weil die darin unter Beweis gestellten Tatsachen für die
  70. Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung waren (§ 244 Abs. 3
  71. StPO). Die Beweistatsachen lassen lediglich einen möglichen, aber keinen
  72. zwingenden Schluss auf eine fehlende Glaubhaftigkeit der Einlassung des Mitangeklagten A.
  73. zu, auf die sich der Beschwerdeführer beruft. Den vom Be-
  74. schwerdeführer mit den Hilfsbeweisanträgen erstrebten Schluss, die Angaben
  75. des geständigen Mitangeklagten A.
  76. seien in ihrer Gesamtheit nicht glaubhaft,
  77. hätte das Landgericht auch dann nicht gezogen, wenn die Beweistatsachen
  78. erwiesen worden wären. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Ausführungen der
  79. Strafkammer zum Beweisergebnis im Übrigen, insbesondere aus der Vielzahl
  80. der gegen den Angeklagten sprechenden objektiven Umstände, aufgrund derer
  81. das Landgericht den Angeklagten als überführt ansieht (vgl. UA S. 58 ff.).
  82. 9
  83. Die in der Revisionsbegründungsschrift mit der Ordnungsnummer I.14
  84. bezeichnete Rüge ist zudem schon unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz
  85. 2 StPO, weil sich der Hilfsbeweisantrag auf eine polizeiliche Vernehmung des
  86. Mitangeklagten A.
  87. bezieht, ohne dass deren Inhalt von der Revision mitgeteilt
  88. wird (vgl. BGHSt 40, 3, 5).
  89. 10
  90. b) Die mit der Ordnungsnummer I.20 bezeichnete Verfahrensrüge, mit
  91. der die Ablehnung eines Beweisantrags beanstandet wird, entspricht ebenfalls
  92. nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn in dem der
  93. Rüge zugrunde liegenden, vom Landgericht abgelehnten Antrag auf Einholung
  94. -6-
  95. eines graphologischen Gutachtens wird auf „Blatt 5 der Fallakte“ Bezug genommen, ohne dass diese Stelle ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt
  96. nach in der Revisionsbegründungsschrift wiedergegeben wird. Der Senat kann
  97. daher nicht prüfen, ob das Landgericht den Antrag zu Recht abgelehnt hat.
  98. 11
  99. 2. Mit der Sachrüge deckt der Beschwerdeführer ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Allerdings gibt die
  100. Abfassung der Urteilsgründe, namentlich die zum Teil unterschiedliche Kennzeichnung der Einzelfälle nach Ordnungsziffern in Sachverhalt, Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung und Strafzumessung, dem Senat Anlass zu folgendem Hinweis:
  101. 12
  102. Wird eine Tatserie abgeurteilt, ist es ratsam, in den Urteilsgründen für die
  103. einzelnen Taten im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung einheitliche Ordnungsziffern zu vergeben und diese durchgängig bei Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung sowie Strafzumessung weiterzuverwenden. Es kann den Bestand eines Urteils insgesamt gefährden, wenn - wie hier - die Urteilsgründe
  104. wegen einer inkonsistenten Nummerierung aus sich heraus nicht mehr ohne
  105. weiteres verständlich sind und die Ermittlung der für die Einzeltaten verhängten
  106. Strafen kaum ohne eine vollständige Rekonstruktion und tabellarische Exzerpierung des Urteilsinhalts möglich ist (vgl. BGH wistra 2006, 467, 468; BGH,
  107. Beschl. vom 11. Februar 2003 - 3 StR 391/02 m.w.N.).
  108. 13
  109. Im vorliegenden Fall ist die revisionsgerichtliche Überprüfung zwar durch
  110. die mangelnde Sorgfalt bei der Abfassung der Urteilsgründe seitens des Tatgerichts erheblich erschwert worden. Da sich bei der Nachprüfung des Urteils
  111. aber keine unauflösbaren Widersprüche ergeben haben, hat der Senat die Darstellungsmängel letztlich als noch nicht durchgreifend erachtet.
  112. -7-
  113. 3. Soweit das Landgericht die Fälle, in denen der Angeklagte jeweils tat-
  114. 14
  115. einheitlich mit Betrug eine Urkundenfälschung begangen hat, in der Urteilsformel zu niedrig angegeben hat, sieht der Senat von einer Abänderung des
  116. Schuldspruchs ab. Der Angeklagte ist hierdurch nicht beschwert.
  117. Nack
  118. Wahl
  119. Jäger
  120. Hebenstreit
  121. Sander