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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 6/16
  4. vom
  5. 27. September 2017
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB §§ 1835 a Abs. 1, 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789; FamFG § 168
  14. Der Anspruch eines unentgeltlich tätigen Pflegers auf eine Aufwandsentschädigung
  15. entsteht erst mit seiner förmlichen Bestellung. Für eine rückwirkende Festsetzung
  16. eines entsprechenden Anspruchs aus anderen Rechtsgründen ist im Verfahren nach
  17. § 168 FamFG kein Raum (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 30. August 2017
  18. - XII ZB 562/16 -
  19. zur
  20. Veröffentlichung
  21. bestimmt
  22. und
  23. vom
  24. 2. März
  25. 2016
  26. - XII ZB 196/13 - FamRZ 2016, 1072).
  27. BGH, Beschluss vom 27. September 2017 - XII ZB 6/16 - Kammergericht Berlin
  28. AG Pankow/Weißensee
  29. ECLI:DE:BGH:2017:270917BXIIZB6.16.0
  30. -2-
  31. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2017 durch
  32. den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling
  33. und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
  34. beschlossen:
  35. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats
  36. - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom
  37. 3. November 2015 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1
  38. zurückgewiesen.
  39. Wert: 3.876 €
  40. Gründe:
  41. I.
  42. 1
  43. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 3. November 2003 wurde der Kindesmutter die Personensorge für die 1994 und 1995 geborenen betroffenen
  44. Kinder entzogen und auf die Großmutter mütterlicherseits als Pflegerin übertragen. Die förmliche Verpflichtung der Pflegerin (Beteiligte zu 1) erfolgte dagegen
  45. erst am 23. Februar 2011.
  46. 2
  47. Mit Anträgen vom 22. Februar 2011 und 2. März 2011 hat die Pflegerin
  48. die Festsetzung einer pauschalen Aufwandsentschädigung (jährlich 323 € pro
  49. Kind) für die Zeit ab November 2003 beantragt.
  50. 3
  51. Das Amtsgericht hat ihren Antrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat der Pflegerin für die Zeit vom 23. Februar 2010 bis zum 22. Februar
  52. 2011 eine Aufwandsentschädigung von 323 € pro Kind zugesprochen und ihre
  53. -3-
  54. weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Pflegerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihr Begehren für
  55. den Zeitraum von November 2003 bis November 2009 weiterverfolgt.
  56. II.
  57. 4
  58. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
  59. 5
  60. 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, unter Berücksichtigung von Treu und Glauben wäre der Pflegerin eine
  61. Aufwandsentschädigung trotz ihrer erst im Februar 2011 erfolgten förmlichen
  62. Verpflichtung zwar grundsätzlich bereits ab Übertragung der Personensorge im
  63. November 2003 zu gewähren gewesen. Denn sie sei auf das Erfordernis einer
  64. förmlichen Verpflichtung nicht hingewiesen worden und ihren Aufgaben mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von Anfang an in vollem Umfang nachgekommen.
  65. 6
  66. Die Ansprüche seien aber für den Zeitraum bis einschließlich November
  67. 2009 erloschen, weil die Pflegerin es versäumt habe, diese jeweils binnen drei
  68. Monaten nach Ablauf des betreffenden Jahres geltend zu machen. Lediglich für
  69. den Zeitraum vom 23. Februar 2010 bis zum 22. Februar 2011 sei ihr Antrag
  70. am 4. März 2011 rechtzeitig eingegangen. Die Anwendung der Ausschlussfrist
  71. sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, da eine Aufklärungsverpflichtung seitens
  72. des Amtsgerichts bezüglich der Geltendmachung einer Aufwandsentschädigung nicht bestanden habe.
  73. -4-
  74. 7
  75. 2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
  76. 8
  77. a) Gemäß §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 a Abs. 1 BGB kann der unentgeltlich tätige Pfleger zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz
  78. eine jährliche Aufwandsentschädigung in Höhe des Neunzehnfachen desjenigen verlangen, was für einen Zeugen als Entschädigungshöchstbetrag für eine
  79. Stunde versäumter Arbeitszeit nach § 22 JVEG (bis 31. Juli 2013: 17 €) vorgesehen ist. Die Aufwandsentschädigung ist jährlich zu zahlen, erstmals ein Jahr
  80. nach Bestellung des Pflegers (§§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 a Abs. 2 BGB).
  81. 9
  82. Die Bestellung des Pflegers erfolgt noch nicht durch die Anordnung der
  83. Pflegschaft in dem das Sorgerecht teilweise entziehenden Beschluss, sondern
  84. nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789 BGB erst durch die förmliche Verpflichtung
  85. zu treuer und gewissenhafter Führung der Pflegschaft, welche mittels Handschlags an Eides statt erfolgen soll. Im vorliegenden Fall erfolgte die maßgebliche Bestellung zur Pflegerin daher nicht bereits durch die Übertragung der Personensorge mit Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 3. November 2003, sondern erst im Wege der förmlichen Verpflichtung durch die
  86. Rechtspflegerin des Familiengerichts am 23. Februar 2011.
  87. 10
  88. Dementsprechend sind die im Rechtsbeschwerdeverfahren noch geltend
  89. gemachten Ansprüche bereits nicht entstanden. Für eine ausnahmsweise rückwirkende Festsetzung auch für die Zeit vor der förmlichen Bestellung fehlt es an
  90. einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. August 2017
  91. - XII ZB 562/16 - zur Veröffentlichung bestimmt zum Umgangspfleger und vom
  92. 2. März 2016 - XII ZB 196/13 - FamRZ 2016, 1072 Rn. 10 mwN zur Betreuervergütung; anders noch OLG Schleswig Beschluss vom 12. Dezember 2013
  93. - 15 WF 301/13 - juris Rn. 11 mwN; OLG Hamm FamRZ 2014, 672; OLG
  94. Saarbrücken FamRZ 2012, 888, 889). Auf die von der Rechtsbeschwerde
  95. -5-
  96. - entsprechend dem angefochtenen Beschluss - aufgeworfene Frage, ob der
  97. Pflegerin die Ausschlussfrist nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 a Abs. 4 BGB
  98. entgegengehalten werden kann, kommt es daher nicht an.
  99. 11
  100. b) Ob das Amtsgericht pflichtwidrig untätig geblieben ist, weil es die förmliche Bestellung der - ehrenamtlich tätigen - Pflegerin nicht veranlasst hat und
  101. ob dieser aufgrund einer anderen Anspruchsgrundlage eine Aufwandsentschädigung oder entsprechender Schadensersatz zusteht, kann im vorliegenden
  102. Verfahren offenbleiben. Denn im Festsetzungsverfahren nach § 168 FamFG
  103. können nur solche Ansprüche geltend gemacht werden, die auf den dort genannten Anspruchsgrundlagen beruhen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. August
  104. 2017 - XII ZB 562/16 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 2. März 2016
  105. - XII ZB 196/13 - FamRZ 2016, 1072 Rn. 10 zur Betreuervergütung).
  106. Dose
  107. Klinkhammer
  108. Guhling
  109. Schilling
  110. Krüger
  111. Vorinstanzen:
  112. AG Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 27.06.2011 - 13 F 1021/11 Kammergericht Berlin, Entscheidung vom 03.11.2015 - 18 UF 201/11 -