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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 89/08
  4. vom
  5. 6. April 2011
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 1587 Abs. 1 aF, § 1587 a Abs. 2 Nr. 5; VAHRG § 3 b Abs. 1
  14. Auszugleichen im Versorgungsausgleich sind grundsätzlich auch die zur Kreditsicherung einer Baufinanzierung abgetretenen Anrechte aus einer Rentenlebensversicherung mit Kapitalwahlrecht.
  15. BGH, Beschluss vom 6. April 2011 - XII ZB 89/08 - OLG Frankfurt am Main in
  16. Darmstadt
  17. AG Bensheim
  18. -2-
  19. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2011 durch die Richter Dose, Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger
  20. beschlossen:
  21. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts
  22. Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt vom 11. April 2008 aufgehoben.
  23. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung
  24. - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das
  25. Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  26. Wert des Beschwerdegegenstands: 2.000 €
  27. Gründe:
  28. I.
  29. 1
  30. Der am 6. August 1961 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die am 31. Dezember 1962 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) haben am 30. Dezember 2003 miteinander die Ehe geschlossen.
  31. 2
  32. Der Ehemann erwarb während der Ehezeit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 152,77 €, die Ehefrau solche in Höhe
  33. von 73,97 €, jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende. Der Ehe-
  34. -3-
  35. mann verfügte darüber hinaus über mehrere am 1. Mai 2002 bei der A.
  36. Le-
  37. bensversicherungs AG abgeschlossene Rentenlebensversicherungen mit Kapitalwahlrechten. Die Rechte aus den Versicherungsverträgen waren an die
  38. V.
  39. G.
  40. zur Besicherung einer am 31. Juli 2003 über
  41. die Laufzeit von 23 Jahren abgeschlossenen Baufinanzierung abgetreten, wobei die Darlehenssumme von insgesamt 1.500.000 € nicht laufend getilgt, sondern endfällig in einer Summe unter anderem mit der Ablaufleistung aus den
  42. hier streitigen Lebensversicherungen zurückgeführt werden sollte.
  43. 3
  44. Auf den am 27. September 2006 zugestellten Scheidungsantrag hat das
  45. Familiengericht die Ehe der Parteien durch Verbundurteil geschieden. In der
  46. Regelung zum Versorgungsausgleich hat es nur die öffentlich-rechtlichen Versorgungsanwartschaften ausgeglichen und vom Rentenkonto des Ehemanns
  47. 39,40 € auf das Rentenkonto der Ehefrau übertragen. Die hiergegen eingelegte
  48. Beschwerde der Ehefrau hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der
  49. insoweit zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau die Einbeziehung der bei der A.
  50. Lebensversicherungs AG erworbenen Anrechte in den
  51. Versorgungsausgleich weiter.
  52. II.
  53. 4
  54. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
  55. 5
  56. 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
  57. ausgeführt, dass die bei der A.
  58. Lebensversicherungs AG erworbenen An-
  59. rechte nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen seien, weil bei der vor-
  60. -4-
  61. liegenden Fallgestaltung nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass
  62. die Versorgungsanrechte im wirtschaftlichen Eigentum des Ehemanns stünden.
  63. 6
  64. 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  65. 7
  66. a) Auf den vorliegenden Fall ist gemäß § 48 Abs. 1 VersAusglG das bis
  67. August 2009 geltende materielle Recht des Versorgungsausgleichs anzuwenden. Gemäß § 1587 Abs. 1 BGB aF findet der Versorgungsausgleich in Bezug
  68. auf alle während der Ehezeit mit Hilfe des Vermögens oder der Arbeit der Ehegatten begründeten Anwartschaften statt. Zu den auszugleichenden Anrechten
  69. gehören grundsätzlich auch Rentenanwartschaften auf Grund privatrechtlicher
  70. Versicherungsverträge (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB). Handelt es sich um einen
  71. Rentenlebensversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht, ist die Anwartschaft in
  72. den Versorgungsausgleich einzubeziehen, wenn der Berechtigte sein Wahlrecht bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags nicht ausgeübt hat (Senatsbeschluss BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664).
  73. 8
  74. b) Nicht einzubeziehen in den Versorgungsausgleich sind allerdings Anrechte, welche wirtschaftlich nicht dem Ehegatten, sondern einem Dritten zustehen (Staudinger/Rehme BGB [2004] § 1587 Rn. 12). Ob hierunter auch Anrechte aus einer Lebensversicherung fallen, die zur Kreditsicherung abgetreten
  75. sind und mit deren Ablaufleistung ein Baudarlehen bei dessen Endfälligkeit bestimmungsgemäß getilgt werden soll, wird in Rechtsprechung und Literatur
  76. nicht einheitlich beurteilt.
  77. 9
  78. Nach einer Ansicht (OLG Nürnberg FamRZ 2007, 1246) ist es jedenfalls
  79. dann nicht gerechtfertigt, eine Rentenversicherung in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, wenn die Rechte daraus von vornherein zur Tilgung des
  80. Darlehens bei Endfälligkeit abgetreten sind. In dem Fall träten die Beiträge zu
  81. -5-
  82. der Rentenversicherung an die Stelle von Tilgungsleistungen, und es könne
  83. nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Versorgungsanrechte im wirtschaftlichen Eigentum des betreffenden Ehegatten stünden. Daran ändere auch
  84. die bloße Möglichkeit nichts, das Darlehen auf andere Weise als durch den Einsatz der abgetretenen Rentenversicherung zu tilgen.
  85. 10
  86. Die Vertreter der Gegenauffassung (OLG Zweibrücken FamRZ 2004,
  87. 642; Borth Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 395; Staudinger/Rehme BGB
  88. [2004] § 1587 Rn. 12) berufen sich darauf, dass eine Sicherungsabtretung von
  89. Rechten aus einer Rentenversicherung deren Berücksichtigung im Versorgungsausgleich solange nicht entgegenstünde, bis die Sicherheit in Anspruch
  90. genommen oder das entsprechende Recht sonst aus dem Vermögen des betroffenen Ehegatten ausgeschieden sei.
  91. 11
  92. Der Senat schließt sich letzterer Auffassung an. Die Rechte aus einer
  93. Rentenversicherung gehören auch dann zum Vermögen des Ehegatten, wenn
  94. sie zur Besicherung einer Baufinanzierung abgetreten sind. Denn mit der Sicherungsabtretung allein hat sich der Ehegatte seiner Rechte aus der Rentenversicherung noch nicht endgültig begeben. Die mit dem Darlehensgeber getroffene
  95. Sicherungs- und Tilgungsabrede, welche jenem im Zeitpunkt der Endfälligkeit
  96. des Darlehens eine Befriedigungsmöglichkeit durch die Ablaufleistung aus der
  97. Lebensversicherung gewährt, hindert den Darlehensnehmer nicht, das Darlehen auf andere Weise zu tilgen, insbesondere durch Veräußerung der Immobilie, welche dem Darlehensgeber ohnehin als weitere Sicherheit dient. Zwar wird
  98. der Abschluss einer Baufinanzierung über eine Lebensversicherung mit einer
  99. Laufzeit von 23 Jahren oftmals nicht darauf angelegt sein, das Darlehen auf
  100. andere Weise als über die Ablaufleistung aus der Lebensversicherung zu tilgen.
  101. Jedoch sind die Ehegatten an diese Planung nicht gebunden. Insbesondere
  102. -6-
  103. kann das Scheitern der Ehe es erforderlich machen, Vermögensdispositionen
  104. abweichend von der ursprünglichen Lebensplanung zu treffen. Hierzu gehört
  105. nicht selten die vorzeitige Veräußerung einer in der Ehezeit erworbenen Immobilie. Soweit dadurch die Baufinanzierung abgelöst wird, wird die zur Sicherheit
  106. abgetretene Lebensversicherung frei und steht wirtschaftlich dem Versicherungsnehmer
  107. zu
  108. (vgl.
  109. bereits
  110. Senatsbeschluss
  111. vom
  112. 1. Juni
  113. 1988
  114. - IVb ZB 132/85 - FamRZ 1988, 936, 939).
  115. 12
  116. Bezieht sich die Baufinanzierung nicht auf ein Familienheim, sondern
  117. - wozu das Beschwerdegericht bisher keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat - etwa auf ein mit Gewinnerzielungsabsicht errichtetes Mietshaus, ist
  118. umso mehr in Betracht zu ziehen, dass der Ehegatte sich von vornherein vorbehielt, die Immobilie - oder hier: seine Geschäftsanteile an der sie haltenden
  119. Besitzgesellschaft - im Zeitpunkt der Endfälligkeit des Darlehens zu veräußern,
  120. um mit dem Verkaufserlös das Darlehen abzulösen und aus der dadurch frei
  121. werdenden Lebensversicherung ein regelmäßiges Renteneinkommen zu erzielen. Dafür streitet hier bereits der Umstand, dass die Lebensversicherungen
  122. nicht als Kapitallebensversicherungen, sondern als Rentenlebensversicherungen mit lediglich einem Kapitalwahlrecht abgeschlossen waren. Auch als Folge
  123. eines so angelegten Geschäftsmodells stünden die Versorgungsanrechte wirtschaftlich zur jederzeitigen Disposition des Ehemanns.
  124. 13
  125. c) Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Die
  126. Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Berechtigte sein Kapitalwahlrecht ausgeübt hat, sowie - wenn dies nicht der Fall sein sollte - die für
  127. eine Ermessensentscheidung nach § 3 b Abs. 1 VAHRG maßgeblichen Verhältnisse aufzuklären und den Versorgungsausgleich dann unter zusätzlicher
  128. -7-
  129. Einbeziehung der nach Beschlussfassung des Beschwerdegerichts mit Schriftsatz vom 12. April 2008 mitgeteilten weiteren Rentenlebensversicherung durchzuführen.
  130. Dose
  131. Weber-Monecke
  132. Schilling
  133. Klinkhammer
  134. Nedden-Boeger
  135. Vorinstanzen:
  136. AG Bensheim, Entscheidung vom 11.12.2007 - 71 F 518/06 OLG Frankfurt am Main in Darmstadt, Entscheidung vom 11.04.2008 - 6 UF 7/08 -