Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

463 lines
22 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 56/05
  5. Verkündet am:
  6. 19. Dezember 2006
  7. Weber,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. BGHR:
  16. ja
  17. _____________________
  18. BGB §§ 276 Hb, 676
  19. WpHG § 31 Abs. 1 Nr. 2
  20. Wenn eine Bank einen Kunden über Kapitalanlagen berät und Fondsanteile
  21. empfiehlt, bei denen sie verdeckte Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren erhält, muss sie den Kunden
  22. über diese Rückvergütungen aufklären, damit der Kunde beurteilen kann, ob
  23. die Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anlegerund objektgerechter Beratung erfolgt ist, oder im Interesse der Bank, möglichst
  24. hohe Rückvergütungen zu erhalten.
  25. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05 - OLG München
  26. LG München I
  27. -2-
  28. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter
  29. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter
  30. Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des
  33. 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom
  34. 6. Oktober 2004 aufgehoben.
  35. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  36. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. Der Kläger nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht der
  40. 1
  41. H.
  42. GmbH (im Folgenden: Zedentin) im Zu-
  43. sammenhang mit Wertpapiergeschäften in Anspruch.
  44. 2
  45. Die Zedentin erwarb nach einem - inhaltlich im Einzelnen streitigen - Beratungsgespräch mit Mitarbeitern der Beklagten am 15. Februar
  46. 2000 zwischen dem 16. Februar und dem 14. Juni 2000 über die Beklag-
  47. -3-
  48. te für 141.478,21 € Anteile an Aktienfonds und für 106.395,72 € Aktien.
  49. In den Wertpapierabrechnungen über die Fondsanteile sind nicht besonders ausgewiesene Ausgabeaufschläge zwischen 3% und 5% enthalten.
  50. Die Beklagte, die aus diesen Aufschlägen und den von den konzerneigenen Fonds erhobenen Verwaltungsgebühren Rückvergütungen erhält,
  51. gewährte der Zedentin insoweit Bonifikationen von zumeist 1%, in einem
  52. Falle von 2,5%. Über die Ausgabeaufschläge wurde die Zedentin informiert, nicht aber über die Rückvergütungen an die Beklagte.
  53. 3
  54. Nach erheblichen Kursverlusten suchte der Geschäftsführer der
  55. Zedentin, der sich falsch beraten fühlte, am 8. August 2000 zusammen
  56. mit einem Rechtsanwalt die Beklagte auf. Der Inhalt des Gesprächs ist
  57. streitig. Nach Veräußerung eines Teils der Fondsanteile für 70.842,62 €
  58. und der Aktien für 54.908,60 € hat der Kläger am 13. August 2003 Klage
  59. eingereicht und unter Berücksichtigung erzielter Wertpapiererträge von
  60. 511,58 € die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 127.611,13 €
  61. zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der restlichen Wertpapiere beantragt.
  62. 4
  63. Zur Begründung beruft er sich im Revisionsverfahren im Wesentlichen darauf, die Beklagte habe gegen ihre aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG
  64. folgende Interessenwahrungspflicht verstoßen, weil sie nur Fonds von
  65. konzerneigenen Gesellschaften empfohlen habe. Außerdem habe sie
  66. vorsätzlich Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren der Fonds verschwiegen. Wenn er davon Kenntnis gehabt hätte, wäre er dem Anlagevorschlag der Beklagten, auch was die
  67. empfohlenen Aktien angehe, nicht gefolgt.
  68. -4-
  69. Die Beklagte hat eine Fehlberatung in Abrede gestellt und ge-
  70. 5
  71. meint, über die Rückvergütungen nicht aufklären zu müssen. Außerdem
  72. hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.
  73. 6
  74. Diese hat das Landgericht als durchgreifend erachtet und die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der
  75. Kläger sein Klagebegehren weiter.
  76. Entscheidungsgründe:
  77. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefoch-
  78. 7
  79. tenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  80. I.
  81. 8
  82. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
  83. 9
  84. Ansprüche der Zedentin gegen die Beklagte aufgrund des Beratungsgesprächs vom 15. Februar 2000 seien zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 13. August 2003 gemäß § 37a WpHG verjährt gewesen. Die
  85. dreijährige Verjährungsfrist habe spätestens mit dem letzten Erwerbsakt
  86. vom 14. Juni 2000 zu laufen begonnen. Die Verjährung sei nicht gehemmt worden, weil Verhandlungen über die Schadensersatzpflicht nicht
  87. stattgefunden hätten.
  88. -5-
  89. 10
  90. Die nach § 37a WpHG eingetretene Verjährung ergreife auch mögliche
  91. konkurrierende
  92. deliktische
  93. Ansprüche
  94. aufgrund
  95. fahrlässiger
  96. Falschberatung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 Abs. 2 WpHG und
  97. auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 19 Abs. 1 KAGG wegen unterlassener Zurverfügungstellung eines Verkaufsprospektes.
  98. 11
  99. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemäß §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB gegen
  100. die Beklagte wegen des Verschweigens von Rückvergütungen aus den
  101. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren der Fonds zu. Eine Offenbarungspflicht hinsichtlich der Rückvergütungen habe für die Beklagte
  102. schon deshalb nicht bestanden, weil sie weder die Stellung eines unabhängigen Maklers noch diejenige eines unabhängigen Vermögensverwalters inne gehabt habe, sondern vielmehr in ihrer Eigenschaft als Wertpapierdienstleistungsunternehmen am Markt teilgenommen habe. In dieser
  103. Stellung sei die Beklagte im Unterschied zu einem zur Neutralität verpflichteten Makler zum einen nicht verpflichtet gewesen, aus der breiten
  104. Palette in Betracht zu ziehender Aktien- und Fondsanlagen stets allein
  105. die für den Kunden günstigste zu empfehlen. Vielmehr sei sie rechtlich
  106. befugt gewesen, bevorzugt Produkte ihrer eigenen Fondsgesellschaft zu
  107. empfehlen und mithin eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen.
  108. Dieser Umstand sei dem Wertpapierkunden, der sich nicht an einen unabhängigen Berater, sondern an eine Bank wende, im Allgemeinen auch
  109. bekannt. Abgesehen davon habe der Geschäftsführer der Zedentin aufgrund der erhaltenen Bonifikation von bis zu 2,5% annehmen müssen,
  110. dass die Beklagte an den Ausgabeaufschlägen der Fondsgesellschaften
  111. partizipiere. Ein als Geschäftsführer einer GmbH im Wirtschaftsleben
  112. -6-
  113. stehender Wertpapierkunde müsse davon ausgehen, dass eine Bank
  114. solche Gutschriften nicht aus ihrem eigenen Vermögen leiste.
  115. II.
  116. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem ent-
  117. 12
  118. scheidenden Punkt nicht stand.
  119. 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings etwaige Scha-
  120. 13
  121. densersatzansprüche
  122. wegen
  123. fahrlässiger
  124. Verletzung
  125. eines
  126. am
  127. 15. Februar 2000 geschlossenen Beratungsvertrages bzw. wegen fahrlässiger Verletzung einer Informationspflicht aus § 31 WpHG nach § 37a
  128. WpHG als verjährt angesehen. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom
  129. 8. März 2005 (BGHZ 162, 306, 311 ff.), nach Erlass des Berufungsurteils, entschieden und ausführlich begründet hat, unterfallen nicht nur
  130. vertragliche Ansprüche aus einer fahrlässigen Falschberatung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 37a WpHG, sondern auch etwaige deliktische Ansprüche aus fahrlässiger Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2
  131. BGB i.V. mit § 31 WpHG). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei
  132. - von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, dass diese dreijährige
  133. Verjährungsfrist bei Klageerhebung abgelaufen war.
  134. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Verjährungsvorschrift
  135. 14
  136. des
  137. § 37a
  138. WpHG
  139. im
  140. Hinblick
  141. auf
  142. das
  143. Parteigutachten
  144. von
  145. Prof. Dr. Micklitz vom 21. Juli 2004 (siehe auch Micklitz WM 2005, 536 ff.
  146. und EWiR 2005, 491 f.) nicht etwa auf ihre Europarechtskonformität hin
  147. zu überprüfen. Die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaf-
  148. -7-
  149. ten über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 1993 (93/22 EWG; ABl.
  150. EG Nr. L 141 S. 27) regelt Verjährungsfragen nicht, sondern überlässt
  151. diese der nationalen Gesetzgebung. Die Ansicht, § 37a WpHG verstoße
  152. gegen Gemeinschaftsrecht, liegt auch unter Berücksichtigung des Aspekts effektiven Rechtsschutzes so fern, dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung nicht
  153. in Betracht kommt. Das von Micklitz (EWiR 2005, 491, 492) statuierte
  154. Verbot der verjährungsrechtlichen „Benachteiligung der Ansprüche aus
  155. § 37a WpHG“, gemeint sind wohl Ansprüche aus §§ 31 und 32 WpHG,
  156. "gegenüber Ansprüchen aus anderen Anspruchsgrundlagen, insbesondere § 823 BGB", entbehrt einer haltbaren gemeinschaftsrechtlichen Verankerung. Im Übrigen wäre vorliegend die statuierte Benachteiligung
  157. schon deswegen nicht gegeben, da auch ein Anspruch aus unerlaubter
  158. Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 31, 32 WpHG) bei Einreichung
  159. der Klage am 13. August 2003 verjährt gewesen wäre (§ 852 Abs. 1 BGB
  160. a.F.), weil der Geschäftsführer der Zedentin spätestens am 8. August
  161. 2000 von einer etwaigen Beratungspflichtverletzung der Beklagten
  162. Kenntnis hatte.
  163. 15
  164. 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, dass ein
  165. etwaiger, allein auf Fahrlässigkeit gestützter Anspruch der Zedentin aus
  166. § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 19 Abs. 1 Satz 1 KAGG (in der bis zum
  167. 31. Juli 2001 geltenden Fassung), wegen unterlassener Zurverfügungstellung der Verkaufsprospekte der Fondsgesellschaften nach § 37a
  168. WpHG verjährt ist. Die allgemeinen Verjährungsvorschriften (§§ 195 ff.
  169. BGB a.F.) werden durch § 37a WpHG verdrängt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 37a WpHG (BT-Drucks. 13/8933 S. 97) sollen auch Aufklärungsfehler, die mittels eines Prospekts begangen werden, der allge-
  170. -8-
  171. meinen Verjährung entzogen werden und der kurzen kapitalmarktrechtlichen Verjährungsfrist unterliegen. Bei einem Unterlassen der erforderlichen Aufklärung kann nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes (vgl.
  172. BGHZ 162, 306, 312) nichts anderes gelten. Für den Anleger ist es unerheblich, ob ihm die erforderliche Information in einem Gespräch nicht
  173. erteilt oder ihm dadurch vorenthalten wird, dass ihm ein Verkaufsprospekt der Fondsgesellschaft nicht zur Verfügung gestellt wird (vgl.
  174. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 16.565). Der Einwand
  175. der Revision, § 37a WpHG solle lediglich spezielle Beratungsrisiken begrenzen, greift nach dem Wortlaut ersichtlich nicht durch. Erfasst werden
  176. danach nicht nur Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Beratung,
  177. sondern auch solche aus einer Informationspflichtverletzung. Wegen des
  178. Durchgreifens der Verjährungseinrede bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob die Beklagte als Vertriebsbank der Fondsanteile überhaupt nach § 19 Abs. 1 Satz 1 KAGG verpflichtet ist, einem Erwerber von
  179. Fondsanteilen einen Verkaufsprospekt der Fondsgesellschaft zur Verfügung zu stellen (vgl. zum Streitstand Assmann, in: Assmann/Schütze,
  180. Handbuch des Kapitalanlagerechts 2. Aufl. § 7 Rdn. 18, § 18 Rdn. 173;
  181. Baur, in: Hellner/Steuer, BuB Rdn. 9/495; a.A. Köndgen, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 113 Rdn. 81)
  182. und ob § 19 Abs. 1 Satz 1 KAGG Schutzgesetz im Sinne von § 823
  183. Abs. 2 BGB ist (vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des
  184. Kapitalanlagerechts
  185. 2. Aufl.
  186. §7
  187. Rdn. 185
  188. Rn. 489;
  189. Baur,
  190. in:
  191. Hellner/Steuer, BuB Rdn. 9/499).
  192. 16
  193. 3. Entgegen der Ansicht der Revision kann der Kläger aus einem
  194. etwaigen Verstoß der Beklagten gegen ihre Pflicht, zur Wahrung des
  195. Kundeninteresses Interessenkonflikte durch organisatorische Maßnah-
  196. -9-
  197. men zu vermeiden (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG), keinen unverjährten Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB herleiten.
  198. 17
  199. aa) Ob und inwieweit den §§ 31, 32 WpHG Schutzgesetzcharakter
  200. im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zukommt, hat der erkennende Senat
  201. bisher offen gelassen (Senatsurteile BGHZ 142, 345, 356; 147, 343, 353;
  202. 163, 311, 321; vom 24. Juli 2001 - XI ZR 329/00, WM 2001, 1718, 1719
  203. und vom 11. November 2003 - XI ZR 21/03, WM 2004, 24, 26). In der
  204. Literatur wird die Frage für einzelne Pflichten bejaht (vgl. Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. vor § 31 WpHG Rdn. 9; Assmann/
  205. Schneider/Koller, WpHG 4. Aufl. vor § 31 Rdn. 17; Kümpel, Bank- und
  206. Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 16.11; Schäfer, WpHG vor § 31 Rdn. 9;
  207. zweifelnd Horn, in: Hellner/Steuer, BuB Rdn. 1304). Einer abschließenden Entscheidung der Frage bedarf es auch hier nicht.
  208. 18
  209. Schutzgesetzcharakter i.S. des § 823 Abs. 2 BGB können die
  210. §§ 31 ff. WpHG nur haben, soweit sie nicht lediglich aufsichtsrechtlicher
  211. Natur sind, sondern ihnen auch anlegerschützende Funktion zukommt.
  212. Ist dies der Fall, so können sie zwar für Inhalt und Reichweite (vor-)vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein. Ihr
  213. zivilrechtlicher Schutzbereich geht aber nicht über diese (vor-)vertraglichen Pflichten hinaus. Daraus folgt, dass ihnen keine eigenständige,
  214. über die zivilrechtlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten hinausgehende schadensersatzrechtliche Bedeutung zukommt (vgl. Nobbe, in:
  215. Schimansky/Horn, Bankrecht 1998, S. 235, 250 f.).
  216. 19
  217. bb) Die Pflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach
  218. § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, sich zu bemühen, Interessenkonflikte zu ver-
  219. - 10 -
  220. meiden, hat danach keinen Schutzgesetzcharakter, soweit diese Pflicht
  221. die Ergreifung organisatorischer Maßnahmen beinhaltet. Soweit ein
  222. Wertpapierhandelsunternehmen einen Interessenkonflikt nicht nur durch
  223. organisatorische Maßnahmen, sondern auch durch sachgerechte Information des Kunden vermeiden kann (vgl. dazu Assmann/Schneider/
  224. Koller, WpHG 4. Aufl. § 31 Rdn. 43, 74, 77), geht der zivilrechtliche
  225. Schutzzweck einer solchen Informationspflicht nicht weiter als die Aufklärungs- und Beratungspflichten aus einem Beratungsvertrag oder aus
  226. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB. Entgegen der Ansicht der Revision unterliegen auch Schadensersatzansprüche aus einer unterbliebenen, aber
  227. zur Vermeidung eines Interessenkonflikts erforderlichen Information
  228. (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) der kurzen Verjährungsfrist. § 37a WpHG differenziert nicht danach, aus welchem Grund eine Information des Kunden erforderlich ist.
  229. 20
  230. 4. Rechtsfehlerhaft sind die Ausführungen des Berufungsgerichts,
  231. mit denen es eine vorsätzliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung, die nicht unter die kurze Verjährungsfrist des § 37a WpHG fällt
  232. (BGHZ 162, 306, 312), in Bezug auf die Rückvergütungen der empfohlenen Fonds verneint hat.
  233. 21
  234. a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings keinen Beratungsfehler darin gesehen, dass die Beklagte, was
  235. Fondsanteile angeht, ausschließlich hauseigene Produkte empfohlen
  236. hat. Maßgeblich für Kapitalanlageempfehlungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr einer Bank ist grundsätzlich das von ihr zusammengestellte Anlageprogramm (vgl. BGHZ 123, 126, 129). Soweit bank-, konzern- oder institutsgruppeneigene Anlageprodukte wie etwa Fondsanteile
  237. - 11 -
  238. vorhanden sind, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass solche
  239. Produkte, nicht aber vergleichbare konkurrierender Banken oder Institutsgruppen in das Anlageprogramm aufgenommen werden und die Bank
  240. nur solche Produkte, nicht aber Konkurrenzprodukte empfiehlt. Ebenso
  241. wenig wie ein Kreditnehmer, der sich von einer bestimmten Bank beraten
  242. lässt, kann ein Anlageinteressent, der die Beratung einer Bank in Anspruch nimmt, vernünftigerweise erwarten und erwartet auch nicht, dass
  243. die Bank ihm von sich aus Produkte konkurrierender Banken oder Institutsgruppen empfiehlt. Das gilt auch dann, wenn diese Produkte besser
  244. oder günstiger sind. Erst wenn die Bank gegenüber dem Kunden damit
  245. hervortritt, auch über die Produkte konkurrierender Banken zu beraten,
  246. oder aber wenn der Anlageinteressent von sich aus die Erwartung zum
  247. Ausdruck bringt, auch über solche, etwa von ihm angesprochene Konkurrenzprodukte beraten zu werden, muss die Bank, wenn sie die Beratung
  248. insoweit nicht ablehnt, ihn auch darüber objektiv richtig und vollständig
  249. informieren und beraten und die Konkurrenzprodukte gegebenenfalls
  250. auch empfehlen. Dass die Beklagte vor oder bei dem Beratungsgespräch
  251. am 15. Februar 2000 die Beratung auch über Fondsprodukte anderer
  252. Banken angeboten oder der Geschäftsführer der Zedentin eine solche
  253. von sich aus gewünscht hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der
  254. Beratungsvertrag erstreckte sich deshalb auf solche Produkte nicht. Es
  255. ist einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch nach § 31 Abs. 1
  256. Nr. 2 WpHG nicht verboten, ausschließlich hauseigene Produkte oder
  257. Produkte verbundener Unternehmen ihren Kunden anzubieten, wenn
  258. dies - wie hier - für den Kunden erkennbar ist (vgl. Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. § 31 WpHG Rdn. 28).
  259. - 12 -
  260. b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss eine Bank,
  261. 22
  262. die Fondsanteile empfiehlt, aber darauf hinweisen, dass und in welcher
  263. Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält.
  264. 23
  265. aa) Die Aufklärung über die Rückvergütung ist notwendig, um dem
  266. Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (§ 31
  267. Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offen zu legen. Erst durch die Aufklärung wird der
  268. Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen (vgl. Assmann/Schneider/Koller, WpHG 4. Aufl. § 31 Rdn. 74;
  269. a.A.
  270. Schwark,
  271. Kapitalmarktrechts-Kommentar
  272. 3. Aufl.
  273. § 31
  274. WpHG
  275. Rdn. 27) und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur
  276. deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 146, 235, 239) hat eine Bank, die einem Vermögensverwalter Provisionen und Depotgebühren rückvergütet, ihren
  277. Kunden vor Abschluss der vom Vermögensverwalter initiierten Effektengeschäfte darauf hinzuweisen, dass sie dadurch eine Gefährdung der
  278. Kundeninteressen durch den Vermögensverwalter geschaffen hat. Diese
  279. Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Wenn
  280. eine Bank einen Kunden ohne Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei an den empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient, sind die Kundeninteressen
  281. durch die von der Bank erhaltenen Rückvergütungen gefährdet. Es besteht die konkrete Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter
  282. Beratung abgibt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse,
  283. möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten. Dabei spielt es entgegen
  284. der Ansicht der Beklagten keine Rolle, ob die Rückvergütungen einem
  285. - 13 -
  286. bestimmten Geschäft unmittelbar zugeordnet werden oder in gewissen
  287. Zeitabständen gezahlt werden. Wesentlich ist nur, dass die Rückvergütungen umsatzabhängig sind.
  288. 24
  289. bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheitert eine
  290. Pflichtverletzung der Beklagten nicht daran, dass der Geschäftsführer
  291. der Zedentin nicht aufklärungsbedürftig war, weil er über die Rückvergütungen dadurch informiert war, dass ihm ein Teil davon seitens der Beklagten als Bonifikation gutgeschrieben wurde. Selbst wenn, was nicht
  292. festgestellt ist, der Geschäftsführer der Zedentin davon ausgegangen
  293. sein sollte, dass es sich bei diesen Bonifikationen um die Reduzierung
  294. der Ausgabeaufschläge handelte, so bleibt er, was die Größenordnung
  295. der Rückvergütungen angeht, aufklärungsbedürftig. Ohne deren Kenntnis
  296. konnte er das Interesse der Beklagten an dem empfohlenen Erwerb von
  297. Fondsanteilen und die damit verbundene Gefährdung der Interessen der
  298. Zedentin nicht richtig einschätzen.
  299. 25
  300. cc) Nach dem in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Vorbringen des Klägers ist eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung durch
  301. die Beklagte nicht auszuschließen. Der Kläger hat vorgetragen, der Mitarbeiter K.
  302. der Beklagten, dessen Verhalten sich die Beklagte zu-
  303. rechnen lassen muss (§ 278 BGB), habe erklärt, aufgrund seiner guten
  304. Verbindungen habe er die Möglichkeit, die Ausgabeaufschläge für die
  305. Zedentin günstiger ausfallen zu lassen als üblich. Danach hatte der Mitarbeiter K.
  306. der Beklagten offenbar Kenntnis davon, dass Rückvergü-
  307. tungen an die Beklagte flossen, hat dies der Zedentin aber nicht mitgeteilt. Das Verschweigen der Rückvergütungen ist nur dann vorsätzlich
  308. geschehen, wenn K.
  309. die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewusst
  310. - 14 -
  311. war. Auch ein bloßer Rechtsirrtum schließt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Vorsatz aus (BGHZ 69, 128, 142; 118,
  312. 201, 208).
  313. III.
  314. 26
  315. Das angefochtene Urteil war nach alledem aufzuheben (§ 562
  316. Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Entscheidung reif ist, war sie zur
  317. weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563
  318. Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird die erforderlichen Feststellungen zum
  319. vorsätzlichen Verschweigen der Rückvergütungen zu treffen haben.
  320. 27
  321. Sollte nach erneuter Verhandlung eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung feststehen, weist der Senat darauf hin, dass Schadensersatz in der Form der Rückabwicklung der erworbenen Kapitalanlagen
  322. grundsätzlich nur bezüglich der Fondsanteile beansprucht werden kann,
  323. bei denen Rückvergütungen verschwiegen worden sind. Ob auch die
  324. Wertpapiergeschäfte schadensersatzrechtlich rückabzuwickeln sind, bei
  325. denen keine Rückvergütungen gezahlt wurden, richtet sich danach, ob
  326. die Zedentin bei gehöriger Aufklärung insgesamt den Geschäftskontakt
  327. mit der Beklagten abgebrochen hätte, wofür der Kläger darlegungs- und
  328. beweispflichtig ist (vgl. auch BGHZ 146, 235, 240 f.). Bei Effektengeschäften, die über eine Bank außerhalb eines Vermögensverwaltungs-
  329. - 15 -
  330. vertrages abgewickelt werden, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsverbindung insgesamt nicht zustande
  331. gekommen wäre, wenn die Bank in Bezug auf einzelne Geschäfte ein
  332. Aufklärungsverschulden trifft.
  333. Nobbe
  334. Joeres
  335. Ellenberger
  336. Mayen
  337. Schmitt
  338. Vorinstanzen:
  339. LG München I, Entscheidung vom 19.04.2004 - 11 HKO 15075/03 OLG München, Entscheidung vom 06.10.2004 - 7 U 3009/04 -