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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 122/15
  4. vom
  5. 2. März 2017
  6. in der Abschiebungshaftsache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. FamFG § 425 Abs. 3; AufenthG § 106 Abs. 2
  14. a) Für die Entscheidung über die Verlängerung von Abschiebungs- (oder
  15. Rücküberstellungs-) Haft ist das Gericht am Haftort nach § 416 Satz 2,
  16. § 425 Abs. 3 FamFG originär zuständig, ohne dass es einer Abgabe
  17. nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bedarf.
  18. b) Die Vorschrift des § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt nur für Entscheidungen nach §§ 424, 426 FamFG.
  19. BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - V ZB 122/15 - LG Traunstein
  20. AG Mühldorf am Inn
  21. ECLI:DE:BGH:2017:020317BVZB122.15.0
  22. -2-
  23. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. März 2017 durch die
  24. Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch,
  25. den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf
  26. beschlossen:
  27. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer
  28. des Landgerichts Traunstein vom 22. Juli 2015 wird auf Kosten
  29. des Betroffenen zurückgewiesen.
  30. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  31. 5.000 €.
  32. Gründe:
  33. I.
  34. 1
  35. Der Betroffene reiste am 22. Dezember 2011 ohne gültige Papiere in das
  36. Bundesgebiet ein und stellte Mitte Januar 2012 einen Asylantrag, der im Dezember 2012 unter Aufforderung des Betroffenen, das Bundesgebiet innerhalb
  37. einer Woche zu verlassen, und unter Androhung von Abschiebungshaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Die Rückführung des Betroffenen in
  38. sein Heimatland Pakistan verzögerte sich, weil dieser die ihm zugewiesene
  39. Gemeinschaftsunterkunft mehrfach verließ, ohne den zuständigen Stellen davon Mitteilung zu machen, und deswegen zunächst auch nicht dem pakistani-
  40. -3-
  41. schen Generalkonsulat zur Anhörung zwecks Ausstellung der erforderlichen
  42. Heimreisedokumente vorgestellt werden konnte. Nach seiner Vorsprache bei
  43. dem Ausländeramt am 7. Mai 2015 ordnete das Amtsgericht Wunsiedel auf Antrag der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung von
  44. dessen Abschiebung nach Pakistan bis zum 18. Juni 2015 an; die Haft wurde in
  45. der Zentralen Abschiebehafteinrichtung Mühldorf am Inn vollzogen. Dem Betroffenen wurden Heimreisedokumente ausgestellt; eine für den 12. Juni 2015
  46. geplante Abschiebung scheiterte aber an der Weigerung des Betroffenen, das
  47. Dienstfahrzeug der Polizei zu verlassen, mit dem er zum Flughafen gebracht
  48. worden war.
  49. 2
  50. Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 15. Juni 2015 hat das Amtsgericht Mühldorf am Inn die Abschiebungshaft gegen den Betroffenen bis zum
  51. 10. Juli 2015 verlängert. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der
  52. Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen.
  53. II.
  54. 3
  55. Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für rechtmäßig. Für die
  56. Anordnung der Haftverlängerung sei das Amtsgericht Mühldorf am Inn mangels
  57. einer Abgabe an dieses durch das zunächst mit der Sache befasste Amtsgericht Wunsiedel zwar nicht zuständig gewesen. Gerichtliche Handlungen würden aber nicht wegen der örtlichen Unzuständigkeit unwirksam. Diese Rechtsfolge trete nur bei schweren Mängeln der Entscheidung ein, die hier nicht vorlägen. Die sachlichen Voraussetzungen für die Verlängerung der Abschiebungshaft gegen den Betroffenen hätten vorgelegen. Der Verlängerungsantrag genüge den gesetzlichen Anforderungen. Es liege jedenfalls der Haftgrund nach
  58. -4-
  59. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG vor, da der Betroffene die Abschiebung am
  60. 12. Juni 2015 durch seinen Widerstand vereitelt habe.
  61. III.
  62. 4
  63. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis
  64. stand.
  65. 5
  66. 1. Die Verlängerung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht Mühldorf am Inn und die Aufrechterhaltung dieser Entscheidung durch das Beschwerdegericht sind nicht deshalb rechtswidrig, weil - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - das Amtsgericht örtlich unzuständig war und die Verlängerung deshalb unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG angeordnet
  67. und bestätigt worden ist.
  68. 6
  69. a) Zweifelhaft ist schon, ob der Betroffene den Antrag auf Feststellung
  70. der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen auf eine Verletzung
  71. der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit stützen könnte. Die Beschwerde
  72. kann nach § 65 Abs. 4 FamFG nämlich nicht darauf gestützt werden, dass das
  73. Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen
  74. hat. Etwas Anderes kommt nur im - hier nicht gegebenen - Fall von Willkür in
  75. Betracht (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2010 - XII ZB 227/10,
  76. FGPrax 2011, 101 Rn. 19; Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 65 Rn. 17). Die
  77. dadurch zum Ausdruck gebrachte Bewertung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit durch den Gesetzgeber spricht dafür,
  78. dass auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung nicht auf
  79. einen solchen Verstoß gestützt werden kann. Außerdem könnte die Entschei-
  80. -5-
  81. dung eines Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 2 Abs. 3 FamFG
  82. nicht allein deshalb, etwa nach § 48 FamFG, aufgehoben werden, weil bei ihrem Erlass gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit verstoßen
  83. wurde (OLG Schleswig, SchlHA 1956, 242, 244; Keidel/Sternal, FamFG,
  84. 19. Aufl., § 2 Rn. 36a).
  85. 7
  86. b) Hierauf kommt es aber nicht an, denn das Amtsgericht hat bei der Anordnung der Verlängerung der Haft die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht verletzt. Es war nach § 416 Satz 2 FamFG örtlich zuständig, weil die
  87. Sicherungshaft gegen den Betroffenen in der Zentralen Abschiebehafteinrichtung Mühldorf am Inn und damit in seinem Gerichtsbezirk vollzogen wurde. Daran ändert es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nichts, dass
  88. die Abschiebungshaft, um deren Verlängerung es hier geht, von einem anderen
  89. Amtsgericht angeordnet worden war. Dieses war für die Anordnung der Haftverlängerung nicht mehr zuständig und musste die Sache auch nicht nach Maßgabe von § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG durch förmlichen (unanfechtbaren) an das
  90. Amtsgericht Mühldorf am Inn abgeben.
  91. 8
  92. aa) Die Frage, welches Gericht für die Verlängerung von Abschiebungs(oder Rücküberstellungs-) Haft zuständig ist, wenn die ursprünglich angeordnete Haft in dem Bezirk eines anderen Amtsgerichts vollzogen wird, ist allerdings
  93. umstritten. In Rechtsprechung und Literatur wird wohl überwiegend die Ansicht
  94. vertreten, in einem solchen Fall bleibe das ursprünglich angerufene Amtsgericht
  95. gemäß § 2 Abs. 2 FamFG weiterhin zuständig. Die Zuständigkeit für die Verlängerung könne auf das Gericht am Haftort nur auf Grund eines förmlichen
  96. Abgabebeschlusses gemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG übergehen (OLG
  97. Köln, FGPrax 2010, 318, 319; Bahrenfuss/Grotkopp, FamFG, 3. Aufl., § 425
  98. Rn. 14; Bergmann/Dienelt/Winkelmann, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 106
  99. -6-
  100. AufenthG Rn. 4; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl., § 425 Rn. 20;
  101. Keidel/Budde,
  102. FamFG,
  103. 19.
  104. Aufl.,
  105. §
  106. 425
  107. Rn.
  108. 12;
  109. wohl
  110. auch
  111. Kluth/Heusch/Brinktrine, Ausländerrecht, § 106 AufenthG Rn. 8 und NKAuslR/Stahmann, 2. Aufl., § 106 AufenthG Rn. 10 f.). Nach anderer Auffassung
  112. hat sich die Rechtslage mit dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes am
  113. 1. September 2009 in diesem Punkt grundlegend verändert. Das Gericht am
  114. Haftort sei seitdem nach § 425 Abs. 3, § 416 Satz 2 FamFG originär für die Verlängerung von Abschiebungs- (und Rücküberstellungs-) Haft zuständig, ohne
  115. dass es einer Abgabeentscheidung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bedürfte (LG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 13. März 2014 - 15 T 35/14, juris
  116. Rn. 14; Bork/Jacoby/Schwab/Heinze, FamFG, 2. Aufl., § 416 Rn. 6 aE;
  117. MüKoFamFG/Wendtland,
  118. 2.
  119. Aufl.,
  120. § 416
  121. Rn.
  122. 8;
  123. wohl
  124. auch
  125. Prütting/
  126. Helms/Jenissen, FamFG, 3. Aufl., § 425 Rn. 17 und § 416 Rn. 3 unklar allerdings das Verhältnis zu den Ausführungen in ibid. Rn. 4).
  127. 9
  128. bb) Die zweite Auffassung ist richtig. § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt
  129. nach der Einführung von § 425 Abs. 3, § 416 Satz 2 FamFG nur noch für die
  130. Entscheidung über die Aussetzung oder Aufhebung der angeordneten Abschiebungs- (oder Rücküberstellungs-) Haft nach §§ 424 oder 426 FamFG, aber
  131. nicht mehr für die Verlängerung der Haft.
  132. 10
  133. (1) Die Regelung in dem heutigen § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG geht auf
  134. die wortgleiche Regelung in § 103 Abs. 2 Satz 2 des durch das Aufenthaltsgesetz abgelösten früheren Ausländergesetzes zurück. Diese Vorschrift ist mit
  135. dem Gesetz vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1062) in das damalige Ausländergesetz eingefügt worden, um zu einer Vereinfachung des gerichtlichen Verfahrens
  136. vor allem bei der Behandlung von Anträgen auf Verlängerung einer Abschiebungs- (oder Rücküberstellungs-) Haft beizutragen (Beschlussempfehlung zu
  137. -7-
  138. dem genannten Gesetz in BT-Drucks. 12/4984 S. 37). Das gerichtliche Verfahren in Abschiebungshaftsachen bestimmte sich damals nach dem Gesetz über
  139. das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG). Nach § 12 FEVG
  140. galten zwar für Anträge auf Verlängerung einer angeordneten Abschiebungsoder Rücküberstellungshaft zum großen Teil die Vorschriften über den Erstantrag. Ausgenommen hiervon war aber unter anderem § 4 FEVG über die örtliche Zuständigkeit. Folge dessen war, dass das zunächst mit der Anordnung
  141. von Abschiebungs- (oder Rücküberstellungs-) Haft befasste Gericht auch dann
  142. für Verlängerungsanträge zuständig blieb, wenn die angeordnete Haft in einer
  143. - unter Umständen weit entfernt liegenden - Sicherungseinrichtung vollzogen
  144. wurde. Dem Gesetzgeber erschien es deshalb zweckmäßig, für die Entscheidung über die Fortdauer von Abschiebungs- (oder Rücküberstellungs-) Haft die
  145. in dem Gesetz über das Verfahren bei Freiheitsentziehungen nicht vorgesehene Abgabemöglichkeit zu schaffen. Die Regelung wurde bei der Ablösung des
  146. Ausländergesetzes durch das Aufenthaltsgesetz unverändert übernommen
  147. (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 15/420 S. 101).
  148. 11
  149. (2) Mit dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes am 1. September 2009 hat sich die Rechtslage allerdings in einem für die Frage der örtlichen Zuständigkeit für Verlängerungsanträge entscheidenden Aspekt verändert. Vordergründig ist mit Art. 19 des FGG-Reformgesetzes zwar nur die Verweisung auf das Gesetz über das Verfahren in Freiheitsentziehungssachen in
  150. dem bisherigen § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG durch eine Verweisung auf Buch
  151. 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten
  152. der freiwilligen Gerichtsbarkeit ersetzt worden, weshalb die Entwurfsbegründung insofern auch von einer redaktionellen Folgeänderung spricht (BT-Drucks.
  153. 16/6308 S. 317). Die Änderung der Verweisung führt aber gerade bei der hier
  154. interessierenden Frage nach der Zuständigkeit für die Entscheidung über An-
  155. -8-
  156. träge auf Verlängerung einer angeordneten Abschiebungs- (oder Rücküberstellungs-) Haft zu einer praktisch wichtigen inhaltlichen Änderung. Für solche Anträge gelten nämlich nach § 425 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Erstantrag, jedoch in bewusster Abweichung von dem früheren § 12 FEVG nicht
  157. mit Einschränkungen, insbesondere bei der örtlichen Zuständigkeit, sondern
  158. uneingeschränkt
  159. (Begründung
  160. des
  161. FGG-Reformgesetzes
  162. in
  163. BT-Drucks.
  164. 16/6308 S. 293). Das hat zur Folge, dass für den Verlängerungsantrag jetzt
  165. auch - bewusst anders als früher - die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit anzuwenden sind. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich deshalb nicht mehr
  166. entsprechend § 2 Abs. 2 FamFG danach, welches Gericht für die Entscheidung
  167. über den Erstantrag zuständig war. Sie wird vielmehr durch § 425 Abs. 3
  168. FamFG, § 416 FamFG eigenständig bestimmt. Nach § 416 FamFG kommt es
  169. für die Zuständigkeit über den Verlängerungsantrag entscheidend darauf an, ob
  170. die ursprünglich angeordnete Sicherungshaft in dem Bezirk des Gerichts vollzogen wird, das diese Haft angeordnet hatte oder in einem anderen. In dem
  171. zweiten Fall ist das Gericht am Haftort nach § 416 Satz 2 FamFG originär für
  172. die Entscheidung über den Verlängerungsantrag zuständig, ohne dass es wie
  173. früher einer förmlichen Abgabeentscheidung nach § 106 Abs. 2 Satz 2
  174. AufenthG bedürfte.
  175. 12
  176. (3) Die dargestellte Änderung konterkariert auch nicht den Vereinfachungseffekt, um den es dem Gesetzgeber 1993 bei der Einführung der Abgabemöglichkeit nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ging. Sie führt vielmehr dazu,
  177. dass die damals angestrebte Vereinfachung noch konsequenter verwirklicht
  178. wird. Der Gesetzgeber wollte damals erreichen, dass über den Verlängerungsantrag nach Möglichkeit das Gericht am Haftort entscheidet, weil dieses insbesondere die persönliche Anhörung des Betroffenen zu dem Verlängerungsantrag schneller und unkomplizierter würde durchführen können als das mit dem
  179. -9-
  180. ursprünglichen Haftantrag befasste - unter Umständen weit entfernte - Gericht
  181. (BT-Drucks. 12/4984 S. 38). Zu diesem Ziel führt die generelle Änderung der
  182. Regelung über die örtliche Zuständigkeit für den Verlängerungsantrag nach
  183. heutiger Rechtslage einfacher und rechtlich sicherer als die Abgaberegelung in
  184. § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Danach setzt die an sich sachgerechte Befassung des Gerichts am Haftort mit dem Verlängerungsantrag eine vorherige Abgabeentscheidung des Erstgerichts voraus. Ob diesem dabei im Hinblick auf
  185. den gesetzlichen Richter überhaupt ein Ermessen eingeräumt werden darf, wie
  186. es in der Vorschrift vorgesehen ist, erscheint zweifelhaft (BVerfGK 15, 180,
  187. 185). Jedenfalls würde dieses Ermessen in aller Regel im Sinne einer Abgabe
  188. an das Gericht am Haftort ausgeübt werden müssen, weil das in aller Regel
  189. sachgerecht ist. Die Zuständigkeit dieses Gerichts entspricht nämlich der Regelzuständigkeit nach § 416 Satz 2 FamFG, die jetzt kraft Gesetzes für den
  190. Verlängerungsantrag gilt.
  191. 13
  192. (4) Die Vorschrift des § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verliert durch die
  193. Änderung der Zuständigkeitsregelung in § 425 Abs. 3 i.V.m. § 416 Satz 2
  194. FamFG auch nicht vollständig ihre Bedeutung. Das Gericht, das die ursprüngliche Haftanordnung erlassen hat, bleibt nämlich für die Entscheidung über die
  195. Aussetzung oder Aufhebung dieser Haft gemäß §§ 424 oder 426 FamFG zuständig, weil § 425 Abs. 3 FamFG eine gesonderte Zuständigkeitsregelung nur
  196. für die Verlängerung, nicht aber schlechthin für die Fortdauer der Haft bestimmt.
  197. Für die Entscheidungen über die Aussetzung oder Aufhebung der ursprünglich
  198. angeordneten Haft bleibt deshalb das Gericht, das diese Haft angeordnet hat,
  199. gemäß § 416 Satz 1, § 2 Abs. 2 FamFG zuständig. Es wird aber in aller Regel
  200. zweckmäßiger sein, wenn auch diese Entscheidungen nicht durch das für den
  201. Erstantrag zuständige Gericht, sondern durch das Gericht am Haftort getroffen
  202. werden. Ohne die Regelung in § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG könnte eine Ab-
  203. - 10 -
  204. gabe an dieses Gericht nur unter den Voraussetzungen der - auch auf die Abschiebungs- (oder Rücküberstellungs-) Haft anwendbaren - Regelung in § 4
  205. FamFG erreicht werden. Eine Abgabe durch unanfechtbaren Beschluss nach
  206. Maßgabe von § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der diese Fälle auch erfasst, ist
  207. aber regelmäßig der einfachere Weg. Für diese Fälle behält die Vorschrift ihren
  208. Sinn. Auf sie beschränkt sich ihr Anwendungsbereich.
  209. 14
  210. (5) Die von dem Betroffenen zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGK 15, 180) steht dem nicht entgegen. Sie betrifft nämlich
  211. die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes. Seit dessen
  212. Inkrafttreten am 1. September 2009 bestimmt sich die Zuständigkeit für den
  213. Verlängerungsantrag aber unmittelbar nach § 425 Abs. 3, § 416 Satz 2 FamFG.
  214. An diese Vorschrift hat sich das Amtsgericht gehalten.
  215. 15
  216. 2. Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist es auch nicht zu beanstanden, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Beschwerdegericht den
  217. Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG angenommen haben. Auf
  218. diesen Haftgrund konnte die Anordnung von Abschiebungshaft, um die es hier
  219. geht, auch nach dem Ablauf der Frist zur Umsetzung von Art. 3 und 15 der
  220. Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) am 24. Dezember 2010 und vor
  221. der Einführung von § 2 Abs. 14 und 15 AufenthG am 1. August 2015 gestützt
  222. werden (Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 23/15, InfAuslR 2016,
  223. 235 Rn. 10).
  224. - 11 -
  225. 16
  226. 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
  227. Stresemann
  228. Schmidt-Räntsch
  229. Haberkamp
  230. Kazele
  231. Hamdorf
  232. Vorinstanzen:
  233. AG Mühldorf am Inn, Entscheidung vom 26.06.2015 - 3 XIV 37/15 LG Traunstein, Entscheidung vom 22.07.2015 - 4 T 2243/15 -