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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZB 74/05
  4. vom
  5. 30. März 2006
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO a.F. § 1027 Abs. 1 Satz 1; GenG § 17 Abs. 2; HGB a.F. § 6 Abs. 2
  14. Die in dem Beitrittsgebiet nach dem Recht der DDR entstandenen - registrierten LPG waren nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands am
  15. 3. Oktober 1990 als (Voll-)Kaufleute kraft Rechtsform anzusehen.
  16. BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - III ZB 74/05 - OLG Brandenburg
  17. - 2 -
  18. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2006 durch den
  19. Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
  20. Dr. Herrmann
  21. beschlossen:
  22. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Mai 2005 wird als unzulässig verworfen.
  23. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
  24. Wert des Beschwerdegegenstandes: 13.000 €.
  25. Gründe:
  26. I.
  27. Die
  28. 1
  29. (LPG T) S.
  30. G.
  31. Landwirtschaftliche
  32. Produktionsgenossenschaft
  33. Tierproduktion
  34. , die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin sowie die LPG T
  35. und die LPG T R.
  36. , die Rechtsvorgängerinnen der Antragstelle-
  37. rinnen, schlossen am 4. März 1991 mit der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Pflanzenproduktion (LPG P) H.
  38. gleichlautende Verträge
  39. "über die Teilung und den Zusammenschluss gemäß den Bestimmungen des
  40. Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 29.06.1990." In den Verträgen war
  41. - 3 -
  42. bestimmt, dass Vermögenswerte der LPG P H.
  43. Teilungsplanes auf die LPG T S.
  44. , G.
  45. nach Maßgabe eines
  46. und R.
  47. (sowie zwei wei-
  48. tere Genossenschaften) übertragen werden und die LPG T S.
  49. bestimmte
  50. nicht betriebsbezogen zugeordnete Vermögenswerte treuhänderisch für die
  51. anderen LPG verwalten sollte. Weiter hieß es in dem Vertrag:
  52. 2
  53. "Streitigkeiten aus diesem Vertrag werden durch ein im Streitfalle
  54. zu bildendes Schiedsgericht gelöst. Dabei verständigen sich die
  55. Vertragspartner über eine Person ihres Vertrauens, die in der Lage und bereit ist, den Vorsitz des Schiedsgerichts zu übernehmen.
  56. Im Übrigen finden die Bestimmungen der Zivilprozessordnung
  57. (§§ 1025 ff) Anwendung. Diese Regelung gilt auch im Falle gegenseitiger Ansprüche der aus der Teilung der LPG (P) hervorgehenden neuen Unternehmen untereinander."
  58. 3
  59. Die Antragstellerinnen begehren von der Antragsgegnerin Auskunft über
  60. die Treuhandverwaltung. Gestützt auf die vorgenannte Schiedsvereinbarung
  61. haben sie bei dem Oberlandesgericht beantragt, für die Antragsgegnerin einen
  62. Schiedsrichter zu bestellen. Die Antragsgegnerin hat dagegen beantragt, die
  63. Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und angekündigt, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht i.R. P.
  64. K.
  65. als Schiedsrichter für die
  66. Antragsgegnerin bestimmen zu wollen.
  67. 4
  68. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag, die
  69. Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, weiter.
  70. II.
  71. 5
  72. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
  73. - 4 -
  74. Die Rechtsbeschwerde ist zwar von Gesetzes wegen statthaft, soweit sie
  75. 6
  76. die Entscheidung des Oberlandesgerichts (Absatz 1 des Tenors, Absatz II
  77. Nr. 2-3 der Gründe) über den (einer Widerklage ähnlichen) Antrag der Antragsgegnerin, die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen
  78. (§ 1032 Abs. 2 Alt. 2 ZPO), und dessen Kostenentscheidung angreift (§ 574
  79. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2
  80. ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch im Übrigen unzulässig, weil die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
  81. 7
  82. 1.
  83. Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde stellt sich die grundsätzliche
  84. Frage (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), ob eine LPG als Kaufmann im Sinne der früheren HGB-Vorschriften anzusehen ist. Die entsprechende Auffassung des Oberlandesgerichts laufe dem Grundsatz zuwider, dass die sogenannten Formkaufleute (etwa nach § 17 Abs. 2 GenG) erst durch Eintragung in das Register die
  85. Kaufmannseigenschaft erlangen. Dieser Grundsatz ist hier indes nicht verletzt.
  86. Das Oberlandesgericht hat die LPG auch zu Recht als Kaufleute qualifiziert.
  87. Dabei ist die Frage der Kaufmannseigenschaft einer LPG, die zudem auslaufendes Recht betrifft, nicht klärungsbedürftig, da sie offenkundig zu bejahen ist.
  88. 8
  89. a) Die Wirksamkeit der Schiedsklausel, die in Nr. 5.2 der gleich lautenden Verträge "über die Teilung und den Zusammenschluss gemäß den Bestimmungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 29.06.1990" vom
  90. 4. März 1991 verabredet wurde, ist nach § 1027 ZPO a.F. zu beurteilen. Denn
  91. diese Schiedsvereinbarung ist vor dem Inkrafttreten des SchiedsverfahrensNeuregelungsgesetzes am 1. Januar 1998 getroffen worden (vgl. Art. 4 § 1
  92. Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG).
  93. - 5 -
  94. 9
  95. b) Gemäß § 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. muss der Schiedsvertrag ausdrücklich geschlossen werden und bedarf der Schriftform; andere Vereinbarungen als solche, die sich auf das schiedsgerichtliche Verfahren beziehen, darf
  96. die Urkunde nicht enthalten. Daran mangelt es hier: Der vorgenannte Vertrag
  97. vom 4. März 1991 enthält nicht nur Bestimmungen zum schiedsgerichtlichen
  98. Verfahren, sondern regelt weiter - sogar vornehmlich - die Übertragung von
  99. Vermögen von der LPG P H.
  100. auf andere Genossenschaften gemäß Tei-
  101. lungsplan.
  102. 10
  103. c) Die Form des § 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. ist allerdings nicht vonnöten, wenn der Schiedsvertrag für beide Teile ein Handelsgeschäft war und
  104. keine der Parteien zu den in § 4 HGB a.F. bezeichneten Gewerbetreibenden
  105. gehörte (§ 1027 Abs. 2 ZPO a.F.). Einen solchen Fall hat das Oberlandesgericht zutreffend angenommen. Die in dem Beitrittsgebiet nach dem Recht der
  106. DDR entstandenen - registrierten - LPG waren nach der Wiederherstellung der
  107. staatlichen Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 als (Voll-)Kaufleute anzusehen (§ 17 Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F. analog; vgl. BezG Frankfurt
  108. <Oder> DtZ 1992, 58 f).
  109. 11
  110. aa) Bei den LPG handelte es sich um "sozialistische" landwirtschaftliche
  111. Großbetriebe (vgl. § 1 Abs. 1 LPG-Gesetz vom 3. Juni 1959, GBl. I S. 577), die
  112. nach den Grundsätzen der "genossenschaftlichen Demokratie und der sozialistischen Betriebswirtschaft" organisiert waren (vgl. § 1 Abs. 2 LPG-Gesetz vom
  113. 2. Juli 1982, GBl. I S. 443, § 1 Abs. 2 Satz 2 LPG-Gesetz vom 3. Juni 1959).
  114. Die LPG waren bei dem Rat des Kreises zu registrieren; mit der Registrierung
  115. wurden sie - in der Form der LPG (P) oder der LPG (T) - "rechtsfähig und juristische Person" (vgl. § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 LPG-Gesetz vom 2. Juli 1982;
  116. s. auch Schweizer, Das Recht der landwirtschaftlichen Betriebe nach dem
  117. - 6 -
  118. Landwirtschaftsanpassungsgesetz 2. Aufl. 1994 Rn. 115; ders. in: Kimme, Offene Vermögensfragen <Stand 4/94> Vor § 1 LwAnpG Rn. 18). Im Zuge der
  119. politischen Wende im Oktober 1989 erfolgten verschiedene gesetzgeberische
  120. Maßnahmen, um die - rechtlich verordnete - Genossenschaftlichkeit in der DDR
  121. aus ihren staatlichen Bindungen zu befreien (vgl. im Einzelnen Beuthien, GenG
  122. 14. Aufl. 2004 Einleitung Anmerkung III 2 b). Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl. I S. 642 im Folgenden: LwAnpG 1990) ermöglichte neben der Teilung und dem Zusammenschluss von LPG die Umwandlung
  123. einer LPG durch Formwechsel in eine eingetragene Genossenschaft; auf die
  124. Umwandlung waren die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes anwendbar
  125. (vgl. § 27 LwAnpG 1990). Ab dem 1. Januar 1992 sollten die LPG (spätestens)
  126. kraft Gesetzes in eingetragene Genossenschaften "im Aufbau" umgewandelt
  127. sein (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 LwAnpG 1990; s. auch - zugleich zu den abändernden Maßgaben des Einigungsvertrages und den Novellierungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes - Schweizer in: Kimme aaO Rn. 26 ff). Der Gesetzgeber des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes sah die LPG mithin in
  128. nächster Nähe zur eingetragenen Genossenschaft des Genossenschaftsgesetzes. Ihre innere Struktur entsprach auch, nachdem sie nicht mehr staatlicher
  129. Zwangsverband waren, in etwa derjenigen der eingetragenen Genossenschaften. Der Sache nach waren die (von den staatlichen Bindungen befreiten) LPG
  130. Absatzgenossenschaften (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GenG; Beuthien aaO § 1 Rn. 43
  131. a.E.). Wie diese (vgl. § 17 Abs. 2 GenG) waren sie als Kaufmann im Sinne des
  132. HGB (a.F.) anzusehen.
  133. 12
  134. bb) Dem steht nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, entgegen, dass
  135. die LPG nur dann (Form-)Kaufmann gewesen wären, wenn sie diese
  136. Eigenschaft durch Eintragung im Register erlangt hätten. Die LPG entstanden
  137. als juristische Person mit ihrer Registrierung als LPG (P) oder LPG (T) durch
  138. - 7 -
  139. den Rat des Kreises (vgl. § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 LPG-Gesetz vom 2. Juli 1982;
  140. s. ferner zur Entstehung einer eingetragenen Genossenschaft § 13 GenG). Entsprechend der Rechtslage bei der eingetragenen Genossenschaft (vgl. § 17
  141. Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F.; Beuthien aaO § 17 Rn. 4; Bauer, Genossenschafts-Handbuch <Stand VII.02> § 13 GenG Rn. 1) war jedenfalls die registrierte und durch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz und andere Gesetze
  142. umgestaltete LPG als Kaufmann kraft Rechtsform aufzufassen; ihr wuchs mit
  143. der Registrierung analog §§ 13, 17 Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F. von Gesetzes wegen die Eigenschaft als (Voll-)Kaufmann zu, ohne dass es auf den
  144. Gegenstand des Unternehmens angekommen wäre (vgl. - zum Formkaufmann - MünchKommHGB/Bokelmann 1. Aufl. 1996 § 6 Rn. 9).
  145. 13
  146. cc) Hier liegt es ebenso. Die Parteien waren bei Abschluss der Verträge
  147. vom 4. März 1991 unstreitig nach DDR-Recht registrierte LPG; sie gelten daher
  148. entsprechend § 17 Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F. als Kaufleute und es wird
  149. vermutet, dass die von ihnen vorgenommenen Rechtsgeschäfte, also auch die
  150. Verträge vom 4. März 1991, zum Betriebe ihres Handelsgewerbes gehörten
  151. (vgl. § 343 Abs. 1 a.F., § 344 Abs. 1 HGB; Bauer aaO <Stand VII.86> § 17
  152. GenG Rn. 8; Müller, GenG 2. Aufl. 1991 § 17 Rn. 13). Die in diesen Verträgen
  153. getroffene Schiedsvereinbarung bedurfte nicht der Form des § 1027 Abs. 1
  154. Satz 1 ZPO a.F.
  155. - 8 -
  156. 14
  157. 2.
  158. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde
  159. (§ 574 Abs. 2 ZPO) ergeben sich auch nicht aus den in der Rechtsbeschwerdebegründung weiter aufgeworfenen Fragen. Insoweit wird von einer Begründung
  160. gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
  161. Schlick
  162. Streck
  163. Galke
  164. Kapsa
  165. Herrmann
  166. Vorinstanz:
  167. OLG Brandenburg, Entscheidung vom 24.05.2005 - 11 SchH 1/05 -