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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- EnVR 52/09
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- Verkündet am:
- 5. Oktober 2010
- Bürk
- Justizhauptsekretärin
- als Urkundsbeamtin
- der Geschäftsstelle
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- in dem energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren
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- Nachschlagewerk:
-
- ja
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- BGHZ:
-
- nein
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- BGHR:
-
- nein
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- GABi Gas
- EnWG § 75 Abs. 2
- Ein Gasversorgungsunternehmen, das in dem vor der Bundesnetzagentur
- geführten Verfahren zur Festlegung neuer Rahmenbedingungen für
- Ausgleichsleistungen im Gassektor keinen Beiladungsantrag gestellt hat, ist im
- gerichtlichen Verfahren nicht beschwerdebefugt.
- BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - EnVR 52/09 - OLG Düsseldorf
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- -2-
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- Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2010 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
- Prof. Dr. Tolksdorf und die Richter Dr. Raum, Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff und
- Dr. Grüneberg
- beschlossen:
- Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats
- des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. September 2009 wird
- zurückgewiesen.
- Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
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- und
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- die
-
- der
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- Bundesnetzagentur
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- entstandenen
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- notwendigen Auslagen.
- Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird
- auf 15 Mio. € festgesetzt.
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- Gründe:
- I.
- Die Beschwerdeführerin ist ein Gasversorgungsunternehmen. Sie belie-
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- 1
- fert
-
- hauptsächlich
-
- Großkunden
-
- mit
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- Erdgas.
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- Als
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- Transportkundin
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- Gasnetzbetreibern ist sie teilweise Bilanzkreisverantwortliche.
-
- von
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- 2
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- Die Bundesnetzagentur hatte im Februar 2008 ein Verfahren zur Festlegung neuer Rahmenbedingungen für Ausgleichsleistungen im Gassektor
- eingeleitet und dies in ihrem Amtsblatt sowie im Internet veröffentlicht. Im Verlauf dieses Verfahrens, in dem die Bundesnetzagentur ihre Vorstellungen zu
- einem Grundmodell im Internet zur Stellungnahme veröffentlichte, äußerte sich
- auch die Beschwerdeführerin. Am 28. Mai 2008 erließ die Bundesnetzagentur
- die verfahrensgegenständlichen Festlegungen, die zum Beginn des Gaswirtschaftsjahres 2008/2009 am 1. Oktober 2008 in Kraft traten (GABi Gas). Der
- Tenor der Verfügung hatte folgenden Inhalt:
- 1. Die Bilanzkreisnetzbetreiber sind mit Wirkung zum 1.10.2008 verpflichtet, in
- abgeschlossene sowie in neu abzuschließende Bilanzkreisverträge die in
- Anlage 1 ("Standardbilanzkreisvertrag Gas") festgelegten Regelungen aufzunehmen.
- Hinweis: Die Sonderregelungen für die Einspeisung von Biogas in das Erdgasnetz (Teil 11a GasNZV) bleiben hiervon unberührt.
- 2. Der Prozentsatz der Toleranzgrenze wird ab dem 1.10.2008 abweichend
- von § 30 Abs. 1 GasNZV auf 0 % festgelegt.
- 3. Die Bilanzkreisnetzbetreiber sind verpflichtet, die folgenden Informationen
- in einem für die elektronische Weiterverarbeitung durch Standardsoftware
- nutzbaren Format im Internet zu veröffentlichen:
- a) die täglich aktualisierten Ausgleichsenergiepreise einschließlich der als
- Basis für die Preisbildung dienenden Referenzpreise für den jeweiligen
- Gastag und zumindest für die letzten zwölf Monate;
- b) im Falle der Erhebung von variablen Strukturierungsbeiträgen die für
- die verschiedenen Stunden eines Gastages festgesetzten Höhen der
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- Strukturierungsbeiträge getrennt nach Über- und Unterspeisungen einschließlich einer Begründung der festgesetzten Höhen;
- c) Informationen zu Umfang und Preis der eingesetzten Regelenergie, für
- externe Regelenergie unterschieden nach Dienstleistungen zur untertägigen Strukturierung und der Beschaffung oder Veräußerung von
- Gasmengen. Diese Informationen sind möglichst am Folgetag des Einsatzes der Regelenergie und mindestens für die letzten zwölf Monate
- zu veröffentlichen. Außerdem ist zu veröffentlichen, welcher Anteil der
- externen Regelenergie aufgrund lokaler oder räumlich begrenzter Ungleichgewichte eingesetzt wurde;
- d) monatlich den Saldo des Kontos für die Regel- und Ausgleichsenergieumlage zum Schluss des Vormonats;
- e) eine Liste derjenigen Ausspeisenetzbetreiber des jeweiligen Marktgebiets, die dem Bilanzkreisnetzbetreiber die für die Bilanzkreisabrechnung erforderlichen Daten nicht, nicht fristgerecht, unvollständig
- oder in unzureichender Qualität zur Verfügung stellen.
- Die Verpflichtungen nach lit. a) bis d) gelten ab dem 01.10.2008, die Verpflichtung nach lit. e) ab dem 01.04.2009.
- 4. Ein Widerruf bleibt vorbehalten.
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- In einer der Festlegung beigefügten Anlage 2 wird das Grundmodell der
- Ausgleichs- und Bilanzierungsregelungen im Gassektor beschrieben, wobei die
- Bundesnetzagentur einleitend feststellt, dass Vorgaben zur Beschaffung und
- zum Einsatz von Regelenergie nicht ex ante durch die Beschlusskammer angeordnet werden können.
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- Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Festlegungen Beschwerde ein-
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-
- gelegt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen.
- Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der (vom Beschwerdegericht zugelassenen) Rechtsbeschwerde.
- II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
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- 1. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als nicht statthaft angesehen, soweit sie sich gegen das in Anlage 2 beschriebene Vertragsmodell
- richtet; im Übrigen fehle der Beschwerdeführerin die Beschwerdebefugnis. Zur
- Begründung hat es folgendes ausgeführt:
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- Den in Anlage 2 festgelegten Bestimmungen, in denen die Beschwerdeführerin die Entscheidung für ein Modell der zentralen Beschaffung von
- Ausgleichsenergie sehe, komme keine Regelungswirkung zu. Wie die Bundesnetzagentur darlege, hätten die in Anlage 2 aufgeführten Bestimmungen
- lediglich Modellcharakter und könnten allenfalls für die ex post stattfindende
- Missbrauchskontrolle Bedeutung erlangen. Diese Bestimmungen stellten deshalb bloße Empfehlungen dar, denen der von § 35 VwVfG vorausgesetzte
- Regelungscharakter fehle. Auch eine Leistungsbeschwerde scheide aus. Das
- mit diesen Empfehlungen der Bundesnetzagentur konforme Verhalten der übrigen Marktteilnehmer habe für die Beschwerdeführerin allenfalls reflexartige
- Auswirkungen, die zu faktisch mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen führen
-
- könnten.
-
- Dies
-
- reiche
-
- nicht
-
- aus.
-
- Ebenso
-
- wenig
-
- könne
-
- die
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- Beschwerdeführerin hieraus ein nach der Rechtsprechung erforderliches besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine vorbeugende Unterlassungsklage
- herleiten. Der Beschwerdeführerin sei es nämlich zumutbar, die von ihr ange-
-
- -6-
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- sprochenen Fragen im Wege einer Anfechtungsbeschwerde gegen eine Missbrauchsverfügung rechtlich klären zu lassen.
- Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die übrigen Festlegungen der
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-
- GABi Gas wende, fehle ihr die Beschwerdebefugnis. Sie habe im Verwaltungsverfahren keinen Beiladungsantrag gestellt. Deshalb sei sie nach § 75 Abs. 2
- i.V.m. § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG nicht beschwerdebefugt. Die Festlegungen enthielten auch keinen unmittelbaren Eingriff in die individuellen Rechtspositionen
- der Beschwerdeführerin. Dies gelte insbesondere für die Absenkung der Toleranzgrenze auf null Prozent (Ziff. 2 der Festlegungen). Damit sei zwar auch der
- Basisbilanzausgleich nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GasNZV faktisch abgeschafft.
- § 26 Abs. 2 GasNZV stelle jedoch keine drittschützende Vorschrift dar. Vielmehr
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- seien
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- hierdurch
-
- nur
-
- die
-
- wirtschaftlichen
-
- Interessen
-
- der
-
- Beschwerdeführerin betroffen. Dies reiche nicht aus, um eine unmittelbare Beschwerdebefugnis nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. § 75 Abs. 2 EnWG analog zu
- erlangen.
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- 2. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben im
- Ergebnis ohne Erfolg.
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- 10
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- a) Die Beschwerdeführerin kann die Bestimmungen der Festlegungen
- zur Beschaffung der Ausgleichsenergie nicht mit der Beschwerde angreifen.
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- 11
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- aa) Unzutreffend ist indes die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass
- die zentrale Beschaffung von Ausgleichsenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber nur (unverbindlich) in der Anlage 2 der Festlegungen ihren
- Niederschlag gefunden habe. Die Beschwerdeführerin weist vielmehr zutreffend
- darauf hin, dass sich aus einer Gesamtschau der in Anlage 1 genannten Vertragsbestimmungen, die nach Nummer 1 des Entscheidungstenors verbindlich
-
- -7-
-
- sind, im Ergebnis die Regelung einer zentralen Beschaffung von Ausgleichsenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber ergibt. So enthält § 9 Nr. 2
- Standardbilanzkreisvertrag Gas (SBKV) die Vorgabe, dass die Differenz der
- während der Bilanzierungsperiode ein- und ausgespeisten bilanzerheblichen
- Gasmengen durch den Bilanzkreisnetzbetreiber als Ausgleichsenergie abgerechnet wird. Dieser führt auch das Umlagekonto, das die Kosten bzw. Erlöse
- der Ausgleichsenergie sowie die Kosten der Beschaffung externer Regelenergie umfasst (§ 15 Nr. 2 SBKV). Hierin lässt sich mittelbar die Festlegung einer
- zentralen Beschaffung von Ausgleichsenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber erblicken, zumal auch in den Gründen der Festlegung ein solches Ergebnis
- nahe gelegt wird. So wird dort (S. 12, 13) jeweils von einem Einkauf der Regelenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber ausgegangen.
- Demgegenüber enthält zwar Anlage 2 die ausdrückliche Aussage, dass
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- 12
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- Vorgaben zur Beschaffung und zum Einsatz von Regelenergie nicht ex ante
- durch die Beschlusskammer geregelt werden können. Dieser Umstand führt jedoch in einer Gesamtschau sämtlicher Regelungen nicht zu einem anderen
- Ergebnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
- ist es anerkannt, dass für die Auslegung von Willensäußerungen der Verwaltung
-
- gemäß
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- der
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- im
-
- öffentlichen
-
- Recht
-
- entsprechend
-
- anwendbaren
-
- Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern allein der erklärte
- Wille maßgebend ist, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwGE 60, 223, 228 f.; 41, 305, 306). Unklarheiten gehen
- hierbei zu Lasten der Verwaltung (BVerwG aaO). Jedenfalls deshalb muss den
- Festlegungen insoweit eine Regelungswirkung zuerkannt werden, zumal sich
- aus dem Zusammenhang der Vorschriften weitere Gesichtspunkte ergeben, die
- das Regelungsmodell einer zentralen Beschaffung von Ausgleichsenergie voraussetzen. Die hiervon Betroffenen konnten die Festlegungen in dem Sinne
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-
- verstehen, dass hierdurch die zentrale Beschaffung von Ausgleichsenergie
- durch den Bilanzkreisnetzbetreiber verbindlich geregelt werden sollte.
- 13
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- bb) Die Beschwerdeführerin ist aber nicht beschwerdebefugt.
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- (1) Beschwerdebefugt ist nach § 75 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 2 Nr. 3
- EnWG jeder Dritte, der an dem Verfahren beteiligt ist. In erweiternder Auslegung dieser Vorschriften ist ein Dritter auch dann befugt, gegen die in der
- Hauptsache ergangene Entscheidung Beschwerde einzulegen, wenn in seiner
- Person die subjektiven Voraussetzungen für eine Beiladung vorliegen, sein Beiladungsantrag allein aus verfahrensökonomischen Gründen abgelehnt worden
- ist und er geltend machen kann, durch die Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen zu sein. Hierfür reichen erhebliche wirtschaftliche Interessen aus
- (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - EnVR 1/08, WuW/E DE-R 2535
- Rn. 14 ff. - citiworks; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. November 2006
- - KVR 37/05, BGHZ 169, 370 Rn. 11, 18 ff. - pepcom, für das Kartellverwaltungsverfahren). Ist der Beschwerdeführer durch die Regulierungsbehörde nicht
- beteiligt worden, hat er aber unverschuldet versäumt, den Beiladungsantrag
- rechtzeitig zu stellen, ist er gleichfalls beschwerdebefugt (BGH, WuW/E DE-R
- 2535 Rn. 16 - citiworks).
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- 15
-
- Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor,
- weil sie im Verfahren über den Erlass der streitgegenständlichen GABi Gas keine Beiladung beantragt hat. Dass sie sich im Verwaltungsverfahren
- schriftsätzlich geäußert hat, genügt hierfür nicht.
-
- 16
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- (2) Darüber hinaus ist auch derjenige beschwerdebefugt, der durch den
- angegriffenen Verwaltungsakt unmittelbar in seinen Rechten berührt wird (BGH,
- Beschluss vom 22. Februar 2005 - KVZ 20/04, WuW/E DE-R 1544, 1545
-
- -9-
-
- - Zeiss/Leica). Denn in diesem Falle entfaltet der Verwaltungsakt ihm gegenüber eine Regelungswirkung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG. Ein in diesem
- Sinne Drittbetroffener ist deshalb im gerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen (ebenso nachfolgend vgl. § 65 Abs. 2 VwGO). Erforderlich ist hierfür aber,
- dass nicht nur eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen vorliegt. Der
- Beschwerdeführer muss durch die gegenüber einem oder mehreren Dritten ergangene Verfügung in seinem geschützten Rechtskreis unmittelbar betroffen
- sein (BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, WuW/E DE-R 2728
- Rn. 20 - Versicherergemeinschaft).
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-
- Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur kann in den Fällen der
- notwendigen Beiladung - weil es insoweit an einer gesetzlichen Grundlage
- fehlt - der von der Entscheidung Betroffene nicht auf einen vorherigen Beiladungsantrag im Verwaltungsverfahren verwiesen werden (vgl. BGH aaO Rn. 16
- - Versicherergemeinschaft).
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- (a) Eine rechtliche Betroffenheit lässt sich nicht schon daraus ableiten,
- dass die Beschwerdeführerin aktueller und potenzieller Vertragspartner der Bilanzkreisnetzbetreiber ist. Die Festlegungen der Bundesnetzagentur greifen
- nämlich nicht unmittelbar regelnd in die bestehende Privatrechtslage ein. Sie
- bedürfen vielmehr einer Umsetzung durch den Adressaten, hier der Bilanzkreisnetzbetreiber, die verpflichtet sind, ihre Verträge entsprechend anzupassen
- bzw. neue Verträge entsprechend den Vorgaben der Festlegungen abzuschließen. Auch wenn damit für den (potenziellen) Vertragspartner des Adressaten
- absehbare Auswirkungen des Verwaltungsakts entstehen, begründet das in der
- Person des Vertragspartners keine eigene unmittelbare Rechtsbetroffenheit
- (BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, WuW/E DE-R 2728 Rn. 19
- - Versicherergemeinschaft; vgl. auch BVerwG, MMR 2003, 241, 242). Die Beschwerdeführerin zeigt auch nicht auf, durch welche der Vertragsbestimmungen
-
- - 10 -
-
- des Standardbilanzkreisvertrags, die in Nr. 1 des Tenors der Festlegungen für
- verbindlich erklärt wurden, sie in ihrem Rechtskreis berührt sein könnte.
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- Der Transportkunde wird dadurch nicht rechtlos gestellt. Er hat gemäß
- § 20 Abs. 1 EnWG einen Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang zu den
- Netzen, wobei die Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang angemessen,
- diskriminierungsfrei und transparent sein müssen (§ 21 Abs. 1 EnWG). Diesen
- Anspruch kann er zivilgerichtlich durchsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni
- 2003, BGHZ 155, 141, 159 ff.). Da die Festlegungen ihm gegenüber keine Regelungswirkung entfalten und mithin auch nicht in Bestandskraft erwachsen
- können, binden sie ihn im Zivilverfahren nur insoweit, als sie gesetzeskonform
- seinen Zugangsanspruch konkretisieren. Der Transportkunde kann deshalb dort
- im Verhältnis zum Netzbetreiber die ihn wirtschaftlich berührenden Festlegungen einer Überprüfung unterziehen lassen. Insoweit ist der Gaslieferant auch in
- der Lage, die dann in Übereinstimmung mit den Regeln des Standardbilanzkreisvertrags erfolgte Abrechnung anzugreifen und unmittelbar eine höhere
- Vergütung im Zivilverfahren gegen den Netzbetreiber durchzusetzen (vgl. BGH,
- Urteil vom 11. Juni 2003, BGHZ 155, 141, 159 ff.).
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- 20
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- (b) Eine unmittelbare Berührung ihres Rechtskreises ergibt sich für die
- Beschwerdeführerin weder aus Art. 12 GG noch aus Art. 14 GG.
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- Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte Berufsfreiheit ist nur
- dann gegeben, wenn der angegriffene Hoheitsakt berufsregelnde Tendenz aufweist (BVerfGE 98, 218, 258; 95, 267, 302). Dieser Bezug fehlt den
- Festlegungen. Sie sind lediglich auf die Marktstrukturen bezogen, indem sie die
- Art und Weise des Bezugs von Ausgleichs- und Regelenergie modifizieren.
- Damit wirken sie sich zwar auf die berufliche Tätigkeit von Transportkunden der
- Netzbetreiber und der Bilanzkreisverantwortlichen aus. Ihrer Zielrichtung nach
-
- - 11 -
-
- sind sie jedoch auf die Gestaltung der Lieferverhältnisse am Markt ausgerichtet.
- Gegen solche Veränderungen des Marktgeschehens schützt das Grundrecht
- der Berufsfreiheit aber nicht, selbst wenn sie vom Staat ausgehen (BVerfGE 98,
- 218, 259; 37, 1, 17 f.).
- Ebenso wenig ist das Grundrecht des Art. 14 GG berührt. Dieses enthält
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-
- keine allgemeine Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen (BVerfG,
- NJW 2002, 2621, 2625); vielmehr erfasst Art. 14 Abs. 1 GG nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber in der Zukunft
- liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten (BVerfGE 68, 193, 222). Nichts
- anderes aber stellen die bisherigen Belieferungsmöglichkeiten im Blick auf die
- den Netzen zuzuführende Ausgleichsenergie dar. Letztlich zeigt die Beschwerdeführerin insoweit nur tatsächliche Belieferungswege auf. Dies gilt auch für die
- bislang erfolgte Einspeisung aus vorgehaltenen Gasspeichern; auch insoweit
- handelte es sich nur um eine von der Beschwerdeführerin bislang genutzte
- Marktchance. Rechtspositionen sind hiermit nicht verbunden. Verändert werden
- lediglich die Bedingungen des Marktzugangs für den Absatz von Ausgleichsenergie, weil diese nunmehr zentral von den Bilanzkreisnetzbetreibern
- nachgefragt werden. Diesen gegenüber kann die Beschwerdeführerin diese
- Leistungen anbieten. Dass sie diese möglicherweise nicht mehr so auskömmlich vertreiben kann, berührt die grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 12,
- 14 GG nicht.
- b) Hinsichtlich der weiteren Festlegungen der GABi Gas ist die Be-
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- schwerdeführerin ebenfalls nicht beschwerdebefugt. Auch insoweit kommt, weil
- sie keinen Beiladungsantrag gestellt hat, eine Beschwerdebefugnis nur dann in
- Betracht, wenn die Festlegung sie nicht nur wirtschaftlich trifft, sondern sie in ihrem
-
- eigenen
-
- Rechtskreis
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- rechtsfehlerfrei verneint.
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- berührt.
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- Dies
-
- hat
-
- das
-
- Beschwerdegericht
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- - 12 -
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- aa) Dies gilt zum einen für die in Nummer 2 der Festlegung angeordnete
- Absenkung der Toleranzgrenze des § 30 Abs. 1 GasNZV von bislang zehn auf
- nunmehr null Prozent. Diese Änderung bedingt zugleich, dass der entgeltfreie
- Basisbilanzausgleich für Transportkunden nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GasNZV
- faktisch entfällt.
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- (1) Die Verfügung enthält in ihrer Nummer 2 eine abstrakte Festlegung
- der Änderung der Toleranzgrenze. Regelungen dieser Art dienen dazu, in dem
- durch das Energiewirtschaftsgesetz und die Gasnetzzugangsverordnung vorgegebenen Rahmen durch generelle Handlungsanweisungen das Verhalten der
- Marktteilnehmer in typischerweise im Rahmen ihrer geschäftlichen Betätigung
- häufig wiederkehrenden einzelnen Situationen so zu steuern, dass sich die
- Wettbewerbskräfte auf dem Gasmarkt bestmöglich entfalten können (vgl. BGH,
- Beschluss vom 29. April 2008 - KVR 28/07, RdE 2008, 362 Rn. 13 - Edifact). Zu
- solchen Festlegungen ist die Bundesnetzagentur ermächtigt (§ 42 Abs. 6
- GasNZV). Der Gesetzgeber hat nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG dem Verordnungsgeber die Möglichkeit eröffnet, der Bundesnetzagentur auch die
- allgemeine Festlegung von Netzzugangsbedingungen zu übertragen, die von
- der Bundesnetzagentur dann in Form von Allgemeinverfügungen ausgeübt wird
- (BGH aaO Rn. 12 - Edifact). Die Bundesnetzagentur kann damit Netzzugangsbedingungen in abstrakt-genereller Form festlegen. Dazu zählt auch eine
- Absenkung der Toleranzgrenze durch eine auf § 42 Abs. 6 GasNZV gestützte
- Allgemeinverfügung.
-
- 26
-
- Solche abstrakten Festlegungen bedürfen aber der Umsetzung in das
- konkrete Leistungsverhältnis, das zwischen dem Netzbetreiber und den durchleitenden Transportkunden besteht. Dies gilt auch für die Bestimmung der
- Toleranzgrenze nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GasNZV. Die Toleranzgrenze enthält
- kein absolutes Ge- oder Verbot, sie bildet lediglich eine Bezugsgröße für den
-
- - 13 -
-
- Basisbilanzausgleich. Innerhalb der Toleranzgrenze haben die in der Verordnung näher bezeichneten Netzbetreiber einen Ausgleich ohne gesondertes
- Entgelt anzubieten (§ 26 Abs. 2 GasNZV). Wie sich die Toleranzgrenze für die
- durchleitenden Gasversorger auswirkt, ergibt sich aber letztlich aus der einzelnen Abrechnung zwischen Netzbetreiber und Transportkunden. Erst wenn die
- konkrete Abrechnung erfolgt, lässt sich feststellen, ob der Transportkunde im
- Einzelfall durch die Änderung der Toleranzgrenze belastet ist. Im Übrigen stehen die vom Netzbetreiber zu tragenden Kosten für die Ausgleichsenergie in
- einem unmittelbaren Zusammenhang zu den für die Berechnung der Netznutzungsentgelte maßgeblichen Netzkosten im Sinne des § 5 Abs. 1 i.V.m. § 4
- Abs. 3 GasNEV. Ein höherer Bezug von durch den Netzbetreiber zu bezahlender
-
- Ausgleichsenergie
-
- wirkt
-
- sich
-
- dann
-
- nämlich
-
- auf
-
- die
-
- Höhe
-
- der
-
- Netznutzungsentgelte aus. Auch unter diesem Gesichtspunkt bewirkt die Festlegung der Toleranzgrenze auf Null noch keine unmittelbare Beeinträchtigung
- rechtlich geschützter Interessen der Beschwerdeführerin.
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- Die von der Bundesnetzagentur nach § 42 Abs. 6 GasNZV vorgenommene Absenkung der Toleranzgrenze auf null Prozent berührt mithin den
- Transportkunden nicht unmittelbar. Sie wird in dem Vertragsverhältnis zwischen
- Netzbetreiber und Transportkunden erst erheblich, soweit Abweichungen von
- Einspeise- und Ausspeisemengen konkret ermittelt werden. Damit fehlt der
- Festlegung gegenüber der Beschwerdeführerin die Regelungswirkung (vgl.
- BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 37/08, WuW/E DE-R 2728 Rn. 19
- - Versicherergemeinschaft). Das Privatrechtsverhältnis wird hierdurch nicht unmittelbar gestaltet, weil die Festlegung der Toleranzgrenze lediglich eine
- Vorgabe für die Abrechnung innerhalb der Leistungsbeziehung betrifft. Diese
- Vorgabe ist dann von dem Netzbetreiber, der den Basisbilanzausgleich unter
-
- - 14 -
-
- Beachtung der Toleranzgrenze zu vollziehen hat, erst in der konkreten Einzelabrechnung umzusetzen.
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- (2) Hinzu kommt, dass die Festlegung der Toleranzgrenze - worauf das
- Beschwerdegericht zutreffend hinweist - gegenüber den einzelnen Transportkunden auch keine unmittelbar drittschützende Wirkung hat.
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- 29
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- Maßgeblich ist für die Frage der drittschützenden Wirkung (vgl. hierzu
- auch BVerwGE 117, 93 Rn. 16), welchen Schutzinteressen die Toleranzgrenze
- dienen soll. Dies beantwortet sich im Wesentlichen danach, unter welchen Voraussetzungen eine Änderung vorgenommen werden darf. Das entscheidende
- Kriterium hierfür ist gemäß § 42 Abs. 6 GasNZV die Marktsituation. Diese ist im
- Licht der energiewirtschaftsrechtlichen Zielsetzungen (§ 1 EnWG) zu bewerten.
- Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Bundesnetzagentur eine Entscheidung über die Toleranzgrenze zu treffen. Damit wird aber deutlich, dass
- Schutzgut auch dieser Regelung die Sicherstellung einer leistungsfähigen, kostengünstigen und transparenten Energieversorgung für den Letztverbraucher
- ist. Um ein transparentes Abrechnungssystem zu sichern und versteckte Netzkosten zu vermeiden, die dann umgelegt werden müssen, soll die Nominierung
- der in Anspruch genommenen Ein- und Ausspeisekapazitäten (§ 27 GasNZV)
- möglichst realitätsnah erfolgen. Ein- und Ausspeisungen sind durch die Transportkunden nach § 26 Abs. 1 GasNZV zeitgleich aufeinander anzupassen;
- Abweichungen zwischen eingespeisten und zum Verbrauch entnommenen
- Gasmengen sollen so möglichst gering gehalten werden (vgl. BR-Drucks.
- 256/05 S. 47 f.). Auch dies dient dem strukturpolitischen Ziel transparenter
- Netzentgelte (§ 21 Abs. 1 EnWG) und erleichtert es, entsprechend den Vorgaben des § 20 Abs. 1b EnWG in möglichst hohem Umfang miteinander
- verbundene Netze ausweisen und entsprechende Verträge anbieten zu können.
- Mithin kommt im Hinblick auf ihren vom Normgeber verfolgten Zweck der Fest-
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- - 15 -
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- legung der Toleranzgrenze allein eine energiewirtschaftlich steuernde, aber
- keine unmittelbar drittschützende Wirkung zu.
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- bb) Eine rechtliche Betroffenheit kann die Beschwerdeführerin auch aus
- den übrigen Regelungen der angegriffenen Festlegungen nicht ableiten. Sie
- meint, dass jedenfalls § 10 Nr. 2 Satz 3 SBKV gegen § 10 Abs. 1 EichO verstoße. Ihr könne nicht zugemutet werden, in Befolgung dieser Regelung des
- Standardbilanzkreisvertrages Gas mit einem Bußgeldverfahren (§ 74 Nr. 18
- EichO) überzogen zu werden.
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- Es trifft zwar zu, dass die Gefahr der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit eine rechtliche Betroffenheit begründen kann (BVerfGK 1, 107). Die
- vertraglichen Regelungen setzen die Beschwerdeführerin indes keiner solchen
- Gefahr aus. Die Vorschriften der §§ 26 ff. GasNVZ und die auf ihrer Grundlage
- ergangenen Festlegungen der Bundesnetzagentur im Blick auf den Bilanzausgleich stellen gegenüber den eichrechtlichen Regelungen insoweit die
- spezielleren Regelungen dar. Zudem hat die Bundesnetzagentur überzeugend
- dargelegt, dass die Bilanzierung in diesem Sinne nur die Feststellung von Zwischenwerten betrifft. Die Umwertung auf thermische Energie im Sinne von § 10
- Abs. 2 Nr. 3 EichO erfolgt dann im Verhältnis zum Kunden unter Zugrundelegung eines Abbrennwertes.
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- c) Die vorstehenden Grundsätze bezüglich der Beschwerdebefugnis solcher Dritter, die durch die Entscheidung der Regulierungsbehörde potenziell
- betroffen sein können, bedürfen im Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. April 2008 (C-55/06 - Arcor) keiner Korrektur. Der
- Gerichtshof hat - bezüglich einer Anpassungsanordnung im Bereich der Telekommunikationsleistungen - ausgeführt, dass bei Regulierungsentscheidungen,
- die Preise betreffen, auch der Vertragspartner des Adressaten der Regulie-
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- - 16 -
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- rungsentscheidung in seinen Rechten berührt wird und ihm deshalb Rechtsschutz zu gewähren ist. Es bedürfe nicht einmal einer Vertragsbeziehung, damit
- die Rechte eines Begünstigten von einer solchen Entscheidung potenziell betroffen sind (EuGH aaO Rn. 177). Ungeachtet dessen, ob für bloße vertragliche
- Abrechnungsregelungen - wie hier gegeben - dieselben Grundsätze gelten, erfüllt das deutsche Recht dieses Erfordernis. Die Beschwerdeführerin hätte
- nämlich nur einen Beiladungsantrag stellen müssen, dann wäre sie im Falle einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit beschwerdebefugt, auch wenn
- sie von der Regulierungsbehörde nicht beigeladen worden wäre. Mit einer solchen auch hier bestehenden Beschwerdemöglichkeit hat Deutschland das
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- sich aus der Gasbinnenmarktrichtlinie ergebende Rechtsschutzgebot (Art. 25
- Abs. 6 der Richtlinie EG 2003/55/EG, die mittlerweile durch die inhaltsgleiche
- Regelung des Art. 41 Abs. 12 der Richtlinie 2009/73/EG abgelöst wurde) in ausreichendem Maße umgesetzt.
- Tolksdorf
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- Raum
- Kirchhoff
-
- Strohn
- Grüneberg
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- Vorinstanz:
- OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.09.2009 - VI-3 Kart 25/08 (V) -
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