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1 year ago
  1. Nachschlagewerk: ja
  2. BGHSt:
  3. ja
  4. I. und II.
  5. Veröffentlichung: ja
  6. ___________________________
  7. StGB §§ 16, 239 a, 253
  8. BGB § 242
  9. 1. Überläßt ein Betäubungsmittelhändler seinem Kunden, der ihn über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht hat, die verkauften Drogen ohne Kaufpreiszahlung, hat er auch keinen Anspruch auf deren Rückgabe, denn eine derartige Forderung ist wegen unzulässiger Rechtsausübung mit Treu und Glauben
  10. unvereinbar. Ihm steht daher nach Verbrauch der Drogen durch den Kunden auch
  11. kein Anspruch auf Geldersatz zu. Will er die Bezahlung der Betäubungsmittel mit
  12. Nötigungsmitteln durchsetzen, erstrebt er demgemäß eine unrechtmäßige Bereicherung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB.
  13. 2. Ein Irrtum des Erpressers über die Unrechtmäßigkeit der von ihm erstrebten Bereicherung liegt nicht schon dann vor, wenn er sich nach den Anschauungen der
  14. einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen
  15. das Opfer fühlt. Maßgeblich ist vielmehr, ob er sich vorstellt, daß dieser Anspruch
  16. auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß
  17. mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozeß durchsetzen könnte.
  18. BGH, Urt. vom 7. August 2003 - 3 StR 137/03 - LG Aurich
  19. BUNDESGERICHTSHOF
  20. -2-
  21. IM NAMEN DES VOLKES
  22. URTEIL
  23. 3 StR 137/03
  24. vom
  25. 7. August 2003
  26. in der Strafsache
  27. gegen
  28. 1.
  29. 2.
  30. 3.
  31. wegen zu 1. und 2.: gefährlicher Körperverletzung u. a.
  32. zu 3.: Beihilfe zur gefährlicher Körperverletzung u. a.
  33. -3-
  34. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. August
  35. 2003, an der teilgenommen haben:
  36. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  37. Prof. Dr. Tolksdorf,
  38. die Richter am Bundesgerichtshof
  39. Dr. Miebach,
  40. Winkler,
  41. Pfister,
  42. Becker
  43. als beisitzende Richter,
  44. Bundesanwalt
  45. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  46. Justizamtsinspektorin
  47. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  48. für Recht erkannt:
  49. -4-
  50. 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
  51. Landgerichts Aurich vom 21. Januar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben
  52. a) in vollem Umfang, soweit es die Angeklagten R.
  53. E.
  54. und
  55. betrifft;
  56. b) bezüglich des Angeklagten T.
  57. , soweit dieser wegen
  58. gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Bedrohung verurteilt wurde, sowie im Strafausspruch.
  59. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  60. Von Rechts wegen
  61. Gründe:
  62. Das Landgericht hat den Angeklagten R.
  63. wegen gefährlicher Kör-
  64. perverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Bedrohung, Nötigung, versuchtem Wohnungseinbruchsdiebstahl und mit Beleidigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie den Angeklagten T.
  65. we-
  66. gen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit
  67. Bedrohung und wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr mit
  68. -5-
  69. Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen den Angeklagten E.
  70. hat
  71. das Landgericht wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Freiheitsberaubung auf eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen erkannt. Mit ihrer
  72. zuungunsten der Angeklagten eingelegten, hinsichtlich des Angeklagten T.
  73. zwar nicht nach dem Revisionsantrag, jedoch nach dem Inhalt der Revisionsbegründung eindeutig und wirksam (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3;
  74. BGH bei Becker NStZ-RR 2003, 6 Nr. 18) auf den Fall der Verurteilung wegen
  75. gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Bedrohung beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet namentlich, daß die Angeklagten nicht wegen
  76. erpresserischen Menschenraubs und räuberischer Erpressung bzw. (Angeklagter E.
  77. ) wegen Beihilfe zu diesen Delikten verurteilt worden sind. Das
  78. Rechtsmittel hat Erfolg.
  79. I. Das Landgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - folgende Feststellungen getroffen:
  80. Die Angeklagten R.
  81. und T.
  82. hatten dem
  83. für zahlungskräftig hielten, Haschisch zum Preis von 250
  84. Ru.
  85. Ru. , den sie
  86.  
  87. war mit dem Angebot einverstanden, nahm die Drogen noch im Juni 2002
  88. entgegen und versprach, den Kaufpreis in den nächsten Tagen zu zahlen. Unwiderlegt konnte und wollte er jedoch die 250
  89.    e-
  90. benen Betäubungsmittel verbrauchte er in der Folgezeit. Als ihn die Angeklagten R.
  91. und T.
  92. mehrfach zur Zahlung aufforderten, vertröstete er sie
  93. und schaltete schließlich sein Mobiltelefon ab, um nicht mehr erreichbar zu
  94. sein.
  95. Am Abend des 7. August 2002 trafen die Angeklagten R.
  96. und E.
  97. - dieser hatte bis dahin von dem Betäubungsmittelgeschäft nichts gewußt -
  98. -6-
  99. zufällig auf
  100. Ru.
  101. . Zusammen mit diesem und dem vom Angeklagten R.
  102. telefonisch informierten Angeklagten T.
  103. klagten E.
  104. klagten R.
  105. zu einem einsam gelegenen Betonwerk. Dort wollten die Angeund T.
  106. chen. Da sich
  107. mit
  108. Ru.
  109. Angeklagten R.
  110. Ru.
  111. fuhren sie im Pkw des Ange-
  112. und T.
  113. Ru.
  114. die Zahlungsmodalitäten bespre-
  115. jedoch weiterhin hinhaltend äußerte, wurden die
  116. zunehmend erboster. Sie bedrohten
  117. zunächst, er werde nicht mehr lange leben und solle schon einmal sein
  118. Testament machen. Dann schlugen sie ihm - um ihrer Forderung Nachdruck zu
  119. verleihen - abwechselnd mit der flachen Hand ins Gesicht. Außerdem schlug
  120. der Angeklagte T.
  121. des
  122. Ru.
  123. mit einer hölzernen Gardinenstange auf den Oberkörper
  124. ein und drückte der Angeklagte R.
  125. eine brennende Ziga-
  126. rette auf dessen Hand aus.
  127. Um den Druck auf den verängstigten und wehrlosen
  128. Ru.
  129. zu er-
  130. höhen, fuhren die drei Angeklagten gegen 23.00 Uhr zu der von den Angeklagten R.
  131. und T.
  132. genutzten Wohnung. Dort wurde
  133. Ru.
  134. in der
  135. folgenden Nacht zeitweise auf einen Küchenstuhl gefesselt sowie von den Angeklagten R.
  136. und T.
  137. sowie dem später hinzugekommenen - bereits
  138. rechtskräftig abgeurteilten - früheren Mitangeklagten K.
  139. in verschie-
  140. denster Weise bedroht, geschlagen und gedemütigt, um ihn zur Bezahlung des
  141. Haschisch zu veranlassen.
  142. Ru.
  143. war hierdurch letztlich so einge-
  144. schüchtert, daß er vorschlug, die Forderung der Angeklagten R.
  145. und T.
  146. statt mit Geld mit persönlichen Wertgegenständen zu begleichen und zu
  147. diesem Zweck zu sich nach Hause zu fahren. Die Angeklagten R.
  148. T.
  149. R.
  150. und
  151. waren hiermit einverstanden. Noch in der Nacht fuhr der Angeklagte
  152. mit
  153. klagten R.
  154. Ru.
  155. zu dessen Elternhaus, wo
  156. Ru.
  157. dem Ange-
  158. verschiedene ihm gehörende Gegenstände, unter anderem
  159. eine Spielkonsole mit Spielen, DVD-Filme und CDs aushändigte. Weil diese
  160. -7-
  161. Gegenstände zur Begleichung der Forderung nicht ausreichten, bot
  162. Ru.
  163. dem Angeklagten R.
  164. am nächsten Morgen an, aus dem Schlafzim-
  165. mer seiner Eltern zusätzlich einen kleinen Tresor zu besorgen, obwohl er
  166. wußte, daß dieser kein Geld enthielt. Beide begaben sich nochmals zum Elternhaus des
  167. Ru.
  168. . Zu einer Übergabe des Tresors kam es jedoch
  169. nicht mehr, weil sie von dem Stiefvater von
  170. Ru.
  171. überrascht wurden.
  172. II. Das Landgericht hat eine Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs (§ 239 a StGB) und räuberischer Erpressung
  173. (§§ 253, 255 StGB) bzw. wegen Beihilfe hierzu für ausgeschlossen erachtet,
  174. weil es an der in beiden Straftatbeständen vorausgesetzten Unrechtmäßigkeit
  175. der von den Haupttätern beabsichtigten Bereicherung fehle. Es ist im Anschluß
  176. an den Beschluß des Senats vom 12. März 2002 (3 StR 4/02 = NStZ 2003, 151
  177. m. Anm. Kindhäuser/Wallau = JR 2003, 163 m. Anm. Engländer) der Auffassung, daß den Angeklagten R.
  178. und T.
  179. aufgrund des von
  180. Ru.
  181. bei Abschluß des Betäubungsmittelgeschäftes begangenen Betruges ein
  182. Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB zugestanden
  183. habe. Sie hätten daher zur Durchsetzung einer berechtigten Forderung gehandelt. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin zu Recht.
  184. 1. Die für den Tatbestand der Erpressung erforderliche Absicht des Täters, sich oder einen Dritten aus dem Vermögen des Genötigten zu Unrecht zu
  185. bereichern (§ 253 Abs. 1 StGB), deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug
  186. (§ 263 Abs. 1 StGB) vorausgesetzten Absicht, sich oder einem Dritten aus dem
  187. Vermögen des Getäuschten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (BGH bei Dallinger MDR 1972, 197; BGH NJW 1988, 2623). Die erstrebte Vermögensverschiebung geschieht zu Unrecht, wenn dem Täter kein
  188. materiell-rechtlicher Anspruch auf die geforderte Leistung zusteht. Ob dies der
  189. -8-
  190. Fall ist, bestimmt sich nach zivil- oder gegebenenfalls auch öffentlichrechtlichen Maßstäben (vgl. BGHSt 19, 206, 214 f.; BGH NStZ 1993, 388;
  191. Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 172; Lackner/Kühl,
  192. StGB 24. Aufl. § 263 Rdn. 61).
  193. Die Angeklagten R.
  194. handlungen das Ziel,
  195. und T.
  196. Ru.
  197. verfolgten mit ihren Nötigungs-
  198. zur Bezahlung des ihm überlassenen Ha-
  199. schischs zu veranlassen. Ein derartiger Zahlungsanspruch stand ihnen zivilrechtlich jedoch nicht zu (so bereits - ohne nähere Begründung - BGH bei Holtz
  200. MDR 1980, 106). Sie erstrebten daher eine unrechtmäßige Bereicherung.
  201. a) Einen Kaufpreisanspruch (§ 433 Abs. 2 BGB) über 250
  202. Angeklagten R.
  203. und T.
  204.   
  205. (im folgenden: die beiden Angeklagten) durch
  206. Abschluß des Betäubungsmittelgeschäfts mit
  207. Ru.
  208. nicht erworben. Das
  209. Geschäft verstieß, da weder die beiden Angeklagten noch
  210. Ru.
  211. über die
  212. entsprechenden Erlaubnisse verfügten, gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3
  213. Abs. 1 Nr. 1 BtMG), und die daran Beteiligten machten sich strafbar (§ 29
  214. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG). Der Kaufvertrag war daher nichtig (§ 134 BGB).
  215. b) Bereicherungsrechtliche Zahlungsansprüche der beiden Angeklagten
  216. waren ebenfalls nicht entstanden. Allerdings hatten sie
  217. Ru.
  218. wegen der
  219. Nichtigkeit des Kaufvertrages das Haschisch ohne Rechtsgrund übergeben
  220. (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB), wodurch dieser wegen der Nichtigkeit auch
  221. des Verfügungsgeschäftes (vgl. BGHSt 31, 145, 146 ff.) zwar kein Eigentum,
  222. jedoch den Besitz erlangte. Diesen konnten die Angeklagten aber gemäß § 817
  223. Satz 2 BGB nicht zurückfordern. Durch den Verbrauch des Haschisch entstand
  224. daher auch kein Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB.
  225. -9-
  226. c) Den beiden Angeklagten stand auch kein Schadensersatzanspruch
  227. gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 263 Abs. 1 StGB zu.
  228. Dabei bedarf es hier keines näheren Eingehens auf die Frage, ob auch
  229. der unter Strafandrohung stehende Besitz an dem Haschisch (§ 29 Abs. 1 Satz
  230. 1 Nr. 3 BtMG) strafrechtlich als Vermögensbestandteil der beiden Angeklagten
  231. zu werten war, so daß sie durch dessen unentgeltliche Weggabe einen Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB erlitten (so auf der Grundlage
  232. des faktisch-wirtschaftlichen Vermögensbegriffs - vgl. allgemein RGSt 44, 230;
  233. BGHSt 2, 364; 8, 254; 15, 83 - für den konkreten Fall des Betäubungsmittelbesitzes: BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2; BGHR StGB § 263
  234. Abs. 1 Versuch 1; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3). Ebenfalls kann
  235. offen bleiben, ob bei zivilrechtlicher Betrachtung gleichfalls ein Schaden der
  236. beiden Angeklagten vorlag, und ob, falls dies wegen der Strafbarkeit des Besitzes und der Verwertung des Haschisch (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BtMG)
  237. zu verneinen sein sollte, bei gleichzeitiger Annahme eines Schadens im Sinne
  238. des § 263 Abs. 1 StGB der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung
  239. verletzt wäre (so die Vertreter des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs;
  240. s. statt vieler Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 82 f. m.
  241. w. N.; Spickhoff JZ 2002, 970, 973), schließlich auch, ob ein unauflöslicher Widerspruch entstünde, wenn über § 823 Abs. 2 BGB der abweichende strafrechtliche Vermögensbegriff in das Zivilrecht inkorporiert würde (vgl. Bergmann/Freund JR 1988, 189, 190; Zieschang in Festschrift für H.-J. Hirsch
  242. S. 831, 833 f.).
  243. Auch wenn der Verlust des Besitzes an den Betäubungsmitteln als
  244. Schaden im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, § 263 Abs. 1 StGB zu bewerten war,
  245. stand den beiden Angeklagten nämlich kein Anspruch auf dessen Ersatz zu,
  246. - 10 -
  247. weder im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) noch - nach
  248. Verbrauch des Haschisch durch
  249. Ru.
  250. - in Form von Geldersatz (§ 251
  251. Abs. 1 BGB). Die Durchsetzung eines derartigen Anspruchs war wegen unzulässiger Rechtsausübung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen (vgl. Zieschang aaO S. 830, 833). Das Verlangen der beiden Angeklagten
  252. an
  253. Ru. , ihnen das Haschisch zurückzugeben (§ 249 Abs. 1 Satz 1
  254. BGB), wäre rechtsmißbräuchlich gewesen, da es auf die Herstellung eines
  255. strafrechtlich verbotenen Erfolges zielte. Dabei ist ohne Belang, ob sich
  256. Ru.
  257. und die beiden Angeklagten durch die Rückabwicklung wegen Abgabe
  258. bzw. Erwerbs von Betäubungsmitteln strafbar gemacht hätten (ablehnend Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 Rdn. 646 und 726 unter Berufung auf BGHSt 37, 147,
  259. 149; BGH StV 1984, 248). Jedenfalls hätten die beiden Angeklagten mit der
  260. Wiederinbesitznahme des Haschisch den Straftatbestand des § 29 Abs. 1 Satz
  261. 1 Nr. 3 BtMG - erneut - erfüllt. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zur Herbeiführung eines derartigen rechtswidrigen Zustands ist mit
  262. Treu und Glauben unvereinbar; denn ebenso, wie es rechtsmißbräuchlich ist,
  263. ein Recht, das durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben wurde, auszuüben (vgl. BGHZ 57, 108, 111; BVerwG NJW 1994, 954,
  264. 955; Palandt/Heinrichs, BGB 62. Aufl. § 242 Rdn. 43 f.), ist es mißbräuchlich,
  265. ein Recht geltend zu machen, um einen gesetzwidrigen, strafbaren Zustand
  266. herbeizuführen. Bestand danach kein Anspruch auf Rückgabe des Haschisch
  267. im Wege der Naturalrestitution, konnte aber auch ein Geldersatzanspruch nach
  268. § 251 Abs. 1 BGB nicht zur Entstehung gelangen. Dem steht im übrigen auch
  269. entgegen, daß durch eine derartige Zahlung wirtschaftlich zumindest teilweise nämlich in Höhe des negativen Interesses - die Rechtsfolge herbeigeführt
  270. würde, die der Gesetzgeber durch das Verbot des ungenehmigten Betäubungsmittelhandels unterbinden wollte.
  271. - 11 -
  272. d) Jedenfalls aus diesem Grunde konnten die beiden Angeklagten
  273. - unabhängig vom Vorliegen der jeweiligen sonstigen Voraussetzungen - auch
  274. nach allen sonstigen denkbaren Anspruchsgrundlagen (§ 311 Abs. 2, § 241
  275. Abs. 2, § 280 Abs. 1; § 249 Abs. 1 BGB - culpa in contrahendo -; §§ 826, 249
  276. Abs. 1 BGB; § 861 Abs. 1 BGB; § 1007 Abs. 1 BGB) die Rückgabe des Haschisch nicht verlangen, so daß auch insoweit ein Sekundäranspruch auf
  277. Geldzahlung ausschied.
  278. 2. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann dem angefochtenen Urteil auch nicht entnommen werden, daß sich die beiden Angeklagten zumindest in einem Irrtum über die Berechtigung ihrer Forderung an
  279. Ru.
  280. befanden und daher jedenfalls im Ergebnis zu Recht nicht wegen
  281. erpresserischen Menschenraubs und räuberischer Erpressung verurteilt wurden.
  282. Allerdings ist bei der Erpressung die Rechtswidrigkeit des erstrebten
  283. Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der
  284. - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muß. Stellt er sich für die
  285. erstrebte Bereicherung einen Anspruch vor, der in Wirklichkeit nicht besteht, so
  286. handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB
  287. (BGH NStZ-RR 1996, 9 m. zahlr. N.). Ein solcher Irrtum wird hier aber durch
  288. die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung getroffene Feststellung,
  289. daß sich die beiden Angeklagten "in naiver Verkennung ihres Tuns berechtigt
  290. fühlten, ihre Forderung gewaltsam durchzusetzen" (UA S. 19), nicht belegt.
  291. Das Landgericht hat sich - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht damit auseinandergesetzt, ob nach dem Vorstellungsbild der Angeklagten ein Tatbestandsirrtum im dargestellten Sinne vorlag. Auf die genannte Strafzumessungserwägung, die sich zudem weniger auf die Vorstellung
  292. - 12 -
  293. der beiden Angeklagten über ihre Forderung, als vielmehr auf ihre vermeintliche Berechtigung zu deren gewaltsamer Durchsetzung bezieht (vgl. § 17
  294. StGB), kann der Senat daher die Feststellung eines Tatbestandsirrtums nicht
  295. stützen.
  296. Es kommt hinzu, daß ein solcher Irrtum bei Zugrundelegung der insoweit
  297. zu beachtenden rechtlichen Maßstäbe in Konstellationen wie der vorliegenden
  298. ohnehin in der Regel nicht gegeben sein wird. In subjektiver Hinsicht erstrebt
  299. der Täter eine unrechtmäßige Bereicherung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB
  300. schon dann, wenn er es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, daß seine
  301. Forderung nicht oder nicht im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber
  302. von der Rechtsordnung nicht geschützt wird (BGH aaO). Dies ist - wegen der
  303. normativen Natur dieses Tatbestandsmerkmals - nicht bereits dann der Fall,
  304. wenn der Täter die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich ergibt, daß
  305. ihm zivilrechtlich ein Anspruch nicht zusteht. Maßgeblich ist vielmehr, ob er
  306. sich als Ergebnis laienhafter Bewertung dieser Umstände einen Anspruch auf
  307. die erstrebte Leistung nicht zumißt oder für zweifelhaft hält. Ein Irrtum über die
  308. Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung liegt demgegenüber aber nicht
  309. schon dann vor, wenn sich der Nötigende nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen
  310. das Opfer fühlt. Entscheidend ist, ob er sich vorstellt, daß dieser Anspruch
  311. auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozeß durchsetzen könnte. Hierbei ist
  312. allein auf die Vorstellung des Täters über die materielle Rechtslage abzustellen. Dagegen ist es ohne Belang, ob der Täter die Forderung etwa wegen Beweisschwierigkeiten oder deswegen nicht für gerichtlich durchsetzbar hält, weil
  313. er durch eine Klage eigenes strafbares Tun offenbaren müßte.
  314. - 13 -
  315. Hier liegt es eher fern, daß die beiden Angeklagten angenommen haben
  316. könnten, ihnen stünden aus dem Betäubungsmittelgeschäft mit
  317. Ru.
  318. eine Forderung zu, die mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich einklagbar sei (vgl.
  319. die Einlassung der Angeklagten UA S. 6: "keine legale Möglichkeit ..., den Anspruch aus dem vorangegangenen Drogendeal durchzusetzen").
  320. 3. Der Senatsbeschluß vom 12. März 2002 (NStZ 2003, 151 = JR 2002,
  321. 163) steht hiesiger Entscheidung nicht entgegen. Dort hat der Senat für den
  322. umgekehrten Fall, daß der betrogene Betäubungsmittelkäufer dem Betäubungsmittelhändler den ertrogenen Kaufpreis wieder abpreßt, eine Verurteilung
  323. wegen erpresserischen Menschenraubs bzw. Erpressung für rechtsfehlerhaft
  324. erachtet, weil der Käufer seinen berechtigten Schadensersatzanspruch aus
  325. § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB habe durchsetzen und sich daher nicht im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB zu Unrecht habe bereichern wollen (offen gelassen
  326. vom 1. Strafsenat: BGH NStZ 2002, 597, 598). Dieser Sachverhalt und das hier
  327. zu beurteilende Geschehen unterscheiden sich in einer für die rechtliche Bewertung erheblichen Weise: Der Besitz von Betäubungsmitteln ohne die erforderliche Erwerbserlaubnis ist verboten und strafbar. Der Betäubungsmittelhändler, der seine gelieferten Betäubungsmittel zurückfordert, erstrebt daher
  328. die Herstellung eines strafbaren Zustands. Hierauf billigt ihm das Zivilrecht keinen Anspruch zu. Dagegen ist allein der Besitz des Kaufgeldes, auch wenn es
  329. zu strafbaren Zwecken bestimmt ist oder eingesetzt wurde, für sich nicht verboten und strafbewehrt. Verlangt der betrogene Betäubungsmittelkäufer sein
  330. Kaufgeld zurück, begehrt er daher nicht die Herbeiführung eines strafrechtlich
  331. relevanten Zustandes, sondern den berechtigten Ausgleich seines durch das
  332. betrügerische Betäubungsmittelgeschäft erlittenen Schadens, der ihm durch
  333. Treu und Glauben nicht versagt wird.
  334. - 14 -
  335. Hieran ist festzuhalten. Entgegen Kindhäuser/Wallau (NStZ 2003,
  336. 152 ff.) sind die Beteiligten an einem Betäubungsmittelgeschäft nicht aus dem
  337. Schutzbereich des § 263 StGB ausgenommen. Ein wegen seiner Herkunft,
  338. Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen kennt
  339. die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte nicht (vgl. BGHR StGB
  340. § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 m. w. N.). Auch können ein Betrugsschaden
  341. des Betäubungsmittelkäufers und daran anknüpfend ein Ersatzanspruch nach
  342. § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB nicht deswegen verneint werden, weil das
  343. Kaufgeld, da zu strafbaren Zwecken eingesetzt bzw. aus strafbarem Tun erlangt, gegebenenfalls der Einziehung (§ 74 StGB) oder dem Verfall (§ 73
  344. StGB) unterliegt. Die Einziehung und der Verfall knüpfen an das Vorliegen einer Straftat an. Für die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der
  345. §§ 253, 263 StGB können sie daher keine tauglichen Kriterien liefern. Dies wird
  346. für den Verfall an der Argumentation von Kindhäuser/Wallau besonders augenfällig. Da diese wegen der Möglichkeit des Verfalls den Betrugsschaden
  347. des getäuschten Betäubungsmittelkäufers verneinen, läge ein Betrug des Betäubungsmittelhändlers nicht vor, so daß es wiederum an den Voraussetzung
  348. für die Anordnung des Verfalls fehlen würde.
  349. III. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
  350. 1. Die Verurteilung des Angeklagten R.
  351. wegen versuchten Woh-
  352. nungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 StGB) wird von den
  353. bisherigen Feststellungen nicht getragen. Das Landgericht teilt nicht mit, durch
  354. welches Verhalten des Angeklagten R.
  355. es diesen Tatbestand für erfüllt
  356. erachtet. Aus den Feststellungen erschließt sich dies nicht. Als der Angeklagte
  357. zusammen mit
  358. Ru.
  359. zum ersten Mal dessen Elternhaus aufsuchte, ist er
  360. zwar in das Haus eingestiegen, hat dort jedoch keine fremden Gegenstände im
  361. - 15 -
  362. Wege eines Gewahrsamsbruchs weggenommen; vielmehr hat er sich von
  363. Ru.
  364. Gegenstände, die in dessen Eigentum standen, übergeben lassen
  365. oder hat sie mit dessen Einverständnis an sich genommen (vgl. UA S. 14). Als
  366. der Angeklagte das Elternhaus von
  367. Ru.
  368. zum zweiten Mal aufsuchte,
  369. hat er dieses nicht einmal betreten.
  370. Ru.
  371. ist von seinem Bruder einge-
  372. lassen worden. Ein versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl scheidet daher
  373. aus.
  374. Ob die Wegnahme des kleinen Tresors durch
  375. klagten R.
  376. Ru.
  377. dem Ange-
  378. überhaupt als Mittäter, mittelbarer Täter oder Gehilfe zugerech-
  379. net werden kann, wird in der neuen Verhandlung näherer Überprüfung bedürfen. Ein fehlender Strafantrag gegen
  380. Ru.
  381. entsprechenden Verurteilung des Angeklagten R.
  382. (§ 247 StGB) stünde einer
  383. jedenfalls nicht entge-
  384. gen (Lackner/Kühl aaO § 247 Rdn. 3).
  385. 2. Bedenken bestehen auch im Hinblick darauf, daß das Landgericht
  386. den Angeklagten R.
  387. nicht nur wegen Nötigung (§ 240 StGB), sondern
  388. daneben auch wegen tateinheitlicher Bedrohung (§ 241 StGB) verurteilt hat.
  389. Die Todesdrohungen dienten allein der Durchsetzung des Endzieles des Angeklagten,
  390. Ru.
  391. zur Geldzahlung zu zwingen. Die Bedrohung tritt da-
  392. her im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter den Tatbestand der Nötigung
  393. nach § 240 StGB zurück (BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2).
  394. Tolksdorf
  395. Miebach
  396. Pfister
  397. Winkler
  398. Becker