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165 lines
10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZR 92/13
  4. vom
  5. 12. Februar 2014
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Februar 2014 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger und Dr. Botur beschlossen:
  10. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und der Drittwiderklägerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des
  11. Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2013 insoweit zugelassen, als die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung
  12. zur Zahlung von 10.650,50 € nebst Zinsen und die Berufung der
  13. Drittwiderklägerin gegen die Abweisung ihrer auf Zahlung von
  14. 5.000 € nebst Zinsen gerichteten Klage sowie der Erledigungsfeststellung in Bezug auf eine die Höhe von 25% übersteigende
  15. Mietminderung zurückgewiesen und der Antrag des Beklagten auf
  16. Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen an ihn abgewiesen worden ist.
  17. Auf die Revision des Beklagten und der Drittwiderklägerin wird das
  18. vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und im Umfang der zugelassenen Revision aufgehoben.
  19. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  20. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  21. an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  22. Beschwerdewert: 76.091 €.
  23. -3-
  24. Gründe:
  25. I.
  26. 1
  27. Die Klägerin vermietete an die Drittwiderklägerin Räumlichkeiten zum
  28. Betrieb einer Gaststätte. In den ersten vier Nutzungsmonaten (September bis
  29. Dezember 2009) sollten nur Vorauszahlungen auf die Nebenkosten geleistet
  30. werden, ab Januar 2010 auch darüber hinausgehende Miete, für die der Beklagte sich selbstschuldnerisch bis zum Höchstbetrag von 10.650,50 € verbürgte.
  31. 2
  32. Im Januar 2010 wurde ein Schaden an der Heizungs- und Lüftungsanlage festgestellt, dessen Ursachen streitig sind. Die Drittwiderklägerin minderte
  33. die Miete wegen dieses Mangels und wegen behaupteter Feuchtigkeitsschäden
  34. sowie Belästigungen durch vom Kellergeschoss aufsteigenden Chlorgeruch. Mit
  35. Schreiben vom 22. Februar 2010 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs.
  36. 3
  37. Mit der Klage hat die Klägerin ausstehende Miete und Nutzungsentschädigung in Höhe des Bürgschaftshöchstbetrags von 10.650,50 € verlangt. Der
  38. Beklagte hat widerklagend den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten von
  39. 1.675,04 € verlangt.
  40. 4
  41. Die Drittwiderklägerin hat, nachdem sie das Mietobjekt im späteren Verlauf des Rechtsstreits geräumt hat, Feststellung verlangt, dass ihre ursprünglichen Widerklagebegehren betreffend die Unwirksamkeit der Kündigung vom
  42. 22. Februar 2010 und die Pflicht der Klägerin zur Instandsetzung der Heizungsund Lüftungsanlage sowie zur Beseitigung von Feuchtigkeitsmängeln in der
  43. Hauptsache erledigt seien. Ferner hat sie einen Teilbetrag von 5.000 € nebst
  44. -4-
  45. Zinsen als überzahlte Miete und den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von
  46. 1.880,20 € nebst Zinsen verlangt.
  47. 5
  48. Das Landgericht hat, nachdem der Rechtsstreit durch ein erstes Berufungsurteil bereits dorthin zurückverwiesen worden war, den Beklagten zur Zahlung von 10.650,50 € nebst Zinsen verurteilt und seine Widerklage abgewiesen.
  49. Dabei hat es eine Mietminderung um (nur) 25 % angenommen, weil nichts Näheres von der Drittwiderklägerin dazu vorgetragen worden sei, wie sich die
  50. festgestellten Mängel auf die Nutzungsmöglichkeiten ausgewirkt hätten. Ferner
  51. hat es die Erledigung der Hauptsache in denjenigen Drittwiderklagepunkten
  52. festgestellt, die sich auf Mängel an der Heizungs- und Lüftungsanlage sowie auf
  53. Feuchtigkeitsschäden beziehen, und die weitergehende Drittwiderklage abgewiesen. Auf die Berufung der Drittwiderklägerin hat das Oberlandesgericht auch
  54. die Erledigung bezüglich der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. Februar
  55. 2010 festgestellt und die Klägerin zur Zahlung von 1.880,20 € an die Drittwiderklägerin verurteilt. Die weitergehende Berufung der Drittwiderklägerin sowie
  56. diejenige des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen
  57. wenden sich diese mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
  58. II.
  59. 6
  60. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544
  61. Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Urteils und insoweit
  62. zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
  63. 7
  64. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Oberlandesgericht die im Berufungsrechtszug näher dargelegten Auswirkungen der
  65. Mängel auf den Geschäftsbetrieb der Drittwiderklägerin unter unzutreffender
  66. -5-
  67. Annahme der Voraussetzungen der §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen und dadurch deren und des Beklagten Anspruch auf rechtliches Gehör
  68. in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
  69. 8
  70. a) Hinsichtlich des Umfangs der ihnen obliegenden Darlegungen durften
  71. der Beklagte und die Drittwiderklägerin nämlich im ersten Rechtszug davon
  72. ausgehen, dass das Landgericht der Senatsrechtsprechung folgen würde, wonach konkret nur die Sachmängel dargelegt werden müssen, die die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen, hingegen
  73. das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung durch den Mangel nicht in die Darlegungslast des Mieters fällt (Senatsurteil vom 27. Februar 1991 - XII ZR 47/90 NJW-RR 1991, 779, 780). Das gilt umso mehr, als das Oberlandesgericht bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 31. Mai 2011 auf diese Rechtsgrundsätze einschließlich der dazu ergangenen Senatsrechtsprechung hingewiesen hatte.
  74. 9
  75. b) Den Prozessstoff hat das Oberlandesgericht in seinem ersten Urteil,
  76. mit dem es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen hat, dahin
  77. gewürdigt, die Parteien hätten "bereits erstinstanzlich umfassend zu möglichen
  78. Leistungsverweigerungsrechten des Beklagten und vorliegenden Mängeln des
  79. Mietobjekts vorgetragen". Zuvor hatte das Oberlandesgericht in einem Hinweisbeschluss vom 31. Mai 2011 dargelegt, dass zwei der insgesamt drei vorgetragenen Mängel sogar unstreitig seien, es sich bei der unzureichenden Beheizbarkeit und bei der Schimmelbildung jeweils um einen erheblichen Mangel
  80. handle und deshalb der Klägerin der Beweis obliege, in welcher Höhe die (geminderte) Miete ab Januar 2010 geschuldet sei. Diese gesamten Hinweise durften der Beklagte und die Drittwiderklägerin dahin verstehen, dass ihr Sachvortrag zu den Mängeln in jeglicher Hinsicht als hinreichend substanziiert angesehen werde.
  81. -6-
  82. 10
  83. c) In Anbetracht dessen hätte das Landgericht, wenn es hinsichtlich
  84. zweier der drei Mängel, insbesondere hinsichtlich der Schimmelbildung, von
  85. unzureichender Substanziierung ausging, durch einen Hinweis gemäß § 139
  86. Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Ergänzung des Tatsachenvortrags hinwirken müssen.
  87. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Gericht darauf hinweisen muss, wenn sich
  88. seine Auffassung gegenüber einem früher erteilten Hinweis geändert hat
  89. (BVerfG NJW 1996, 3202; BGH Beschluss vom 16. Juni 2011 - X ZB 3/10 GRUR 2011, 851). Ebenfalls besteht eine Hinweispflicht, wenn das Rechtsmittelgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner
  90. abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 NJW-RR 2006, 235 Rn. 8 mwN). Nichts anderes kann gelten, wenn das Landgericht einen Sachverhalt, den das Berufungsgericht in seinem zurückverweisenden Urteil als "bereits umfassend vorgetragen" bezeichnet hat, für nicht ausreichend substanziiert erachtet.
  91. 11
  92. d) In Ermangelung des gebotenen Hinweises beruht es nicht auf Nachlässigkeit, wenn die Partei weiteren Sachvortrag zu Art und Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung unterlässt. Weist in einem solchen Fall das Landgericht die Mängelrügen als (teilweise) unsubstanziiert zurück und holt die Partei
  93. den vermeintlich fehlenden Sachvortrag in der Berufungsbegründung nach, ist
  94. dieser - sofern auch das Oberlandesgericht ihn nunmehr für erforderlich hält jedenfalls zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Denn ist im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu einem entscheidungserheblichen Punkt mangels hinreichender Substanziierung zurückgewiesen worden, ohne dass der
  95. Partei durch einen unmissverständlichen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung
  96. gegeben war, stellt sich die Zurückweisung des neuen, nunmehr substanziierten Vortrags im Berufungsrechtszug als eine offenkundig unrichtige Anwendung
  97. -7-
  98. des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (vgl.
  99. BGH Beschluss vom 9. Juni 2005 - V ZR 271/04 - NJW 2005, 2624).
  100. 12
  101. 2. Weiterhin rügt die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht, dass das
  102. Oberlandesgericht den Sachvortrag des Beklagten, der (Teil-)Anspruch der
  103. Drittwiderklägerin aus Mietüberzahlung in Höhe von 5.000 € sei an ihn abgetreten worden, zu Unrecht als unsubstanziiert zurückgewiesen und dadurch das
  104. rechtliche Gehör verletzt hat. Denn der Beklagte und die Drittwiderklägerin haben dargelegt, dass zwischen ihnen am 12. November 2012 ein Abtretungsvertrag geschlossen worden sei, mit dem unter anderem der Teilanspruch über
  105. 5.000 € an den Beklagten abgetreten worden sei. Diesen Sachverhalt haben sie
  106. sowohl unter Urkunden- als auch Zeugenbeweis gestellt. In welcher Hinsicht es
  107. an näherer Substanziierung fehle, ist weder ersichtlich noch durch das angefochtene Urteil aufgezeigt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung
  108. genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in
  109. Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht
  110. als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie
  111. wahrscheinlich die Darstellung ist. Der Pflicht zur Substanziierung ist mithin nur
  112. dann nicht genügt, wenn das Gericht auf Grund der Darstellung nicht beurteilen
  113. kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BGH Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR
  114. 77/08 - NJW 2009, 2137 Rn. 4). Ein Mangel solcher Art ist nicht erkennbar.
  115. -8-
  116. 13
  117. 3. Die weitergehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
  118. hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen
  119. Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern
  120. (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
  121. Dose
  122. Schilling
  123. Nedden-Boeger
  124. Günter
  125. Botur
  126. Vorinstanzen:
  127. LG Duisburg, Entscheidung vom 19.07.2012 - 1 O 182/10 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.05.2013 - I-24 U 144/12 -