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17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 241/03
  5. Verkündet am:
  6. 14. Dezember 2005
  7. Breskic,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB § 305 c Abs. 2; AGBG § 5
  18. Zur Anwendung des § 5 AGBG, wenn unklar bleibt, ob eine automatische Verlängerungsklausel erst nach Ausübung aller Verlängerungsoptionen des Mieters oder auch schon zuvor Anwendung findet.
  19. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2005 - XII ZR 241/03 - OLG Karlsruhe
  20. LG Offenburg
  21. -2-
  22. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  23. vom 14. Dezember 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
  24. Sprick, Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
  25. für Recht erkannt:
  26. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats in
  27. Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. November
  28. 2003 aufgehoben.
  29. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer
  30. des Landgerichts Offenburg vom 26. März 2002 wird zurückgewiesen.
  31. Der Beklagten werden die Kosten der Berufung und der Revision
  32. auferlegt.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein gewerbliches Mietverhältnis fortbesteht.
  37. 2
  38. Mit schriftlichem Vertrag vom 18. Januar 1989 vermietete die Rechtsvorgängerin des Klägers an die Rechtsvorgängerin der Beklagten ein erst zu erstellendes Ladenlokal.
  39. -3-
  40. 3
  41. § 3 des von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gestellten Formularmietvertrages lautet:
  42. "(1) Das Mietverhältnis beginnt mit Übernahme des schlüsselfertigen
  43. Mietobjektes und läuft 12 Jahre …
  44. (2) Der Mieter ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung, die dem Vermieter spätestens 6 Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses
  45. zugehen muß, die Verlängerung des Mietverhältnisses um 5 Jahre
  46. zu verlangen (Option). Dieses Recht kann der Mieter dreimal ausüben. Dem Mieter wird ein weiteres Optionsrecht eingeräumt (Vertragsverlängerung um 3 Jahre - Entscheidungsfrist wiederum 6 Monate).
  47. (3) Nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) verlängert sich das Mietverhältnis jeweils um 5 Jahre, falls es nicht seitens einer Vertragspartei spätestens 12 Monate vor seiner Beendigung beendigt wird."
  48. 4
  49. Das Mietverhältnis begann am 1. Juli 1990.
  50. 5
  51. Am 9. Oktober 1998 schrieb die Beklagte an die Klägerin:
  52. "… Wir teilen Ihnen mit, dass wir aus wirtschaftlichen Gründen das Mietobjekt zum 31.12.1998 schließen werden. Selbstverständlich ändert sich
  53. dadurch nichts an unseren mietvertraglichen Verpflichtungen, die wir
  54. auch weiter vollumfänglich erfüllen werden. In beiderseitigem Interesse
  55. schlagen wir schon jetzt gemeinsam zu prüfen vor, welche Anschlussverwertungen möglich sind."
  56. -4-
  57. Zum 31. Dezember 1998 schloss die Beklagte das in den Mieträumen
  58. 6
  59. betriebene Filialgeschäft. Anfang Juli 2001 bat die Beklagte den Kläger, einer
  60. Untervermietung zuzustimmen. Im anschließenden Schriftwechsel vertrat die
  61. Beklagte die Auffassung, dass das Mietverhältnis mit dem 30. Juni 2002 durch
  62. Zeitablauf ende.
  63. 7
  64. Das Landgericht hat der Klage festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über den 30. Juni 2002 hinaus fortbestehe und
  65. durch ordentliche Kündigung frühestens zum 30. Juni 2007 beendet werden
  66. könne, stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
  67. Entscheidungsgründe:
  68. 8
  69. Die Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
  70. 9
  71. 1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, das Mietverhältnis zwischen
  72. den Parteien sei mit Ablauf des 30. Juni 2002 beendet. Zu diesem Zeitpunkt sei
  73. die in § 3 Abs. 1 des Mietvertrages vereinbarte Mietzeit von 12 Jahren abgelaufen, ohne dass es einer vorherigen "Kündigung" des Vertragsverhältnisses
  74. durch die Parteien bedurft habe. Das Optionsrecht nach § 3 Abs. 2 des Vertrages habe die Beklagte nicht ausgeübt. Die in § 3 Abs. 3 vereinbarte Verlängerungsklausel sei nach Ablauf der fest vereinbarten ursprünglichen Mietzeit noch
  75. nicht anwendbar. Das ergebe eine Auslegung dieser Bestimmung. Bei § 3
  76. Abs. 3 des Mietvertrages handele es sich um eine von der Unternehmensgrup-
  77. -5-
  78. pe T. für eine Vielzahl von Verträgen verwendete Vertragsbedingung im Sinne
  79. von § 1 AGBG. Die Auslegung sei nach den allgemeinen Regeln der §§ 133,
  80. 157 BGB dahin vorzunehmen, dass die Verlängerungsklausel nicht schon nach
  81. Ablauf der fest vereinbarten Mietzeit von 12 Jahren, sondern erst nach dieser
  82. zuzüglich der vier Optionszeiträume, also erst 30 Jahre nach Mietbeginn, zur
  83. Anwendung komme. Die Voraussetzungen des § 5 AGBG seien nicht erfüllt,
  84. weil nur eine einzige Auslegung vertretbar sei. Der Wortlaut führe allerdings zu
  85. keinem eindeutigen Ergebnis. Zwar lege die Formulierung "nach Ablauf der
  86. Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) …" ein Verständnis nahe, dass
  87. damit der nach Ausübung aller der Mieterin vertraglich eingeräumten Optionsrechte verstrichene Zeitraum gemeint sei. Indessen erscheine aber auch eine
  88. Interpretation dahin möglich, dass die Verlängerungsklausel sowohl für die fest
  89. vereinbarte Mietzeit von 12 Jahren als auch für aufgrund Optionsausübung begründete weitere Vertragsabschlüsse gelten solle.
  90. 10
  91. Lasse der Wortlaut mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, so sei derjenigen der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und
  92. den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führe.
  93. Dem entspreche allein das Verständnis der Beklagten. Die Kumulation von Verlängerungsklausel, Kündigungsmöglichkeit zum Ablauf der festen Mietzeit für
  94. beide Parteien und Optionsrechte könne bei Vereinbarung einer festen Mietzeit
  95. zwar sinnvoll sein, weil sie dem Mieter die Möglichkeit gebe, durch seine Optionserklärung die Beendigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter zu
  96. verhindern. Entgegen der Auffassung des Klägers sei eine solche Kumulation
  97. aber nicht immer sinnvoll und im Zweifel nicht gewollt. Bei der hier vorliegenden
  98. Vertragsgestaltung führe sie zu Widersprüchlichkeiten, weil für beide Parteien
  99. die Frist nach § 3 Abs. 3 12 Monate, die Frist für die Option des Mieters nach
  100. § 3 Abs. 2 aber nur sechs Monate betrage. Lasse man die Verlängerungsklausel bereits nach Ablauf der zunächst vereinbarten Mietzeit von 12 Monaten und
  101. -6-
  102. nicht erst nach Ablauf der Mietzeit zuzüglich der Optionszeiträume eingreifen,
  103. werde der Mieterin die in § 3 Abs. 2 eingeräumte Möglichkeit genommen, sich
  104. erst sechs Monate vor Ablauf der Mietzeit zu entscheiden, ob sie von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen wolle oder nicht. Bei Unentschiedenheit werde sie
  105. gezwungen, vorsorglich bereits 12 Monate vor dem vereinbarten Vertragsende
  106. einer Verlängerung des Mietvertrages zu widersprechen, um ein möglicherweise gegen ihren Willen erfolgendes Wirksamwerden der Verlängerungsklausel
  107. nach § 3 Abs. 3 des Vertrages zu verhindern. Entscheide sie sich später dann
  108. für eine Verlängerung des Vertrages und übe sie ihr Optionsrecht nach § 3
  109. Abs. 2 aus, laufe sie Gefahr, dass ihr die Einrede widersprüchlichen Verhaltens
  110. entgegengesetzt werde.
  111. 11
  112. 2. Die Auslegung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  113. 12
  114. a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
  115. handelt es sich bei der Regelung in § 3 Abs. 3 des Mietvertrages um eine vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne von § 1 AGBG, die von der Unternehmensgruppe T. für eine Vielzahl von Verträgen verwendet worden ist. Der Senat kann die Klausel selbst auslegen, ohne dass es darauf ankommt, ob die
  116. Unternehmensgruppe die Klausel über den Bezirk des Oberlandesgerichts hinaus verwendet hat, da nunmehr auch gegen Berufungsurteile der Landgerichte
  117. eine Revision stattfinden kann (vgl. Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - NJW
  118. 2005, 2919, 2921).
  119. 13
  120. b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei der Auslegung vorformulierter Vertragsbedingungen die allgemeinen Regeln der §§ 133,
  121. 157 BGB gelten (MünchKomm/Basedow AGB-Gesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 1) und
  122. in erster Linie vom Wortlaut der Erklärung auszugehen ist (Palandt/Heinrichs
  123. -7-
  124. BGB 65. Aufl. § 133 Rdn. 14 m.w.N.). Dem Berufungsgericht ist auch darin zu
  125. folgen, dass der Wortlaut hier zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Die Formulierung "nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume)" lässt
  126. die Auslegung zu, dass es erst nach Ausübung aller der Mieterin eingeräumter
  127. Optionsmöglichkeiten zu einer Verlängerung des Mietvertrages nach Abs. 3
  128. kommen soll. Aber auch die Meinung, dass schon nach Ablauf der regulären
  129. Mietzeit von 12 Jahren eine Vertragsverlängerung gemäß Abs. 3 eintritt, wenn
  130. keine der Parteien ein Jahr vor Ablauf der Mietzeit die Beendigung erklärt, ist
  131. mit dem Wortlaut der Klausel ohne weiteres vereinbar. Lässt der Wortlaut mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, so ist, wie das Berufungsgericht richtig sieht,
  132. derjenigen der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien
  133. und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt
  134. (Palandt/Heinrichs aaO Rdn. 18 m.w.N.).
  135. 14
  136. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anwendung der Verlängerungsklausel bereits nach Ablauf der regulären Mietzeit führe zu Widersprüchlichkeiten, die den Interessen der Parteien entgegenstünden, teilt der Senat
  137. jedoch nicht. Zwar trifft es zu, dass bei dieser Auslegung der Mieter bereits
  138. 12 Monate vor dem vereinbarten Vertragsende eine Entscheidung treffen muss;
  139. auch kann es sein, dass ihm widersprüchliches Verhalten entgegengehalten
  140. wird, wenn er zunächst eine Verlängerung ablehnt, aber später seine Meinung
  141. ändert und von seinem Optionsrecht Gebrauch machen will. Das Berufungsgericht räumt bei seiner Interessenabwägung diesem Umstand aber ein Gewicht
  142. ein, das ihm bei ausgewogener Berücksichtigung der Interessen beider Parteien nicht zukommt.
  143. 15
  144. aa) Die Verlängerungsklausel mit der einjährigen "Kündigungsfrist" (§ 3
  145. Abs. 3) und die Optionsregelung mit der Sechsmonatsfrist (§ 3 Abs. 2) stehen
  146. selbständig nebeneinander. Insbesondere ist das Verlängerungsrecht in Abs. 3
  147. -8-
  148. eigenständig und nicht als Unterfall des Optionsrechts geregelt. Dafür spricht
  149. bereits die Ausgestaltung beider Regelungen in jeweils selbständigen Absätzen. Aber auch inhaltlich beeinträchtigt die Verlängerungsklausel das Optionsrecht über den vom Berufungsgericht angeführten - eher seltenen und vom Mieter beherrschbaren - Fall hinaus nicht. Vielmehr kann der Mieter nach Ablauf
  150. der Verlängerung das ihm eingeräumte Optionsrecht uneingeschränkt ausüben.
  151. Wenn der Vermieter die Verlängerung nicht will und deshalb "kündigt", kommt
  152. das Optionsrecht zur Geltung. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
  153. und der Revisionserwiderung kann der Gesamtregelung auch nicht entnommen
  154. werden, dass der Mieter für jedwede Art der Vertragsverlängerung die Entscheidungsfreiheit bis sechs Monate vor Erreichen des regulären Vertragsendes haben sollte. Im Gegenteil müsste, käme die Verlängerungsklausel entsprechend der Auffassung des Berufungsgerichts erst nach Ablauf der gesamten Optionszeit zur Anwendung, der Mieter ebenfalls bereits ein Jahr vor Ablauf
  155. entscheiden, ob er nach Ende des letzten Optionszeitraumes die Verlängerung
  156. will.
  157. 16
  158. bb) Der Senat sieht keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten, wenn sie sich spätestens ein Jahr und nicht erst sechs
  159. Monate vor Ablauf der regulären Mietzeit entscheiden muss, ob sie eine automatische Verlängerung nach § 3 Abs. 3 verhindern will. Entscheidet sie sich
  160. gegen eine Beendigung und damit für die Verlängerung, wird der Mietvertrag
  161. um weitere fünf Jahre fortgesetzt und die Beklagte behält im Anschluss daran
  162. die Optionsmöglichkeit nach § 3 Abs. 2. Ein Nachteil kann ihr überhaupt nur
  163. entstehen, wenn sie sich zunächst gegen die Verlängerung ausspricht, aber
  164. später ihr Optionsrecht dennoch ausüben will. Vor den Folgen eines solchen
  165. widersprüchlichen Verhaltens muss sie jedoch nicht durch eine zu Lasten des
  166. Vermieters gehende Interessenauslegung geschützt werden. Den vom Berufungsgericht geschilderten Entscheidungskonflikt im Falle der Unentschlossen-
  167. -9-
  168. heit kann die Beklagte ohne Schwierigkeiten bewältigen. So kann sie etwa dem
  169. Einwand widersprüchlichen Verhaltens dadurch vorbeugen, dass sie sich bei
  170. Ablehnung der Verlängerung nach § 3 Abs. 3 das Optionsrecht ausdrücklich
  171. vorbehält. Will der Vermieter den Vertrag nicht fortsetzen und "kündigt" er deshalb seinerseits, dann entsteht auch bei dieser Auslegung für die Mieterin kein
  172. Nachteil, weil sie durch Ausübung ihres Optionsrechts die Verlängerung gegen
  173. den Willen des Vermieters erzwingen kann.
  174. cc) Geht man demgegenüber davon aus, dass sich der Vertrag nicht
  175. 17
  176. schon nach Ablauf der regulären Mietzeit (12 Jahre) automatisch verlängert, ist
  177. der Vorteil für die Mieterin gering. Zwar verbleiben ihr sechs Monate mehr an
  178. Bedenkzeit. Es ist aber eher fern liegend, dass die Entscheidung für sie dann
  179. leichter wird. Wenn sie nach elf Jahren unentschlossen ist, wird ihr die Entscheidung nach elfeinhalb Jahren in aller Regel nicht leichter fallen. Der Entscheidungsdruck könnte sich für sie sogar erhöhen. Macht sie nämlich von der
  180. ersten Option keinen Gebrauch, so verliert sie ihr gesamtes Optionsrecht endgültig.
  181. 18
  182. dd) Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Mieterin bei dieser
  183. Auslegung neben dem (geringen) Nachteil, sich bereits ein Jahr vor Vertragsende entscheiden zu müssen, einen erheblichen Vorteil erlangt. Sie hat, wenn
  184. der Vermieter nicht "kündigt", die Möglichkeit, das Mietverhältnis über die in
  185. Abs. 2 eingeräumten Optionsmöglichkeiten hinaus um weitere fünf Jahre zu
  186. verlängern, ein Vorteil, der den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Nachteil ausgleichen kann. "Kündigt" der Vermieter, so erleidet die Mieterin keinen
  187. Nachteil, weil ihr in jedem Falle 18 Jahre Optionsmöglichkeit gemäß Abs. 2 verbleiben.
  188. - 10 -
  189. 19
  190. ee) Schließlich darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verlängerungsklausel mit der einjährigen "Kündigungsfrist" für beide Seiten gilt. Ein
  191. Entscheidungskonflikt kann auch beim Vermieter entstehen. Kündigt er nicht ein
  192. Jahr vor Ablauf der regulären Mietzeit, dann verlängert sich das Mietverhältnis
  193. ebenfalls um fünf Jahre. Entscheidet er sich für die Kündigung, so kann ihm die
  194. Mieterin mit der Ausübung der Option entgegentreten. Der Vermieter muss damit seine Entscheidung genauso früh wie die Mieterin treffen, ohne seinerseits
  195. die Möglichkeit einer Option zu haben, wenn die Mieterin sich gegen eine Fortsetzung entscheidet.
  196. 20
  197. ff) Letztlich kann die Verlängerungsmöglichkeit bereits am Ende der regulären Mietzeit auch zu einem gewissen Ausgleich der beiderseitigen Interessen führen. Die in Abs. 2 vorgesehene Optionsmöglichkeit begünstigt nämlich
  198. einseitig die Mieterin. Sie hat jeweils viereinhalb Jahre Zeit, um sich klar zu
  199. werden, ob sie die Option ausüben will, und muss ihre Entscheidung dem Vermieter erst sechs Monate vor Mietende mitteilen. Schöpft sie diese Möglichkeit
  200. voll aus, verbleiben dem Vermieter gerade sechs Monate Zeit zur Suche eines
  201. Nachmieters. Es wäre deshalb interessengerecht, wenn dem Vermieter bei der
  202. erstmaligen Verlängerung nach immerhin 12 Jahren gemäß § 3 Abs. 3 ein Jahr
  203. Zeit verbliebe, um einen neuen Mieter zu suchen.
  204. 21
  205. c) Aus den dargelegten Überlegungen hält der Senat eine vom Berufungsgericht abweichende Auslegung für möglich. Andererseits ist eine Auslegung zugunsten des Klägers ebenfalls nicht zwingend. Da nach Ausschöpfung
  206. der in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ein nicht behebbarer
  207. Zweifel verbleibt, geht nach § 5 AGBG die Unsicherheit zulasten der Beklagten,
  208. deren Rechtsvorgängerin die Klausel verwendet hat und die deshalb die Folgen
  209. der fehlenden Eindeutigkeit tragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1997
  210. - X ZR 146/94 - NJW 1997, 3434, 3435). Das bedeutet, dass der Vertrag nach
  211. - 11 -
  212. Ablauf der regulären Laufzeit mangels "Kündigung" um fünf Jahre verlängert
  213. wurde.
  214. 22
  215. d) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat die Beklagte
  216. nicht rechtzeitig einer Verlängerung nach Abs. 3 widersprochen. Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 1998 nicht ausgelegt. Da weiterer Vortrag hierzu nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Erklärung selbst auslegen (BGH, Urteil vom 19. März 1992 aaO). Sie ist nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte die Fortsetzung des Mietverhältnisses abgelehnt hat. Die Beklagte hat lediglich erklärt, in beiderseitigem Interesse solle
  217. die Möglichkeit der Anschlussverwertung geprüft werden. Eine Beendigung im
  218. Sinne von § 3 Abs. 3 ist darin nicht zu sehen. Die Beklagte hätte das Mietobjekt
  219. auch selbst verwerten können, weil ihr in § 5 die Möglichkeit der Untervermietung eingeräumt ist.
  220. - 12 -
  221. 3. Das Landgericht hat der Feststellungsklage daher zu Recht stattgege-
  222. 23
  223. ben. Diese Entscheidung kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen selbst treffen, da weiterer entscheidungserheblicher Sachvortrag nicht zu
  224. erwarten ist.
  225. Hahne
  226. Sprick
  227. Vézina
  228. Fuchs
  229. RiBGH Dose ist urlaubsbedingt
  230. verhindert zu unterschreiben.
  231. Hahne
  232. Vorinstanzen:
  233. LG Offenburg, Entscheidung vom 26.03.2002 - 4 O 64/01 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 07.11.2003 - 14 U 74/02 -