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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 203/99
  5. in der Familiensache
  6. Verkündet am:
  7. 27. März 2002
  8. Küpferle,
  9. Justizamtsinspektorin,
  10. als Urkundsbeamtin
  11. der Geschäftsstelle
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. ZPO § 640e Abs. 1; BGB § 1909 Abs. 1
  16. In einem Statusverfahren, in dem eine allein sorgeberechtigte Mutter die Vaterschaft
  17. ihres geschiedenen Ehemannes anficht, muß für das am Verfahren zu beteiligende
  18. Kind (§ 640e Abs. 1 ZPO) - schon für die Zustellung der Klage und der Ladung zum
  19. Termin - ein Ergänzungspfleger bestellt werden.
  20. BGB § 1600b Abs. 1
  21. Die Anfechtungsfrist von zwei Jahren ab Kenntnis der Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen, gilt auch in den Fällen, in denen die Mutter vor dem 1. Juli 1998
  22. keine Anfechtungsklage erheben konnte, weil ihr Anfechtungsrecht erst zu diesem
  23. Zeitpunkt durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts eingeführt worden ist
  24. (§ 1600 BGB).
  25. BGH, Urteil vom 27. März 2002 - XII ZR 203/99 - OLG Stuttgart
  26. AG Esslingen
  27. -2-
  28. -3-
  29. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 27. März 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
  31. Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats
  34. - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. Juli
  35. 1999 aufgehoben.
  36. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  37. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. Die Klägerin, Mutter des beigeladenen Kindes, begehrt die Feststellung,
  41. daß das Kind nicht von dem Beklagten abstammt. Die am 21. Februar 1986
  42. geschlossene Ehe der Parteien ist mit Urteil vom 29. September 1992, das seit
  43. diesem Tage rechtskräftig ist, geschieden worden. Während der Ehe - am
  44. 22. Juli (im Berufungsurteil zu Unrecht: Juni) 1986 - hat die Klägerin die Tochter M. zur Welt gebracht.
  45. Der vorliegenden Klage sind zwei weitere Statusverfahren bezüglich des
  46. beigeladenen Kindes vorausgegangen. Nach der Scheidung hat der Beklagte
  47. im Jahre 1993 - nach dem damals geltenden Recht - Ehelichkeitsanfechtungs-
  48. -4-
  49. klage erhoben. Das Familiengericht hat dieser Klage stattgegeben, nachdem
  50. ein ärztlicher Sachverständiger festgestellt hatte, der Beklagte sei aus genetischen Gründen als Vater auszuschließen. Auf die Berufung des Kindes hin hat
  51. das Oberlandesgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 2. Dezember 1993 unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger des damaligen Verfahrens habe die Anfechtungsfrist versäumt.
  52. Im Jahre 1995 hat das Kind, vertreten durch seine Mutter (die Klägerin
  53. des vorliegenden Verfahrens), Klage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, daß
  54. es nicht vom Beklagten abstamme. Durch Urteil vom 20. Juli 1995 hat das Familiengericht diese Klage abgewiesen, und zwar mit der Begründung, die Anfechtungsfrist sei versäumt, weil die gesetzliche Vertreterin des Kindes seit
  55. mehr als zwei Jahren Kenntnis von den Umständen habe, die gegen die Vaterschaft des Beklagten sprächen. Gegen dieses Urteil des Familiengerichts hat
  56. das Kind Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Kindes, ihm zur Durchführung einer Berufung gegen dieses Urteil Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Über die Berufung ist nicht entschieden worden. Das Oberlandesgericht hat zunächst durch
  57. Beschluß vom 26. Oktober 1995 auf Antrag des Kindes das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
  58. Nachdem die Klägerin durch eine zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene
  59. Gesetzesänderung als Mutter des Kindes selbst anfechtungsberechtigt geworden ist, hat sie im vorliegenden Verfahren mit einem am 26. November 1998
  60. eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß
  61. das Kind M. nicht das Kind des Beklagten sei. Der Beklagte ist der Klage nicht
  62. entgegengetreten. Das Familiengericht hat die Klage abgewiesen mit der Be-
  63. -5-
  64. gründung, auch der Klage der Mutter stehe die Versäumung der Anfechtungsfrist entgegen, da sie - die Mutter - mehr als zwei Jahre vor Klageerhebung
  65. Kenntnis von den Umständen gehabt habe, die für die Nichtehelichkeit des
  66. Kindes sprächen (§ 1600 b BGB). Daß die Klagebefugnis der Mutter vom Gesetzgeber erst zum 1. Juli 1998 eingeführt worden sei, bedeute nicht, daß ab
  67. diesem Zeitpunkt eine neue Anfechtungsfrist laufe.
  68. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen
  69. Revision verfolgt sie ihren Feststellungsanspruch weiter.
  70. Nachdem der Senat die Parteien auf § 640 c Abs. 2 ZPO hingewiesen
  71. hatte, hat das Kind während des Revisionsverfahrens seine beim Oberlandesgericht anhängige, zum Ruhen gebrachte Klage mit Zustimmung des Prozeßgegners zurückgenommen.
  72. Entscheidungsgründe:
  73. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  74. 1. Das Berufungsgericht führt aus, da das Kind vor dem 1. Juli 1998 zur
  75. Welt gekommen sei, richte sich die Frage seiner Abstammung nach dem bis
  76. zum 30. Juni 1998 gültigen Recht (Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB). Da das Kind
  77. während der Ehe der Parteien geboren worden sei, gelte es nach § 1591 BGB
  78. a.F. als Kind des Beklagten. Dieser Status des Kindes könne nur durch ein
  79. Anfechtungsverfahren beseitigt werden (§ 1593 BGB a.F.). Auf dieses Anfech-
  80. -6-
  81. tungsverfahren seien allerdings die am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen neuen
  82. Bestimmungen anzuwenden (Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB). Gemäß § 1600 BGB
  83. n.F. gehöre die Klägerin zu den anfechtungsberechtigten Personen.
  84. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind zutreffend und werden
  85. von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.
  86. 2. Weiter führt das Berufungsgericht aus, weder das in einem Vorprozeß
  87. rechtskräftig abgeschlossene Anfechtungsverfahren noch das (damals) noch
  88. nicht abgeschlossene zweite Anfechtungsverfahren stehe der Zulässigkeit der
  89. vorliegenden Klage entgegen. Werde ein klagabweisendes Urteil in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren darauf gestützt, daß der Kläger die Anfechtungsfrist versäumt habe, sei damit das Abstammungsverhältnis zwischen den
  90. Parteien dieses Rechtsstreits nicht festgestellt. Ein solches Urteil könne deshalb die Klage "eines anderen Anfechtungsberechtigten mit gleichem Verfahrensziel nicht hindern."
  91. Die gemäß § 640 e ZPO an sich vorgesehene Beiladung des Kindes sei
  92. nicht erforderlich, weil die Wahrung seiner Rechte schon dadurch gewährleistet sei, daß seine gesetzliche Vertreterin als Prozeßpartei an dem Verfahren
  93. beteiligt sei.
  94. Das Familiengericht habe die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Anfechtungsfrist versäumt sei. Das neu eingeführte Anfechtungsrecht der Mutter
  95. könne - wie auch das Anfechtungsrecht der anderen Anfechtungsberechtigten nur binnen einer Frist von zwei Jahren ausgeübt werden, die mit dem Zeitpunkt
  96. beginne, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfahren habe, die gegen die Vaterschaft sprechen, frühestens mit der Geburt des Kindes
  97. (§ 1600 b Abs. 1 und Abs. 2 BGB n.F.). Bei Eingang der vorliegenden Klage
  98. -7-
  99. habe die Klägerin, wie die Berufung nicht in Zweifel ziehe, seit mehr als zwei
  100. Jahren Kenntnis von den entsprechenden Umständen gehabt. Zu Unrecht mache die Klägerin geltend, die zweijährige Anfechtungsfrist könne nicht vor dem
  101. 1. Juli 1998 zu laufen begonnen haben, weil sie - die Klägerin - vor der an diesem Tage in Kraft getretenen Neufassung des Gesetzes nicht anfechtungsberechtigt gewesen sei.
  102. Für diese Annahme der Klägerin finde sich weder im Gesetz selbst noch
  103. in den Materialien zu dem Gesetz eine Stütze. Die Materialien sprächen im
  104. Gegenteil dafür, daß der Gesetzgeber bewußt darauf verzichtet habe, für das
  105. neu eingeführte Anfechtungsrecht der Mutter hinsichtlich der Anfechtungsfrist
  106. eine entsprechende Übergangsregelung vorzusehen.
  107. 3. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, soweit sie das
  108. Prozeßrecht betreffen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
  109. Die Annahme des Berufungsgerichts, die (damals andauernde) Rechtshängigkeit eines Statusverfahrens des Kindes gegen den Ehemann - den Beklagten auch des vorliegenden Verfahrens - habe der Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht entgegengestanden, beruht auf Rechtsirrtum. Nach dem
  110. zum 1. Juli 1998 - also vor Erhebung der vorliegenden Klage - in Kraft getretenen § 640 c Abs. 2 ZPO i.V.m. § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann während der Dauer der Rechtshängigkeit einer Klage, mit der die Anfechtung der Vaterschaft
  111. eines Kindes geltend gemacht wird, keine "entsprechende Klage ... anderweitig
  112. anhängig gemacht werden." In der Begründung des Regierungsentwurfs zu
  113. dieser Bestimmung heißt es ausdrücklich, durch die Regelung solle vermieden
  114. werden, daß verschiedene Klageberechtigte - gegebenenfalls an unterschiedlichen Gerichtsständen - entsprechende Anfechtungsklagen anhängig machten
  115. (BT-Drucks. 13/4899 S. 126). Unter "entsprechende Klage" ist ein weiteres Ab-
  116. -8-
  117. stammungsverfahren zu verstehen, das dasselbe Kind betrifft (Zöller/Philippi,
  118. ZPO 23. Aufl. § 640 c Rdn. 6). Mit Rücksicht auf den anhängigen Prozeß zur
  119. Klärung der Abstammung des Kindes war es nicht zulässig, einen neuen Statusprozeß anhängig zu machen, die Klägerin konnte lediglich dem bereits anhängigen Prozeß als Streitgenossin einer Partei beitreten (vgl. BT-Drucks.
  120. 13/4899 aaO).
  121. In den Vorinstanzen war die Klage deshalb unzulässig. Die "Rechtshängigkeitssperre" (vgl. Lüke in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. § 261 Rdn. 52 m.w.N.)
  122. entfällt jedoch ex nunc, wenn die Rechtshängigkeit des anderen Prozesses
  123. fortfällt (Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 261 Rdn. 51; Goldschmidt,
  124. Festschrift für Brunner - 1914 - S. 153 Fußn. 4).
  125. Nachdem in dem parallel geführten Abstammungsprozeß die Klage wirksam zurückgenommen worden ist, ist die dortige Rechtshängigkeit entfallen mit
  126. der Folge, daß von diesem Zeitpunkt an die vorliegende Klage zulässig geworden ist.
  127. 4. Das Berufungsurteil muß jedoch aufgehoben und die Sache muß an
  128. das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil das Verfahren der Vorinstanzen an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden unheilbaren Verfahrensmangel leidet. Nach § 640 e Abs. 1 ZPO ist das Kind in einem Statusprozeß, an dem es - wie im vorliegenden Fall - nicht selbst als Partei beteiligt ist,
  129. in der Weise zu beteiligen, daß es unter Mitteilung der Klage zum Termin zur
  130. mündlichen Verhandlung zu laden ist. Es kann dann der einen oder der anderen Partei als Streitgenosse beitreten. Diese zwingend vorgeschriebene, von
  131. Amts wegen vorzunehmende Beiladung des Kindes (Musielak/Borth, ZPO
  132. 2. Aufl. § 640 e Rdn. 3; Coester-Waltjen in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. § 640 e
  133. Rdn. 5) haben die Vorinstanzen unterlassen. Wird ein Dritter entgegen einer
  134. -9-
  135. zwingenden Vorschrift nicht am Verfahren beteiligt, stellt das in entsprechender
  136. Anwendung des § 551 Nr. 5 ZPO a.F. (= § 347 Nr. 4 ZPO n.F.) einen von Amts
  137. wegen zu berücksichtigenden absoluten Revisionsgrund dar, der die Zurückverweisung der Sache in jedem Fall erforderlich macht (BGH, Urteil vom
  138. 11. Juni 1992 - III ZR 102/91 - NJW 1992, 2636, 2637; Beschluß vom 28. Juni
  139. 1983 - KVR 7/82 - NJW 1984, 494 f.; Musielak/Borth aaO Rdn. 4; Wenzel in
  140. MünchKomm-ZPO aaO § 551 Rdn. 14).
  141. Da es sich um einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 551 ZPO
  142. a.F. handelt, hat das Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob das Berufungsurteil
  143. auf diesem Mangel beruht (BGH, Beschluß vom 28. Juni 1983 aaO S. 495). Im
  144. übrigen hat das Kind einen Anspruch darauf, schon in den Tatsacheninstanzen
  145. beteiligt zu werden. Der Mangel wird nicht dadurch geheilt, daß das Kind in der
  146. Revisionsinstanz beteiligt worden ist. Es ist zumindest nicht von vornherein
  147. auszuschließen, daß das Berufungsgericht andere oder ergänzende tatsächl iche Feststellungen getroffen hätte, die für die Entscheidung relevant sein
  148. könnten, wenn es das Kind ordnungsgemäß beteiligt hätte (vgl. BGH, Beschluß
  149. vom 28. Juni 1983 aaO).
  150. 5. Der Auffassung des Berufungsgerichts, von der an sich vorgeschriebenen Beiladung des Kindes könne im vorliegenden Rechtsstreit abgesehen
  151. werden, weil seine allein sorgeberechtigte Mutter - die Klägerin -, die seine
  152. Rechte im Falle eines Beitritts wahrzunehmen hätte, selbst Prozeßpartei sei
  153. und deshalb auf das Verfahren Einfluß nehmen könne, kann nicht gefolgt werden.
  154. Daß in einem Prozeß zwischen den Eltern, in dem es um den Status des
  155. Kindes geht, ein Elternteil allein oder beide Elternteile gemeinsam das Sorgerecht für das Kind haben, ist die Regel. Wenn der Gesetzgeber dennoch ohne
  156. - 10 -
  157. jede Einschränkung angeordnet hat, daß in einem solchen Prozeß das Kind zu
  158. beteiligen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, die Beteiligung des Kindes sei nur ausnahmsweise notwendig, nämlich in den seltenen Fällen, in denen ein Dritter sorgeberechtigt ist.
  159. Die Argumentation des Berufungsgerichts, die Beteiligung des Kindes
  160. durch Zustellung der Klage an die allein sorgeberechtigte Klägerin sei eine
  161. überflüssige Formalie, ist schon deshalb unzutreffend, weil eine allein sorgeberechtigte Mutter, wenn sie Klägerin in einem Statusverfahren ist, das Kind im
  162. Rahmen seiner Beteiligung nach § 640 e Abs. 1 ZPO nicht im Prozeß vertreten
  163. kann. Es ist vielmehr erforderlich, für das Kind nach § 1909 Abs. 1 BGB einen
  164. Ergänzungspfleger zu bestellen (wie es in der Revisionsinstanz geschehen ist).
  165. Nach § 1629 Abs. 2 BGB können die Eltern ein Kind nicht vertreten, soweit ein Vormund nach § 1795 BGB von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB ist ein Vormund in einem Rechtsstreit zwischen seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits von der Vertretung des Mündels ausgeschlossen. Dieser Ausschluß gilt
  166. erst recht, wenn nicht nur der Ehegatte oder Verwandte des Vormunds, sondern der Vormund selbst Partei eines Rechtsstreits mit dem Mündel ist (Wagenitz in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 1795 Rdn. 35 m.N.).
  167. Zwar ist das Kind, solange es dem zwischen den Eltern geführten Statusprozeß nicht beigetreten ist, nicht Partei dieses Prozesses. § 640 e Abs. 1
  168. ZPO räumt ihm aber eine parteiähnliche prozessuale Rolle ein, die es rechtfertigt, § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf diesen Fall analog anzuwenden. Durch
  169. § 640 e Abs. 1 ZPO soll das Kind, um dessen Status es geht, in die Lage versetzt werden, seine Interessen unabhängig von den Parteien des Statusverfah-
  170. - 11 -
  171. rens, also auch unabhängig von seiner allein sorgeberechtigten Mutter, zu vertreten. Die Interessen der Mutter und die Interessen des Kindes können durchaus voneinander abweichen. Die Mutter kann unter Hintanstellung anderer Gesichtspunkte in erster Linie daran interessiert sein, nachzuweisen, daß der Beklagte nicht der Vater ihres Kindes ist. Das Kind kann daran interessiert sein,
  172. daß soziale Bindungen, die es zu dem Beklagten aufgebaut hat, nicht beschädigt werden, insbesondere aber kann es darauf angewiesen sein, in dem Beklagten einen zahlungskräftigen Unterhaltsschuldner zu haben. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, daß der Gesetzgeber, als er das Anfechtungsrecht der Mutter eingeführt hat, ihr ganz bewußt das Recht eingeräumt hat, mit
  173. diesem Anfechtungsrecht ausschließlich eigene Interessen zu verfolgen ohne
  174. Rücksicht auf die Interessen des Kindes (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 6;
  175. BT-Drucks. 13/4899 S. 148; BT-Drucks. 13/8511 S. 70 f.).
  176. Das bedeutet, daß das beizuladende Kind in einem von seiner allein
  177. sorgeberechtigten Mutter angestrengten Statusverfahren der Mutter in einer
  178. eigenständigen Position gegenübersteht, die es ihm ermöglichen soll, eigene
  179. Interessen auch gegen die Mutter geltend zu machen. Dies entspricht der Interessenkonstellation, für die § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Vertretungsbefugnis
  180. ausschließt.
  181. Wie das Berufungsgericht - ohne die richtigen Schlußfolgerungen daraus zu ziehen - im Ansatz richtig sieht, wäre es nicht sinnvoll, zum Zwecke der
  182. Beteiligung des Kindes der allein sorgeberechtigten Klägerin ihre eigene Klage
  183. zuzustellen, um sie für das Kind entscheiden zu lassen, ob das Kind dem
  184. Rechtsstreit auf ihrer oder auf der Seite ihres Prozeßgegners beitreten soll (im
  185. Ergebnis wie hier OLG Celle, FamRZ 2001, 700, 702; Coester-Waltjen in
  186. MünchKomm-ZPO aaO § 640 e Rdn. 6).
  187. - 12 -
  188. 6. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Das Berufungsgericht geht zu Recht und mit zutreffender Begründung davon aus, daß
  189. die zweijährige Frist für die Anfechtung der Vaterschaft - beginnend mit dem
  190. Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die
  191. Vaterschaft sprechen (§ 1600 b BGB) - auch in den Fällen uneingeschränkt
  192. gilt, in denen der Mutter mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts zum 1. Juli
  193. 1998 erstmals ein Anfechtungsrecht eingeräumt worden ist. Das hat zur Folge,
  194. daß eine Anfechtung der Mutter ausgeschlossen ist, wenn sie vor dem 1. Juli
  195. 1996 Kenntnis von den gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen hatte.
  196. Es ist der Revision einzuräumen, daß eine Klagefrist im Regelfall nicht
  197. abläuft, bevor der Kläger die rechtliche Möglichkeit hat, sie einzuhalten. Es ist
  198. jedoch zu berücksichtigen, daß es sich nicht um ein auf Dauer auftretendes
  199. und zu regelndes Problem handelt. Vielmehr taucht die Problematik nur in der
  200. Zeit vom 1. Juli 1998 bis zum 1. Juli 2000, und auch in dieser Zeit nur für Fälle
  201. auf, in denen die Mutter schon vor dem 1. Juli 1996 Kenntnis von den gegen
  202. die Vaterschaft sprechenden Umständen hatte. Der Gesetzgeber hatte bei
  203. Einführung des Anfechtungsrechts der Mutter zum 1. Juli 1998 zu entscheiden,
  204. ob die neue Anfechtungsmöglichkeit für alle Altfälle gelten sollte, unabhängig
  205. davon, wie alt das Kind inzwischen war, welche sozialen Bindungen es zu dem
  206. Mann aufgebaut hatte, der bisher als sein Vater galt, und wie lange die Mutter
  207. bereits Kenntnis davon hatte, daß das Kind wohl nicht von diesem Mann abstammt, oder ob die neue Anfechtungsmöglichkeit - jedenfalls im wesentlichen - nur für die Zukunft gelten sollte.
  208. Hätte der Gesetzgeber die neue Anfechtungsmöglichkeit für alle Altfälle
  209. eröffnen wollen, hätte es nahegelegen, in einer Übergangsvorschrift festzulegen, daß die Anfechtungsfrist für eine Anfechtung durch die Mutter nicht vor
  210. - 13 -
  211. dem 1. Juli 1998 beginnt. Entgegen der Annahme der Revision ist nicht davon
  212. auszugehen, daß der Gesetzgeber eine solche Übergangsregelung nur vergessen hat. Die übrigen Regelungen des neuen Rechts und die Materialien
  213. dazu sprechen vielmehr dafür, daß der Gesetzgeber eine solche Übergangsregelung bewußt nicht vorgesehen hat, weil er für Altfälle keine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnen wollte.
  214. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß das neue Recht
  215. nicht nur ein Anfechtungsrecht der Mutter eingeführt, sondern auch das Anfechtungsrecht des (volljährigen) Kindes erweitert hat (§§ 1600, 1600 b Abs. 3
  216. BGB n.F., § 1596 BGB a.F.). Der Gesetzgeber hat gesehen, daß die für die
  217. Anfechtung durch das volljährige Kind vorgesehene Frist (§ 1600 b Abs. 3
  218. BGB) bei Einführung des neuen Rechts am 1. Juli 1998 bereits abgelaufen
  219. sein könnte und hat deshalb in einer Übergangsregelung (Art. 224 § 1 Abs. 4
  220. EGBGB) bestimmt, daß die Verjährungsfrist für das volljährige Kind - jedenfalls
  221. in bestimmten Fällen - nicht vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts (am 1. Juli
  222. 1998) zu laufen beginnt. Man kann ausschließen, daß er dieselbe Problematik
  223. bei der weit mehr im Vordergrund stehenden und diskutierten Einführung des
  224. Anfechtungsrechts der Mutter übersehen hat.
  225. Der Regierungsentwurf sah in § 1600 b Abs. 5 BGB vor, daß für alle
  226. Anfechtungsberechtigten - also auch für die Mutter - die Anfechtungsfrist erneut zu laufen beginnt, wenn der Berechtigte Kenntnis von Umständen erlangt,
  227. aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft für ihn unzumutbar werden
  228. (BT-Drucks. 13/4899 S. 6). Der Bundesrat hat vorgeschlagen, § 1600 b Abs. 5
  229. BGB des Entwurfs zu streichen (BT-Drucks. 13/4899 S. 148 f.). Entsprechend
  230. der Gegenäußerung der Bundesregierung hat der Rechtsausschuß des Deu tschen Bundestages vorgeschlagen, die Anwendung des § 1600 b Abs. 5 des
  231. - 14 -
  232. Entwurfs auf das Anfechtungsrecht des Kindes zu beschränken. Zur Begründung hat er ausgeführt:
  233. "Dieser Ausschluß wird in der Regel zur Folge haben, daß die Mutter
  234. von ihrem Anfechtungsrecht nur innerhalb der ersten zwei Lebensjahre
  235. des Kindes Gebrauch machen kann. Innerhalb dieses Zeitraums können
  236. sich persönliche Bindungen des Kindes zu seinem Vater noch nicht in
  237. einem solchen Maße entwickeln, daß ein etwa vorhandenes Interesse
  238. des Kindes am Fortbestand der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse
  239. der Mutter überwiegen könnte. Der Rechtsausschluß empfiehlt daher
  240. wie die Gegenäußerung der Bundesregierung, die Anwendung des
  241. § 1600 b Abs. 5 BGB-E auf die Anfechtung durch den Vater oder die
  242. Mutter auszuschließen und auf das Anfechtungsrecht des Kindes zu beschränken. Insoweit hält der Rechtsausschuß die Beibehaltung der Regelung des § 1600 b Abs. 5 BGB-E für zwingend geboten und hält seine
  243. völlige Streichung, wie sie vom Bundesrat gefordert worden ist, im Hinblick auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung für
  244. verfassungsrechtlich bedenklich."
  245. Der Vorschlag des Rechtsausschusses ist Gesetz geworden (§ 1600 b
  246. Abs. 5 BGB). Daraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber die Anfechtungsmöglichkeit der Mutter im Interesse des Kindes zeitlich eng begrenzen und von dieser Begrenzung möglichst keine Ausnahme zulassen wollte. Auch das spricht
  247. dafür, daß der Gesetzgeber die von der Revision vermißte Übergangsregelung
  248. nicht vergessen, sondern bewußt nicht eingeführt hat.
  249. Hahne
  250. Gerber
  251. Fuchs
  252. Wagenitz
  253. Vézina