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173 lines
8.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 56/13
  4. vom
  5. 24. Juli 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO §§ 517, 519 Abs. 3
  14. Die Berufung ist auch bei Falschbezeichnung der beklagten Partei zulässig eingelegt, wenn sich anhand der weiteren Angaben in der Rechtsmittelschrift sowie des
  15. beigefügten Urteils ersehen lässt, wer Beklagter sein soll (im Anschluss an BGHZ 21,
  16. 168 und Senatsbeschluss vom 14. Mai 2003 - XII ZB 154/01 - FamRZ 2003, 1176).
  17. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2013 - XII ZB 56/13 - OLG Jena
  18. LG Erfurt
  19. -2-
  20. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter,
  21. und Dr. Nedden-Boeger
  22. beschlossen:
  23. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des
  24. 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom
  25. 19. Dezember 2012 aufgehoben.
  26. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
  27. über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  28. Beschwerdewert: 7.200 €
  29. Gründe:
  30. I.
  31. 1
  32. Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung.
  33. 2
  34. Das landgerichtliche Urteil ist dem Kläger am 2. Oktober 2012 zugestellt
  35. worden. Am 2. November 2012 ist beim Oberlandesgericht per Telefax eine
  36. Berufungsschrift des Klägers eingegangen, in der das Aktenzeichen der ersten
  37. Instanz zutreffend angegeben war und der das in diesem Verfahren ergangene
  38. Urteil beilag. Als Parteien des Berufungsverfahrens war der Kläger als Berufungskläger und die B. GmbH als Berufungsbeklagte benannt. Am 7. November
  39. 2012 hat der Kläger um Berichtigung des Rubrums dahin gebeten, dass Berufungsbeklagte die T. GmbH, also die hiesige Beklagte, sei. Nach entsprechen-
  40. -3-
  41. dem Hinweis hat das Oberlandesgericht die Berufung gegen das Urteil des
  42. Landgerichts verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.
  43. II.
  44. 3
  45. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1
  46. Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574
  47. Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
  48. 4
  49. 2. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Unrecht verworfen.
  50. 5
  51. a) Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass
  52. es an einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung innerhalb der Berufungsfrist
  53. fehle. Nicht ordnungsgemäß sei eine Berufungsschrift, die als Rechtsmittelbeklagten ein mit der erstinstanzlichen Beklagten nicht identisches Unternehmen
  54. benenne, ohne dass die gemeinte erstinstanzliche Beklagte innerhalb der Berufungsfrist erkennbar werde. Aus der Berufungsschrift einschließlich des beigelegten Urteils sei nicht erkennbar gewesen, ob die Beklagtenbezeichnung oder
  55. das Aktenzeichen des erstinstanzlichen Urteils (und dessen Beifügung) fehlerhaft gewesen sei. Eine Aufklärung habe nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist
  56. erfolgen können, da die Berufungsschrift erst am Tag des Fristablaufs (Freitag,
  57. den 2. November 2012) beim Oberlandesgericht eingegangen und dementsprechend der Vorsitzenden erst am Montag, den 5. November 2012 vorgelegt
  58. worden sei. Dies gelte umso mehr, als in dem Verfahren des Klägers gegen die
  59. -4-
  60. B. GmbH und andere durch Urteil vom 27. September 2012 die Klage abgewiesen worden sei.
  61. 6
  62. b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  63. 7
  64. aa) Nach § 519 Abs. 2 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung
  65. des angefochtenen Urteils und die Erklärung enthalten, dass dagegen Berufung
  66. eingelegt werde. Diesem Erfordernis ist nach der Rechtsprechung nur dann
  67. genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift
  68. oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen sowohl der
  69. Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder doch
  70. jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar werden (BGH Urteil
  71. vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - NJW 1985, 2651; Senatsbeschluss vom
  72. 14. Mai 2003 - XII ZB 154/01 - FamRZ 2003, 1176, jeweils zu § 518 Abs. 2 ZPO
  73. aF und mwN). Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Berufungsschrift zu stellenden Anforderungen dient - sowohl im Interesse der Erkennbarkeit der in
  74. zweiter Instanz am Rechtsstreit Beteiligten für das Berufungsgericht als auch im
  75. Interesse der Parteien - einem geregelten Ablauf des Verfahrens, der Rechtssicherheit und den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten an alsbaldiger Zustellung der Rechtsmittelschrift (BGH Urteil vom 6. Februar 1985 I ZR 235/83 - NJW 1985, 2651).
  76. 8
  77. Das bedeutet indes nicht, dass die Person des Rechtsmittelklägers bzw.
  78. -beklagten wirksam nur ausdrücklich und nur in der Berufungsschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung
  79. zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit ist deshalb auch dann genügt,
  80. wenn eine verständige Würdigung des Aktes der Berufungseinlegung jeden
  81. Zweifel an der Person des Rechtsmittelbeklagten ausschließt (vgl. BGHZ 21,
  82. 168, 173 zum Rechtsmittelkläger). Von daher ist es ausreichend, wenn jeden-
  83. -5-
  84. falls mit Hilfe weiterer Unterlagen, wie etwa dem beigefügten erstinstanzlichen
  85. Urteil, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (Senatsbeschluss vom
  86. 14. Mai 2003 - XII ZB 154/01 - FamRZ 2003, 1176).
  87. 9
  88. bb) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Berufungsgericht eine hinreichende Würdigung der Berufungseinlegung unterlassen hat.
  89. 10
  90. (1) In der rechtzeitig beim Oberlandesgericht eingegangenen Rechtsmittelschrift sind das erstinstanzliche Aktenzeichen, der Kläger, die genaue Bezeichnung des Urteils und schließlich das Datum der Zustellung des Urteils an
  91. den Kläger zutreffend angegeben. Soweit als Datum des angefochtenen Urteils
  92. "8.20.09.2012" angegeben ist, ist damit ersichtlich der "28. September 2012"
  93. gemeint, wie sich nicht zuletzt aus der korrekten Angabe des Datums auch am
  94. Ende der Berufungsschrift ergibt. Zudem hat der Kläger das angefochtene Urteil
  95. in vollständiger Fassung der Rechtsmittelschrift beigelegt.
  96. 11
  97. (2) Richtig ist zwar, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers die
  98. beklagte Partei unzutreffend angegeben hat. Allein dies und der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, dass zwischen dem Kläger und dem angegebenen Beklagten tatsächlich ein anderes Verfahren anhängig ist, das mittlerweile auch beim Oberlandesgericht geführt werde, steht der Würdigung der Berufungsschrift dahin, dass die Beklagte dieses Rechtsstreits gemeint war, nicht
  99. entgegen.
  100. 12
  101. Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die erheblich
  102. abweichenden Individualisierungsmerkmale darauf hin, dass der vom Berufungsgericht angeführte Umstand diese Auslegung nicht erschüttert. Dies ergibt
  103. sich nicht zuletzt daraus, dass für den vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Rechtsstreit ein anderes Landgericht zuständig gewesen ist und
  104. -6-
  105. dass das dort ergangene Urteil ein anderes Datum (27. September 2012) sowie
  106. ein anderes Aktenzeichen aufweist.
  107. 13
  108. (3) Dass nach den vorliegenden Umständen die Beklagte auch für das
  109. Berufungsgericht innerhalb der Berufungsfrist erkennbar war (vgl. zum Empfängerhorizont des Rechtsmittelgerichts Senatsbeschluss vom 7. November 2012
  110. - XII ZB 325/12 - FamRZ 2013, 371 Rn. 15), folgt im Übrigen daraus, dass das
  111. Verfahren ohne weitere Beanstandung als Berufungsverfahren gegen das angefochtene Urteil eingetragen worden ist. Als Wiedervorlagefrist wurde der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vermerkt. Zwar hat die Vorsitzende die Verfügung erst am 6. November 2012 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist zur
  112. Kenntnis genommen; aber auch sie sah ausweislich der Gerichtsakte keine
  113. Veranlassung, etwas an den Eintragungen zu ändern. Erst nachdem der Kläger
  114. selbst die Berichtigung des Passivrubrums beantragt hatte, hat das Oberlandesgericht mit Verfügung vom 8. November 2012 auf seine - nunmehr - bestehenden Bedenken hingewiesen.
  115. -7-
  116. 14
  117. 3. Gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die angefochtene Entscheidung
  118. aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
  119. Dose
  120. Klinkhammer
  121. Günter
  122. Schilling
  123. Nedden-Boeger
  124. Vorinstanzen:
  125. LG Erfurt, Entscheidung vom 28.09.2012 - 10 O 1837/11 OLG Jena, Entscheidung vom 19.12.2012 - 5 U 867/12 -