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196 lines
9.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 420/16
  4. vom
  5. 27. September 2017
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. FamFG §§ 69 Abs. 1 Satz 2 und 3, 158 Abs. 7
  14. Der Verfahrensbeistand erhält nach Zurückverweisung der Sache durch das
  15. Beschwerdegericht für das Verfahren vor dem Ausgangsgericht keine erneute
  16. pauschale Vergütung.
  17. BGH, Beschluss vom 27. September 2017 - XII ZB 420/16 - OLG Rostock
  18. AG Schwerin
  19. ECLI:DE:BGH:2017:270917BXIIZB420.16.0
  20. -2-
  21. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2017 durch
  22. den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling
  23. und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
  24. beschlossen:
  25. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Familiensenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. August 2016 wird
  26. auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.
  27. Wert: 1.100 €
  28. Gründe:
  29. I.
  30. 1
  31. Die Rechtsbeschwerde betrifft die Vergütung des Verfahrensbeistands.
  32. 2
  33. In dem von der Kindesmutter beantragten Umgangsverfahren wurde der
  34. Beteiligte zu 2, ein Rechtsanwalt, zum Verfahrensbeistand ihrer beiden Kinder
  35. unter Übertragung zusätzlicher Aufgaben gemäß § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG
  36. bestimmt. Das Amtsgericht wies das Umgangsbegehren weitgehend zurück,
  37. ohne zuvor die Kinder anzuhören. Auf die Beschwerde der Kindesmutter hob
  38. das Oberlandesgericht den amtsgerichtlichen Beschluss auf und verwies die
  39. Sache insbesondere zur Nachholung der Kindesanhörung an das Amtsgericht
  40. zurück. Im weiteren amtsgerichtlichen Verfahren schlossen die Beteiligten unter
  41. Mitwirkung des Verfahrensbeistands einen gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich.
  42. -3-
  43. 3
  44. Der Verfahrensbeistand hat die Festsetzung seiner Vergütung auf
  45. 3.300 € beantragt und dabei auch für das Verfahren nach Zurückverweisung
  46. eine Pauschale von 550 € pro Kind geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die
  47. Vergütung des Verfahrensbeistands für zwei Instanzen auf 2.200 € festgesetzt
  48. und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die
  49. hiergegen gerichtete Beschwerde des Verfahrensbeistands zurückgewiesen.
  50. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen ursprünglichen
  51. Vergütungsantrag weiter.
  52. II.
  53. 4
  54. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
  55. 5
  56. 1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
  57. 6
  58. Die Vergütung des Verfahrensbeistands richte sich gemäß § 158 Abs. 7
  59. FamFG nach Fallpauschalen in jedem Rechtszug. Der Gesetzgeber habe sich
  60. bewusst gegen ein aufwandsbezogenes Vergütungssystem entschieden. Bei
  61. dem Verfahren erster Instanz nach Aufhebung und Zurückverweisung handele
  62. es sich um kein neues Verfahren, sondern lediglich um eine Fortsetzung desjenigen Verfahrens, das vor Erlass des später aufgehobenen Beschlusses bereits
  63. begonnen habe und durch die Aufhebung nicht betroffen sei. Dieser Verfahrensabschnitt sei bereits durch die Vergütung des Verfahrensbeistands für das
  64. erstinstanzliche Verfahren in Höhe von 1.100 € abgegolten. Auch durch § 31
  65. Abs. 1 FamGKG werde klargestellt, dass das weitere Verfahren nach einer Zurückverweisung mit dem früheren Verfahren einen Rechtszug im Sinne des
  66. § 29 FamGKG bilde. Soweit sich für die Vergütung des Rechtsanwalts in § 21
  67. -4-
  68. RVG eine abweichende Regelung ergebe, könne diese für die Vergütung des
  69. Verfahrensbeistands nicht herangezogen werden.
  70. 7
  71. 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
  72. 8
  73. a) Die Vergütung des berufsmäßigen Verfahrensbeistands ist in § 158
  74. Abs. 7 FamFG geregelt. Danach erhält er die Vergütungspauschale in jedem
  75. Rechtszug. Wenn der Verfahrensbeistand für mehrere Kinder bestellt wurde,
  76. erhält er diese Pauschale, wie der Senat bereits entschieden hat, für jedes Kind
  77. (Senatsbeschluss BGHZ 187, 40 = FamRZ 2010, 1893 Rn. 16 ff.).
  78. 9
  79. aa) Ob das Verfahren vor dem Ausgangsgericht nach einer Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht als eigener Rechtszug in diesem Sinne
  80. zu betrachten ist, ist umstritten.
  81. 10
  82. Von Teilen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur
  83. wird die Frage bejaht (OLG Saarbrücken FamRZ 2013, 1330 Rn. 7 ff.; Bork/
  84. Jacoby/Schwab/Zorn FamFG 2. Aufl. § 158 Rn. 36; Bumiller/Harders/Schwamb
  85. FamFG 11. Aufl. § 158 Rn. 21; Keidel/Engelhardt FamFG 19. Aufl. § 158
  86. Rn. 47; Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 158 Rn. 22; Prütting/Helms/Hammer
  87. FamFG 3. Aufl. § 158 Rn. 59; Menne FamRB 2015, 213, 214; H. Schneider
  88. FamRB 2013, 192, 193 f.; Zimmermann FamRZ 2014, 165, 170). Andere sehen
  89. in dem Verfahren vor dem Ausgangsgericht lediglich die Fortsetzung des früheren Verfahrens erster Instanz, welche keinen weiteren Vergütungsanspruch
  90. begründe (OLG Hamm FuR 2015, 483 f.; Haußleiter/Eickelmann FamFG
  91. 2. Aufl. § 158 Rn. 31).
  92. 11
  93. bb) Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend. Für einen nach Zurückverweisung der Sache erneuten Anfall der Pauschalvergütung des Verfahrens-
  94. -5-
  95. beistands im Verfahren vor dem Ausgangsgericht fehlt eine gesetzliche Grundlage.
  96. 12
  97. (1) Die gesetzliche Regelung in § 158 Abs. 7 FamFG ist - noch vor ihrem
  98. Inkrafttreten - im Hinblick auf Rechtsmittelverfahren erst durch das Gesetz
  99. zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht,
  100. zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I 2449) ergänzt worden.
  101. Dass die Fallpauschale für jeden Rechtszug gewährt wird, sollte dem Verfahrensbeistand, der im zweiten und dritten Rechtszug tätig wird, im Unterschied zur Fassung im FGG-Reformgesetz einen zusätzlichen Vergütungsanspruch verschaffen, da er andernfalls nur eine einmalige Fallpauschale erhielte
  102. (BT-Drucks. 16/12717 S. 61). Damit zielte die Erweiterung der Vergütung ausschließlich auf Rechtsmittelverfahren. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber für das an die erste Instanz zurückverwiesene Verfahren einen weiteren
  103. Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistands begründen wollte, bestehen dagegen nicht.
  104. 13
  105. (2) Für das gegenteilige Ergebnis lässt sich entgegen der Auffassung der
  106. Rechtsbeschwerde auch nicht die in § 21 RVG für die Rechtsanwaltsvergütung
  107. getroffene Regelung anführen. Zwar hat sich der Gesetzgeber bei der Bemessung der Fallpauschalen in § 158 Abs. 7 FamFG im Ausgangspunkt an den für
  108. den Regelverfahrenswert von 3.000 € anfallenden Rechtsanwaltsgebühren orientiert. Mit der Pauschalvergütung hat er sich aber im Interesse einer für den
  109. Verfahrensbeistand als auch die Justiz unaufwändigen und unbürokratischen
  110. Handhabung bewusst von der Systematik der Rechtsanwaltsvergütung gelöst
  111. (BT-Drucks. 16/9733 S. 294). Dementsprechend hat der Senat eine Analogie
  112. zur Rechtsanwaltsvergütung auch in anderen Zusammenhängen, namentlich
  113. bei der Tätigkeit des Verfahrensbeistands für mehrere Kinder und für Auf-
  114. -6-
  115. wendungen des Verfahrensbeistands, abgelehnt (Senatsbeschlüsse BGHZ
  116. 187, 40 = FamRZ 2010, 1893 Rn. 20, 32 f. und vom 13. November 2013
  117. - XII ZB 612/12 - FamRZ 2014, 191 Rn. 8 f.). Überdies erfährt auch die Rechtsanwaltsvergütung im zurückverwiesenen Verfahren bereits dadurch eine wesentliche Einschränkung, dass die im erstinstanzlichen Ausgangsverfahren entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist (Vorb. 3 Abs. 6 VV RVG) und
  118. auch der Rechtsanwalt mithin zusätzlich nur einen Teil der Gebühren erhält, die
  119. im erstinstanzlichen Verfahren üblicherweise entstehen.
  120. 14
  121. (3) Schließlich ergibt sich auch aus dem verfassungsrechtlichen Gebot
  122. einer auskömmlichen Vergütung nichts anderes. Die pauschale Vergütungsregelung zeichnet sich dadurch aus, dass sie dem Verfahrensbeistand die Möglichkeit einer Mischkalkulation aus einfachen und komplex gelagerten Fällen
  123. eröffnet (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 187, 40 = FamRZ 2010, 1893 Rn. 21 ff.
  124. und vom 17. November 2010 - XII ZB 478/10 - FamRZ 2011, 199 Rn. 18 ff.;
  125. BT-Drucks. 16/9733 S. 294). Der Fall der Zurückverweisung ist gemäß § 69
  126. Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG zudem dadurch gekennzeichnet, dass das erstinstanzliche Gericht entweder noch nicht in der Sache entschieden hat oder das
  127. erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Dementsprechend besteht die Aufgabe des erstinstanzlichen Gerichts nach der Zurückverweisung vor allem in der Nachholung oder Ergänzung einer bislang unterbliebenen oder unvollständigen Sachaufklärung, etwa einer - wie im vorliegenden
  128. Fall - verfahrensfehlerhaft unterbliebenen Kindesanhörung. Da im Übrigen regelmäßig an das bisherige Verfahren vor dem Ausgangsgericht anzuknüpfen
  129. ist, besteht die Aufgabe des Verfahrensbeistands im wesentlichen aus Tätigkeiten, die bei ursprünglich vollständiger Durchführung des Verfahrens durch das
  130. Ausgangsgericht ohnehin angefallen wären. Die weitere Voraussetzung der
  131. Zurückverweisung, dass eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung
  132. notwendig wäre (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG), verdeutlicht zudem, dass der Ver-
  133. -7-
  134. fahrensbeistand im Fall der vom Beschwerdegericht selbst durchgeführten Beweiserhebung ebenfalls keine zusätzliche Vergütung erhalten hätte, während er
  135. bei Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht für das Verfahren vor
  136. dem Beschwerdegericht die volle pauschale Vergütung erhält.
  137. 15
  138. b) Für den erneuten Anfall einer pauschalen Vergütung für das zurückverwiesene Verfahren mangelt es somit an der notwendigen gesetzlichen
  139. Grundlage.
  140. Dose
  141. Klinkhammer
  142. Guhling
  143. Schilling
  144. Krüger
  145. Vorinstanzen:
  146. AG Schwerin, Entscheidung vom 16.02.2016 - 20 F 179/14 OLG Rostock, Entscheidung vom 22.08.2016 - 10 WF 134/16 -