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364 lines
19 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. BESCHLUSS
  4. XII ZB 369/14
  5. Verkündet am:
  6. 15. Juli 2015
  7. Breskic,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Familiensache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 1578 Abs. 2, 1578 b Abs. 1; FamFG § 238
  19. a) Ein vom Gericht im vorausgegangenen Verfahren zur Frage der Herabsetzung
  20. des Unterhalts auf den angemessenen Bedarf übersehener Umstand kann für
  21. sich genommen nicht die Abänderung der Entscheidung eröffnen.
  22. b) Ist die Abänderung hingegen aus anderen Gründen eröffnet, so ist die Berücksichtigung des Umstands nur dann ausgeschlossen (präkludiert), wenn dieser
  23. bereits im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich war.
  24. c) War der Umstand (hier: Möglichkeit des Wechsels der Unterhaltsberechtigten in
  25. einen günstigeren Tarif der privaten Krankenversicherung im Rahmen des
  26. Krankenvorsorgeunterhalts) im vorausgegangenen Verfahren allein für die im
  27. Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB anzustellende Gesamtschau von Bedeutung, ist seine Berücksichtigung im Abänderungsverfahren im Zweifel nicht ausgeschlossen.
  28. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 369/14 - OLG Köln
  29. AG Bonn
  30. -2-
  31. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  32. vom 15. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
  33. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling
  34. beschlossen:
  35. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
  36. des 4. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln
  37. vom 10. Juli 2014 aufgehoben.
  38. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
  39. auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das
  40. Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Gründe:
  43. I.
  44. 1
  45. Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten über die Abänderung des durch Urteil festgesetzten Ehegattenunterhalts.
  46. 2
  47. Die 1974 geschlossene Ehe der Beteiligten, aus der zwei inzwischen erwachsene Kinder hervorgegangen sind, ist seit September 2001 rechtskräftig
  48. geschieden.
  49. 3
  50. Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) war Polizeibeamter im höheren Dienst und wurde zum 1. April 2011 in den Ruhestand versetzt. Die An-
  51. -3-
  52. tragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) hat den Beruf der Arzthelferin erlernt.
  53. Während der Ehe kümmerte sie sich um Haushalt und Kinder und ging keiner
  54. geregelten Erwerbstätigkeit nach. Sie bezieht seit November 2007 eine Rente
  55. wegen Alters und ist privat krankenversichert.
  56. 4
  57. Der Unterhalt ist zuletzt - in Abänderung einer Entscheidung aus dem
  58. Jahr 2005 - durch "Teil-Anerkenntnis- und Schluss-Urteil" des Amtsgerichts
  59. vom 25. November 2009 festgesetzt worden. Er beläuft sich für die Zeit ab April
  60. 2008 auf monatlichen Elementarunterhalt in Höhe von 56,19 € sowie Krankenvorsorgeunterhalt von monatlich 593,81 €.
  61. 5
  62. Der Ehemann begehrt die Abänderung des titulierten Unterhalts dahin,
  63. dass er für die Zeit ab Juni 2011 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet.
  64. Außerdem hat er die Herausgabe des Titels sowie die Rückzahlung gezahlten
  65. Unterhalts geltend gemacht.
  66. 6
  67. Das Amtsgericht hat den (Gesamt-)Unterhalt für die Zeit ab Juni 2011 auf
  68. monatlich 258 € herabgesetzt. Im Übrigen hat es die Anträge abgewiesen. Das
  69. Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns
  70. zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat es die Anträge des Ehemanns insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der seinen Abänderungsantrag, den - in der Beschwerdeinstanz eingeschränkten - Rückzahlungsantrag sowie den Antrag auf
  71. Herausgabe des Titels weiterverfolgt.
  72. -4-
  73. II.
  74. 7
  75. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
  76. 8
  77. 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind die Einwendungen des
  78. Ehemanns zur Herabsetzung und Befristung nach § 1578 b BGB gemäß § 238
  79. Abs. 2 FamFG präkludiert, weil der Ehemann sich auf diese schon im vorangegangenen Abänderungsverfahren habe berufen können. So habe er geltend
  80. machen können, dass eine Herabsetzung des Krankenvorsorgeunterhalts auf
  81. den angemessenen Bedarf erforderlich sei. Der Basistarif in der privaten Krankenversicherung sei bereits zum 1. Januar 2009 eingeführt worden. Ein Wechsel in den Standardtarif, der mit seinem Leistungsumfang der gesetzlichen
  82. Krankenversicherung entspricht und von dem das Amtsgericht bei der Herabsetzung des Krankenvorsorgeunterhalts ausgegangen ist, sei schon vor dem
  83. 1. Januar 2009 möglich gewesen. Die diesbezügliche Billigkeitsbeurteilung sei
  84. daher nicht noch "im Fluss" gewesen.
  85. 9
  86. Auch auf die Erforderlichkeit der Befristung habe der Ehemann sich
  87. schon im Vorverfahren berufen können. Ob die seinerzeit gegebene Begründung für eine Ablehnung der Befristung zutreffend gewesen sei, sei für die
  88. Präklusion ohne Belang. Selbst wenn man aber den Einwand der Befristung
  89. nach § 1578 b BGB für nicht präkludiert, sondern bei jeder Einkommensveränderung eine erneute Überprüfung für erforderlich halten würde, wäre eine Befristung nicht geboten.
  90. 10
  91. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Tatsachenpräklusion aus Gründen
  92. der Billigkeit sei nicht veranlasst. Weder führe die Anwendung des § 238 Abs. 2
  93. FamFG zu einem unerträglichen Ergebnis noch habe die Ehefrau die Präklusion treuwidrig herbeigeführt. Die Möglichkeit eines Wechsels in den Standard-
  94. -5-
  95. tarif hätten beide Beteiligten kennen können und müssen. Die Ehefrau sei
  96. deswegen nicht zur Offenbarung verpflichtet gewesen.
  97. 11
  98. Die Verringerung des Einkommens des Ehemanns gebe keinen Anlass
  99. zur Herabsetzung des Krankenvorsorgeunterhalts. Allein wegen des geringeren
  100. Einkommens des Ehemanns wäre der Krankenvorsorgeunterhalt allenfalls dann
  101. herabzusetzen, wenn dessen Zahlung für den Ehemann unzumutbar wäre. Das
  102. wäre nur der Fall, wenn entweder der angemessene Selbstbehalt unterschritten
  103. sei oder die Zahlungsverpflichtung zu einem unzumutbaren Ungleichgewicht
  104. zwischen den Einkommen der Beteiligten führe. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz vor. Vielmehr würde der Ehemann der
  105. Ehefrau bei einer "fiktiven Berechnung" auch dann noch Quotenunterhalt schulden, wenn diese die Kosten der Krankenversicherung selbst tragen müsste.
  106. 12
  107. 2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
  108. 13
  109. Das Oberlandesgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Berufung auf einen möglichen Wechsel in einen kostengünstigeren Tarif der privaten Krankenversicherung im Rahmen der Herabsetzung oder Befristung des
  110. Krankenvorsorgeunterhalts nach § 238 Abs. 2 FamFG ausgeschlossen sei.
  111. 14
  112. a) Nach § 238 Abs. 1 FamFG kann jeder Teil die Abänderung einer in
  113. der Hauptsache ergangenen Endentscheidung des Gerichts beantragen, die
  114. eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen
  115. enthält. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus
  116. denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde
  117. liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Gemäß § 238
  118. Abs. 2 FamFG kann der Antrag nur auf Gründe gestützt werden, die nach
  119. Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens ent-
  120. -6-
  121. standen sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist
  122. oder war.
  123. 15
  124. Bei mehreren vorausgegangenen (Abänderungs-)Entscheidungen ist auf
  125. die im letzten Abänderungsverfahren ergangene Entscheidung abzustellen
  126. (Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09 - FamRZ 2012, 288
  127. Rn. 22; vom 20. Februar 2008 - XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872 Rn. 12 und
  128. BGHZ 136, 374 = FamRZ 1998, 99 f., jeweils mwN). Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die letzte Abänderung in einer Herabsetzung des titulierten Unterhalts bestand (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar
  129. 1985 - IVb ZR 63/83 - FamRZ 1985, 376, 377).
  130. 16
  131. aa) Die Zulässigkeit des Abänderungsantrags wegen tatsächlicher Änderungen (zur Abänderung wegen Änderung der rechtlichen Verhältnisse vgl.
  132. etwa Senatsurteile BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111 Rn. 17 und vom 8. Juni
  133. 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 18, jeweils mwN; zur Ehevertragsanpassung bei Rechtsänderungen vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 2015
  134. - XII ZR 80/13 - FamRZ 2015, 824 Rn. 22 mwN) setzt den Vortrag von grundsätzlich unterhaltsrelevanten Tatsachen voraus, die erst nach Schluss der
  135. Tatsachenverhandlung des letzten Verfahrens eingetreten sind. Erweist sich
  136. das Vorbringen des Antragstellers als unrichtig oder ist die sich daraus ergebende Änderung nur unwesentlich, so ist der Abänderungsantrag unbegründet
  137. (vgl. Senatsurteil BGHZ 148, 368 = FamRZ 2001, 1687, 1689 mwN).
  138. 17
  139. Das Oberlandesgericht hat den Abänderungsantrag zu Recht für zulässig
  140. erachtet. Der Ehemann hat mit der nach Schluss der mündlichen Verhandlung
  141. im vorausgegangenen Verfahren erfolgten Pensionierung geänderte Tatsachen
  142. angeführt, die eine Abänderung rechtfertigen können.
  143. -7-
  144. 18
  145. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung waren die
  146. mit dem Eintritt in den Ruhestand verbundenen Veränderungen im vorausgegangenen Verfahren noch nicht hinreichend zuverlässig absehbar, als dass sie
  147. bereits seinerzeit hätten berücksichtigt werden müssen. Weder das Gericht
  148. noch die Beteiligten waren gehalten, die konkret zu erwartende Altersversorgung zu ermitteln, zumal diese weder in zeitlicher Hinsicht noch der Höhe nach
  149. feststand. Dies gilt erst recht, weil noch nach Abschluss des vorausgegangenen
  150. Verfahrens der Versorgungsausgleich abgeändert worden ist.
  151. 19
  152. bb) Ist das Abänderungsverfahren eröffnet, so ermöglicht es weder eine
  153. freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts
  154. noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der
  155. Erstentscheidung eine Bewertung erfahren haben (Senatsurteil vom 2. Juni
  156. 2010 - XII ZR 160/08 - FamRZ 2010, 1318 Rn. 32). Darüber hinaus bleiben im
  157. Abänderungsverfahren auch solche im Ausgangsverfahren schon entscheidungserheblichen Umstände unberücksichtigt, die seinerzeit von den Beteiligten nicht vorgetragen oder vom Gericht übersehen wurden. Denn auch eine
  158. Korrektur von Fehlern der rechtskräftigen Entscheidung ist im Abänderungsverfahren nicht zulässig. Einer Fehlerkorrektur steht vielmehr die Rechtskraft
  159. der Vorentscheidung entgegen, deren Durchbrechung nur insoweit gerechtfertigt ist, als sich die maßgeblichen Verhältnisse nachträglich verändert haben
  160. (vgl. Senatsurteile BGHZ 185, 322 = FamRZ 2010, 1150 Rn. 19 und vom
  161. 6. März 1985 - IVb ZR 76/83 - FamRZ 1985, 580, 581).
  162. 20
  163. Die Abänderungsentscheidung besteht dementsprechend in einer unter
  164. Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des
  165. Unterhalts an veränderte Verhältnisse (§ 238 Abs. 4 FamFG). Für das Ausmaß
  166. der Abänderung kommt es darauf an, welche Umstände für die Bemessung der
  167. Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren und welches Gewicht ihnen dabei
  168. -8-
  169. zugekommen ist. Auf dieser durch Auslegung zu ermittelnden Grundlage hat
  170. der Richter im Abänderungsverfahren unter Berücksichtigung der neuen Verhältnisse festzustellen, welche Veränderungen in diesen Umständen eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe des Unterhalts
  171. ergeben (Senatsurteil vom 2. Juni 2010 - XII ZR 160/08 - FamRZ 2010, 1318
  172. Rn. 32 mwN; zur Auslegung der Ausgangsentscheidung vgl. Senatsurteil vom
  173. 7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09 - FamRZ 2012, 288 Rn. 23 mwN).
  174. 21
  175. b) Nach den genannten Grundsätzen richtet sich auch die Präklusion von
  176. für die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts gemäß § 1578 b Abs. 1 und
  177. 2 BGB erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen.
  178. 22
  179. aa) Konnte eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf
  180. bzw. zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhalts gemäß § 1578 b BGB
  181. bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Ausgangsverfahrens vorgetragen werden, ist ein mit dem gleichen Ziel erhobener Abänderungsantrag bei gleich gebliebenen Verhältnissen wegen § 238 Abs. 2 FamFG
  182. bereits unzulässig. Die Entscheidung, einen Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen herabzusetzen oder zu befristen, setzt dabei nicht voraus, dass die
  183. hierfür maßgeblichen Umstände bereits eingetreten sind. Soweit die betreffenden Gründe schon im Ausgangsverfahren entstanden oder jedenfalls zuverlässig vorauszusehen waren, mussten sie auch im Ausgangsverfahren berücksichtigt werden. Die Entscheidung über eine Unterhaltsbegrenzung kann dann
  184. wegen § 238 Abs. 2 FamFG im Rahmen eines Abänderungsverfahrens grundsätzlich nicht nachgeholt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 183, 197 = FamRZ
  185. 2010, 111 Rn. 59; vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 - FamRZ 2004, 1357, 1360
  186. und vom 5. Juli 2000 - XII ZR 104/98 - FamRZ 2001, 905, 906; zum Verhältnis
  187. von Herabsetzung und Befristung in Bezug auf die Präklusion vgl. Senatsurteil
  188. vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 20 f.).
  189. -9-
  190. 23
  191. bb) Die Präklusion setzt allerdings voraus, dass die Umstände schon für
  192. die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblich waren. Das ist dann der
  193. Fall, wenn das Gericht des Ausgangsverfahrens bereits eine Herabsetzung
  194. oder Befristung hätte aussprechen müssen. Ist ein Umstand allein im Rahmen
  195. der Billigkeitsbetrachtung nach § 1578 b BGB erheblich, so kommt es mithin
  196. grundsätzlich darauf an, ob der fragliche Umstand bereits im Ausgangsverfahren zu einer abweichenden Entscheidung hätte führen müssen.
  197. 24
  198. Demnach ist zwar bei seit dem Schluss der mündlichen Verhandlung im
  199. Ausgangsverfahren unveränderter Tatsachen- und Rechtslage eine Abänderung nicht zulässig. Ist die Abänderung hingegen aus anderen Gründen eröffnet, so kann auch eine sogenannte Alttatsache berücksichtigt werden, wenn sie
  200. nicht bereits im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich war, das heißt im
  201. Hinblick auf die konkrete Rechtsfolge der Herabsetzung und Befristung nach
  202. § 1578 b BGB für sich genommen noch nicht zu einer anderen Entscheidung
  203. hätte führen müssen. Dabei ist zu beachten, dass im Rahmen von § 1578 b
  204. Abs. 1 und 2 BGB eine umfassende Billigkeitsabwägung vorzunehmen ist,
  205. welche sich regelmäßig nicht auf einzelne Gesichtspunkte reduzieren lässt.
  206. Dementsprechend kann das Hinzutreten neuer Gesichtspunkte genügen, um in
  207. einer Gesamtschau zu einer Neubewertung auch der unverändert gebliebenen
  208. Umstände zu gelangen (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2011 - XII ZR 117/09 FamRZ 2011, 1854 Rn. 26 zu § 1579 Nr. 2 BGB; NK-BGB/Schürmann 3. Aufl.
  209. § 1578 b Rn. 42).
  210. 25
  211. Hinsichtlich solcher Umstände, die Teil einer umfassenden Abwägung
  212. sind, ist vielmehr im Zweifel davon auszugehen, dass das Gericht über deren
  213. Berücksichtigung noch nicht in dem Sinn abschließend entscheiden will, dass
  214. diese in einem späteren Abänderungsverfahren außer Betracht gelassen wer-
  215. - 10 -
  216. den müssen. Entsprechend ist zu verfahren, wenn einzelne Aspekte vom Gericht schlicht übersehen und nicht in seine Beurteilung einbezogen wurden.
  217. 26
  218. Sind die Umstände dagegen im Ausgangsverfahren schon in anderer
  219. Hinsicht relevant gewesen, so ist ihre Berücksichtigung im Abänderungsverfahren auch im Zusammenhang mit der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom
  220. 5. Dezember 2012 - XII ZB 670/10 - FamRZ 2013, 274 Rn. 28 und Senatsurteil
  221. vom 27. Januar 2010 - XII ZR 100/08 - FamRZ 2010, 538 Rn. 42 mwN).
  222. 27
  223. c) Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Grundsätzen nicht
  224. in vollem Umfang.
  225. 28
  226. Das Oberlandesgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass dem
  227. Amtsgericht im vorausgegangenen Abänderungsverfahren im Hinblick auf die
  228. Frage der Herabsetzung des Krankenvorsorgeunterhalts ein Fehler unterlaufen
  229. ist, weil es - wie auch die Beteiligten - die seinerzeit schon bestehende Möglichkeit des Wechsels der Ehefrau in den Standardtarif nicht berücksichtigt hat.
  230. 29
  231. Damit steht aber noch nicht fest, dass der Fehler auch entscheidungserheblich war. Für die Entscheidungserheblichkeit ist mangels in Rechtskraft
  232. erwachsener gegenteiliger Erwägungen der Ausgangsentscheidung darauf
  233. abzustellen, wie aus Sicht des erkennenden Gerichts seinerzeit hätte entschieden werden müssen. Auf die Hypothese, wie das seinerzeit zuständige Gericht
  234. entschieden hätte, kommt es nicht entscheidend an. Davon abgesehen beruhte
  235. im vorliegenden Fall die vom Amtsgericht im vorausgegangenen Verfahren
  236. ausgesprochene Herabsetzung des Elementarunterhalts ausweislich der Entscheidungsgründe im Wesentlichen darauf, dass die Ehefrau ohne diese über
  237. höhere Einkünfte verfügt hätte als der Ehemann. Damit hat das Amtsgericht
  238. seinerzeit auch den Krankenvorsorgeunterhalt der Sache nach jedenfalls mit-
  239. - 11 -
  240. telbar einbezogen und - wie die weitere Begründung zeigt - dessen spätere
  241. Herabsetzung nicht ausschließen wollen.
  242. 30
  243. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kann demnach nicht
  244. von einer Entscheidungserheblichkeit im Vorverfahren ausgegangen werden.
  245. Vielmehr ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im vorliegenden Verfahren im
  246. Zweifel davon auszugehen, dass die Möglichkeit der Wahl eines günstigeren
  247. Tarifs der privaten Krankenversicherung im vorausgegangenen Verfahren für
  248. sich genommen noch nicht entscheidungserheblich war und im Rahmen einer
  249. ohnedies neu anzustellenden Gesamtschau somit berücksichtigungsfähig ist.
  250. Mit dem Eintritt des Ehemanns in den Ruhestand ist eine wesentliche Reduzierung seines Einkommens verbunden. Dieser Einkommensrückgang wird durch
  251. den Versorgungsausgleich deutlich vergrößert. Daher bedarf nach den aufgeführten Grundsätzen auch der Krankenvorsorgeunterhalt einer erneuten Beurteilung nach § 1578 b BGB, die vom Oberlandesgericht nicht durchgeführt
  252. worden ist.
  253. 31
  254. d) Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Der Senat ist
  255. gehindert, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil dies der umfassenden erneuten tatrichterlichen Beurteilung bedarf.
  256. 32
  257. Im Hinblick auf die erneut zu prüfende Herabsetzung des Unterhalts ist
  258. eine Berücksichtigung des der Ehefrau möglichen Wechsels in den Standardtarif mithin nicht ausgeschlossen. Das Oberlandesgericht wird zudem zu beachten haben, dass der von ihm zur Kontrolle herangezogene Halbteilungsgrundsatz kein für die Unbilligkeit des unverminderten Unterhalts taugliches Kriterium
  259. darstellt. Denn eine Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz zu Lasten des
  260. Unterhaltsberechtigten liegt im Wesen einer jeden Unterhaltsherabsetzung oder
  261. -befristung nach § 1578 b BGB. Eine Orientierung am Halbteilungsgrundsatz
  262. - 12 -
  263. würde vielmehr die - insoweit bereits rechtskräftig - erfolgte Herabsetzung des
  264. Elementarunterhalts konterkarieren. Schließlich kann es auch nicht auf den
  265. sogenannten angemessenen Selbstbehalt ankommen. Wenn der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig im Sinne von § 1581 BGB wäre, würde sich eine
  266. Prüfung der Herabsetzung oder Befristung des Unterhalts erübrigen.
  267. Dose
  268. Klinkhammer
  269. Botur
  270. Günter
  271. Guhling
  272. Vorinstanzen:
  273. AG Bonn, Entscheidung vom 08.11.2013 - 409 F 221/12 OLG Köln, Entscheidung vom 10.07.2014 - II-4 UF 257/13 -