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757 lines
55 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. BESCHLUSS
  4. XII ZB 303/13
  5. Verkündet am:
  6. 29. Januar 2014
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Familiensache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 134, 138 Aa, Cd, 139, 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3, 1614
  19. a)
  20. Der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch bei einer Alleinverdienerehe der ehevertraglichen Wirksamkeitskontrolle standhalten, wenn die wirtschaftlich
  21. nachteiligen Folgen dieser Regelung für den belasteten Ehegatten durch die ihm gewährten Kompensationsleistungen (hier: Finanzierung einer privaten Kapitalversicherung; Übertragung einer Immobilie) ausreichend abgemildert werden.
  22. b)
  23. Zu den subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit im Rahmen der Gesamtwürdigung eines objektiv einseitig belastenden Ehevertrages (Fortführung der Senatsurteile vom
  24. 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 und vom 21. November 2012
  25. - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269).
  26. c)
  27. Das gesetzliche Verbot des Verzichts auf Trennungsunterhalt kann durch ein pactum de
  28. non petendo nicht umgangen werden.
  29. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - OLG Nürnberg
  30. AG Erlangen
  31. -2-
  32. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  33. vom 29. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
  34. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des
  37. Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. Mai 2013 aufgehoben.
  38. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
  39. auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Gründe:
  42. I.
  43. 1
  44. Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich sowie um Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die
  45. Wirksamkeit eines Ehevertrages.
  46. 2
  47. Die beteiligten Eheleute, aus deren Beziehung ein mittlerweile volljähriger Sohn hervorgegangen ist, heirateten am 15. Juni 1991. Der 1963 geborene
  48. Antragsteller ist seit den 1980er Jahren für die A.-Versicherung tätig und leitet
  49. seit 1988 als selbständiger Versicherungsvertreter eine Generalagentur. Die
  50. -3-
  51. 1958 geborene Antragsgegnerin, die über keine abgeschlossene Berufsbildung
  52. verfügt, war bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1989 mit einem
  53. gastronomischen Betrieb selbständig und hatte während der Ehe vorwiegend
  54. den Haushalt geführt und das Kind betreut; daneben war sie zeitweise in der
  55. Agentur des Antragstellers als Bürokraft geringfügig beschäftigt.
  56. 3
  57. Am 18. Januar 2007 schlossen die Eheleute einen notariellen Ehevertrag
  58. mit Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, dem folgende Präambel
  59. vorangestellt war:
  60. "Die Parteien leben derzeit nicht getrennt, doch befindet sich ihre Ehe in einer
  61. tiefen Krise, da [die Antragsgegnerin] ohne rechtfertigende oder entschuldigende Veranlassung mutwillig aus der intakten Ehe ausgebrochen ist und intime
  62. Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen hat."
  63. 4
  64. In diesem Vertrag trafen die Eheleute umfangreiche und weitgehende
  65. Vereinbarungen zur Regelung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen, bei der
  66. sie die gesetzlichen Scheidungsfolgen im Wesentlichen ausschlossen. Bei Aufrechterhaltung des gesetzlichen Güterstandes sollte im Falle der Scheidung ein
  67. Zugewinnausgleich nicht stattfinden. Im Rahmen der Auseinandersetzung ihres
  68. sonstigen Vermögens teilten die Eheleute das Guthaben auf einem gemeinsamen Wertpapierdepot in Höhe von seinerzeit 260.000 € hälftig auf, so dass der
  69. Antragsgegnerin Fondsanteile in Höhe von 130.000 € zugewiesen wurden. Ferner waren die Eheleute gemeinschaftliche Eigentümer von zwei gleich großen
  70. Eigentumswohnungen in derselben Wohnanlage, die während der Ehezeit zur
  71. Kapitalanlage angeschafft und vollständig fremdfinanziert worden waren. Der
  72. Antragsteller verpflichtete sich, der Antragsgegnerin eine dieser beiden Wohnungen, deren Wert bei Vertragsschluss jeweils rund 130.000 € betrug, nach
  73. ihrer Auswahl zu Alleineigentum zu übertragen (Zug-um-Zug gegen Übertragung der anderen Wohnung auf den Antragsteller) und diese unter Übernahme
  74. -4-
  75. sämtlicher zur Finanzierung der Eigentumswohnungen eingegangenen Verbindlichkeiten zu entschulden.
  76. 5
  77. Ferner stellte der Antragsteller die Antragsgegnerin im Innenverhältnis
  78. von Unterhaltsansprüchen des gemeinsamen Sohnes frei. Zum Trennungsunterhalt enthielt die Vereinbarung folgende Bestimmungen:
  79. "Für den Fall der Trennung wird keine der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen.
  80. Insbesondere gehen sie davon aus, dass [die Antragsgegnerin] wegen ihres
  81. ehebrecherischen Verhaltens die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1579 Ziffer 6 i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB erfüllt und deshalb ihren Unterhaltsanspruch
  82. gegen [den Antragsteller] verwirkt hat.
  83. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und lediglich um anfängliche Härten
  84. nach der Trennung zu vermeiden, verpflichtet sich [der Antragsteller] ab dem
  85. Zeitpunkt einer eventuellen Trennung … an [die Antragsgegnerin] einen monatlichen, jeweils im Voraus fälligen Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.500 Euro, befristet auf die Zeitdauer von 12 Monaten ab Beginn der Trennung zu leisten.
  86. Dieser Betrag ist fest und unabänderlich und unabhängig von den jeweiligen
  87. Einkommensverhältnissen der Parteien zu entrichten.
  88. Letztendlich sind sie aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse
  89. selbst in der Lage, ihren den ehelichen Verhältnissen entsprechenden Unterhalt
  90. selbst zu befriedigen."
  91. 6
  92. Ausgehend von der übereinstimmenden "Feststellung", dass auch Ansprüche der Antragsgegnerin auf Nachscheidungsunterhalt wegen Verwirkung
  93. nicht bestünden, verzichteten die Eheleute darüber hinaus "vorsorglich" auf
  94. nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not. Schließlich schlossen die
  95. Eheleute durch den Ehevertrag auch den öffentlich-rechtlichen und den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vollständig aus. Der Antragsteller verpflichtete sich, auf eine von der Antragsgegnerin abzuschließende und mit Vollendung
  96. ihres 65. Lebensjahres fällig werdende Lebensversicherung auf Kapital- oder
  97. Rentenbasis für die Dauer der Laufzeit der Versicherung monatliche Beiträge in
  98. Höhe von 500 € einzuzahlen.
  99. -5-
  100. 7
  101. Im Juni 2007 schloss die Antragsgegnerin einen privaten Rentenversicherungsvertrag ab, dessen Jahresbeitrag in Höhe von 6.000 € seither von dem
  102. Antragsteller bedient wird. Die Eheleute trennten sich im April 2010. Die Antragsgegnerin hat sich nach der Trennung mit einem Büroservice selbständig
  103. gemacht und erzielte hieraus im Jahre 2011 Gewinneinkünfte vor Steuern in
  104. Höhe von 17.375 €.
  105. 8
  106. Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 29. Juli 2011 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat im Scheidungsverbund die Durchführung
  107. des Versorgungsausgleichs beantragt und den Antragsteller zum Zugewinnausgleich im Wege des Stufenantrages zunächst auf Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen sowie über sein Vermögen im Trennungszeitpunkt in
  108. Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat - nach vorheriger Einholung von
  109. Versorgungsauskünften - die Ehe durch Beschluss vom 18. Oktober 2012 geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde;
  110. das Begehren der Antragsgegnerin auf Zugewinnausgleich hat das Amtsgericht
  111. insgesamt abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die gegen den Ausspruch
  112. zum Versorgungsausgleich und zum Zugewinnausgleich gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die ihr Begehren auf Durchführung
  113. des Versorgungsausgleichs und ihren in der ersten Stufe erhobenen Auskunftsantrag zum Zugewinnausgleich weiterverfolgt.
  114. II.
  115. 9
  116. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
  117. -6-
  118. 10
  119. 1. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts, nach
  120. der ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde und der Antrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht insgesamt der Abweisung unterliege, im Ergebnis gebilligt und zur Begründung das Folgende ausgeführt:
  121. 11
  122. Der Ehevertrag halte einer Wirksamkeitskontrolle nach dem Maßstab des
  123. § 138 BGB stand. Nach ständiger Rechtsprechung erweise sich der Zugewinnausgleich einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich, so dass
  124. ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes für sich genommen regelmäßig
  125. nicht sittenwidrig sei. Hinzu komme, dass der Verzicht auf den Zugewinnausgleich nicht entschädigungslos erfolgt sei, weil die Antragsgegnerin nicht nur
  126. Alleineigentümerin der von ihr im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung
  127. ausgewählten Eigentumswohnung geworden sei, sondern der Antragsteller sich
  128. zusätzlich verpflichtet habe, die Antragsgegnerin von den auf beiden Wohnungen ruhenden Belastungen freizustellen. Angesichts der erheblichen Darlehensbelastungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses stelle dies eine deutliche Gegenleistung des Antragstellers dar. Der Versorgungsausgleich sei demgegenüber dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen. Im Hinblick auf
  129. die Regelungen zum Versorgungsausgleich erscheine eine ungleiche Lastenverteilung und damit die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 138
  130. Abs. 1 BGB "sehr wahrscheinlich", wobei es keine entscheidende Rolle spiele,
  131. dass der Ehevertrag nicht zu Anfang der Ehe, sondern erst zu einem späteren
  132. Zeitpunkt abgeschlossen wurde, weil der Verzicht auf die gesamte Ehezeit zurückwirke. Auch unter Berücksichtigung der im notariellen Vertrag vereinbarten
  133. monatlichen Zahlungen von 500 € für die Altersversorgung der Antragsgegnerin
  134. dürfte aus Sicht des Vertragsschlusses ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den von den Eheleuten zu erwartenden Versorgungsleistungen gegeben
  135. sein. Der Antragsteller habe zwar die Behauptung der Antragsgegnerin, seine
  136. künftig zu erwartende Versorgung betrage "monatlich 12.000 €", als Fiktion be-
  137. -7-
  138. zeichnet. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller
  139. wegen seiner Berufstätigkeit und der während der Ehedauer erfolgten "Einzahlungen in das Vertreterversorgungswerk" erheblich höhere Rentenanwartschaften als die Antragsgegnerin zu erwarten habe.
  140. 12
  141. Es könne auch unterstellt werden, dass eine Gesamtwürdigung der notariellen Vereinbarung, bei der auch der Ausschluss von nachehelichen Unterhaltsansprüchen eine Rolle spiele, objektiv den Tatbestand des § 138 Abs. 1
  142. BGB verwirkliche. Es fehle aber am subjektiven Tatbestand. Eine ungleiche
  143. Verhandlungsposition bei Dominanz des Antragstellers, eine Zwangslage oder
  144. eine intellektuelle Unterlegenheit der Antragsgegnerin könne nicht festgestellt
  145. werden. Es möge zwar sein, dass die Antragsgegnerin aufgrund ihres "Fehltritts" Schuldgefühle gehabt habe und - wie im Übrigen auch der Antragsteller dem Sohn eine Scheidung ersparen wollte. Dem stehe aber gegenüber, dass
  146. die Eheleute mehrere Monate über den Ehevertrag verhandelt hätten. Zwar
  147. möge es zutreffen, dass sich die Antragsgegnerin mit ihren Positionen nicht
  148. oder nur teilweise habe durchsetzen können und der Vertrag letztendlich im
  149. Wesentlichen durch die Vorstellungen des Antragstellers geprägt gewesen sei.
  150. Eine Störung der subjektiven Vertragsparität lasse sich hieraus nicht herleiten.
  151. Vielmehr trage die Antragsgegnerin selbst vor, sie sei bei Vertragsschluss der
  152. sich im nachhinein als Fehleinschätzung erweisenden Vorstellung unterlegen,
  153. aus ihrem Vermögen erhebliche Kapitaleinkünfte erzielen und im Wesentlichen
  154. von diesen Kapitaleinkünften und Mieterträgen leben zu können. Es sei unerheblich, worauf diese Fehleinschätzung beruhe, ob also bereits die von der Antragsgegnerin vor Vertragsschluss bei einem Finanzberater eingeholte Auskunft
  155. zu optimistisch gewesen sei oder ob sich aufgrund der allgemeinen Zinsentwicklung in der Finanzkrise die ursprünglich realistische Erwartung nicht erfüllt
  156. habe.
  157. -8-
  158. 13
  159. Schließlich sei der Ehevertrag auch nicht im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu korrigieren oder nach den Grundsätzen des Wegfalls
  160. der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen. Es sei in der Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin nach Vertragsschluss keine Änderung der
  161. Lebensumstände eingetreten. Eine Vertragsanpassung könne auch nicht damit
  162. gerechtfertigt werden, dass die Antragsgegnerin nach Vertragsschluss ihr Vermögen nicht habe mehren können, sondern sich dieses aufgrund der Finanzkrise sogar noch verringert habe, während der Antragsteller seinen Vermögensaufbau habe weiter betreiben können. Dass die Erwartung weiteren Vermögensaufbaus durch die Antragsgegnerin Grundlage des Ehevertrages gewesen sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgetragen, und dies ergebe sich auch
  163. nicht aus den inhaltlichen Regelungen des Ehevertrages. Auch der - im Übrigen
  164. von dem Antragsteller bestrittene - Umstand, dass die Ehekrise nach Vertragsschluss überwunden worden sei, habe unter dem Gesichtspunkt der Ausübungskontrolle keine Bedeutung. Der "Fehltritt" der Antragsgegnerin möge
  165. Anlass für den Ehevertrag gewesen sein und hinsichtlich des Unterhaltsverzichts eine Rolle gespielt haben; Geschäftsgrundlage für die notarielle Vereinbarung sei er dagegen nicht geworden. Hinzu komme, dass im Rahmen der
  166. Ausübungskontrolle zu berücksichtigen sei, dass die Anpassung dem Ausgleich
  167. ehebedingter Nachteile diene. Dies bedeute, dass die Antragsgegnerin durch
  168. eine nach Treu und Glauben gebotene Vertragsanpassung nur erreichen könne, nicht einseitig mit ehebedingten Nachteilen belastet zu bleiben. Die Antragsgegnerin trage aber selbst nicht vor, dass sie nach Abschluss des Ehevertrages wirtschaftliche Risiken auf sich genommen habe, die sich nach dem
  169. endgültigen Scheitern der Ehe als Folge des Verzichts auf Unterhalt, Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich als einseitige Belastung erwiesen. Der
  170. Behauptung des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin trotz des notariellen
  171. -9-
  172. Ehevertrages durch die Ehe finanziell besser ausgestattet sei als ohne Eheschließung, habe die Antragsgegnerin nicht widersprochen.
  173. 14
  174. Dies ist nicht in jeder Hinsicht frei von rechtlichen Bedenken.
  175. 15
  176. 2. Mit Recht geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die
  177. in dem Ehevertrag vom 18. Januar 2007 enthaltenen Abreden hinsichtlich Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich sowohl für sich genommen als auch
  178. im Rahmen der Gesamtwürdigung aller zu den Scheidungsfolgen getroffenen
  179. Einzelregelungen einer Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1
  180. BGB standhalten.
  181. 16
  182. a) Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (grundlegend Senatsurteil
  183. BGHZ 158, 81, 94 ff. = FamRZ 2004, 601, 604 ff.), darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der
  184. gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und
  185. durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten
  186. Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen
  187. Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei
  188. verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten wiegen dabei umso schwerer und die Belange des
  189. anderen Ehegatten bedürfen umso genauerer Prüfung, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der
  190. Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung
  191. vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die
  192. einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben.
  193. - 10 -
  194. 17
  195. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter dabei zunächst
  196. zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens
  197. offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall
  198. führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten
  199. und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die
  200. Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen
  201. ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB).
  202. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommensund Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke
  203. sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten
  204. Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu
  205. entsprechen (Senatsurteil BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606; vgl.
  206. zuletzt Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013,
  207. 770 Rn. 16 mwN). Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in
  208. Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich
  209. des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen
  210. Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder
  211. durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt
  212. wird (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1310
  213. Rn. 15 und Senatsbeschluss vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009,
  214. 1041 Rn. 14).
  215. - 11 -
  216. 18
  217. b) Der ehevertragliche Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach
  218. diesen Maßstäben - für sich genommen - nicht zu beanstanden.
  219. 19
  220. aa) Allerdings hat der Senat den Versorgungsausgleich dem Kernbereich
  221. der Scheidungsfolgen zugeordnet und ausgesprochen, dass der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen steht. Die hochrangige Bedeutung des Versorgungsausgleichs innerhalb des Systems der Scheidungsfolgen rechtfertigt sich auch
  222. daraus, dass die Ansammlung von Vorsorgevermögen - gerade in den Regelsicherungssystemen - wirtschaftlichen Dispositionen der Ehegatten weitgehend
  223. entzogen und auch auf diese Weise sichergestellt ist, dass das gebildete Vermögen entsprechend seiner Zweckbestimmung für die Absicherung bei Alter
  224. oder Invalidität tatsächlich zur Verfügung steht (Senatsurteil vom 21. November
  225. 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 21).
  226. 20
  227. bb) Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1
  228. BGB schon für sich genommen unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem
  229. Zeitpunkt schon verwirklichten) Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität
  230. schlechthin unvereinbar erscheint. Das ist namentlich dann der Fall, wenn sich
  231. ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss geplant oder verwirklicht, der
  232. Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. In diesem Verzicht liegt ein Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert (Senatsurteil vom
  233. 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 17).
  234. - 12 -
  235. 21
  236. cc) Die richterliche Kontrolle, ob durch eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung
  237. entsteht, hat der Tatrichter durchzuführen, wenn und soweit das Vorbringen der
  238. Beteiligten oder die Sachverhaltsumstände hierzu Veranlassung geben. Es besteht demgegenüber auch bei scheidungsnahen Vereinbarungen grundsätzlich
  239. keine Verpflichtung des Gerichts, bereits von Amts wegen umfassende Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Folgen eines etwaigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich durchzuführen, weil ein faktischer Rückgriff auf die
  240. Prüfungsmaßstäbe des früheren § 1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB mit der sich
  241. aus den §§ 6 ff. VersAusglG ergebenden gesetzlichen Wertung, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich möglichst zu erleichtern, nicht in Einklang
  242. zu bringen wäre (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1719, 1720 f.; Soergel/
  243. Grziwotz BGB 13. Aufl. § 8 VersAusglG Rn. 10; Erman/Norpoth BGB 13. Aufl.
  244. § 8 VersAusglG Rn. 31; Hahne FamRZ 2009, 2041, 2043; Wick FPR 2009, 219,
  245. 220; Hauß FPR 2011, 26, 30).
  246. 22
  247. Nach diesen Maßstäben erscheint es schon zweifelhaft, ob das Beschwerdegericht überhaupt davon ausgehen konnte, dass die aufgrund der
  248. ehevertraglichen Abreden aus Mitteln des Antragstellers zu finanzierende Lebens- oder Rentenversicherung von vornherein keinen adäquaten Ausgleich für
  249. die mit dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile schaffen konnte.
  250. 23
  251. (1) Da der Antragsteller während der Ehezeit keine sonstigen nennenswerten Versorgungsanrechte erworben hatte, wurden durch die ehevertraglichen Abreden in erster Linie dessen bei dem Vertreterversorgungswerk der
  252. A.-Beratungs- und Vertriebs-AG (Beteiligte zu 1) erlangten Anrechte der betrieblichen Altersversorgung dem Versorgungsausgleich entzogen. Nach der
  253. von der Beteiligten zu 1 erteilten Versorgungsauskunft wäre die Vertreterver-
  254. - 13 -
  255. sorgung des Antragstellers wegen fehlender Ausgleichsreife insgesamt schuldrechtlich auszugleichen gewesen, weil die Höhe der Altersrente bzw. der bei
  256. einer Beendigung des Vertretervertrages unverfallbaren Rentenanwartschaft
  257. wegen der Ungewissheit über die Festsetzung der künftigen Versorgungszusage bei der Scheidung nicht vorhergesagt werden könne.
  258. 24
  259. (a) Auch mit der Rechtsbeschwerde zeigt die Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür auf, dass diese Versorgungsauskunft unrichtig gewesen sein
  260. könnte. Sowohl nach altem (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB) als auch nach
  261. neuem Recht (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) können nur diejenigen Anrechte
  262. der betrieblichen Altersversorgung bei der Scheidung ausgeglichen werden, die
  263. im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits nach Grund und Höhe unverfallbar sind. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragstellers
  264. knüpft die Bemessung der als Festbetrag gewährten Versorgungszusage an
  265. den selbstvermittelten Versicherungsbestand des Vertreters an, wobei für die
  266. tatsächliche Höhe der Versorgung die wegen ihrer Bestandsabhängigkeit noch
  267. nicht bestimmbare Versorgungszusage im Zeitpunkt des Versorgungsfalls bzw.
  268. der Beendigung des Vertretervertrages maßgeblich ist. Der Antragsteller hat
  269. ferner geltend gemacht, dass sich die Beteiligte zu 1 eine jährliche Überprüfung
  270. und Neufestsetzung der Versorgungszusage vorbehalten habe, so dass er im
  271. Falle einer rückläufigen Bestandsentwicklung - die ihm konkret beim Verlust
  272. seiner Großkunden drohe - mit einer Herabsetzung der Versorgungszusage
  273. rechnen müsse. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber nicht dargelegt, aus
  274. welchen Gründen gleichwohl von einem ganz oder teilweise gesicherten Versorgungswert (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschlüsse vom 21. November 2013
  275. - XII ZB 403/12 - juris Rn. 21 und vom 17. April 2013 - XII ZB 371/12 - FamRZ
  276. 2013, 1021 Rn. 9) ausgegangen werden könnte.
  277. - 14 -
  278. 25
  279. (b) Legt man für die Beurteilung der wirtschaftlichen Reichweite des Verzichts auf den Versorgungsausgleich mangels besserer Erkenntnisse die dem
  280. Antragsteller im Jahr 2009 mitgeteilte Neufestsetzung der Versorgungszusage
  281. zugrunde, wonach er - auf der Grundlage seines damaligen Versicherungsbestandes - eine monatliche Altersrente von 5.412 € beanspruchen konnte, relativiert sich die Höhe dieses Betrages bereits dadurch, dass eine künftige schuldrechtliche Ausgleichsrente der Antragsgegnerin nur nach der Hälfte des - nach
  282. dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zu der gesamten Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Altersgrenze zu ermittelnden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. November 1996 - XII ZB 131/94 - FamRZ
  283. 1997, 285, 286) - Ehezeitanteils der Versorgung zu bemessen gewesen wäre.
  284. Zwar hätte die Antragsgegnerin auch von einer Erhöhung der von dem Vertreterversorgungswerk zugesagten Versorgungsleistungen profitieren können,
  285. wenn der Antragsteller bis zum Erreichen der für ihn maßgeblichen Altersgrenze den für die Bemessung der Versorgung relevanten Versicherungsbestand
  286. im Rahmen seiner gewöhnlichen Berufstätigkeit weiter ausgebaut hätte (Senatsbeschluss vom 13. November 1996 - XII ZB 131/94 - FamRZ 1997, 285,
  287. 286). Andererseits hätte die Antragsgegnerin aber auch das Risiko einer Herabsetzung der Versorgungszusage aufgrund einer rückläufigen Bestandsentwicklung mittragen müssen. Ein Abfindungsanspruch (§ 1587 l BGB bzw. § 23
  288. VersAusglG) hätte von ihr nicht geltend gemacht werden können, soweit und
  289. solange das dem Ausgleich unterliegende Anrecht noch nicht unverfallbar war
  290. (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. April 2013 - XII ZB 371/12 - FamRZ 2013, 1021
  291. Rn. 15 und vom 29. Februar 1984 - IV b ZB 915/80 - FamRZ 1984, 668, 669).
  292. 26
  293. (c) Die Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente kann zudem erst
  294. verlangt werden, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte aus dem auszugleichenden Anrecht eine Versorgung erlangt hat (§ 1587 g Abs. 1 Satz 2 BGB
  295. bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG). Der Antragsteller kann eine reguläre Al-
  296. - 15 -
  297. tersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nehmen; zu diesem Zeitpunkt würde die lebensältere Antragsgegnerin bereits im 69. Lebensjahr stehen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller zwar berechtigt, aber wohl
  298. nicht verpflichtet gewesen wäre, schon im Alter von 63 Jahren - also deutlich
  299. vor dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenzen - in den Versorgungsbezug einzutreten. Die Zahlung einer Ausgleichsrente bedingt nach dem klaren
  300. Gesetzeswortlaut den tatsächlichen Bezug der schuldrechtlich auszugleichenden Versorgung durch den Ausgleichspflichtigen und knüpft nicht an die bloße
  301. Erfüllung der in der Versorgungsordnung festgelegten Anspruchsvoraussetzungen an (vgl. FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 12; Johannsen/
  302. Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 40; Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 691; vgl. zum alten Recht OLG Celle FamRZ
  303. 1995, 812, 814). Daher wäre der schuldrechtliche Versorgungsausgleich für die
  304. Antragsgegnerin mit dem zusätzlichen Risiko belastet gewesen, möglicherweise erst weit nach Vollendung des 70. Lebensjahres eine Ausgleichsrente
  305. beziehen zu können.
  306. 27
  307. (2) Demgegenüber steht der Antragsgegnerin durch die aus den Mitteln
  308. des Antragstellers finanzierte Rentenversicherung bei Vollendung ihres 65. Lebensjahres im Jahre 2023 eine garantierte Mindestrente in Höhe von monatlich
  309. 410,90 € zur Verfügung. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2007
  310. war zudem die Annahme gerechtfertigt, dass sich diese Garantierente durch
  311. eine (nicht garantierte) Beteiligungsrente noch deutlich erhöhen wird. Nach den
  312. Angaben in dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Versicherungsschein
  313. hätte sich die Rentenerwartung - wäre die vom Versicherer erwirtschaftete Kapitalverzinsung während der gesamten Laufzeit des Versicherungsvertrages auf
  314. dem Niveau von 2007 verblieben - durch Überschussbeteiligungen auf monatlich 689,66 € erhöht. Angesichts der Ungewissheit über Höhe und Laufzeitbeginn einer statt dessen im Versorgungsausgleich erworbenen schuldrechtlichen
  315. - 16 -
  316. Ausgleichsrente lässt sich schon objektiv nicht mit hinreichender Sicherheit
  317. feststellen, dass der Verzicht auf den Versorgungsausgleich aus Sicht des Vertragsschlusses im Jahre 2007 wirtschaftlich gänzlich unzureichend ausgeglichen worden wäre.
  318. 28
  319. dd) Im Übrigen ist die richterliche Inhaltskontrolle selbst im Kernbereich
  320. des Scheidungsfolgenrechts keine Halbteilungskontrolle. Wie der Senat bereits
  321. mehrfach ausgesprochen hat, ist der Halbteilungsgrundsatz für sich genommen
  322. kein tauglicher Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehegatte durch
  323. die Regelungen in einem Ehevertrag evident einseitig belastet wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 178, 322 = FamRZ 2009, 198 Rn. 22 und vom 25. Mai 2005
  324. - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1446).
  325. 29
  326. (1) Ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch
  327. bei den in einer Ehekrise oder im Zusammenhang mit einer bereits beabsichtigten Scheidung geschlossenen Eheverträgen nicht dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterworfen werden, wenn ein nach der gesetzlichen Regelung stattfindender Versorgungsausgleich von beiden Eheleuten nicht gewünscht wird, soweit
  328. dies mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs vereinbar ist. Dies ist
  329. etwa dann der Fall, wenn beide Ehegatten während der Ehezeit vollschichtig
  330. und von der Ehe unbeeinflusst berufstätig waren und jeder seine eigene Altersversorgung aufgebaut oder aufgestockt hat, wobei aber der eine Ehegatte aus
  331. nicht ehebedingten Gründen mehr Versorgungsanrechte erworben hat als der
  332. andere. In dieser Situation müssten die Eheleute die Unzulässigkeit einer von
  333. ihnen gewünschten Ausschlussvereinbarung und eine ihrem frei gebildeten Vertragswillen widersprechende Zwangsteilhabe an den Anrechten des wirtschaftlich erfolgreicheren Ehegatten als staatliche Bevormundung empfinden (so
  334. Langenfeld Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen 6. Aufl.
  335. Rn. 651).
  336. - 17 -
  337. 30
  338. (2) Vor diesem Hintergrund kann es nicht von vornherein missbilligt werden, wenn die Eheleute durch eine Vereinbarung den Versorgungsausgleich
  339. auf den Ausgleich ehebedingter Versorgungsnachteile des wirtschaftlich
  340. schwächeren Ehegatten beschränken (Münch FPR 2011, 504, 508). Der Halbteilungsgrundsatz kann deshalb auch nicht als Maßstab für die Beurteilung herangezogen werden, ob die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für den belasteten Ehegatten durch die ihm
  341. versprochenen Gegenleistungen ausreichend abgemildert werden. Die von dem
  342. begünstigten Ehegatten vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen müssen zwar zu einem angemessenen, aber nicht notwendig zu einem gleichwertigen Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich führen (Rauscher
  343. DNotZ 2004, 524, 538). Im Rahmen richterlicher Wirksamkeitskontrolle könnten
  344. die Kompensationsleistungen allenfalls dann als unzureichend angesehen werden, wenn sie nicht annähernd geeignet sind, die aufgrund des geplanten Zuschnitts der Ehe sicher vorhersehbaren oder die bereits entstandenen ehebedingten Versorgungsnachteile des verzichtenden Ehegatten zu kompensieren
  345. (vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 34, 35; OLG Zweibrücken FamRZ
  346. 2006, 1683, 1684; Siegler MittBayNot 2012, 95, 96; Bredthauer FPR 2009, 500,
  347. 504).
  348. 31
  349. (3) Die Antragsgegnerin hat nichts dazu vorgetragen, dass die ihr vertraglich zugesicherten Leistungen nicht geeignet gewesen sein könnten, ihre
  350. aufgrund der durch Ehe und Kindererziehung bedingten Berufspause erlittenen
  351. Versorgungsnachteile auszugleichen.. Hierfür ist auch nichts ersichtlich, zumal
  352. die bei Eingehung der Ehe bereits 32-jährige Antragsgegnerin ausweislich ihres
  353. Versicherungsverlaufes nach Beendigung ihrer nicht abgeschlossenen Ausbildung an der Hauswirtschaftsschule keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nachgegangen ist und ihr nach eigenen Angaben bei Eheschließung im Jahre 1991 auch nur ein geringes Privatvermögen zur Verfügung
  354. - 18 -
  355. stand. Im Übrigen wäre bei der Beurteilung, ob etwaige ehebedingte Versorgungsnachteile durch anderweitige Leistungen ausreichend kompensiert werden, hier nicht allein auf die als zusätzliche Altersvorsorge eingerichtete private
  356. Rentenversicherung, sondern auch darauf abzustellen, dass der Antragsgegnerin im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung eine der vormals im gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilien übertragen worden ist und der Antragsteller sich zu deren Entschuldung verpflichtet hat. Kann - wie hier - nicht
  357. festgestellt werden, dass der mit ehebedingten Versorgungsnachteilen belastete Ehegatte auch ohne die Ehe ein vergleichbares Immobilienvermögen hätte
  358. bilden können, ist in der Überlassung einer Immobilie grundsätzlich eine geeignete Kompensation für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich zu erblicken
  359. (vgl. schon BT-Drucks. 16/10144 S. 51), weil eine Immobilie für ihren Eigentümer - sei es durch den Vorteil mietfreien Wohnens, sei es durch Einnahmen aus
  360. Vermietung und Verpachtung - über den Vermögenswert hinaus typischerweise
  361. die nachhaltige Erzielung von unterhaltssichernden Alterseinkünften gewährleistet.
  362. 32
  363. c) Auch der Verzicht auf den Ausgleich des Zugewinns begegnet für sich
  364. genommen keinen Wirksamkeitsbedenken am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB.
  365. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erweist sich der Zugewinnausgleich schon im Hinblick auf seine nachrangige Bedeutung im System der
  366. Scheidungsfolgen einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich
  367. (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 95, 98 f. = FamRZ 2004, 601, 605,
  368. 608; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ
  369. 2013, 269 Rn. 17). Ob trotz der grundsätzlichen Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs im Einzelfall Anlass zu einer verstärkten Inhaltskontrolle besteht, wenn der Ehevertrag zu einem Verzicht auf bereits begründete Rechtspositionen führt, also insbesondere dann, wenn der haushaltsführende Ehegatte nach langjähriger Ehe auf den Zugewinn auch für die Vergangenheit verzich-
  370. - 19 -
  371. tet (vgl. BeckOK BGB/J. Mayer [Stand: 1. November 2013] § 1408 Rn. 29;
  372. Münch Ehebezogene Rechtsgeschäfte 3. Aufl. Rn. 802), bedarf im vorliegenden
  373. Fall keiner näheren Erörterung. Denn der Verzicht auf den Zugewinnausgleich
  374. ist, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hingewiesen hat, nicht kompensationslos erfolgt, sondern gegen Übernahme der Verpflichtung, die nach dem
  375. unwiderlegten Vorbringen des Antragstellers bei Vertragsschluss mit noch
  376. 70.000 € valutierenden Verbindlichkeiten auf der von der Antragsgegnerin ausgewählten Wohnung zu tilgen. Treffen Eheleute im Übrigen unter dem Eindruck
  377. einer Ehekrise oder im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung umfassende Regelungen über ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse und schließen
  378. sie in diesem Zusammenhang wechselseitige güterrechtliche Ansprüche aus,
  379. verfolgen sie damit regelmäßig den legitimen Zweck, ihre Vermögensauseinandersetzung zu beschleunigen und zu vereinfachen und gegebenenfalls auch
  380. von den Unwägbarkeiten des Stichtagsprinzips im Zugewinnausgleich unabhängig zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass der Verzicht auf den Zugewinnausgleich für die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall mit gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre, ergeben sich nicht, und zwar
  381. auch deshalb nicht, weil bei Vertragsschluss noch nicht vorhersehbar war, zu
  382. welchem Zeitpunkt und unter welchen wirtschaftlichen Verhältnissen der Güterstand enden würde.
  383. 33
  384. d) Auch der vollständige Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt ist für
  385. sich allein betrachtet noch nicht sittenwidrig.
  386. 34
  387. aa) Der vertragliche Ausschluss des Betreuungsunterhalts (§ 1570 BGB)
  388. kann im vorliegenden Fall unberücksichtigt bleiben, weil der gemeinsame Sohn
  389. der Eheleute im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits 17 Jahre alt und mit
  390. weiteren Kindern nicht mehr zu rechnen war.
  391. - 20 -
  392. 35
  393. bb) Dem Unterhalt wegen Alters und Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB)
  394. misst das Gesetz als Ausdruck nachehelicher Solidarität zwar besondere Bedeutung bei, was eine Disposition über diese Unterhaltsansprüche jedoch nicht
  395. schlechthin ausschließt. Das ergibt sich in der Regel schon daraus, dass im
  396. Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Parteien noch nicht absehbar war, ob,
  397. wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten der verzichtende Ehegatte wegen Alters oder Krankheit unterhaltsbedürftig werden könnte (Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691, 692 und vom
  398. 28. November 2007 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 22). Auch wenn
  399. bei Abschluss eines "Krisen-Ehevertrages" (Bergschneider Verträge in Familiensachen 4. Aufl. Rn. 9) eher damit gerechnet werden muss, dass dessen
  400. belastende Regelungen in dem nunmehr tatsächlich drohenden Fall des Scheiterns der Ehe zum Tragen kommen können, ergeben sich unter den hier obwaltenden Umständen gegen den Ausschluss dieser Unterhaltsansprüche unter
  401. dem Gesichtspunkt der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB keine
  402. Bedenken. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die seinerzeit 48-jährige
  403. Antragsgegnerin noch weit von den gesetzlichen Regelaltersgrenzen entfernt
  404. und unterlag auch keinen gesundheitlichen Erwerbseinschränkungen. Es war
  405. deshalb schon in Hinblick auf die Einsatzzeitpunkte zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin nach einer Scheidung überhaupt Unterhaltsansprüche wegen Alters
  406. oder Krankheit nach §§ 1571, 1572 BGB haben würde. Zudem verfügte
  407. die Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2007 nach
  408. ihren eigenen Angaben über ein - aus Erbschaften und familiären Zuwendungen zwischen 1995 und 2007 herrührendes - Privatvermögen in Höhe von rund
  409. 115.000 €. Berücksichtigt man daneben den ehebedingten Erwerb des Wertpapiervermögens in Höhe von 130.000 €, die im Ehevertrag zugesagte Überlassung der lastenfreien Eigentumswohnung und (für den Altersunterhalt) die späteren Einkünfte aus der als zusätzliche Altersvorsorge eingerichteten privaten
  410. - 21 -
  411. Rentenversicherung, kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin im Falle von Alter oder Krankheit ohne Unterhaltszahlungen des Antragstellers einer wirtschaftlichen Notlage anheimgefallen
  412. wäre und der Unterhaltsverzicht aus diesem Grunde mit dem Gebot der ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar wäre.
  413. 36
  414. cc) Auch der hier möglicherweise wirtschaftlich ins Gewicht fallende Verzicht auf den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) und den
  415. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) begegnet noch keinen Wirksamkeitsbedenken. Zwar ordnet der Senat diese Unterhaltstatbestände in ständiger
  416. Rechtsprechung grundsätzlich nicht dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zu
  417. (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 97 f., 105 f. = FamRZ 2004, 601, 605,
  418. 607). Dennoch können diese Unterhaltstatbestände im Einzelfall mit Rücksicht
  419. auf das von den Eheleuten beabsichtigte oder bei Vertragsschluss bereits
  420. gelebte Ehemodell im Zusammenhang mit dem Ausgleich von ehebedingten
  421. Nachteilen im beruflichen Fortkommen des durch den Verzicht belasteten
  422. Ehegatten Bedeutung gewinnen (Senatsurteil vom 28. November 2007
  423. - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 23; vgl. auch Eickelberg RNotZ 2009,
  424. 1, 27). Solche Erwerbsnachteile sind aufseiten der Antragsgegnerin aber weder
  425. vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem gilt auch hier, dass die Antragsgegnerin aus Sicht der beteiligten Eheleute bei Vertragsschluss auch aufgrund des
  426. ehebedingten Vermögenserwerbs nach einer Scheidung ihren notwendigen
  427. Lebensbedarf unabhängig von Unterhaltszahlungen des Antragstellers würde
  428. decken können.
  429. 37
  430. e) Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB stand.
  431. 38
  432. Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu
  433. - 22 -
  434. rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt
  435. (vgl. Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691,
  436. 693 und vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 20 f.).
  437. 39
  438. Das Gesetz kennt indessen keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an
  439. Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus
  440. dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf
  441. die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten
  442. geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in
  443. dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung
  444. der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit
  445. der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine
  446. unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl
  447. wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn
  448. außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen
  449. sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung
  450. einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (Senatsurteile vom 31. Oktober 2012
  451. - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 24 und vom 21. November 2012
  452. - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 27).
  453. 40
  454. aa) Soweit das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall keine genügenden Anhaltspunkte für eine Störung der subjektiven Vertragsparität zu erkennen
  455. - 23 -
  456. vermochte, halten seine diesbezüglichen Ausführungen den Angriffen der
  457. Rechtsbeschwerde stand.
  458. 41
  459. (1) Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrages eingehen oder - wie hier - fortsetzen zu wollen, begründet für
  460. sich genommen für den anderen Ehegatten noch keine Lage, aus der ohne weiteres auf dessen unterlegene Verhandlungsposition geschlossen werden kann.
  461. Etwas anderes mag unter Umständen bei einem erheblichen Einkommensoder Vermögensgefälle zwischen den Ehegatten gelten, wenn der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte erkennbar in
  462. einem besonderem Maße auf die Eingehung oder Fortführung der Ehe angewiesen ist, weil er ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 28 und Senatsbeschluss
  463. vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009, 1041 Rn. 17). So liegt der
  464. Fall hier aber nicht, selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin anführen
  465. will, dass sie nach ihren eigenen beruflichen Möglichkeiten für den Fall der
  466. Scheidung nur die Erzielung eines bescheidenen Einkommens zu erwarten hatte und sie unter dem Eindruck der Ankündigung des Antragstellers gestanden
  467. haben mag, ihr wegen vermeintlicher Verwirkung sämtlicher Unterhaltsansprüche keinerlei Unterhalt zahlen zu wollen. Denn andererseits besaß die Antragsgegnerin angesichts ihres Privatvermögens in Höhe von rund 115.000 € und
  468. den letztlich gegen ihren Willen nicht entziehbaren Rechtspositionen, die sie
  469. bezüglich Güterrecht, Versorgungsausgleich und Teilhabe am gemeinsamen
  470. Wertpapier- und Immobilienvermögen bereits erworben hatte, genügend wirtschaftliche Unabhängigkeit, um dem Ansinnen des Antragstellers entgegentreten oder auf die Gestaltung des Ehevertrages Einfluss nehmen zu können.
  471. - 24 -
  472. 42
  473. (2) Das Beschwerdegericht hat auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass diese eine Scheidung im Interesse des gemeinsamen Sohnes unbedingt vermeiden wollte und sie daher in einer Zwangslage gewesen sei, gewürdigt und hierin keinen tragfähigen Anhaltspunkt für eine Störung der subjektiven
  474. Vertragsparität erblickt, weil auch die Verhandlungsposition des Antragstellers
  475. davon geprägt gewesen sei, seinem Sohn eine Scheidung ersparen zu wollen.
  476. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
  477. 43
  478. (3) Soweit der Senat darauf hingewiesen hat, dass in einem objektiv benachteiligenden Vertragsinhalt ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten zu sehen sein kann, hat das Beschwerdegericht dieses Indiz ersichtlich durch die Umstände des Vertragsschlusses, in
  479. dessen Vorfeld mehrere Monate lang unter Austausch von Entwurf und Gegenentwurf über den Inhalt des Ehevertrages verhandelt worden war, widerlegt gesehen. Auch hiergegen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
  480. 44
  481. Schließen Eheleute im Hinblick auf eine Ehekrise oder auf eine bevorstehende Scheidung unter anwaltlichem Beistand auf beiden Seiten nach
  482. langen Verhandlungen und genügender Überlegungszeit einen Vertrag zur umfassenden Regelung aller Scheidungsfolgen, kann zunächst davon ausgegangen werden, dass sie ihre gegenläufigen vermögensrechtlichen Interessen zu
  483. einem angemessenen Ausgleich gebracht haben und selbst eine besondere
  484. Großzügigkeit oder Nachgiebigkeit des einen Ehegatten nicht auf einer Störung
  485. der subjektiven Vertragsparität beruht (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 3. November 1993 - XII ZB 33/92 - FamRZ 1994, 234, 236 zu § 1587 o Abs. 2 Satz 4
  486. BGB; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 216, 217 mit zust. Anm.
  487. Bergschneider FamRZ 2005, 220 f.). Soweit die Antragsgegnerin ihre eigene
  488. anwaltliche Beratung durch die Behauptung, sie habe "vor Abschluss des Vertrages lediglich einmal mit einem Rechtsanwalt aus ihrem Bekanntenkreis tele-
  489. - 25 -
  490. foniert", zu relativieren sucht, hat sie bereits den widerstreitenden Vortrag des
  491. Antragstellers, sie habe ihren Rechtsanwalt mandatiert und auch bezahlt, nicht
  492. widerlegt. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts beruhte die Bereitschaft der
  493. Antragsgegnerin, den Ehevertrag mit einem für sie objektiv möglicherweise
  494. deutlich nachteiligen Inhalt abzuschließen, nicht auf einer ungleichen Verhandlungsposition, sondern vielmehr auf einer groben Fehleinschätzung über die
  495. Höhe der Kapitalerträge, welche die Antragsgegnerin nach Vertragsschluss mit
  496. ihrem dann vorhandenen Geld- und Wertpapiervermögen zukünftig würde erwirtschaften können. Dies hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung, zumal die Antragsgegnerin hierzu selbst vorträgt, dass sie vor Abschluss des Ehevertrages mit einem Finanzberater der D.-Bank Kontakt aufgenommen hatte, nach dessen Auskunft bei einem "Gesamtdepotwert von ca.
  497. 240.000 € monatliche Zinsen von 1.500 € erzielbar seien".
  498. 45
  499. bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages schließlich auch nicht daraus, dass der Antragsteller mit dem Vertrag das verwerfliche Ziel verfolgt habe, die Antragsgegnerin
  500. für den ihr vorgeworfenen Ehebruch unter Umgehung von gesetzlichen Wertungen (§ 1587 c Nr. 1 BGB bzw. § 27 VersAusglG) mit dem Ausschluss des
  501. Versorgungsausgleichs "bestrafen" zu wollen.
  502. 46
  503. Ob dies überhaupt zutrifft, kann dahinstehen. Das Motiv des begünstigten Ehegatten, sich Genugtuung für die durch den Ehebruch des Partners erlittenen Verletzungen verschaffen zu wollen, könnte zwar entgegen der Auffassung des Antragstellers einem unter unfairen Verhandlungsbedingungen zustande gekommenen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Lässt sich indessen - wie hier - eine ungleiche Verhandlungsposition nicht feststellen, vermag eine solche Motivation umgekehrt für
  504. sich genommen dem Ehevertrag nicht den Makel der Sittenwidrigkeit anzuhef-
  505. - 26 -
  506. ten. Denn es kann nicht einleuchten, warum ein tatsächlich oder vermeintlich
  507. "betrogener" Ehegatte, der bei den Verhandlungen über einen Ehevertrag einen
  508. Ausschluss des Versorgungsausgleiches verlangt, subjektiv verwerflich handeln
  509. sollte, ein "nicht betrogener" Ehegatte in derselben Situation aber nicht.
  510. 47
  511. 3. Allerdings hat sich das Beschwerdegericht nicht mit der Wirksamkeit
  512. der in der notariellen Vereinbarung beurkundeten Vereinbarung zum Trennungsunterhalt unter dem Gesichtspunkt des § 134 BGB und den Auswirkungen einer etwaigen Nichtigkeit dieser Abrede auf die Wirksamkeit des Gesamtvertrages befasst (§ 139 BGB).
  513. 48
  514. a) Nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3 iVm § 1614 BGB ist ein
  515. Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134
  516. BGB nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während
  517. der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruches seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht. Ein sogenanntes pactum de non petendo, d.h.
  518. die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten,
  519. Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des
  520. Unterhaltsanspruches nicht, doch begründet dieses eine Einrede gegen den
  521. Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein
  522. Unterhaltsverzicht. Die ganz herrschende Meinung sieht daher in einem pactum
  523. de non petendo zu Recht ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft (OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; MünchKommBGB/
  524. Weber-Monecke 6. Aufl. § 1361 Rn. 49; Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1614 BGB Rn. 2; Kilger/Pfeil in Göppinger/Börger Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung 10. Aufl. 5. Teil Rn. 140; Niepmann/
  525. Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 12. Aufl. Rn. 153;
  526. - 27 -
  527. Erman/Hammermann BGB 13. Aufl. § 1614 Rn. 5; jurisPK-BGB/Viefhues
  528. [Stand: 1. Oktober 2012] § 1614 Rn. 11; Deisenhofer FamRZ 2000, 1368 f.;
  529. Schwackenberg FPR 2001, 107, 108; Huhn RNotZ 2007, 177, 187; aA OLG
  530. Köln FamRZ 2000, 609). Auch ergänzende "Feststellungen" der Ehegatten zum
  531. Nichtbestehen eines ungedeckten Unterhaltsbedarfs oder zum Vorliegen eines
  532. Verwirkungsgrundes können einem pactum de non petendo nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Denn der Schutzzweck von § 1614 BGB verbietet es generell,
  533. der unterhaltsberechtigten Person unter Hinweis auf den Parteiwillen den Unterhaltsanspruch ganz zu versagen (Deisenhofer FamRZ 2000, 1368, 1369).
  534. Damit wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn die Ehegatten durch eine Parteivereinbarung, der im Übrigen das Risiko einer unrichtigen Tatsachenermittlung oder falschen Einschätzung der Rechtslage anhaftet, eine den Trennungsunterhaltsanspruch ausschließende Situation darstellen und diese anschließend
  535. durch ein pactum de non petendo unangreifbar machen könnten (vgl. auch
  536. Huhn RNotZ 2007, 177, 187).
  537. 49
  538. b) Durch Auslegung der notariellen Vereinbarung vom 18. Januar 2007
  539. ist zu ermitteln, ob die Bestimmung, wonach "für den Fall der Trennung keine
  540. der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen" wird, ein unzulässiges pactum de non petendo darstellt. Das wäre dann
  541. der Fall, wenn die Bestimmung über eine bloße Absichtserklärung oder die Mitteilung einer Geschäftsgrundlage hinaus eine verbindliche Rechtsposition in
  542. Bezug auf die Abwehr einer künftigen gerichtlichen oder außergerichtlichen
  543. Geltendmachung des Anspruches auf Trennungsunterhalt begründen soll. Der
  544. Wortlaut der Bestimmungen in der vorliegenden notariellen Urkunde schließt
  545. eine solche Auslegung jedenfalls nicht aus.
  546. 50
  547. c) Sollte die Auslegung der Bestimmungen zum Trennungsunterhalt ergeben, dass sie ein unwirksames pactum de non petendo enthalten, ist im Hin-
  548. - 28 -
  549. blick auf den dann vorliegenden Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134
  550. BGB) weiter zu prüfen, ob die Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB auch die weiteren Bestimmungen in der notariellen Vereinbarung erfasst. Dabei kommt es
  551. zunächst darauf an, ob und inwieweit ein enger Zusammenhang zwischen den
  552. einzelnen Vereinbarungen besteht und nach dem Willen der Parteien bestehen
  553. soll. Ob es sich bei gemeinsam beurkundeten Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen aufgrund eines Einheitlichkeitswillens der Vertragsparteien
  554. um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, ist durch Ermittlung und Auslegung des Parteiwillens festzustellen, wobei nach ständiger Rechtsprechung des
  555. Bundesgerichtshofs bei gemeinsamer Aufnahme mehrerer Vereinbarungen in
  556. eine Urkunde eine tatsächliche Vermutung für einen Einheitlichkeitswillen besteht (vgl. BGHZ 157, 168, 173 f. = NVwZ 2005, 484, 485; BGHZ 54, 71, 72
  557. = NJW 1970, 1414, 1415). Ist von einem einheitlichen Rechtsgeschäft auszugehen, muss nach den für die ergänzende Vertragsauslegung geltenden
  558. Grundsätzen weiter ermittelt werden, ob die beteiligten Eheleute die gleichen
  559. Vereinbarungen zu den Scheidungsfolgen auch getroffen hätten, wenn ihnen
  560. bewusst gewesen wäre, dass ein Verzicht auf Trennungsunterhalt oder eine
  561. ihm gleichstehende Beschränkung der Rechte auf Geltendmachung von Trennungsunterhalt für die Zukunft nicht wirksam vereinbart werden kann (vgl. OLG
  562. Brandenburg FamRZ 2003, 764, 765; Huhn RNotZ 2007, 177, 184). Dagegen
  563. könnte es unter Umständen sprechen, wenn der unwirksame Ausschluss von
  564. Trennungsunterhalt durch Leistungen ausgeglichen werden sollte, die dem berechtigten Ehegatten im Rahmen der Auseinandersetzung über die Scheidungsfolgen zugesagt worden sind (vgl. auch Langenfeld in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand: 2013] 15. Kap. Rn. 14).
  565. 51
  566. d) Die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ist Sache
  567. des Tatrichters. Eine vom Beschwerdegericht nicht vorgenommene Auslegung
  568. darf das Rechtsbeschwerdegericht nur dann selbst vornehmen, wenn alle dazu
  569. - 29 -
  570. erforderlichen Feststellungen getroffen sind und eine weitere Aufklärung nicht
  571. mehr in Betracht kommt (BGH Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 NJW 1998, 1219 mwN.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, zumal
  572. die beteiligten Ehegatten noch keine Gelegenheit hatten, zu diesen erkennbar
  573. noch nicht beachteten Gesichtspunkten vorzutragen.
  574. 52
  575. 4. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache
  576. ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
  577. 53
  578. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass
  579. die Erwägungen des Beschwerdegerichts zu der Frage, ob dem Antragsteller
  580. die Berufung auf die Regelungen des Ehevertrages nach Treu und Glauben zu
  581. versagen oder der Ehevertrag wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage
  582. anzupassen sei, keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Ob sich der Ausschluss des Versorgungsausgleichs nachträglich zu einer einseitigen und unzumutbaren Lastenverteilung für die Antragsgegnerin hätte entwickeln können,
  583. wenn diese bei einem Fortbestand der Ehe aufgrund ehelicher Arbeitsteilung
  584. weiterhin auf eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichtet
  585. - 30 -
  586. hätte und die Ehe erst in hohem Alter der Eheleute geschieden worden wäre,
  587. bedarf hier keiner näheren Erörterung, weil die dem Vertragsschluss zugrunde
  588. liegende Ehekrise bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit zum Scheitern der
  589. Ehe geführt hat. Auch die weitere Auffassung des Beschwerdegerichts, dass
  590. etwaige Vorstellungen und Erwartungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der
  591. von ihr zu erzielenden Vermögenseinkünfte nicht zur Geschäftsgrundlage der
  592. notariellen Vereinbarung geworden sind, lässt keine Rechtsfehler erkennen und
  593. wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen.
  594. Dose
  595. Klinkhammer
  596. Botur
  597. Günter
  598. Guhling
  599. Vorinstanzen:
  600. AG Erlangen, Entscheidung vom 18.10.2012 - 6 F 1006/11 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.05.2013 - 11 UF 1740/12 -