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304 lines
18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 209/06
  4. vom
  5. 23. Januar 2008
  6. in der Betreuungssache
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGHR:
  11. ja
  12. FGG §§ 19, 68 b
  13. Ein Beschluss, der sich darauf beschränkt, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens über die Betreuungsbedürftigkeit eines Betroffenen zu beauftragen, den Betroffenen aber nicht verpflichtet, sich
  14. zum Zwecke der Begutachtung untersuchen zu lassen, ist nicht anfechtbar.
  15. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 209/06 - OLG Hamm
  16. LG Bielefeld
  17. AG Herford
  18. -2-
  19. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2008 durch den
  20. Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
  21. die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
  22. beschlossen:
  23. Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der
  24. 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 14. Juli 2006 wird
  25. auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen.
  26. Wert: 3.000 €
  27. Gründe:
  28. Die Betroffene wendet sich gegen die vom Gericht angeordnete Einho-
  29. 1
  30. lung eines Sachverständigengutachtens zur Prüfung ihrer Betreuungsbedürftigkeit.
  31. 2
  32. Hintergrund ist eine beim Amtsgericht anhängige Klage gegen die Betroffene (geboren am 14. Oktober 1945) auf Zahlung von Werklohn in Höhe von
  33. 130,92 €. Die Betroffene, die anwaltlich nicht vertreten war und deren Schriftsätze keine besonderen Auffälligkeiten aufwiesen, beantragte in der mündlichen
  34. Verhandlung vom 13. April 2006, die Klage abzuweisen. Am Schluss der Sitzung erging in Abwesenheit der Parteien folgender Beschluss: "Es soll zunächst
  35. geprüft werden, ob für die Beklagte die Bestellung eines Betreuers in Betracht
  36. kommt." Mit diesem Beschluss legte die Amtsrichterin, die zugleich die zustän-
  37. -3-
  38. dige Vormundschaftsrichterin ist, die Akte der Vormundschaftsabteilung des
  39. Amtsgerichts "mit der Bitte um Einleitung eines Betreuungsverfahrens" vor.
  40. 3
  41. Die Geschäftsstelle der Vormundschaftsabteilung legte auf Weisung der
  42. Vormundschaftsrichterin eine Betreuungsakte mit der Abschrift des Verhandlungsprotokolls vom 13. April 2006 an, das im wesentlichen nur die Stellung der
  43. Anträge und den am Schluss der Sitzung ergangenen Beschluss wiedergibt.
  44. Am 24. Mai 2006 erließ die Vormundschaftsrichterin folgenden Beschluss:
  45. "In dem Betreuungsverfahren … soll geprüft werden, ob und in welchen
  46. Angelegenheiten für Frau Doris B. wegen einer Krankheit oder Behinderung Hilfen durch die Bestellung eines Betreuers erforderlich sind.
  47. Dazu soll ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Mit der Erstattung des Gutachtens wird der Sachverständige Herr Dr. K.-H. H. …
  48. beauftragt.
  49. Um die Berichterstattung zu den persönlichen Verhältnissen wird die
  50. Betreuungsbehörde Kreis H. ... ersucht."
  51. 4
  52. Der Sachverständige teilte am 8. Juni 2006 mit, dass er die Betroffene
  53. auf ihrem Hausgrundstück aufgesucht habe, die Betroffene aber eine Untersuchung verweigert habe. Eine gutachterliche Stellungnahme "bezüglich des seelischen Befundes" könne aufgrund des abgewehrten Kontaktes nicht erfolgen.
  54. Die Betreuungsbehörde teilte am 28. Juni 2006 mit, dass die Betroffene ein Gespräch abgelehnt habe.
  55. 5
  56. Die Betroffene hat gegen den Beschluss vom 24. Mai 2006 Beschwerde
  57. eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.
  58. -4-
  59. 6
  60. Das Oberlandesgericht möchte die weitere Beschwerde zurückweisen,
  61. weil die Einleitung eines Betreuungsverfahrens und die Anordnung, die Betroffene durch einen Sachverständigen zu begutachten, nicht anfechtbar seien.
  62. Das Oberlandesgericht sieht sich an einer solchen Entscheidung allerdings
  63. durch den Beschluss des Kammergerichts vom 11. Februar 2001 (FamRZ
  64. 2002, 970) gehindert. Danach ist bereits die Entscheidung, im Betreuungsverfahren ein Gutachten darüber einzuholen, ob der Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet, für den damit nicht einverstandenen Betroffenen mit der
  65. Beschwerde anfechtbar.
  66. II.
  67. 7
  68. Die Vorlage ist zulässig.
  69. 8
  70. Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage gemäß § 28 Abs. 2
  71. FGG gehört, dass das vorlegende Oberlandesgericht von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Die Abweichung muss dieselbe Rechtsfrage betreffen und die Beantwortung dieser Rechtsfrage muss für beide Entscheidungen erheblich sein (vgl.
  72. etwa Senatsbeschlüsse BGHZ 82, 34, 36 = FamRZ 1982, 44 und vom 11. Oktober 2000 - XII ZB 69/00 - FamRZ 2001, 149). Das ist hier der Fall.
  73. 9
  74. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts erschöpft sich, wovon
  75. auch das vorlegende Oberlandesgericht ausgeht, in der Anordnung, ein nervenärztliches Gutachten über die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen einzuholen. Die Betroffene wird durch diese Beweisanordnung aber noch nicht
  76. verpflichtet, die in dem Beschluss in Auftrag gegebene Begutachtung auch gegen ihren Willen zu dulden. Das ergibt sich aus dem unmissverständlichen
  77. -5-
  78. Wortlaut des Beschlusses, der eine bloße Beweiserhebung anordnet und hierzu
  79. einen Sachverständigen auswählt und beauftragt, aber für die Betroffene keinerlei Mitwirkungspflichten an der beschlossenen Begutachtung ausspricht.
  80. 10
  81. Die Frage, ob ein solcher Beschluss des Vormundschaftsgerichts, durch
  82. den lediglich die Einholung eines Gutachtens angeordnet, aber keine Pflicht des
  83. Betroffenen zur Duldung einer entsprechenden Untersuchung begründet wird,
  84. mit der Beschwerde anfechtbar ist, wird vom vorlegenden Oberlandesgericht
  85. verneint, vom Kammergericht jedoch bejaht. Für die Entscheidung beider Gerichte ist diese Frage erheblich:
  86. 11
  87. Sieht man mit dem vorlegenden Oberlandesgericht die Beschwerde der
  88. Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts mangels einer Begründung
  89. von Duldungspflichten als unstatthaft an, so hat das Landgericht die Beschwerde zu Recht verworfen; die weitere Beschwerde ist dann als unbegründet zurückzuweisen. Folgt man dagegen der Auffassung des Kammergerichts, so ist
  90. die Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung statthaft und die Entscheidung des Landgerichts, das die Beschwerde als unstatthaft verworfen hat,
  91. aufzuheben. Offen bleiben kann in diesem Fall, ob auf die Beschwerde auch
  92. der Beschluss des Vormundschaftsgerichts mangels jeglicher aus der Akte ersichtlicher Anhaltspunkte für eine etwaige Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen aufzuheben oder - wie vom vorlegenden Oberlandesgericht erwogen - die
  93. Sache zur Feststellung etwaiger Anhaltspunkte an das Landgericht zurückzuverweisen ist.
  94. 12
  95. Auch für die Entscheidung des Kammergerichts war die Frage der
  96. Statthaftigkeit der Beschwerde erheblich: Hätte das Kammergericht - wie zuvor
  97. das Landgericht - die Beschwerde gegen den Beweisbeschluss des Amtsgerichts für unstatthaft erachtet, hätte es die weitere Beschwerde ohne weitere
  98. -6-
  99. Sachprüfung als unbegründet zurückweisen müssen. Das Kammergericht hat
  100. die Beschwerde jedoch für statthaft angesehen. Deshalb konnte es die weitere
  101. Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung - wie auch geschehen nur dann zurückweisen, wenn sich aufgrund des bereits tatrichterlich festgestellten Sachverhalts Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen ergaben. Diese Voraussetzung hat das Kammergericht im von ihm zu
  102. entscheidenden Fall bejaht. Damit waren der Beschluss des Amtsgerichts über
  103. die Einholung eines Gutachtens rechtsfehlerfrei und die Beschwerde hiergegen
  104. nicht - wie vom Landgericht erkannt - als unzulässig zu verwerfen, sondern als
  105. unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung der Vorlagefrage war damit
  106. zwar nicht für den Ausspruch des Kammergerichts (Unbegründetheit der weiteren Beschwerde) von Bedeutung, wohl aber für den Umfang der Sachprüfung
  107. (Unstatthaftigkeit oder Unbegründetheit der Beschwerde), die zu diesem Ausspruch geführt hat. Dies genügt, um die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage auch für den vom Kammergericht entschiedenen Fall zu bejahen.
  108. 13
  109. Damit sind die Voraussetzungen für eine zulässige Vorlage nach § 28
  110. Abs. 2 FGG - Abweichung und Erheblichkeit - erfüllt.
  111. III.
  112. 14
  113. Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat anstelle des vorlegenden
  114. Oberlandesgerichts über die weitere Beschwerde zu entscheiden. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
  115. -7-
  116. 15
  117. 1. Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen die Entscheidung des
  118. Landgerichts ist zulässig (vgl. Keidel/Meyer-Holz Freiwillige Gerichtsbarkeit
  119. 15. Aufl. § 27 Rdn. 2; Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 27 Rdn. 5).
  120. 16
  121. 2. Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen deshalb zu Recht als unstatthaft verworfen.
  122. 17
  123. Der angefochtene Beschluss beschränkt sich - wie dargelegt - darauf, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens über
  124. die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen zu beauftragen. Zwar setzt eine
  125. solche Begutachtung eine Untersuchung der Betroffenen voraus; das bedeutet
  126. jedoch nicht, dass die Betroffene bereits durch diesen Beschluss verpflichtet
  127. wird, sich zum Zwecke der Begutachtung untersuchen zu lassen. Zwar kann
  128. das Vormundschaftsgericht, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit eines Betroffenen sprechen, nicht nur - wie von § 68 b Abs. 1
  129. FGG vorgeschrieben - ein Sachverständigengutachten einholen. Es kann nach
  130. § 68 b Abs. 3 Satz 1 FGG vielmehr auch eine Untersuchung des Betroffenen
  131. gegen dessen Willen sowie die Vorführung des Betroffenen zum Zwecke dieser
  132. Untersuchung anordnen. Eine solche Maßnahme wird allerdings regelmäßig
  133. erst dann in Betracht kommen, wenn der Betroffene sich der notwendigen Untersuchung verweigert oder eine solche Verweigerung von vornherein absehbar
  134. oder Gefahr im Verzug ist. Eine solche Anordnung liegt hier indes - schon nach
  135. dem Wortlaut des Beschlusses - nicht vor.
  136. 18
  137. Vielmehr handelt es sich um eine sogenannte Zwischenverfügung, die
  138. nicht notwendig im Beschlusswege ergehen muss und die lediglich dazu dient,
  139. eine Grundlage für die spätere Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers zu schaffen. Derartige, die endgültige Sachentscheidung lediglich vorberei-
  140. -8-
  141. tende Maßnahmen unterliegen grundsätzlich nicht der Beschwerde nach § 19
  142. FGG, weil Rechte der Beteiligten durch sie in der Regel nicht berührt werden
  143. und der Fortgang des Verfahrens nicht durch Beschwerden gegen Zwischenentscheidungen verzögert werden soll. Ausreichenden Rechtsschutz erhält ein
  144. Beteiligter hier grundsätzlich durch die Möglichkeit, die Endentscheidung anzufechten und damit durch das Rechtsmittelgericht auch überprüfen zu lassen, ob
  145. die Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen durch eine Zwischenentscheidung rechtens war (vgl. etwa BayObLG FamRZ 2001, 707; 2000, 249 f. und
  146. FGPrax 1996, 58; OLG Hamm FamRZ 1989, 542, 543). Zwar sieht die Rechtsprechung die Beschwerde nach § 19 FGG auch gegen bloße Beweisanordnungen dann für statthaft an, wenn die angefochtene Anordnung unmittelbar
  147. und in erheblichem Maße in die Rechte Beteiligter eingreift (vgl. etwa BayObLG
  148. NJWE-FER 1998, 43 m.w.N.). Das ist hier jedoch (noch) nicht der Fall.
  149. 19
  150. Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, der sich auf die Bestellung eines
  151. Sachverständigen zur Begutachtung des Betroffenen beschränkt, lässt sich
  152. auch nicht mit § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG begründen. Zwar ist nach dieser Vorschrift auch die Anordnung des Vormundschaftsgerichts, einen Betroffenen zur
  153. Vorbereitung des Gutachtens über seine Betreuungsbedürftigkeit zu untersuchen und erforderlichenfalls vorzuführen, unanfechtbar. Daraus lässt sich jedoch nicht - mit dem Kammergericht - der Schluss ziehen, dann müsse im Interesse der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes zumindest die der späteren - unanfechtbaren - Untersuchungs- und Vorführungsanordnung vorausgehende Verfügung des Gerichts, ein Gutachten über die Betreuungsbedürftigkeit
  154. einzuholen, mit der Beschwerde angreifbar sein (KG FamRZ 2002, 970, 971;
  155. vgl. auch KG FamRZ 2001, 311, 312).
  156. 20
  157. Zum einen schließt § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG die Anfechtbarkeit eines
  158. Beschlusses, durch den der Betroffene nach § 68 b Abs. 3 Satz 1 FGG zur Dul-
  159. -9-
  160. dung seiner Untersuchung verpflichtet und erforderlichenfalls seine Vorführung
  161. angeordnet wird, nicht ausnahmslos aus. Vielmehr hat der Senat die Beschwerde gegen eine solche Anordnung des Vormundschaftsgerichts dann für
  162. ausnahmsweise statthaft erklärt, wenn diese objektiv willkürlich, d.h. in so krassem Maße rechtsfehlerhaft ist, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks von Art. 3 Abs. 1 (und - im entschiedenen Fall - auch des Art. 103
  163. Abs. 1) GG nicht mehr vertretbar erscheint (Senatsbeschluss BGHZ 171, 326 =
  164. FamRZ 2007, 1002). Anders als die bloße Beauftragung eines Gutachters stelle
  165. eine solche Anordnung bereits für sich genommen einen schwerwiegenden
  166. Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar; zudem sei er zugleich Grundlage für
  167. die - nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit anzuordnende - Vorführung und
  168. die damit möglicherweise verbundenen Zwangsmittel.
  169. 21
  170. Zum andern rechtfertigt der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes keine
  171. Vorverlagerung der Beschwerdemöglichkeit auf gerichtliche Anordnungen, mit
  172. denen - wie hier - noch kein Eingriff in die Rechte des Betroffenen verbunden
  173. ist. Der Senat verkennt dabei nicht die Probleme, die sich aus dem grundsätzlichen Ausschluss der Anfechtbarkeit von Entscheidungen nach § 68 b Abs. 3
  174. Satz 1 FGG ergeben können. Der Betroffene wird durch eine solche Entscheidung verpflichtet, eine Untersuchung seiner Betreuungsbedürftigkeit - und das
  175. heißt: die etwaige Feststellung einer psychischen Krankheit oder einer geistigen
  176. oder seelischen Behinderung - zu dulden und an ihr mitzuwirken. Die Beeinträchtigung, die in dieser ihm aufgegebenen Duldungspflicht liegt, wird von
  177. § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG als für den Betroffenen grundsätzlich hinnehmbar
  178. angesehen. Eine Beschwerde wird dem Betroffenen verwehrt; er wird darauf
  179. verwiesen, bis zum Abschluss des Betreuungsverfahrens zuzuwarten und sich
  180. gegebenenfalls erst gegen eine vom Gericht - aufgrund des erstellten Gutachtens - verfügte Bestellung eines Betreuers zu wenden. Dieser generelle Ausschluss der Anfechtbarkeit erscheint, wie der Senat dargelegt hat (BGHZ 171,
  181. - 10 -
  182. 326 = FamRZ 2007, 1002, 1004), schon deshalb verfassungsrechtlich bedenklich, weil er dem Betroffenen die Möglichkeit nimmt, sich rechtzeitig und nicht
  183. erst nach der abschließenden Entscheidung über die Einrichtung einer Betreuung gegen die ihm aufgegebene und mit Zwangsmitteln durchsetzbare Pflicht
  184. zur Duldung der Untersuchung zu wenden; ein effektiver Grundrechtsschutz
  185. wird dadurch gefährdet. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu
  186. entscheiden, ob und inwieweit Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen
  187. statthaft sein sollen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet den Schutz durch den
  188. Richter, aber nicht vor dem Richter (BVerfGE 76, 93, 98; 87, 48, 61 und 107,
  189. 395, 402); deshalb begründet die Verfassung grundsätzlich keinen Anspruch
  190. auf Überprüfung jeder richterlichen Entscheidung durch eine höhere Instanz.
  191. Fraglich ist indes, ob dies auch den generellen Ausschluss eines - an sich gegebenen - Rechtsmittels in Fällen rechtfertigt, in denen - wie bei der Anordnung,
  192. sich psychiatrisch untersuchen zu lassen - in einen höchstpersönlichen und den
  193. Betroffenen unter Umständen existentiell berührenden Bereich eingegriffen wird
  194. und eine auf die Fälle der Gefahrenabwehr begrenzte Unanfechtbarkeit ebenso
  195. ausreichend wie sachgerecht wäre.
  196. 22
  197. Die Frage kann hier dahinstehen. Auch wenn man sie verneint, so könnte dies nur die Verfassungsmäßigkeit des § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG in Zweifel
  198. ziehen. Dies könnte jedoch nicht den Schluss rechtfertigen, dass der vom Gesetzgeber gewollte Ausschluss eines Rechtsmittels gegen eine in die Rechte
  199. des Betroffenen gravierend eingreifende gerichtliche Maßnahme von Verfassungs wegen dadurch aufzufangen ist, dass eine - zudem nur in der Regel,
  200. aber keineswegs notwendig - vorangehende gerichtliche Maßnahme, die (noch)
  201. nicht in die Rechte des Betroffenen eingreift, der obergerichtlichen Nachprüfung
  202. unterstellt wird. Mit einer solchen Folgerung würde nicht nur der Sinn des § 68 b
  203. Abs. 3 Satz 2 FGG verkannt, sondern dessen auf die Anordnungen nach § 68 b
  204. Abs. 3 Satz 1 FGG beschränkte Regelung durch Ausweitung der Anfechtbarkeit
  205. - 11 -
  206. über den Rahmen der Maßnahmen nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 FGG hinaus in
  207. ihr Gegenteil verkehrt.
  208. 23
  209. Schließlich ist die Beschwerde auch nicht als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit zulässig. Wie der Senat klargestellt hat (vgl. Beschluss vom 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06 - FamRZ 2007,
  210. 1315), ist auch in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit für ein solches außerordentliches Rechtsmittel kein Raum; es widerspräche dem verfassungsrechtlichen
  211. Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Auch die vom Senat in seiner Entscheidung
  212. vom 14. März 2007 (BGHZ 171, 326 = FamRZ 2007, 1002) für Fälle der Willkür
  213. als statthaft erachtete Beschwerde eröffnet ein solches Rechtsmittel nicht. Die
  214. Beschwerdemöglichkeit ist hier vielmehr durch §§ 19, 20 FGG eröffnet. Die
  215. Statthaftigkeit dieses - an sich gegebenen - Rechtsmittels wird durch die Regelung des § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG ausgeschlossen; nur dieser Ausschluss bedarf nach der genannten Senatsentscheidung - auch unter dem Gesichtspunkt
  216. der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes - gegebenenfalls seinerseits der
  217. Einschränkung.
  218. IV.
  219. 24
  220. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass
  221. - unbeschadet der Frage der Statthaftigkeit einer Beschwerde - eine auf § 68 b
  222. Abs. 3 Satz 1 FGG gestützte Anordnung gegen die Beklagte jedenfalls nur
  223. dann rechtmäßig ist, wenn Anhaltspunkte für deren Betreuungsbedürftigkeit
  224. sprechen und, falls nicht Gefahr im Verzug besteht, der Betroffenen Gelegenheit zu rechtlichem Gehör gegeben worden ist. Dies muss aus den Akten erkennbar sein, und zwar auch (und gerade) dann, wenn sich solche Anhaltspunkte in einem zivilprozessualen Rechtstreit ergeben haben und der Prozess-
  225. - 12 -
  226. richter mit dem Vormundschaftsrichter personengleich ist. An der Darlegung
  227. solcher Anhaltspunkte fehlt es, worauf das Oberlandesgericht mit Recht hinweist, im vorliegenden Fall völlig; sie erschließen sich auch nicht aus den Akten.
  228. Sprick
  229. Weber-Monecke
  230. Vézina
  231. Wagenitz
  232. Dose
  233. Vorinstanzen:
  234. AG Herford, Entscheidung vom 24.05.2006 - 6 XVII B 668 LG Bielefeld, Entscheidung vom 14.07.2006 - 25 T 121/06 OLG Hamm, Entscheidung vom 09.11.2006 - 15 W 268/06 -