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111 lines
4.5 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 138/12
  4. vom
  5. 31. Juli 2013
  6. in der Familiensache
  7. -2-
  8. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2013 durch den Vorsitzenden
  9. Richter
  10. Dose,
  11. die
  12. Richterin
  13. Dr.
  14. Vézina
  15. und
  16. die
  17. Richter
  18. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
  19. beschlossen:
  20. Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts
  21. Hamm vom 10. August 2010, ergänzt durch den Beschluss vom
  22. 17. Dezember 2010, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
  23. Die Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss wird
  24. zurückgewiesen.
  25. Wert: 2.880 €
  26. Gründe:
  27. I.
  28. 1
  29. Der minderjährige Antragsteller hat für einen Antrag auf Kindesunterhalt
  30. gegen die Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe beantragt. Die Antragsgegnerin bezog bereits vor Einleitung des Verfahrens Leistungen nach dem SGB II
  31. (Grundsicherung für Arbeitsuchende), daneben erzielt sie aus Berufstätigkeit
  32. monatlich 400 €, von denen ihr 160 € nicht auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet worden sind. Der Antragsteller hat die
  33. Meinung vertreten, dass der Antragsgegnerin auch ihr weiteres Erwerbsein-
  34. -3-
  35. kommen von 240 € nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II (nunmehr § 11 b
  36. Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) anrechnungsfrei zu belassen sei, wenn sie an ihn
  37. Unterhalt zahle.
  38. 2
  39. Das Amtsgericht hat die Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Die vom Antragsteller eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
  40. Auf Anhörungsrüge des Antragstellers hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit welcher dieser die Verfahrenskostenhilfebewilligung weiterverfolgt.
  41. II.
  42. 3
  43. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft
  44. und auch sonst zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
  45. 4
  46. 1. Allerdings hat das Oberlandesgericht in unzulässiger Weise die Beantwortung einer rechtsgrundsätzlichen Frage in das Verfahrenskostenhilfeverfahren verlagert.
  47. 5
  48. Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der
  49. Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte
  50. umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt,
  51. muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn
  52. es die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (Senatsbeschlüsse vom 8. Mai 2013 - XII ZB 624/12 zur Veröffentlichung bestimmt; vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004,
  53. 2022 und vom 12. Dezember 2012 - XII ZB 190/12 - FamRZ 2013, 369). Das
  54. -4-
  55. gilt ebenso, wenn das Beschwerdegericht auf eine Anhörungsrüge die Rechtsbeschwerde nachträglich zulässt, nachdem es erkannt hat, dass es sich um
  56. eine noch nicht geklärte Rechtsfrage handelt.
  57. 6
  58. Die Begründung des Beschwerdegerichts, die Verfahrenskostenhilfebewilligung sei nicht der gebotene Weg, weil es sich dabei um einen zeitraubenden Umweg handele, verkehrt nicht nur den von ihm erkannten Grundsatz in
  59. sein Gegenteil, sondern verkennt auch, dass der Bundesgerichtshof als
  60. Rechtsbeschwerdegericht - abgesehen von spezifischen Fragen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens - zur Klärung materieller Grundsatzfragen im Verfahrenskostenhilfeverfahren ebenfalls nicht berufen ist.
  61. 7
  62. 2. Die Rechtsbeschwerde ist dennoch zurückzuweisen. Der Senat hat
  63. die Rechtsfrage, ob sich die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners
  64. durch die Titulierung des Unterhalts und den darauf folgenden Bezug von (höheren) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhöhen lässt, inzwischen durch Beschluss vom 19. Juni 2013 (XII ZB 39/11 - zur Veröffentlichung
  65. bestimmt) geklärt. Der Beschluss des Oberlandesgerichts steht damit im Einklang.
  66. -5-
  67. 8
  68. Auch der Umstand, dass dem Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers bei Bewilligungsreife hätte entsprochen werden müssen, führt nach geklärter Rechtslage wegen der fehlenden Erfolgsaussicht in der Hauptsache
  69. nicht zur nachträglichen Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe (vgl. Senatsbeschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 391/10 - FamRZ 2012, 964 Rn. 15 mwN).
  70. Dose
  71. Vézina
  72. Günter
  73. Klinkhammer
  74. Nedden-Boeger
  75. Vorinstanzen:
  76. AG Soest, Entscheidung vom 19.03.2010 - 16 F 52/10 OLG Hamm, Entscheidung vom 10.08.2010 - II-7 WF 93/10 -