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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ARZ 2/01
  4. vom
  5. 7. März 2001
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. ZPO §§ 36 Abs. 3, 621 Abs. 3 Satz 1
  11. Einer Verweisung an das Gericht der Ehesache nach § 621 Abs. 3 Satz 1 ZPO steht
  12. jedenfalls in einer zivilprozessualen Familiensache des § 621 Abs. 1 ZPO nicht entgegen, daß ein Rechtsmittelgericht noch über die Beschwerde gegen eine die erste
  13. Instanz nicht abschließende Entscheidung (hier: Prozeßkostenhilfebeschluß) zu befinden hat (Abgrenzung zum Senatsbeschluß vom 22. Mai 1985 - IVb ARZ 15/85 FamRZ 1985, 800).
  14. BGH, Beschluß vom 7. März 2001 - XII ARZ 2/01- OLG Celle
  15. AG Syke
  16. -2-
  17. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2001 durch die
  18. Richter Dr. Hahne, Dr. Krohn, Gerber, Weber-Monecke und Prof. Dr. Wagenitz
  19. beschlossen:
  20. Zuständig ist das Oberlandesgericht Dresden.
  21. Gründe:
  22. I.
  23. Das Familiengericht Syke hat der Klägerin für eine Klage auf Trennungsunterhalt die begehrte Prozeßkostenhilfe zunächst versagt. Durch Beschluß vom 26. Mai 2000 hat es der Beschwerde der Klägerin teilweise abgeholfen. Am 8. Juni 2000 ist die Klageschrift dem Beklagten zugestellt worden.
  24. Mit Beschluß vom 29. August 2000 hat das Familiengericht der weitergehenden Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Verfügung von demselben Tag dem Oberlandesgericht Celle zur Entscheidung vorgelegt. Dort sind
  25. die Akten am 4. September 2000 eingegangen. Bereits am 30. August 2000
  26. war die Ehesache der Parteien bei dem Amtsgericht Plauen rechtshängig geworden. Auf die entsprechende Mitteilung des Familiengerichts Syke hat das
  27. Oberlandesgericht die Akten mit Verfügung vom 15. September 2000 dem
  28. Amtsgericht Syke "zur weiteren Veranlassung gemäß § 621 Abs. 3 ZPO" zurückgesandt. Das Amtsgericht - Familiengericht - Syke hat sich mit Beschluß
  29. vom 21. September 2000 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an
  30. das Amtsgericht - Familiengericht - Plauen verwiesen. Letzteres hat die Akten
  31. -3-
  32. dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Das Oberlandesgericht Dresden hat sich durch Beschluß vom
  33. 30. Oktober 2000 für örtlich unzuständig erklärt und das Beschwerdeverfahren
  34. an das "örtlich zuständige" Oberlandesgericht Celle zurückgegeben. Das
  35. Oberlandesgericht Celle hat sich durch Beschluß vom 8. Dezember 2000
  36. ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt. Durch Beschluß vom 16. Januar 2001
  37. hat es die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt, weil es
  38. hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden abweichen will.
  39. II.
  40. Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 ZPO liegen vor.
  41. 1. Das Oberlandesgericht Celle will bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 30.
  42. Oktober 2000 abweichen. Für eine Entscheidung gemäß § 36 Abs. 2 ZPO ist
  43. das vorlegende Oberlandesgericht zuständig. Nach dieser Vorschrift wird,
  44. wenn das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht - wie im vorliegenden
  45. Fall - der Bundesgerichtshof ist, das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört. Dieses eröffnet die Bestimmungskompetenz für das Oberlandesgericht seines Bezirks, und zwar auch dann, wenn sich Kompetenzkonflikte erst
  46. auf der Ebene der Oberlandesgerichte ergeben (BGH, Beschluß vom
  47. 9. Februar 1999 - X ARZ 23/99 - NJW-RR 1999, 1081; Musielak/Smid ZPO
  48. 2. Aufl. § 36 Rdn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl.
  49. -4-
  50. § 36 Rdn. 10). Daher ist die Bestimmungskompetenz des Oberlandesgerichts
  51. Celle begründet, nachdem das in seinem Bezirk gelegene Amtsgericht Syke
  52. zuerst mit der Sache befaßt war.
  53. 2. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36
  54. Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Oberlandesgericht Celle als auch das
  55. Oberlandesgericht Dresden haben sich durch rechtskräftige, den Parteien bekannt gemachte Beschlüsse für unzuständig erklärt, über die Beschwerde der
  56. Klägerin zu entscheiden. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift reicht es aus,
  57. daß die unterschiedlichen Meinungen allein die Zuständigkeit für die Entscheidung über ein Rechtsmittel betreffen (Senatsbeschlüsse vom 19. Oktober 1983
  58. - IVb ARZ 35/83 - FamRZ 1984, 36; vom 16. Mai 1984 - IVb ARZ 20/84 FamRZ 1984, 774, 775; vgl. auch Senatsbeschluß vom 4. Mai 1994 - XII ARZ
  59. 36/93 - BGHR ZPO § 36 Nr. 6 Rechtsmittelgericht 2).
  60. 3. Die Frage, welches Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Beschwerde berufen ist, hängt von der Beantwortung der der Vorlage zugrunde
  61. gelegten Rechtsfrage ab. Eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Celle
  62. ergibt sich nicht aus einer bindenden Wirkung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Dresden. Selbst wenn der Beschluß eine Verweisung enthielte,
  63. wäre diese nicht bindend. Verweisungsbeschlüsse von einem Rechtsmittelgericht an ein anderes entfalten, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich keine Bindungswirkung (Senatsbeschlüsse vom 19. Oktober
  64. 1983 und vom 16. Mai 1984 jew. aaO).
  65. Das Oberlandesgericht Dresden hat seine Zuständigkeit verneint, weil
  66. durch die Überleitung der Familiensache durch das Amtsgericht Syke an das
  67. Amtsgericht Plauen kein Zuständigkeitswechsel in der Rechtsmittelinstanz eingetreten sei. In der Rechtsmittelinstanz anhängige Familiensachen seien nicht
  68. -5-
  69. überzuleiten, denn der fortgeschrittene Verfahrensstand verbiete einen Zuständigkeitswechsel. Da die Beschwerdesache vor der Überleitung in der
  70. Rechtsmittelinstanz anhängig geworden sei, müsse das Oberlandesgericht
  71. Celle zunächst über die Beschwerde entscheiden. Erst danach habe das Familiengericht die Sache überzuleiten.
  72. Das Oberlandesgericht Celle hat demgegenüber die Auffassung vertreten, daß die ausstehende Entscheidung eines Rechtsmittelgerichts einer
  73. Überleitung dann nicht entgegenstehe, wenn über die Beschwerde gegen eine
  74. die erste Instanz nicht abschließende Entscheidung - wie hier gegen einen
  75. Prozeßkostenhilfebeschluß - zu befinden sei. In einem solchen Fall könne der
  76. Zweck des § 621 Abs. 2 ZPO, alle Entscheidungen bei dem Gericht der Ehesache zu konzentrieren, uneingeschränkt erreicht werden, weshalb die Beschwerdeentscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag von dem auch für ein
  77. etwaiges Berufungsverfahren zuständigen Oberlandesgericht Dresden zu treffen sei.
  78. Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgericht Celle. Für die Entscheidung über die Beschwerde gegen den - eine Familiensache im Sinne des
  79. § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO betreffenden - Prozeßkostenhilfebeschluß des Amtsgerichts Syke ist das Oberlandesgericht Dresden zuständig.
  80. Nach § 621 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist eine bei einem anderen Gericht im ersten Rechtszug anhängige Familiensache der in Absatz 2 Satz 1 genannten Art
  81. von Amts wegen an das Gericht der Ehesache zu verweisen oder abzugeben,
  82. wenn eine Ehesache rechtshängig wird. Daraus folgt die Notwendigkeit der
  83. Überleitung an das Gericht der Ehesache, solange die andere Familiensache
  84. im ersten Rechtszug anhängig ist. Das ist so lange der Fall, als dort noch keine
  85. abschließende Entscheidung ergangen ist. Erst danach ist für eine Überleitung
  86. -6-
  87. kein Raum mehr. Allein dieses Verständnis entspricht dem in der Herbeiführung einer Entscheidungskonzentration bei ein und demselben Gericht bestehenden Zweck der Regelung (Senatsbeschluß vom 22. Mai 1985 - IVb ARZ
  88. 15/85 - FamRZ 1985, 800, 801 m.N.).
  89. Da der vorliegende Rechtsstreit noch in erster Instanz anhängig ist,
  90. auch wenn wegen der teilweisen Versagung von Prozeßkostenhilfe Beschwerde eingelegt wurde, lagen die Voraussetzungen einer Verweisung gemäß
  91. § 621 Abs. 3 Satz 1 ZPO an das Amtsgericht Plauen als Gericht der Ehesache
  92. seit der am 30. August 2000 eingetretenen Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens vor. Aufgrund der durch Beschluß des Amtsgerichts Syke vom
  93. 21. September 2000 erfolgten Verweisung an das Amtsgericht Plauen ist der
  94. Rechtsstreit dort anhängig geworden (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Zur Entscheidung über die Beschwerde ist deshalb das diesem übergeordnete Oberlandesgericht zuständig (§ 568 Abs. 1 ZPO).
  95. Dem steht nicht entgegen, daß die Beschwerde vor der erfolgten Überleitung bei dem Oberlandesgericht Dresden eingegangen war (a.A. Zöller/
  96. Philippi ZPO 22. Aufl. § 621 Rdn. 94). Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob die Konzentrationswirkung zum Zuge kommt, ist nicht der Zeitpunkt der
  97. Überleitung, sondern derjenige des Eintritts der Rechtshängigkeit der Ehesache (vgl. BGH, Beschluß vom 27. Februar 1980 - IV ZR 198/78 - FamRZ 1980,
  98. 444, 445). Andernfalls wäre die Zuständigkeit davon abhängig, wann das Gericht
  99. -7-
  100. des ersten Rechtszuges die Mitteilung des Gerichts der Ehesache über die dort
  101. eingetretene Rechtshängigkeit erhält und in der Folgezeit die Überleitung beschließt. Das ist - abgesehen davon, daß die Zuständigkeit dann von Unwägbarkeiten abhinge und nicht voraussehbar wäre - auch mit der Regelung des
  102. § 621 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht in Einklang zu bringen.
  103. Hahne
  104. Krohn
  105. Ger-
  106. ber
  107. Weber-Monecke
  108. Wagenitz