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373 lines
16 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. XI ZR 98/01
  4. URTEIL
  5. Verkündet am:
  6. 15. Januar 2002
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. _____________________
  16. BGB §§ 765, 138 Aa
  17. Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit
  18. von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebenspartner gelten grundsätzlich nicht für GmbH-Gesellschafter, die für Verbindlichkeiten
  19. der GmbH die Mithaftung oder Bürgschaft übernehmen. Etwas anderes gilt,
  20. wenn der GmbH-Gesellschafter ausschließlich Strohmannfunktion hat, die
  21. Mithaftung oder Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit der
  22. hinter ihm stehenden Person übernimmt und beides für die kreditgebende
  23. Bank evident ist.
  24. BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01 - OLG München
  25. LG München II
  26. -3-
  27. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
  28. die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin Mayen
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil
  31. des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München
  32. vom 19. Dezember 2000 aufgehoben und das Urteil
  33. des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 13. Juni 2000 abgeändert.
  34. Die
  35. Beklagte
  36. wird
  37. verurteilt,
  38. an
  39. die
  40. Klägerin
  41. 51.129,19 € ( = 100.000DM) nebst 5% Zinsen über
  42. dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank vom 8. Oktober 1995 bis zum 31. Dezember
  43. 1998 und 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. Januar
  44. 1999 zu zahlen.
  45. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  46. Von Rechts wegen
  47. -4-
  48. Tatbestand:
  49. Die klagende Sparkasse nimmt die Beklagte als Bürgin in Anspruch.
  50. Mit
  51. vier
  52. Kontokorrentkredit-
  53. bzw.
  54. Darlehensverträgen
  55. vom
  56. 25. November 1993, 27. Januar und 28. April 1994 gewährte die Klägerin
  57. der A. GmbH Kredite in Höhe von insgesamt 2 Millionen DM. Gesellschafter der GmbH mit einem Anteil von je 25% waren die Beklagte, deren früherer Ehemann sowie W. und F. R., Geschäftsführer der frühere
  58. Ehemann der Beklagten und W. R.
  59. Die 1947 geborene Beklagte verbürgte sich in einer Urkunde vom
  60. 7. Dezember 1993 bis zu einem Höchstbetrag von 500.000 DM für alle
  61. bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit der GmbH. Sie übte in diesem Zeitpunkt keine Erwerbstätigkeit aus, sondern war Hausfrau, betreute ihren 1985 geborenen Sohn und erhielt von ihrem Ehemann ein monatliches "Hausgeld" in
  62. Höhe von 2.000 DM. Inzwischen ist sie geschieden und bezieht als
  63. kaufmännische Angestellte ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe
  64. von 4.000 DM.
  65. Als weitere Sicherheiten für die Kredite der Klägerin dienten eine
  66. erstrangige Grundschuld in Höhe von 2 Millionen DM auf dem mit Hilfe
  67. der Kredite erworbenen Werksgrundstück der GmbH, die Sicherungsübereignung des übernommenen Anlage- und Umlaufvermögens, eine
  68. Sicherungsabtretung von Forderungen der GmbH, Höchstbetragsbürg-
  69. -5-
  70. schaften der anderen drei GmbH-Gesellschafter bis zu einem Betrag von
  71. jeweils 500.000 DM sowie eine Ausfallbürgschaft der B.-bank T. in Höhe
  72. von 1,28 Millionen DM.
  73. Als die GmbH die Eröffnung der Gesamtvollstreckung über ihr
  74. Vermögen beantragte, kündigte die Klägerin am 2. Oktober 1995 die in
  75. Höhe von 1.944.035,84 DM valutierenden Kredite und nahm die Beklagte
  76. aus der Bürgschaft in Höhe von 500.000 DM in Anspruch.
  77. Die Beklagte macht die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen
  78. krasser finanzieller Überforderung geltend und hat vorgetragen, sie sei
  79. nur aus steuerlichen Gründen Gesellschafterin geworden. Sie habe nie
  80. an geschäftlichen Entscheidungen mitgewirkt und besitze keine Erfahrungen und Kenntnisse in dem Geschäftsbereich der GmbH. Am
  81. 10. Januar 1994 habe sie ihrem Ehemann ihren Gewinnanteil aus ihrer
  82. Beteiligung an der GmbH übertragen. Die Klägerin habe gewußt, daß sie
  83. nur als Strohfrau Gesellschafterin geworden sei.
  84. Ferner hat die Beklagte die Bürgschaft am 22. Juli 1996 angefochten. Sie hat vorgetragen, sie habe die Bürgschaftserklärung ohne
  85. Brille, ohne die sie nicht lesen könne, unterschrieben und erst am
  86. 2. Oktober 1995 Kenntnis von dieser Erklärung erlangt. Ihr Ehemann habe ihr bei Vorlage der Bürgschaftserklärung vorgetäuscht, daß mit der
  87. Unterzeichnung keine finanziellen Risiken verbunden seien. Ferner habe
  88. er ihr mit dem Entzug des "Hausgeldes" gedroht und erklärt, die Valutierung der Kredite hänge von ihrer Unterschrift ab.
  89. -6-
  90. Die Teilklage auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen ist in den
  91. Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin
  92. ihren Klageantrag weiter.
  93. Entscheidungsgründe:
  94. Die Revision ist begründet; sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
  95. I.
  96. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
  97. wesentlichen ausgeführt:
  98. Die Bürgschaft der Beklagten sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
  99. Für die Klägerin sei erkennbar gewesen, daß die Beklagte durch die
  100. Bürgschaft finanziell kraß überfordert werde, weil sie nicht in der Lage
  101. sei, auch nur die laufende Zinslast zu tragen, und daß sie die Bürgschaft
  102. ohne unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse aus persönlicher
  103. Verbundenheit zu ihrem Ehemann übernehme. Ihre Beteiligung an der
  104. GmbH sei kein dem Bürgenrisiko entsprechender Gegenwert, weil das
  105. gesamte Vermögen der GmbH als Kreditsicherheit gedient habe. Die Beklagte habe aus ihrer Beteiligung keine Vorteile gezogen, sondern die
  106. Bürgschaft auf Drängen ihres Ehemannes übernommen. Die Klägerin
  107. habe die Einkommensverhältnisse der Beklagten gekannt. Deshalb habe
  108. -7-
  109. ihr klar sein müssen, daß die Bürgschaft wirtschaftlich sinnlos war und
  110. allenfalls als Mittel zur Erlangung der werthaltigen Ausfallbürgschaft der
  111. B.-bank T. dienen konnte.
  112. II.
  113. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  114. Die von der Beklagten übernommene Bürgschaft verstößt nicht gegen
  115. die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB).
  116. 1. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebens-, insbesondere Ehepartner entwickelten Grundsätze (vgl. BGH,
  117. Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410 ff.; Senat
  118. BGHZ 146, 37 ff., jeweils m.w.Nachw.) gelten, was das Berufungsgericht
  119. verkannt hat, für die Bürgschaft der Beklagten als Mitgesellschafterin der
  120. Hauptschuldnerin nicht.
  121. a) Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat
  122. grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der
  123. maßgeblich beteiligten Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der
  124. Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.
  125. Die kreditgebende Bank kann dabei im allgemeinen davon ausgehen,
  126. daß der Gesellschafter, der sich an einer GmbH beteiligt, dies aus eigenem finanziellen Interesse tut und schon deshalb durch die Haftung kein
  127. -8-
  128. unzumutbares Risiko auf sich nimmt (BGHZ 137, 329, 336; BGH, Urteil
  129. vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157). Weder
  130. eine krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters
  131. noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten begründen daher die Vermutung der Sittenwidrigkeit
  132. (BGH,
  133. Urteil
  134. vom 18. September
  135. 2001
  136. aaO;
  137. Nobbe/Kirchhof
  138. BKR 2001, 5, 14).
  139. b) Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn der Gesellschafter nur
  140. die Funktion eines Strohmannes hat. Nur wenn für das Kreditinstitut klar
  141. ersichtlich ist, daß derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist
  142. und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches
  143. Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften entsprechend
  144. (BGHZ 137, 329, 336 f.; BGH, Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR
  145. 183/00, WM 2001, 2156, 2157).
  146. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Nach den Feststellungen
  147. des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Bürgschaft nicht nur aus persönlicher Verbundenheit mit ihrem Ehemann ohne eigenes wirtschaftliches Interesse übernommen. Dem Vortrag der Beklagten zufolge waren
  148. steuerliche Gründe für die Übernahme der Gesellschafterstellung maß geblich. Nach § 14 der Satzung der GmbH kam der zu versteuernde Gewinn der Beklagten entsprechend ihrer 25%igen Beteiligung zugute. Die
  149. von ihr behauptete Übertragung des Gewinnanteils am 10. Januar 1994
  150. an ihren früheren Ehemann ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit
  151. -9-
  152. ihrer bereits am 7. Dezember 1993 übernommenen Bürgschaft rechtlich
  153. irrelevant, da es auf die Verhältnisse bei Übernahme der Bürgschaft ankommt. Eine mündliche Vereinbarung über den Ausschluß ihrer Gewinnbeteiligung bereits zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte nicht substantiiert geltend gemacht.
  154. Ihr Vorbringen enthält überdies keinen Anhaltspunkt dafür, daß
  155. das etwaige Fehlen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses für die
  156. Klägerin klar ersichtlich gewesen wäre. Daß die Klägerin - wie üblich die Kreditverhandlungen nur mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der GmbH, nicht aber mit der Beklagten geführt hat, besagt nichts
  157. darüber, daß der Klägerin eine etwaige Funktion der Beklagten als bloße
  158. Strohfrau bekannt war.
  159. 2. Wenn - wie hier - die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften nicht anwendbar sind, können nur besondere, dem
  160. Kreditinstitut zurechenbare Umstände, etwa die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR
  161. 250/95, WM 1997, 511, 512) oder die Beeinträchtigung der Willensbildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung (BGH, Urteil vom
  162. 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in
  163. BGHZ 137,
  164. Zwangslage
  165. 329 ff.
  166. (BGH,
  167. nicht
  168. Urteil
  169. abgedruckt),
  170. vom
  171. Schaffung
  172. 16. Januar
  173. 1997
  174. einer
  175. seelischen
  176. - IX ZR
  177. 250/95,
  178. WM 1997, 511, 512) oder Ausübung unzulässigen Drucks (BGH, Urteile
  179. vom 15. Februar 1996 - IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592 und vom
  180. 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in
  181. - 10 -
  182. BGHZ 137, 329 ff. nicht abgedruckt) die Bürgschaft eines Gesellschafters sittenwidrig erscheinen lassen (Nobbe/Kirchhof aaO S. 13 f.).
  183. Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
  184. a) Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag der
  185. Beklagten ist nicht zu entnehmen, daß die Beklagte durch eine der Kl ägerin zurechenbare Ausnutzung ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit zur
  186. Übernahme der Bürgschaft veranlaßt worden ist. Die im Gesellschaftsvertrag als Kauffrau bezeichnete, damals 45 Jahre alte Beklagte hatte im
  187. Jahre 1992 als Angestellte in einem medizintechnischen Unternehmen
  188. gearbeitet und ein jährliches - nicht, wie das Berufungsgericht irrtümlich
  189. angenommen
  190. hat,
  191. monatliches -
  192. Bruttoeinkommen
  193. in
  194. Höhe
  195. von
  196. 34.250 DM erzielt. Da der Klägerin dies aufgrund der Einkommensteuererklärung der Eheleute bekannt war, bevor sie der GmbH die Kredite
  197. bewilligte und die Beklagte sich zur Übernahme der Bürgschaft bereit
  198. fand, hatte die Klägerin keinen Anlaß, von einer geschäftlichen Unerfahrenheit der Beklagten auszugehen.
  199. b) Auch eine der Klägerin zurechenbare Beeinträchtigung ihrer
  200. Willensbildung und Entschließungsfreiheit hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Sie hat zwar geltend gemacht, sie habe die Bürgschaftserklärung vor der Unterzeichnung nicht lesen können und sei von
  201. ihrem Ehemann durch Täuschung und Drohung zur Unterschrift veranlaßt worden. Das von der Beklagten behauptete Verhalten ihres Ehemannes ist der Klägerin aber nicht zurechenbar. Die Beklagte hat keine
  202. Umstände vorgetragen, aufgrund derer die Klägerin von einer sittlich zu
  203. - 11 -
  204. mißbilligenden Einwirkung des Ehemannes auf die Entschließung der
  205. Beklagten ausgehen mußte.
  206. - 12 -
  207. III.
  208. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
  209. 1. Die Bürgschaft ist nicht gemäß §§ 119 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142
  210. Abs. 1 BGB nichtig.
  211. a) Die Beklagte hatte kein Anfechtungsrecht wegen Irrtums gemäß
  212. § 119 Abs. 1 BGB. Irrtum ist das unbewußte Auseinanderfallen von Wille
  213. und Erklärung (BGH, Urteil vom 28. April 1971 - V ZR 201/68, LM § 119
  214. BGB Nr. 21). Deshalb liegt grundsätzlich kein Irrtum vor, wenn jemand
  215. eine Erklärung in dem Bewußtsein abgibt, ihren Inhalt nicht zu kennen
  216. (Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 119 Rdn. 9). Wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, hat nur dann ein Anfechtungsrecht, wenn er sich
  217. von deren Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93, WM 1994,
  218. 2274, 2276). Gemessen hieran befand sich die Beklagte bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde über deren Inhalt nicht im Irrtum. Ihrem
  219. Vortrag zufolge hat sie die Urkunde ungelesen unterschrieben, ohne sich
  220. von deren Inhalt eine bestimmte, unrichtige Vorstellung zu machen.
  221. b) Soweit sie eine arglistige Täuschung durch ihren Ehemann
  222. geltend macht, sind die Anfechtungsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2
  223. Satz 1 BGB nicht erfüllt. Der Ehemann war Dritter im Sinne dieser Vorschrift. Ein am Zustandekommen eines Vertrages Beteiligter ist nur dann
  224. nicht als Dritter anzusehen, wenn sein Verhalten dem des Anfechtungs-
  225. - 13 -
  226. gegners gleichzusetzen ist. Dies ist über den Bereich der gesetzlichen
  227. und rechtsgeschäftlichen Vertretung hinaus bei einem vom Erklärungsempfänger beauftragten Verhandlungsführer oder -gehilfen sowie bei
  228. einem Beteiligten, dessen Verhalten dem Erklärungsgegner wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände zuzurechnen
  229. ist,
  230. der
  231. Fall
  232. (BGH,
  233. Urteil
  234. vom
  235. 20. November 1995 - II ZR 209/94, WM 1996, 201, 203 m.w.Nachw.).
  236. Eine derartige Stellung hatte der Ehemann der Beklagten im Verhältnis
  237. zur Klägerin nicht inne. Daß die Klägerin die Bürgschaftsurkunde entworfen und den Anlaß für die Einholung der Unterschrift der Beklagten
  238. gegeben hat, reicht hierfür ebenso wenig aus wie das gleichgerichtete
  239. Interesse der Klägerin und des Ehemannes an der Bürgschaftsübernahme durch die Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1992 - IX ZR
  240. 145/91, WM 1992, 1016). Der Ehemann der Beklagten war insbesondere
  241. weder Verhandlungs- noch Erfüllungsgehilfe der Klägerin (vgl. für § 1
  242. HWiG: Senat, Urteile vom 9. März 1993 - XI ZR 179/92, WM 1993, 683,
  243. 684 und vom 4. Oktober 1995 - XI ZR 215/94, WM 1995, 2133, 2134,
  244. insoweit in BGHZ 131, 55 ff. nicht abgedruckt). Daß die Klägerin die angebliche Täuschung durch den Ehemann der Beklagten kannte oder
  245. kennen mußte, hat die Beklagte nicht behauptet.
  246. c) Die Anfechtung wegen Drohung gemäß § 123 Abs. 1 BGB hat
  247. die Beklagte nicht rechtzeitig binnen Jahresfrist erklärt (§ 124 Abs. 1
  248. BGB). Von einer angeblichen Drohung ihres Ehemanns ist in der Anfechtungserklärung vom 22. Juli 1996 keine Rede. Die erstmalige Berufung
  249. auf
  250. diesen
  251. Anfechtungsgrund
  252. in
  253. der
  254. Klageerwiderung
  255. vom
  256. 13. August 1999 ist eine neue Anfechtungserklärung, deren Rechtzeitig-
  257. - 14 -
  258. keit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteile
  259. vom 11. Oktober 1965 - II ZR 45/63, WM 1965, 1196, 1197 und vom
  260. 19. Februar 1993 - V ZR 249/91, NJW-RR 1993, 948). In diesem Zeitpunkt war die Anfechtungsfrist gemäß § 124 Abs. 1 BGB bereits abgelaufen. Die Frist begann gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB, als die durch
  261. die angebliche Drohung geschaffene Zwangslage aufhörte. Dies war
  262. spätestens bei Abgabe der Anfechtungserklärung vom 22. Juli 1996 der
  263. Fall.
  264. 2. Die Ausdehnung der Bürgenhaftung der Beklagten durch die in
  265. der formularmäßigen Bürgschaftsurkunde enthaltene Zweckerklärung
  266. über die Verbindlichkeiten der GmbH hinaus, die objektiv Anlaß der Verbürgung waren, ist zwar gemäß § 9 AGBG unwirksam. Die Haftung der
  267. Beklagten für die Verbindlichkeiten, die den Anlaß zur Übernahme der
  268. Bürgschaft bildeten, bleibt davon aber unberührt (BGHZ 143, 95, 97
  269. m.w.Nachw.). Daß dies die Kredite vom 25. November 1993, 27. Januar
  270. und 28. April 1994 waren, zieht die Beklagte nicht in Zweifel.
  271. - 15 -
  272. IV.
  273. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1
  274. ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung reif, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Da die Bürgschaft wirksam
  275. und die Zinsforderung unstreitig ist, war die Beklagte antragsgemäß zu
  276. verurteilen.
  277. Nobbe
  278. Siol
  279. Joeres
  280. Bungeroth
  281. Mayen