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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 90/09
  5. Verkündet am:
  6. 31. Mai 2011
  7. Weber,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 31. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
  15. Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
  16. Dr. Matthias
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des
  19. Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Februar 2009 aufgehoben.
  20. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  21. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von
  26. der Beklagten - einer Bausparkasse - finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Klägerseite.
  27. 2
  28. Die Klägerseite erwarb im Herbst 1993 zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung in dem Objekt
  29. T.
  30. in L.
  31. . Der Kaufpreis
  32. betrug 110.708 DM. Zur Finanzierung des Kaufs schloss die Klägerseite mit der
  33. -3-
  34. Beklagtenseite einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen
  35. in Höhe von 132.000 DM sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch die H.
  36. GmbH (H. GmbH), ein Unternehmen der H.
  37. Gruppe (im Folgen-
  38. den: H. Gruppe), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die
  39. die Beklagte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, in welchem es heißt: "Ich erteile hiermit den Auftrag
  40. mir das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch
  41. die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort
  42. genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Ausweislich Punkt 4 der Aufstellung sollte die H. GmbH eine Finanzierungsvermittlungsgebühr in Höhe von
  43. 2.640 DM (entspricht 2% des Darlehensbetrags) und ausweislich Punkt 5 eine
  44. Courtage in Höhe von 3.819 DM (entspricht 3,45% des Kaufpreises) erhalten.
  45. Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt.
  46. 3
  47. Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt
  48. insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass
  49. aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen,
  50. Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung,
  51. dass die Beklagtenseite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre
  52. Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der Vermittlungsprovisionen getäuscht worden sei. Die Beklagtenseite ist dem entgegen
  53. getreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
  54. -4-
  55. 4
  56. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat
  57. sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerseite ihr Klagebegehren weiter.
  58. Entscheidungsgründe:
  59. 5
  60. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  61. und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  62. I.
  63. 6
  64. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
  65. für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger verjährt seien. Jedenfalls
  66. liege kein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagten vor und zwar
  67. insbesondere kein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung über die Rentabilität des Anlageobjekts und über die Höhe der Vertriebsprovisionen. Eine Aufklärungspflicht über im Kaufpreis enthaltene Provisionen bestehe mangels Verpflichtung zur Aufklärung über den Wert des Kaufobjekts nicht; es sei nicht dargetan, dass der Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrags Vertriebsprovisionen bekannt gewesen seien, die sie zu der Annahme hätten veranlassen
  68. müssen, es liege eine sittenwidrige Überteuerung der Eigentumswohnung - die
  69. die Kläger ohnedies nicht schlüssig dargelegt hätten - vor. Auch eine arglistige
  70. Täuschung über die Rentabilität des Anlageobjekts könne nicht festgestellt
  71. werden. Die Kläger hätten schon nicht vorgetragen, zu welchem Mietzins die
  72. Wohnung vermietet gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich aus dem unstreitigen
  73. Inhalt eines Gutachtens des Sachverständigen D.
  74. , das dieser in einem
  75. -5-
  76. Parallelverfahren erstellt habe, dass zum Stichtag 28. September 1993 von einem erzielbaren Durchschnittsmietzins von 8,02 DM/qm auszugehen sei. Der
  77. im Besuchsbericht ermittelte Mietpreis von 6,39 DM/qm könne daher auch unter
  78. Berücksichtigung weiterer Kosten nicht als unrichtig angesehen werden.
  79. II.
  80. 7
  81. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
  82. 8
  83. 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen dieses einen aufklärungspflichtigen Wissensvorsprung der Beklagtenseite hinsichtlich der Rentabilität des Anlageobjekts verneint hat. Ob ein Anleger durch evident unrichtige Angaben des Vermittlers arglistig getäuscht worden ist, ist eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die deshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann; zu prüfen ist
  84. nur, ob die tatrichterliche Würdigung vertretbar ist, nicht gegen die Denkgesetze
  85. verstößt und nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung beruht (vgl.
  86. Senatsurteil vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 21 mwN).
  87. Solche Fehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Der von der Revision hervorgehobene Umstand, dass die Miete unter den Erwartungen geblieben
  88. sei, genügt für sich nicht zur Darlegung einer arglistigen Täuschung (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 31). Vielmehr
  89. ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, eine arglistige Täuschung über die Mieterträge stehe nicht fest, angesichts der von einem Sachverständigen ermittelten Durchschnittsmiete, die über der der Klägerseite versprochenen lag, vertretbar, verstößt nicht gegen die Denkgesetze und beruht
  90. -6-
  91. nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni
  92. 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 18 mwN).
  93. 9
  94. 2. Erfolgreich ist die Revision hingegen, soweit sie geltend macht, das
  95. Berufungsgericht habe mit der gegebenen Begründung einen Schadensersatzanspruch der Klägerseite wegen eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nicht ablehnen dürfen. Zu Recht rügt die Revision, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage eines möglichen Aufklärungsverschuldens im
  96. Zusammenhang mit den im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Vertriebsprovisionen befasst hat.
  97. 10
  98. a) Zwar muss das einen Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut
  99. den Darlehensnehmer grundsätzlich nicht von sich aus auf eine im Kaufpreis
  100. enthaltene und an den Vertrieb gezahlte Provision hinweisen, sofern diese nicht
  101. zu einer so wesentlichen Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis
  102. und Verkehrswert der Immobilie beiträgt, dass das Kreditinstitut von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen musste
  103. (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96
  104. Rn. 17 mwN).
  105. 11
  106. b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Finanzierungsbank aber auch dann
  107. vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem
  108. Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft
  109. arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08,
  110. BGHZ 186, 96 Rn. 20 mwN). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zu
  111. ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 20. März
  112. 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 56 und vom 27. Mai 2008 - XI ZR
  113. -7-
  114. 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 26 mwN), wird die Kenntnis der Beklagten von einer solchen arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb widerleglich
  115. vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben zum Anlageobjekt objektiv evident ist.
  116. 12
  117. Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden
  118. Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite
  119. hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite
  120. nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt
  121. worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren
  122. Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an
  123. die Vermittler geflossen seien.
  124. 13
  125. Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe der
  126. Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte aufklären
  127. müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils
  128. ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 (XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objekt- und
  129. Finanzierungsvermittlungsauftrag, der auch im Streitfall unstreitig zum Einsatz
  130. gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmäßigen Hinweises,
  131. der Auftrag solle durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Vermittlungsgesellschaft zu den dort im Einzelnen genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des
  132. § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) dahin auszulegen, dass es sich bei den als
  133. Finanzierungsvermittlungsgebühr und Courtage bezeichneten Provisionen um
  134. die Gesamtprovisionen handelt, zu denen die Vermittlungsgesellschaft den Auf-
  135. -8-
  136. trag insgesamt ausführen sollte (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08,
  137. BGHZ 186, 96 Rn. 28 ff.). Dies war aber nach dem unter Beweis gestellten
  138. Vorbringen der Klägerseite eine bewusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die Vermittler gezahlt werden sollten und wurden.
  139. 14
  140. Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010
  141. gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht berücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch
  142. nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen.
  143. III.
  144. 15
  145. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die
  146. Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und
  147. Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1
  148. ZPO).
  149. -9-
  150. 16
  151. Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, nach Maßgabe des Senatsurteils vom 29. Juni 2010
  152. (XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Aufklärungsverschuldens
  153. im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch den
  154. Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu treffen haben.
  155. Wiechers
  156. Joeres
  157. Ellenberger
  158. Mayen
  159. Matthias
  160. Vorinstanzen:
  161. LG Göttingen, Entscheidung vom 12.06.2006 - 2 O 1052/05 OLG Braunschweig, Entscheidung vom 12.02.2009 - 8 U 162/06 -