Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

518 lines
27 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 27/00
  5. Verkündet am:
  6. 7. November 2000
  7. Weber,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. _____________________
  16. BGB §§ 249 Hd, 607
  17. Zur Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung bei Annuitätendarlehen.
  18. BGH, Urteil vom 7. November 2000 - XI ZR 27/00 - OLG Celle
  19. LG Hannover
  20. -2-
  21. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
  22. Verhandlung vom 7. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter
  23. Nobbe
  24. und
  25. die
  26. Richter
  27. Dr. Siol,
  28. Dr. van Gelder,
  29. Dr. Müller
  30. und
  31. Dr. Joeres
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des
  34. 3. Zivilsenats
  35. des
  36. Oberlandesgerichts
  37. Celle
  38. vom
  39. 22. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt
  40. worden ist.
  41. Insoweit wird die Sache zur anderweiten Verhandlung
  42. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  43. Von Rechts wegen
  44. Tatbestand:
  45. Die klagende Hypothekenbank nimmt den Beklagten wegen der
  46. Nichtabnahme eines Darlehens auf Schadensersatz in Anspruch.
  47. Der Beklagte richtete am 8. März 1996 wegen des Kaufpreises in
  48. Höhe von 2.070.000 DM für ein Mehrfamilienhaus schriftliche Finanzierungsanfragen an die Klägerin und andere Kreditinstitute. Er verhan-
  49. -3-
  50. delte in Telefonaten am 9., 12. und 14. März 1996 mit einem Mitarbeiter
  51. der Klägerin über die Darlehensbedingungen und erreichte durch den
  52. Hinweis auf die Konditionen eines anderen Kreditinstituts eine Verbesserung des ursprünglichen Angebots der Klägerin. Am 14. März 1996
  53. brachte der Mitarbeiter der Klägerin verabredungsgemäß den Entwurf
  54. eines Darlehensantrages sowie ein Begleitschreiben der Klägerin in die
  55. Wohnung des Beklagten. Der Antrag sah ein grundpfandrechtlich abzusicherndes, in monatlichen Raten mit 1% jährlich zu tilgendes Darlehen
  56. in Höhe von 1.605.000 DM mit einem Nominalzinssatz von 7,39% bei
  57. einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 7,71% vor. Der Zins
  58. sollte für 15 Jahre festgeschrieben sein. Ab 30. April 1996 waren Bereitstellungszinsen in Höhe von 0,25% pro Monat zu zahlen. Ferner
  59. enthielt der Antrag die formularmäßige Erklärung, der Darlehensnehmer
  60. halte sich vier Wochen an den Antrag gebunden.
  61. Der Beklagte befürchtete einen Anstieg des Zinsniveaus und
  62. drängte auf ein verbindliches Darlehensangebot der Klägerin. Er veranlaßte deren Mitarbeiter, in dem Begleitschreiben, in dem sich die
  63. Klägerin zunächst unverbindlich zur Darlehensgewährung bereit erklärt
  64. hatte, die Worte "zunächst unverbindlich" zu streichen. Sodann unterschrieb er den Darlehensantrag.
  65. In einem Schreiben vom 29. März 1996 beanstandete der Beklagte, die Klägerin habe ihm entgegen einer Zusage ihres Mitarbeiters
  66. vom 18. März 1996 den ausgefertigten Darlehensvertrag nicht binnen
  67. drei oder vier Tagen übersandt, und trat unter Berufung auf das Haustürwiderrufs- und das Verbraucherkreditgesetz vom Darlehensantrag
  68. zurück.
  69. -4-
  70. Am 9. April 1996 erteilte die Klägerin dem Beklagten eine schriftliche Darlehenszusage zu den im Darlehensantrag genannten Bedingungen. Da der Beklagte die Abnahme des Darlehens verweigerte,
  71. nimmt die Klägerin ihn auf Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung
  72. und von Bereitstellungszinsen in Anspruch.
  73. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Bereitstellungszinsen in Höhe von 802,50 DM zuzüglich Zinsen verurteilt und die
  74. Klage im übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage auf
  75. Zahlung
  76. einer
  77. Nichtabnahmeentschädigung
  78. in
  79. Höhe
  80. von
  81. 105.057,45 DM nebst Zinsen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt
  82. der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
  83. Entscheidungsgründe:
  84. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  85. I.
  86. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
  87. im wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe wegen der ernsthaften
  88. und endgültigen Weigerung des Beklagten, das Darlehen abzunehmen,
  89. Schadensersatz gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
  90. Die Parteien hätten bereits am 14. März 1996 einen wirksamen
  91. Darlehensvertrag geschlossen. Wenn der Mitarbeiter der Klägerin, wie
  92. -5-
  93. der Beklagte behaupte, zum Abschluß nicht bevollmächtigt gewesen
  94. sei, habe die Klägerin sein Handeln durch die Darlehenszusage vom
  95. 9. April 1996 genehmigt. Ein wirksamer Vertragsschluß sei selbst dann
  96. erfolgt, wenn der Mitarbeiter der Klägerin am 14. März 1996 keine entsprechende Willenserklärung abgegeben habe. Die Klägerin habe den
  97. Darlehensantrag des Beklagten vom 14. März 1996 jedenfalls durch die
  98. schriftliche Darlehenszusage vom 9. April 1996 innerhalb der Bindungsfrist von vier Wochen angenommen. Der Beklagte habe den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Ein Widerrufsrecht des Beklagten nach dem Verbraucherkreditgesetz habe nicht bestanden, da
  99. der Grundpfandkredit zu den für solche Darlehen üblichen Bedingungen habe ausgereicht werden sollen. Das Haustürwiderrufsgesetz sei
  100. nicht anwendbar, weil die Initiative zum Abschluß des Darlehensvertrages vom Beklagten ausgegangen sei und der Hausbesuch eines Mitarbeiters der Klägerin auf vorhergehender Bestellung des Beklagten beruhe.
  101. Die Klägerin könne ihren Schaden nach der sogenannten AktivPassiv-Berechnungsmethode ermitteln. Auszugehen sei dabei von dem
  102. vertraglich vereinbarten Nominalzins von 7,39%, der wegen der ersparten Verwaltungskosten und des entfallenen Risikos um 0,2% auf
  103. 7,19% zu kürzen sei. Diesem gekürzten Zinssatz sei als Vergleichszins
  104. der Zinssatz einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der Darlehensvaluta in Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner gegenüber zu stellen.
  105. Da der Beklagte das Darlehen nach zehn Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten hätte kündigen können, sei auf den für
  106. festverzinsliche Papiere der öffentlichen Hand mit einer Laufzeit von
  107. 10 ½ Jahren geltenden Zinssatz in Höhe von damals 6,44% abzustellen. Der aus der Differenz von 0,75% zwischen beiden Zinssätzen resultierende finanzielle Nachteil der Klägerin sei unter Einstellung des
  108. -6-
  109. Wiederanlagezinssatzes von 6,44% abzuzinsen, so daß sich eine
  110. Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 116.857,04 DM ergebe.
  111. Daneben könne die Klägerin zwar keine Bereitstellungszinsen in
  112. Höhe von 802,50 DM verlangen, weil der Beklagte schon vor dem Auszahlungszeitpunkt die Abnahme des Darlehens endgültig verweigert
  113. habe. Dieser Betrag stehe der Klägerin aber als Nichtabnahmeentschädigung zu, weil ihr Klageantrag in Höhe von 105.057,45 DM den
  114. tatsächlich entstandenen Schaden nicht voll ausschöpfe.
  115. II.
  116. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen
  117. Punkten stand.
  118. 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe eine
  119. Nichtabnahmeentschädigung dem Grunde nach zu, trifft allerdings im
  120. Ergebnis zu. Der Anspruch ist aber nicht gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2
  121. BGB, sondern wegen positiver Vertragsverletzung begründet, weil der
  122. Beklagte die Erfüllung seiner Pflicht zur Abnahme des Darlehens nach
  123. den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bereits vor
  124. Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. BGH, Urteile vom
  125. 16. Juni
  126. 1982
  127. - VIII ZR
  128. 89/81,
  129. WM 1982,
  130. 907,
  131. 908
  132. und
  133. vom
  134. 18. Dezember 1985 - VIII ZR 47/85, WM 1986, 325, 326).
  135. Entgegen der Ansicht der Revision haben die Parteien einen
  136. wirksamen Darlehensvertrag geschlossen.
  137. -7-
  138. a) Ob der Mitarbeiter der Klägerin bereits am 14. März 1996 eine
  139. auf den Abschluß eines Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben hat, bedarf keiner Entscheidung, weil diese Erklärung
  140. mangels Einhaltung der Schriftform gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3, 6
  141. Abs. 1 VerbrKrG nichtig wäre. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Darlehensvertrag aber dadurch zustande gekommen, daß die Klägerin den vom Beklagten am 14. März
  142. 1996 unterzeichneten Darlehensantrag durch die schriftliche Darlehenszusage am 9. April 1996 angenommen hat. Die Annahme erfolgte
  143. innerhalb der im Darlehensantrag genannten vierwöchigen Bindungsfrist. Die Vereinbarung dieser Frist verstößt nicht gegen § 10 Nr. 1
  144. AGBG (BGH, Urteil vom 24. März 1988 - III ZR 21/87, WM 1988, 607,
  145. 609; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. März 1986 - III ZR 234/84, WM 1986,
  146. 577, 579). Der Beklagte hat auch nicht substantiiert vorgetragen, daß
  147. die vierwöchige Bindungsfrist durch eine Individualvereinbarung abbedungen worden ist. Seinem Vortrag ist nicht zu entnehmen, daß die
  148. Äußerung des Mitarbeiters der Klägerin vom 18. März 1996, die schriftliche Darlehenszusage werde in drei bis vier Tagen erteilt, nicht lediglich eine unverbindliche Ankündigung darstellen, sondern eine rechtswirksame Änderung des schriftlichen Darlehensantrages bewirken
  149. sollte.
  150. b) Der Beklagte hat seinen Darlehensantrag vom 14. März 1996
  151. nicht wirksam gemäß §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB angefochten. Er
  152. ist zur Abgabe dieser Willenserklärung nicht durch eine arglistige Täuschung bestimmt worden. Nach seinem eigenen, im Revisionsverfahren
  153. als richtig zu unterstellenden Vortrag hat der Angestellte der Klägerin
  154. ihm vor Unterzeichnung des Darlehensantrages nicht vorgetäuscht,
  155. durch die Unterzeichnung komme bereits am 14. März 1996 ein für beide Parteien verbindlicher Darlehensvertrag zustande. Der Angestellte
  156. -8-
  157. hat lediglich erklärt, daß sich die Klägerin für den Fall eines Vertragsschlusses auf die im Darlehensantrag genannten Vertragsbedingungen
  158. festlege. In diesem Sinn hat der Beklagte den Angestellten der Klägerin
  159. auch verstanden. Als der Angestellte ihm am 18. März 1996 mitteilte,
  160. die Darlehenszusage werde zur Zeit vorbereitet und gehe ihm in drei
  161. bis vier Tagen zu, hat er sich mit dieser Ankündigung zufrieden gegeben.
  162. c) Der Beklagte hat seinen Darlehensantrag vom 14. März 1996
  163. auch nicht wirksam widerrufen.
  164. aa) Er hatte kein Widerrufsrecht gemäß § 7 Abs. 1 VerbrKrG, weil
  165. diese Vorschrift gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG auf den vorliegenden
  166. Darlehensvertrag keine Anwendung findet. Der Kredit war von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig und sollte zu für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt werden. § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG stellt entscheidend auf die Zinshöhe
  167. und die sonstigen Kreditkonditionen ab (Senat, Urteil vom 18. April
  168. 2000 - XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1247). Insofern sind Abweichungen des Darlehensvertrages zwischen den Parteien von den für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite üblichen Bedingungen nicht erkennbar und vom Beklagten auch nicht konkret geltend gemacht worden. § 3
  169. Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG gilt unabhängig davon, ob der Gesetzgeber bei
  170. dem Erlaß dieser Vorschrift von zutreffenden Erwägungen ausgegangen
  171. ist.
  172. Nach
  173. der
  174. Begründung
  175. des
  176. Regierungsentwurfs
  177. (BT-
  178. Drucks. 11/5462, S. 18) würde das Widerrufsrecht die taggenaue Refinanzierung vieler Realkredite, die eine Grundlage für deren günstige
  179. Verzinsung darstellt, erheblich gefährden. In der Praxis ist aber die Zuordnung einer bestimmten Refinanzierungsmaßnahme einer Bank zu
  180. einem konkreten einzelnen Kreditgeschäft vielfach nicht möglich (Rös-
  181. -9-
  182. ler/Wimmer, WM 2000, 164, 166). Dieser Umstand ändert jedoch nichts
  183. an der Verbindlichkeit des gesetzlichen Ausschlusses des Widerrufsrechts bei Realkrediten im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG.
  184. bb) Ein Widerrufsrecht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG stand
  185. dem Beklagten jedenfalls deshalb nicht zu, weil die mündlichen Verhandlungen am 14. März 1996 in seiner Wohnung auf seine vorherige
  186. Bestellung geführt worden sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HaustürWG). Der Beklagte hatte aus eigener Initiative eine Finanzierungsanfrage an die
  187. Klägerin gerichtet und diese in telefonischen Vertragsverhandlungen
  188. durch den Hinweis auf ein Konkurrenzangebot zur Verbesserung ihrer
  189. zunächst angebotenen Darlehensbedingungen veranlaßt. Dies zeigt,
  190. daß er weder bei der telefonischen Verabredung des Besuches des
  191. Mitarbeiters der Klägerin in seiner Wohnung noch während dieses
  192. Hausbesuches der Gefahr einer Überrumpelung (BGHZ 109, 127, 134)
  193. ausgesetzt war. Der Abschluß des Darlehensvertrages fällt mithin nicht
  194. in den Schutzbereich des Haustürwiderrufsgesetzes.
  195. 2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe der Nichtabnahmeentschädigung weisen hingegen Rechtsfehler auf.
  196. a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung
  197. des Berufungsgerichts, die Klägerin könne ihren Nichtabnahmeschaden
  198. nach der sogenannten Aktiv-Passiv-Methode berechnen.
  199. aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 136, 161,
  200. 168 ff.; Urteil vom 1. Juli 1997 - XI ZR 197/96, WM 1997, 1799, 1801)
  201. kann eine Bank den Schaden, der ihr durch die Nichtabnahme oder
  202. durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, sowohl nach
  203. der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode be-
  204. - 10 -
  205. rechnen. Bei der von der Klägerin gewählten Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode stellt sich der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers
  206. als Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite dar,
  207. die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergibt. Der Differenzbetrag
  208. ist um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf
  209. den Zeitpunkt der Leistung der Nichtabnahmeentschädigung abzuzinsen (BGHZ 136, 161, 171).
  210. bb) Der auf diese Weise berechnete Schaden darf - anders als
  211. die Revision meint - den auf die betreffende Darlehensart entfallenden
  212. Durchschnittsnettogewinn vergleichbarer Banken übersteigen. Der nach
  213. der Aktiv-Passiv-Methode ermittelte Schaden umfaßt in einer Position
  214. sowohl den Zinsmargenschaden, d.h. den der Bank entgangenen Nettogewinn, als auch den Zinsverschlechterungsschaden, d.h. ihren aus
  215. einer Wiederausleihe zu einem niedrigeren Zinssatz resultierenden
  216. Schaden (Rösler/Wimmer WM 2000, 164, 173). Der von der Revision
  217. angesprochene Durchschnittsnettogewinn berücksichtigt dagegen einen
  218. Zinsverschlechterungsschaden nicht und kommt deshalb als Obergrenze für einen nach der Aktiv-Passiv-Methode ermittelten Schaden von
  219. vornherein nicht in Betracht.
  220. cc) Die Schadensberechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode
  221. setzt nicht voraus, daß der Darlehensgeber sich tatsächlich refinanziert
  222. hat. Sie beruht auf der Grundlage einer fiktiven Wiederanlage, für die
  223. eine tatsächliche Refinanzierung unerheblich ist. Abgesehen davon ist
  224. - wie dargelegt - die Zuordnung einer bestimmten Refinanzierungsmaßnahme zu einem konkreten Kreditgeschäft in der Praxis vielfach nicht
  225. möglich. Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht keine Feststellun-
  226. - 11 -
  227. gen zu einer auf den Darlehensvertrag mit dem Beklagten bezogenen
  228. Refinanzierung der Klägerin getroffen.
  229. b) Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Art und Weise, in der das
  230. Berufungsgericht
  231. die
  232. Schadenberechnung
  233. nach
  234. der
  235. Aktiv-Passiv-
  236. Methode im einzelnen durchgeführt hat.
  237. aa) Bei der Berechnung der Zinsen, die der Beklagte bei Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt hätte, hat das Berufungsgericht
  238. rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß es sich um ein Annuitätendarlehen handelt, auf das während der Laufzeit monatlich neben Zinsauch Tilgungsleistungen erbracht werden, die die zu verzinsende Darlehenssumme reduzieren. Um dieser fortlaufenden Rückführung des zu
  239. verzinsenden Kapitals Rechnung zu tragen, ist bei der Berechnung der
  240. Zinsen nach der Cash-Flow-Methode zu verfahren, bei der berücksichtigt wird, daß Zins- und Tilgungszahlungen unterjährig zu verschiedenen Zeitpunkten an die Bank geflossen wären (Rösler WuB I E 3.-5.99).
  241. Der Berechnung ist, da der konkret vereinbarte Tilgungsverlauf zu berücksichtigen ist, der vereinbarte Nominalzinssatz zugrunde zu legen
  242. (OLG Schleswig WM 1998, 861, 862 f.; OLG Karlsruhe WM 1996, 572,
  243. 573; Rösler/Wimmer WM 2000, 164, 173; Metz ZBB 1994, 205, 213).
  244. Der effektive Vertragszins kann allenfalls dann zu korrekten Ergebnissen führen, wenn vertragsspezifische Tilgungsvereinbarungen unberücksichtigt bleiben. Ein Abstellen auf den vereinbarten Tilgungsverlauf
  245. und die weiteren Kosten entspricht im übrigen auch dem konkreten Gesamtaufwand, der Grundlage für die Berechnung des Effektivzinses ist.
  246. Der Zinsberechnung ist, wie das Berufungsgericht nicht verkannt
  247. hat, ein Zeitraum von 10 ½ Jahren zugrunde zu legen. Da der Beklagte
  248. den Darlehensvertrag nach § 609 a Abs. 1 Nr. 3 BGB frühestens nach
  249. - 12 -
  250. zehn Jahren mit einer Frist von sechs Monaten kündigen konnte, entspricht dies dem Zeitraum der rechtlich geschützten Zinserwartung
  251. (BGHZ 104, 337, 343; 136, 161, 170).
  252. bb) Auch die Ermittlung der Rendite aus einer Wiederanlage des
  253. durch die Nichtabnahme freigewordenen Darlehensbetrages durch das
  254. Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft.
  255. (1) Das Berufungsgericht hätte die Rendite einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen zugrunde legen müssen und nicht auf die im Jahre 1996 um durchschnittlich 0,2% und
  256. neuestens (September 2000) sogar um 0,4% niedrigere Rendite festverzinslicher Wertpapiere der öffentlichen Hand zurückgreifen dürfen.
  257. Der Senat hat in seinem Urteil vom 1. Juli 1997 (XI ZR 267/96,
  258. BGHZ 136, 161, 171) zwar selbst auf Kapitalmarkttitel öffentlicher
  259. Schuldner abgestellt. Dies ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, daß
  260. die Differenz zwischen den Renditen aus Pfandbriefen und Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner damals deutlich geringer war. Da die
  261. Sicherheit von Hypothekenpfandbriefen angesichts der besonderen
  262. Schutzbestimmungen des Hypothekenbankgesetzes mit der von Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner durchaus vergleichbar ist, ist es
  263. Banken, wie die Revision zu Recht geltend macht, zumutbar, eine Wiederanlage in Pfandbriefen vorzunehmen. Das gilt besonders für Hypothekenbanken wie die Klägerin, die selbst Pfandbriefe emittiert haben.
  264. Die erforderliche Transparenz der Schadensberechnung ist auch
  265. dann gewährleistet, weil die Zinssätze von Hypothekenpfandbriefen der
  266. Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank sowie Tageszeitungen
  267. mit größerem Wirtschaftsteil entnommen werden können. Soweit ein
  268. Kreditinstitut bei der Wiederanlage von Tilgungsraten, die bei vertrags-
  269. - 13 -
  270. gemäßer Abwicklung in wenigen Tagen oder Wochen fällig geworden
  271. wären, wegen der längeren Restlaufzeiten nicht auf Hypothekenpfandbriefe zurückgreifen kann, bestehen keine Bedenken, für diese Zeiträume auch eine Wiederanlage in Monats- oder sogar Tagesgeldern
  272. zuzulassen.
  273. (2) Auch bei der Berechnung der von der Klägerin bei einer Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen erwirtschafteten Rendite ist zu
  274. berücksichtigen, daß die Parteien ein Annuitätendarlehen vereinbart
  275. haben. Der finanzielle Vorteil, den die Klägerin durch die Nichtabnahme dieses Darlehens erlangt hat, besteht in der Möglichkeit, jede Tilgungsrate bis zu dem Zeitpunkt anzulegen, zu dem die Rate bei ordnungsgemäßer Abwicklung des Darlehensvertrages an sie zurückgeflossen wäre. Da bei längeren Anlagezeiträumen regelmäßig höhere
  276. Renditen zu erzielen sind, durfte das Berufungsgericht bei den zwischen wenigen Tagen und 10 ½ Jahren liegenden Anlagezeiträumen
  277. nicht von einem einheitlichen Wiederanlagezinssatz ausgehen. Der
  278. Umstand, daß die Wiederanlagezinssätze am Anlagezeitraum zu orientieren sind, macht zugleich deutlich, daß die 15-jährige Zinsfestschreibung entgegen der Ansicht der Revision auf die Berechnung der Rendite einer laufzeitkongruenten Wiederanlage keinen Einfluß hat.
  279. (3) Die Erträge einer laufzeitkongruenten Wiederanlage sind anhand des Nominalzinssatzes zu berechnen (Rösler/Wimmer WM 2000,
  280. 164, 173). Zur Berechnung der in der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Renditen werden zwar alle für den
  281. Ertrag einer Anlage maßgeblichen Komponenten, d.h. neben dem Nominalzinssatz auch die Periodizität der Zinszahlungen, der Kauf- und
  282. der Rückzahlungskurs sowie die Laufzeit und der Tilgungsmodus, herangezogen (Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank, Septem-
  283. - 14 -
  284. ber 2000, S. 64). Dies ermöglicht - wie die Angabe des Effektivzinssatzes - einen Vergleich der tatsächlichen Verzinsung von Anleihen untereinander. Die veröffentlichten Renditen können der Berechnung des
  285. Ertrages einer laufzeitkongruenten Wiederanlage aber gleichwohl zugrunde gelegt werden (OLG Karlsruhe WM 1996, 572, 573). Unter der
  286. Prämisse einer jährlichen Zinszahlung entspricht die in der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank ausgewiesene Rendite, ausgehend von dem Kaufkurs und dem Nominalbetrag sowie dem Zinssatz
  287. des Pfandbriefes, weitestgehend dem Nominalzins, bezogen auf den
  288. angelegten Betrag. Selbst wenn zwischen Nominal- und Effektivzins ein
  289. Unterschied bestünde und eine Bank der Berechnung ihrer fiktiven Erträge aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage statt des Nominalzinssatzes den höheren Effektivzinssatz zugrunde legen würde, ergäbe
  290. sich daraus kein Nachteil für einen zum Schadensersatz verpflichteten
  291. Kunden. Da der Schaden sich aus der Differenz zwischen den vertraglich vereinbarten Zinsen und den Erträgen einer Wiederanlage ergibt,
  292. würde die Heranziehung des höheren Effektivzinssatzes zu höheren
  293. Erträgen der Wiederanlage und damit zu einem insgesamt niedrigeren
  294. Schaden führen.
  295. cc) Im Rahmen der Schadensberechnung sind angemessene Beträge für ersparte Verwaltungsaufwendungen und für das entfallende
  296. Risiko des Darlehens in Abzug zu bringen (vgl. BGHZ 136, 161, 171).
  297. Diese Kürzung kann jedoch nicht - wie das Berufungsgericht meint durch die Bildung eines einheitlichen, beide Aspekte berücksichtigenden prozentualen Abschlages erfolgen.
  298. (1) Dem entfallenden Darlehensrisiko ist durch einen prozentualen Abschlag Rechnung zu tragen. Dadurch wird berücksichtigt, daß
  299. das Risiko und damit die Risikoprämie auch von der jeweiligen Höhe
  300. - 15 -
  301. der Schuld abhängen. Der Abschlag für die entfallende Risikovorsorge
  302. ist je nach den Risiken des konkreten Vertrages gemäß § 287 ZPO zu
  303. schätzen. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurden Abschläge zwischen 0,05% und 0,06% (OLG Hamm WM 1998, 1811, 1812 und
  304. WM 2000, 1145; OLG Köln WM 1999, 1661, 1662) bzw. 0,014% (OLG
  305. Schleswig WM 1998, 861, 863) gemacht.
  306. (2) Im Gegensatz dazu hätte das Berufungsgericht die ebenfalls
  307. nach § 287 ZPO zu schätzenden Kosten der ersparten Verwaltungsaufwendungen nicht in einem prozentualen Abschlag angeben dürfen.
  308. Der Verwaltungsaufwand gleichartiger Darlehen ist im wesentlichen von
  309. der Höhe der konkreten Darlehenssummen unabhängig. Deswegen besteht zwischen den Verwaltungskosten, die bei Durchführung eines
  310. Darlehensvertrages entstehen, und der Höhe der Darlehenssumme keine proportionale Beziehung. Die ersparten Verwaltungsaufwendungen
  311. sind nicht als prozentuale Abschläge, sondern als absolute, von der
  312. Darlehenssumme
  313. unabhängige
  314. Beträge
  315. anzusetzen
  316. (OLG
  317. Köln
  318. WM 1999, 1661; OLG Schleswig WM 1998, 861, 863). Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein Darlehensvertrag hauptsächlich zu Beginn Verwaltungsaufwand erfordert, während die weitere, meist EDV-mäßige
  319. Durchführung in aller Regel keinen erheblichen Verwaltungsaufwand
  320. mit sich bringt.
  321. dd) Die sich ergebenden Beträge sind auf den Zeitpunkt der
  322. Zahlung der Nichtabnahmeentschädigung abzuzinsen. Dabei ist der
  323. aktive Wiederanlagezins zugrunde zu legen. Auch in diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, daß es sich bei dem abzurechnenden Darlehen um ein Annuitätendarlehen handelt, also der Zinsanteil kontinuierlich abnimmt und der Kapitalstand des Darlehens sich
  324. entsprechend ändert. Auch wenn es einem Darlehensgeber kaum mög-
  325. - 16 -
  326. lich ist, Kapitalmarktanlagen mit den sich ändernden Kapitalständen
  327. und gebrochenen Restlaufzeiten zu erzielen, ist doch im Rahmen einer
  328. abstrakten Betrachtung die kontinuierliche Reduzierung der Darlehensschuld durch fortschreitende Tilgung und die dadurch bedingte Verminderung der Zinsschuld zu berücksichtigen (OLG Schleswig WM 1998,
  329. 861, 863 f. m.w.Nachw.). Abzuzinsen ist dabei mit der realen Zinsstrukturkurve (vgl. dazu Rösler/Wimmer WM 2000, 164, 176 f.).
  330. III.
  331. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1
  332. ZPO) und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1
  333. ZPO).
  334. Durch die Zurückverweisung erhält die Klägerin Gelegenheit, eine den vorstehenden Grundsätzen entsprechende Neuberechnung ihres Schadens vorzulegen. Für das weitere Verfahren wird auf folgendes
  335. hingewiesen:
  336. Das von der Klägerin verwendete sogenannte KAPO-Programm
  337. ist grundsätzlich zur Berechnung einer Nichtabnahme- bzw. Vorfälligkeitsentschädigung geeignet. Es trägt insbesondere dem Umstand
  338. Rechnung, daß je nach Laufzeit der Darlehensraten unterschiedliche
  339. Renditen der Wiederanlagen anzusetzen sind (Marburger WuB I E 3.7.98). Allerdings sind der Klägerin bei der Anwendung Fehler unterlaufen.
  340. - 17 -
  341. Die Klägerin ermittelt zunächst den gesamten Zinsverlust, indem
  342. sie die bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung zu zahlenden Zinsen berechnet. Diese Berechnungsweise berücksichtigt zutreffend den
  343. realen Zahlungsstrom und damit auch die Annuität. Fehlerhaft ist es
  344. allerdings, daß die Klägerin nicht die Differenz zwischen Vertragszins
  345. und Kapitalmarktrendite, sondern den Abzinsungszinssatz um die ersparte Risikovorsorge gekürzt hat. Außerdem ist der Zinsverlust noch
  346. zusätzlich um die ersparten jährlichen Verwaltungsaufwendungen zu
  347. kürzen.
  348. Die Angaben der Klägerin über die zugrunde gelegten Wiederanlagezinssätze sind keine ausreichende Grundlage für eine Überprüfung. Die Grundlagen der angewandten Computerprogramme sind so
  349. deutlich zu machen, daß eine Überprüfung möglich ist (vgl. Gundlach/
  350. Halstenberg,
  351. in:
  352. Schimansky/Bunte/Lwowski,
  353. Bankrechts-Handbuch
  354. § 82 Rdn. 28). Die Schadensberechnung der Klägerin weist die Wiederanlagesätze aus, ohne anzugeben, welche Wiederanlage zugrunde
  355. liegt. Eine ausreichende Überprüfungsmöglichkeit besteht aber erst
  356. dann, wenn die Art der Wiederanlage genannt wird. Daher hätte die
  357. Klägerin die für die Schadensberechnung herangezogenen Zinssätze
  358. so genau bezeichnen müssen, daß eine Überprüfung anhand der Bundesbankstatistik oder anderer leicht zugänglicher Quellen möglich ist.
  359. Daß die Klägerin die für die einzelnen Wiederanlagezeiträume anzuwendenden Zinssätze durch Interpolation ermittelt hat, begegnet keinen
  360. Bedenken.
  361. Als weitere Schadensposition kann die Klägerin die Kosten geltend machen, die ihr durch die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung entstehen. Diese Kosten lassen sich kaum exakt beziffern und
  362. können daher gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Da der Berech-
  363. - 18 -
  364. nungsaufwand nicht entscheidend von der Höhe der Darlehenssumme
  365. abhängt, kann als Schadensersatz nicht ein bestimmter Prozentsatz
  366. des Darlehens verlangt werden (BGHZ 136, 161, 171). Vielmehr ist ein
  367. absoluter Betrag anzusetzen (OLG Hamm WM 1998, 1811, 1812 und
  368. WM 1998, 1812, 1813; OLG Schleswig WM 1998, 861, 865).
  369. Nobbe
  370. Dr. Siol
  371. Dr. Müller
  372. Dr. van Gelder
  373. Dr. Joeres