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345 lines
22 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 25/13
  5. Verkündet am:
  6. 5. November 2013
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 5. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter
  15. Dr. Joeres, Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterin Dr. Menges
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des
  18. Kammergerichts in Berlin vom 30. November 2012 wird auf seine
  19. Kosten zurückgewiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. 1
  23. Der Kläger nimmt die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungsund Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch. Zwischen den Parteien steht nur noch im Streit, ob die Beklagte von ihr berechnete
  24. Handelsverluste in Abzug bringen durfte.
  25. 2
  26. Der Kläger beteiligte sich im Januar 1994 mit einem Anlagebetrag von
  27. insgesamt 15.669,38 € einschließlich Agio an dem Phoenix Managed Account
  28. (im Folgenden: PMA), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger
  29. verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den
  30. Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen)
  31. -3-
  32. für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war.
  33. 3
  34. Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel
  35. unterstellt. Bereits ab Mitte 1993 hatte die P. GmbH begonnen, die für den PMA
  36. eingegangenen Verpflichtungen aus den Termingeschäften nicht mehr mit dem
  37. aktuellen Marktwert, sondern mit "Null" zu bewerten, um eingetretene Verluste
  38. zu verschleiern. Ab 1997 legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der
  39. von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften
  40. an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielt auch der Kläger eine Auszahlung über
  41. 3.067,75 €. Den Anlegern wurden monatliche Kontoauszüge übermittelt, die
  42. den tatsächlichen Handelsverlauf nicht widerspiegelten.
  43. 4
  44. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März
  45. 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen
  46. der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
  47. 5
  48. Die Beklagte ermittelte auf der Grundlage der von ihr überprüften Berechnungen des Insolvenzverwalters ausgehend vom rekonstruierten, tatsächlichen Handelsverlauf des PMA für jeden Anleger den Verlauf und Endstand seiner Anlage. Für das Konto des Klägers ergab sich so unter Abzug der Handelsverluste zum 31. März 2005 ein Endbetrag von 9.601,70 €.
  49. 6
  50. Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von
  51. 90% seiner Anlagesumme ohne Agio abzüglich der Auszahlung und einer von
  52. -4-
  53. der Beklagten bereits erbrachten Teilentschädigung sowie unter Berücksichtigung eines vom Landgericht erlassenen Teil-Anerkenntnisurteils, d.h. von noch
  54. 1.423,31 € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Er meint, dass die Handelsverluste,
  55. die von der Beklagten aufgrund einer Neuberechnung mit 1.974,43 € beziffert
  56. worden sind, nicht hätten abgezogen werden dürfen.
  57. 7
  58. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die
  59. Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit
  60. der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  61. Entscheidungsgründe:
  62. 8
  63. Die Revision ist unbegründet.
  64. I.
  65. 9
  66. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  67. für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  68. 10
  69. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein weiterer Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht zu. Dieser bemesse sich im Ausgangspunkt zwar nach der Höhe des gegen die P. GmbH bestehenden Anspruchs aus § 675 Abs. 1, § 667 BGB auf Rückzahlung aller für den PMA eingezahlten Gelder ohne Agio sowie aller tatsächlich erzielten Gewinne; Verluste
  70. aus der Anlage seien aber abzuziehen, soweit diese nicht durch Unterschla-
  71. -5-
  72. gung oder Veruntreuung entstanden seien. Der Herausgabeanspruch umfasse
  73. nicht die Mittel, die in Ausführung des Auftrags - hier: zur Investition in Termingeschäfte - verbraucht worden und nicht mehr vorhanden seien. Diese Sichtweise stimme mit dem Schutzzweck des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes überein. Danach würden nur solche Ansprüche geschützt, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richteten, wozu auch Ansprüche wegen
  74. der Verletzung vertraglicher Pflichten gehörten, durch die - wie etwa im Fall der
  75. Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt würden. Seien die Kundengelder dagegen vertragsgemäß verwendet worden, könnten derartige Ansprüche nicht beeinträchtigt worden sein, auch wenn
  76. die Anlage zu Verlusten geführt habe.
  77. 11
  78. Danach ergebe sich auf der Grundlage der Berechnung der Beklagten
  79. für den Kläger kein weiterer Entschädigungsanspruch. Soweit die Klägerseite
  80. die Berechnung der Beklagten in Frage stelle, sei dies unbeachtlich. Die Klägerseite trage die Darlegungs- und Beweislast für Höhe und Umfang des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs. Hierzu genüge nicht die bloße Darlegung der einzelnen Ein- und Auszahlungen. Vielmehr müsste sie im Falle des
  81. Bestreitens durch die Beklagte die Entwicklung der Anlage mit allen Gewinnen
  82. und Verlusten darlegen und beweisen. Bei der Bestimmung der Handelsverluste gehe es um die Bestimmung der Höhe der dem Anleger gegenüber dem
  83. Institut zustehenden Forderung und nicht etwa um eine Aufrechnungsforderung
  84. des Instituts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG, hinsichtlich derer die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre. Etwas anderes ergebe sich auch
  85. nicht aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendung der erhaltenen Einlagen tragen würde. Diese Beweislastgrundsätze seien auf den Entschädigungsanspruch nach § 3 Abs. 1, § 4
  86. -6-
  87. Abs. 1 EAEG nicht anwendbar, weil es sich dabei um einen selbständigen gesetzlichen Anspruch handele, dessen Voraussetzungen und Umfang eigenständig geregelt seien. Des Weiteren komme auch eine Beweislastumkehr nicht
  88. in Betracht, weil die Beklagte dem Beweis der tatsächlichen Handelsverläufe
  89. nicht näher stehe als die Klägerseite. Die Beklagte treffe allenfalls eine sekundäre Darlegungslast, der sie vorliegend mit ihren konkreten Berechnungen
  90. nachgekommen sei. Diesem Vorbringen sei die Klägerseite nicht genügend
  91. entgegengetreten. Dies gelte insbesondere, soweit die Klägerseite in Abrede
  92. stelle, dass Handelsverluste durch eine vereinbarungsgemäße Handelstätigkeit
  93. der P. GmbH mit den Mitteln des PMA überhaupt entstanden seien. Substantiierten Vortrag dazu sei die Klägerseite schuldig geblieben. Im Übrigen beschränke sie sich auf die Rechtsmeinung, Handelsverluste seien nicht zu berücksichtigen. Soweit die Klägerseite vorbringe, der Beklagten hätten nicht alle
  94. Kontoauszüge und Daten vorgelegen, sei dies mangels Benennung konkreter
  95. Unterlagen unsubstantiiert.
  96. II.
  97. 12
  98. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die
  99. Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des
  100. Entschädigungsanspruchs der Klägerseite aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu
  101. Recht die von der Beklagten berechneten Handelsverluste anspruchsmindernd
  102. berücksichtigt.
  103. 13
  104. 1. Die P. GmbH, ein unter anderem mit Finanzkommissionsgeschäften
  105. befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung
  106. zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EAEG). Den Ein-
  107. -7-
  108. tritt des Entschädigungsfalles hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 EAEG festgestellt.
  109. 14
  110. 2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei eine Verbindlichkeit der
  111. P. GmbH gegenüber der Klägerseite aus Wertpapiergeschäften bejaht.
  112. 15
  113. a) Zwischen der Klägerseite und der P. GmbH ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für
  114. fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich - wie der Senat
  115. mit Urteil vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, BGHZ 191, 95 Rn. 15 ff.) im
  116. Einzelnen begründet hat - um Finanzkommissionsgeschäfte im Sinne des § 1
  117. Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3
  118. EAEG.
  119. 16
  120. b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber der
  121. Klägerseite aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.
  122. 17
  123. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG in der hier maßgeblichen Fassung des
  124. Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010; vgl. hierzu Senatsurteil vom
  125. 23. November 2010 - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 15) sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung
  126. von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder
  127. gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Wie der Senat mit Urteil vom 23. November 2010
  128. (XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 14 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird von dieser Vorschrift auch der von der Klägerseite gegen die
  129. P. GmbH geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr eingezahlten Gelder, der seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB hat, erfasst.
  130. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um
  131. -8-
  132. Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang
  133. mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt gerade auch den Schutz des Anlegers
  134. vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden
  135. auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder
  136. vereiteln (Senatsurteil vom 23. November 2010, aaO, Rn. 28).
  137. 18
  138. 3. Entgegen der Auffassung der Revision umfasst der Entschädigungsanspruch - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht die
  139. von der Beklagten berechneten, tatsächlichen Handelsverluste.
  140. 19
  141. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften, wie bereits erwähnt, Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden
  142. oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Handelsverluste, die aufgrund einer vertragsgemäßen Anlage der Gelder entstanden sind, werden davon nicht erfasst.
  143. 20
  144. a) Dies ergibt sich allerdings, anders als das Berufungsgericht meint,
  145. nicht bereits unmittelbar aus dem - dem Entschädigungsanspruch aus § 3
  146. Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zugrundeliegenden - Herausgabeanspruch des einzelnen Anlegers gegen die P. GmbH aus § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB. Danach wird der Beauftragte oder Geschäftsbesorger zwar grundsätzlich von der
  147. Verpflichtung, zur Auftragsausführung erhaltene Gelder wieder zurückzuzahlen,
  148. frei, wenn er diese auftragsgemäß weitergeleitet oder bestimmungsgemäß verbraucht hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 1996 - III ZR 205/95, NJW 1997,
  149. 47, 49, vom 4. Oktober 2001 - III ZR 290/00, BGHReport 2002, 71 und vom
  150. 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, WM 2003, 2382, 2383). Dies ist hier aber
  151. nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus-
  152. -9-
  153. nahmsweise nicht der Fall, weil die Anleger der P. GmbH bzw. dem Insolvenzverwalter über deren Vermögen entgegenhalten können, dass wegen des Vorgehens der P. GmbH, in betrügerischer Weise neue Anleger zu werben und
  154. ihre vertraglichen Verpflichtungen entsprechend ihrer vorgefassten Absicht grob
  155. zu verletzen, ihr Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nach dem Grundsatz
  156. von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht um die Verluste aus den wenigen
  157. noch getätigten Anlagegeschäften vermindert werden darf (vgl. BGH, Urteile
  158. vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 15, vom 10. Februar
  159. 2011 - IX ZR 18/10, WM 2011, 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011
  160. - IX ZR 209/10, WM 2011, 2237 Rn. 19). Dieser Einwand steht der Klägerseite
  161. indes gegenüber der Beklagten - entgegen der Auffassung der Revision - im
  162. Rahmen des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht
  163. zu.
  164. 21
  165. b) Nach dem Schutzzweck des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes sind im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung
  166. der Anlegergelder tatsächlich angefallene Handelsverluste bei der Bemessung
  167. des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu berücksichtigen.
  168. 22
  169. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden
  170. Fassung des § 1 Abs. 4 EAEG sollen in den Schutzbereich der Norm nur solche
  171. Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen
  172. Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus Beratungsfehlern (BT-Drucks. 13/10188, S. 16). Mit der
  173. Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des Normtextes beseitigt
  174. werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift
  175. - 10 -
  176. unberührt gelassen, insbesondere nicht erweitert haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen
  177. aus Beratungsfehlern im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das
  178. vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden nur solche Ansprüche
  179. des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz
  180. oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im
  181. Falle der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die
  182. Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10,
  183. BGHZ 187, 327 Rn. 24 mwN und vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 67/11, WM
  184. 2011, 2219 Rn. 27). Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der
  185. Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des Einlagensicherungs- und
  186. Anlegerentschädigungsgesetzes (Senatsurteil vom 23. November 2010 - XI ZR
  187. 26/10, aaO).
  188. 23
  189. Eine solche Eingrenzung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG
  190. des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme
  191. für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser bestimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet
  192. werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass
  193. dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Einen Anspruch des Anlegers auf Ausgleich von Handelsverlusten, die im Rahmen der bestimmungsgemäßen Ver-
  194. - 11 -
  195. wendung der Anlegergelder entstanden sind, will die Richtlinie - was auch ihr
  196. Erwägungsgrund 8 unterstreicht - nicht gewähren.
  197. 24
  198. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem auch nicht
  199. die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, der
  200. im Rahmen eines auf § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO gestützten Rückgewähranspruchs des Insolvenzverwalters über das Vermögen der P. GmbH gegen einen Anleger wegen der an diesen von der P. GmbH geleisteten Auszahlungen Handelsverluste nicht berücksichtigt (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2010
  201. - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 15, vom 10. Februar 2011 - IX ZR 18/10, WM
  202. 2011, 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011 - IX ZR 209/10, WM 2011,
  203. 2237 Rn. 19). Insoweit kommt es nämlich darauf an, ob die P. GmbH die Geltendmachung etwaiger Gegenpositionen verwirkt hat, weil der Insolvenzverwalter im Grundsatz voll in die - zivilrechtlich geprägte - Rechtsposition des
  204. Schuldners einrückt. Dies ist dagegen in dem Verhältnis zwischen Entschädigungseinrichtung und Anleger bei der Bestimmung des Umfangs des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht der Fall. Dieser richtet
  205. sich nach dem - oben umrissenen - Schutzzweck der Anlegerentschädigung,
  206. der eine Entschädigung für tatsächlich erlittene Handels- oder Kursverluste
  207. nicht vorsieht.
  208. 25
  209. c) Das Berufungsgericht hat schließlich - entgegen der Auffassung der
  210. Revision - für die Bemessung der Handelsverluste auch zu Recht die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt und das diesbezügliche (einfache) Bestreiten der Klägerseite für nicht ausreichend erachtet.
  211. 26
  212. aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG richtet sich der Entschädigungsanspruch des Anlegers nach Höhe und Umfang der ihm gegenüber bestehenden
  213. Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften unter Berücksichtigung etwaiger
  214. - 12 -
  215. Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts. Die Bemessung des
  216. Entschädigungsanspruchs erfolgt danach in zwei Schritten. Zunächst sind Höhe
  217. und Umfang der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften festzustellen. Diese umfassen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG die Verpflichtungen des Instituts auf
  218. Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet
  219. werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit
  220. Wertpapiergeschäften gehalten werden. Sodann sind etwaige Aufrechnungsund Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu klären und gegebenenfalls nach
  221. allgemeinen Grundsätzen dem Entschädigungsanspruch gegenüberzustellen.
  222. 27
  223. Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast hat
  224. der Anleger die Höhe des von ihm geltend gemachten Entschädigungsanspruchs darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, während die Entschädigungseinrichtung zu etwaigen Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechten des
  225. Instituts vortragen muss (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 23. November 2010
  226. - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 32 und vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 67/11,
  227. WM 2011, 2219 Rn. 22). Dabei kann sich der Anleger zunächst auf die Darstellung der von ihm erbrachten Einzahlungen (ohne Agio) und der an ihn geleisteten Auszahlungen beschränken. Verlangt er darüber hinaus die Auszahlung
  228. tatsächlich erzielter Gewinne, muss er auch diese darlegen. Dagegen muss er
  229. zu etwaigen Verlusten - soweit deren Entstehung ihm wie hier verschwiegen
  230. worden ist - keinen Vortrag halten. Dies ist dann Sache der Entschädigungseinrichtung, zu deren Aufgaben es nach § 5 Abs. 4 Satz 1 EAEG gehört, die angemeldeten Ansprüche zu prüfen; zu diesem Zweck stehen ihr die in § 5 Abs. 2,
  231. § 9 Abs. 2 EAEG genannten Ermittlungsbefugnisse zu (vgl. hierzu BGH, Urteil
  232. vom 20. September 2011 - XI ZR 434/10, BGHZ 191, 95 Rn. 55 ff.). Hat die
  233. Entschädigungseinrichtung unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten die dem einzelnen Anleger zustehende Entschädigungssumme detailliert und nachvollziehbar berechnet, ist es dem Anleger
  234. - 13 -
  235. zwar unbenommen, diese Berechnung anzugreifen. Ihm kommt insoweit aber
  236. gemäß § 138 Abs. 2 ZPO eine gesteigerte Darlegungslast zu, so dass ein bloß
  237. einfaches oder nur pauschal auf das gesamte Rechenwerk bezogenes Bestreiten unbeachtlich ist. Denn die Entschädigungseinrichtung steht gleichermaßen
  238. wie der Anleger außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs und hat zu
  239. Beginn des Entschädigungsverfahrens keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1989 - XI ZR 59/88, juris
  240. Rn. 23 f. mwN, in WM 1990, 343 nicht abgedruckt). Für eine Zurechnung der
  241. Kenntnis des Instituts fehlt es an einer Rechtsgrundlage; die Entschädigungseinrichtung steht - aus Sicht der Anleger - auch nicht "in dessen Lager". Bei
  242. dieser Sachlage muss der Anleger den nachprüfungsfähigen Vortrag der Entschädigungseinrichtung zur Höhe der Handelsverluste substantiiert bestreiten,
  243. wenn er ihm entgegentreten will.
  244. 28
  245. bb) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht das Bestreiten der
  246. Klägerseite zu Recht als unerheblich angesehen und deshalb der Ermittlung der
  247. Entschädigungshöhe die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt.
  248. 29
  249. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat
  250. die Beklagte die gesamte Handelstätigkeit der P. GmbH im Zusammenhang mit
  251. dem PMA aufgeklärt und im Einzelnen nachvollzogen. Hierzu hat sie die Unterlagen des Insolvenzverwalters ausgewertet und sachlich wie rechnerisch überprüft. Auf diese Weise hat die Beklagte Gewinne und Verluste des PMA in den
  252. einzelnen Handelsperioden ermittelt und auf dieser Grundlage die Kontenverläufe der einzelnen Anleger nachgezeichnet. Diese konkreten Berechnungen
  253. hat die Klägerseite nicht substantiiert bestritten. Sie hat insbesondere nicht aufgezeigt, welche konkreten Positionen in den Berechnungen fehlerhaft sein sollen. Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht mit den Einwendungen der Klägerseite auseinandergesetzt, ohne dass die Revision insoweit einen Rechts-
  254. - 14 -
  255. oder Verfahrensfehler dartut oder ein solcher aus anderen Gründen erkennbar
  256. ist. Die Revision stellt lediglich noch in Frage, dass die vereinnahmten Gelder
  257. vertragsgemäß in Termingeschäfte angelegt worden seien; dieser nur pauschale Vortrag genügt indes den Anforderungen an die der Klägerseite obliegende
  258. gesteigerte Darlegungslast nicht.
  259. Wiechers
  260. Joeres
  261. Maihold
  262. Grüneberg
  263. Menges
  264. Vorinstanzen:
  265. LG Berlin, Entscheidung vom 26.01.2012 - 20 O 280/11 KG Berlin, Entscheidung vom 30.11.2012 - 9 U 39/12 -