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351 lines
22 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 19/13
  5. Verkündet am:
  6. 5. November 2013
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 5. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter
  15. Dr. Joeres, Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterin Dr. Menges
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des
  18. Kammergerichts in Berlin vom 7. Dezember 2012 wird auf ihre
  19. Kosten zurückgewiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. 1
  23. Die Kläger nehmen die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungsund Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch. Zwischen den Parteien steht nur noch im Streit, ob die Beklagte von ihr berechnete
  24. Handelsverluste in Abzug bringen durfte.
  25. 2
  26. Die Kläger beteiligten sich gemeinschaftlich im November 1996 und im
  27. Juli 1997 mit einem Anlagebetrag von insgesamt 10.941,64 € einschließlich
  28. Agio an dem Phoenix Managed Account (im Folgenden: PMA), einer von der
  29. Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und
  30. für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in
  31. -3-
  32. "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war.
  33. 3
  34. Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel
  35. unterstellt. Bereits ab Mitte 1993 hatte die P. GmbH begonnen, die für den PMA
  36. eingegangenen Verpflichtungen aus den Termingeschäften nicht mehr mit dem
  37. aktuellen Marktwert, sondern mit "Null" zu bewerten, um eingetretene Verluste
  38. zu verschleiern. Ab 1997 legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der
  39. von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften
  40. an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielten auch die Kläger eine Auszahlung über
  41. 2.456,66 €. Den Anlegern wurden monatliche Kontoauszüge übermittelt, die
  42. den tatsächlichen Handelsverlauf nicht widerspiegelten.
  43. 4
  44. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März
  45. 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen
  46. der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
  47. 5
  48. Die Beklagte ermittelte auf der Grundlage der von ihr überprüften Berechnungen des Insolvenzverwalters ausgehend vom rekonstruierten, tatsächlichen Handelsverlauf des PMA für jeden Anleger den Verlauf und Endstand seiner Anlage. Für die Konten der Kläger ergab sich so unter Abzug der Handelsverluste jeweils zum 31. März 2005 ein Endbetrag von insgesamt 5.557,30 €.
  49. 6
  50. Mit der Klage verlangen die Kläger von der Beklagten die Zahlung von
  51. 90% ihrer Anlagesumme ohne Agio nebst Rechtshängigkeitszinsen abzüglich
  52. -4-
  53. der Auszahlung und der von der Beklagten bereits erbrachten Teilentschädigungen, d.h. insgesamt 4.045,30 €. Sie meinen, dass die Handelsverluste nicht
  54. hätten abgezogen werden dürfen.
  55. 7
  56. Das Landgericht hat der Klage - unter Berücksichtigung eines von der
  57. Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses in Höhe von 1.741,38 € - in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage nur in Höhe von 2.054,61 € nebst Zinsen für begründet erachtet und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
  58. Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. 8
  61. Die Revision ist unbegründet.
  62. I.
  63. 9
  64. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  65. für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  66. 10
  67. Den Klägern stehe gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch aus
  68. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nur in der zuerkannten Höhe zu. Dieser bemesse
  69. sich im Ausgangspunkt zwar nach der Höhe des gegen die P. GmbH bestehenden Anspruchs aus § 675 Abs. 1, § 667 BGB auf Rückzahlung aller für den
  70. PMA eingezahlten Gelder ohne Agio sowie aller tatsächlich erzielten Gewinne;
  71. -5-
  72. Verluste aus der Anlage seien aber abzuziehen, soweit diese nicht durch Unterschlagung oder Veruntreuung entstanden seien. Der Herausgabeanspruch
  73. umfasse nicht die Mittel, die in Ausführung des Auftrags - hier: zur Investition in
  74. Termingeschäfte - verbraucht worden und nicht mehr vorhanden seien. Diese
  75. Sichtweise stimme mit dem Schutzzweck des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes überein. Danach würden nur solche Ansprüche
  76. geschützt, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder
  77. Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richteten, wozu auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten gehörten, durch die - wie etwa im Fall
  78. der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren
  79. vereitelt würden. Seien die Kundengelder dagegen vertragsgemäß verwendet
  80. worden, könnten derartige Ansprüche nicht beeinträchtigt worden sein, auch
  81. wenn die Anlage zu Verlusten geführt habe.
  82. 11
  83. Danach ergebe sich auf der Grundlage der Berechnung der Beklagten
  84. für die Kläger ein noch offener Entschädigungsanspruch in Höhe von
  85. 2.054,61 €. Soweit die Klägerseite die Berechnung der Beklagten in Frage stelle, sei dies unbeachtlich. Die Klägerseite trage die Darlegungs- und Beweislast
  86. für Höhe und Umfang des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs. Hierzu genüge nicht die bloße Darlegung der einzelnen Ein- und Auszahlungen.
  87. Vielmehr müsste sie im Falle des Bestreitens durch die Beklagte die Entwicklung der Anlage mit allen Gewinnen und Verlusten darlegen und beweisen. Bei
  88. der Bestimmung der Handelsverluste gehe es um die Bestimmung der Höhe
  89. der dem Anleger gegenüber dem Institut zustehenden Forderung und nicht etwa um eine Aufrechnungsforderung des Instituts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1
  90. EAEG, hinsichtlich derer die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre.
  91. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendung der erhaltenen
  92. -6-
  93. Einlagen tragen würde. Diese Beweislastgrundsätze seien auf den Entschädigungsanspruch nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht anwendbar, weil es
  94. sich dabei um einen selbständigen gesetzlichen Anspruch handele, dessen Voraussetzungen und Umfang eigenständig geregelt seien. Des Weiteren komme
  95. auch eine Beweislastumkehr nicht in Betracht, weil die Beklagte dem Beweis
  96. der tatsächlichen Handelsverläufe nicht näher stehe als die Klägerseite. Die
  97. Beklagte treffe allenfalls eine sekundäre Darlegungslast, der sie vorliegend mit
  98. ihren konkreten Berechnungen nachgekommen sei. Diesem Vorbringen sei die
  99. Klägerseite nicht genügend entgegengetreten. Dies gelte insbesondere, soweit
  100. die Klägerseite in Abrede stelle, dass Handelsverluste durch eine vereinbarungsgemäße Handelstätigkeit der P. GmbH mit den Mitteln des PMA überhaupt entstanden seien. Substantiierten Vortrag dazu sei die Klägerseite schuldig geblieben. Im Übrigen beschränke sie sich auf die Rechtsmeinung, Handelsverluste seien nicht zu berücksichtigen. Soweit die Klägerseite vorbringe,
  101. der Beklagten hätten nicht alle Kontoauszüge und Daten vorgelegen, sei dies
  102. mangels Benennung konkreter Unterlagen unsubstantiiert.
  103. II.
  104. 12
  105. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die
  106. Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des
  107. Entschädigungsanspruchs der Klägerseite aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu
  108. Recht die von der Beklagten berechneten Handelsverluste anspruchsmindernd
  109. berücksichtigt.
  110. 13
  111. 1. Die P. GmbH, ein unter anderem mit Finanzkommissionsgeschäften
  112. befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung
  113. -7-
  114. zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EAEG). Den Eintritt des Entschädigungsfalles hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 EAEG festgestellt.
  115. 14
  116. 2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei eine Verbindlichkeit der
  117. P. GmbH gegenüber der Klägerseite aus Wertpapiergeschäften bejaht.
  118. 15
  119. a) Zwischen der Klägerseite und der P. GmbH ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für
  120. fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich - wie der Senat
  121. mit Urteil vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, BGHZ 191, 95 Rn. 15 ff.) im
  122. Einzelnen begründet hat - um Finanzkommissionsgeschäfte im Sinne des § 1
  123. Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3
  124. EAEG.
  125. 16
  126. b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber der
  127. Klägerseite aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.
  128. 17
  129. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG in der hier maßgeblichen Fassung des
  130. Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010; vgl. hierzu Senatsurteil vom
  131. 23. November 2010 - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 15) sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung
  132. von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder
  133. gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Wie der Senat mit Urteil vom 23. November 2010
  134. (XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 14 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird von dieser Vorschrift auch der von der Klägerseite gegen die
  135. P. GmbH geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr eingezahlten Gelder, der seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB hat, erfasst.
  136. -8-
  137. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um
  138. Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang
  139. mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt gerade auch den Schutz des Anlegers
  140. vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden
  141. auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder
  142. vereiteln (Senatsurteil vom 23. November 2010, aaO, Rn. 28).
  143. 18
  144. 3. Entgegen der Auffassung der Revision umfasst der Entschädigungsanspruch - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht die
  145. von der Beklagten berechneten, tatsächlichen Handelsverluste.
  146. 19
  147. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften, wie bereits erwähnt, Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden
  148. oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Handelsverluste, die aufgrund einer vertragsgemäßen Anlage der Gelder entstanden sind, werden davon nicht erfasst.
  149. 20
  150. a) Dies ergibt sich allerdings, anders als das Berufungsgericht meint,
  151. nicht bereits unmittelbar aus dem - dem Entschädigungsanspruch aus § 3
  152. Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zugrundeliegenden - Herausgabeanspruch des einzelnen Anlegers gegen die P. GmbH aus § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB. Danach wird der Beauftragte oder Geschäftsbesorger zwar grundsätzlich von der
  153. Verpflichtung, zur Auftragsausführung erhaltene Gelder wieder zurückzuzahlen,
  154. frei, wenn er diese auftragsgemäß weitergeleitet oder bestimmungsgemäß verbraucht hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 1996 - III ZR 205/95, NJW 1997,
  155. 47, 49, vom 4. Oktober 2001 - III ZR 290/00, BGHReport 2002, 71 und vom
  156. 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, WM 2003, 2382, 2383). Dies ist hier aber
  157. -9-
  158. nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise nicht der Fall, weil die Anleger der P. GmbH bzw. dem Insolvenzverwalter über deren Vermögen entgegenhalten können, dass wegen des Vorgehens der P. GmbH, in betrügerischer Weise neue Anleger zu werben und
  159. ihre vertraglichen Verpflichtungen entsprechend ihrer vorgefassten Absicht grob
  160. zu verletzen, ihr Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nach dem Grundsatz
  161. von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht um die Verluste aus den wenigen
  162. noch getätigten Anlagegeschäften vermindert werden darf (vgl. BGH, Urteile
  163. vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 15, vom 10. Februar
  164. 2011 - IX ZR 18/10, WM 2011, 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011
  165. - IX ZR 209/10, WM 2011, 2237 Rn. 19). Dieser Einwand steht der Klägerseite
  166. indes gegenüber der Beklagten - entgegen der Auffassung der Revision - im
  167. Rahmen des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht
  168. zu.
  169. 21
  170. b) Nach dem Schutzzweck des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes sind im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung
  171. der Anlegergelder tatsächlich angefallene Handelsverluste bei der Bemessung
  172. des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu berücksichtigen.
  173. 22
  174. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden
  175. Fassung des § 1 Abs. 4 EAEG sollen in den Schutzbereich der Norm nur solche
  176. Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen
  177. Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus Beratungsfehlern (BT-Drucks. 13/10188, S. 16). Mit der
  178. Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des Normtextes beseitigt
  179. - 10 -
  180. werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift
  181. unberührt gelassen, insbesondere nicht erweitert haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen
  182. aus Beratungsfehlern im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das
  183. vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden nur solche Ansprüche
  184. des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz
  185. oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im
  186. Falle der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die
  187. Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10,
  188. BGHZ 187, 327 Rn. 24 mwN und vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 67/11, WM
  189. 2011, 2219 Rn. 27). Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der
  190. Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des Einlagensicherungs- und
  191. Anlegerentschädigungsgesetzes (Senatsurteil vom 23. November 2010 - XI ZR
  192. 26/10, aaO).
  193. 23
  194. Eine solche Eingrenzung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG
  195. des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme
  196. für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser bestimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet
  197. werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass
  198. dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Einen Anspruch des Anlegers auf Aus-
  199. - 11 -
  200. gleich von Handelsverlusten, die im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung der Anlegergelder entstanden sind, will die Richtlinie - was auch ihr
  201. Erwägungsgrund 8 unterstreicht - nicht gewähren.
  202. 24
  203. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem auch nicht
  204. die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, der
  205. im Rahmen eines auf § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO gestützten Rückgewähranspruchs des Insolvenzverwalters über das Vermögen der P. GmbH gegen einen Anleger wegen der an diesen von der P. GmbH geleisteten Auszahlungen Handelsverluste nicht berücksichtigt (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2010
  206. - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 15, vom 10. Februar 2011 - IX ZR 18/10, WM
  207. 2011, 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011 - IX ZR 209/10, WM 2011,
  208. 2237 Rn. 19). Insoweit kommt es nämlich darauf an, ob die P. GmbH die Geltendmachung etwaiger Gegenpositionen verwirkt hat, weil der Insolvenzverwalter im Grundsatz voll in die - zivilrechtlich geprägte - Rechtsposition des
  209. Schuldners einrückt. Dies ist dagegen in dem Verhältnis zwischen Entschädigungseinrichtung und Anleger bei der Bestimmung des Umfangs des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht der Fall. Dieser richtet
  210. sich nach dem - oben umrissenen - Schutzzweck der Anlegerentschädigung,
  211. der eine Entschädigung für tatsächlich erlittene Handels- oder Kursverluste
  212. nicht vorsieht.
  213. 25
  214. c) Das Berufungsgericht hat schließlich - entgegen der Auffassung der
  215. Revision - für die Bemessung der Handelsverluste auch zu Recht die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt und das diesbezügliche (einfache) Bestreiten der Klägerseite für nicht ausreichend erachtet.
  216. 26
  217. aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG richtet sich der Entschädigungsanspruch des Anlegers nach Höhe und Umfang der ihm gegenüber bestehenden
  218. - 12 -
  219. Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften unter Berücksichtigung etwaiger
  220. Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts. Die Bemessung des
  221. Entschädigungsanspruchs erfolgt danach in zwei Schritten. Zunächst sind Höhe
  222. und Umfang der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften festzustellen. Diese umfassen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG die Verpflichtungen des Instituts auf
  223. Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet
  224. werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit
  225. Wertpapiergeschäften gehalten werden. Sodann sind etwaige Aufrechnungsund Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu klären und gegebenenfalls nach
  226. allgemeinen Grundsätzen dem Entschädigungsanspruch gegenüberzustellen.
  227. 27
  228. Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast hat
  229. der Anleger die Höhe des von ihm geltend gemachten Entschädigungsanspruchs darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, während die Entschädigungseinrichtung zu etwaigen Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechten des
  230. Instituts vortragen muss (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 23. November 2010
  231. - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 32 und vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 67/11,
  232. WM 2011, 2219 Rn. 22). Dabei kann sich der Anleger zunächst auf die Darstellung der von ihm erbrachten Einzahlungen (ohne Agio) und der an ihn geleisteten Auszahlungen beschränken. Verlangt er darüber hinaus die Auszahlung
  233. tatsächlich erzielter Gewinne, muss er auch diese darlegen. Dagegen muss er
  234. zu etwaigen Verlusten - soweit deren Entstehung ihm wie hier verschwiegen
  235. worden ist - keinen Vortrag halten. Dies ist dann Sache der Entschädigungseinrichtung, zu deren Aufgaben es nach § 5 Abs. 4 Satz 1 EAEG gehört, die angemeldeten Ansprüche zu prüfen; zu diesem Zweck stehen ihr die in § 5 Abs. 2,
  236. § 9 Abs. 2 EAEG genannten Ermittlungsbefugnisse zu (vgl. hierzu BGH, Urteil
  237. vom 20. September 2011 - XI ZR 434/10, BGHZ 191, 95 Rn. 55 ff.). Hat die
  238. Entschädigungseinrichtung unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten die dem einzelnen Anleger zustehende Entschä-
  239. - 13 -
  240. digungssumme detailliert und nachvollziehbar berechnet, ist es dem Anleger
  241. zwar unbenommen, diese Berechnung anzugreifen. Ihm kommt insoweit aber
  242. gemäß § 138 Abs. 2 ZPO eine gesteigerte Darlegungslast zu, so dass ein bloß
  243. einfaches oder nur pauschal auf das gesamte Rechenwerk bezogenes Bestreiten unbeachtlich ist. Denn die Entschädigungseinrichtung steht gleichermaßen
  244. wie der Anleger außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs und hat zu
  245. Beginn des Entschädigungsverfahrens keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1989 - XI ZR 59/88, juris
  246. Rn. 23 f. mwN, in WM 1990, 343 nicht abgedruckt). Für eine Zurechnung der
  247. Kenntnis des Instituts fehlt es an einer Rechtsgrundlage; die Entschädigungseinrichtung steht - aus Sicht der Anleger - auch nicht "in dessen Lager". Bei
  248. dieser Sachlage muss der Anleger den nachprüfungsfähigen Vortrag der Entschädigungseinrichtung zur Höhe der Handelsverluste substantiiert bestreiten,
  249. wenn er ihm entgegentreten will.
  250. 28
  251. bb) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht das Bestreiten der
  252. Klägerseite zu Recht als unerheblich angesehen und deshalb der Ermittlung der
  253. Entschädigungshöhe die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt.
  254. 29
  255. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat
  256. die Beklagte die gesamte Handelstätigkeit der P. GmbH im Zusammenhang mit
  257. dem PMA aufgeklärt und im Einzelnen nachvollzogen. Hierzu hat sie die Unterlagen des Insolvenzverwalters ausgewertet und sachlich wie rechnerisch überprüft. Auf diese Weise hat die Beklagte Gewinne und Verluste des PMA in den
  258. einzelnen Handelsperioden ermittelt und auf dieser Grundlage die Kontenverläufe der einzelnen Anleger nachgezeichnet. Diese konkreten Berechnungen
  259. hat die Klägerseite nicht substantiiert bestritten. Sie hat insbesondere nicht aufgezeigt, welche konkreten Positionen in den Berechnungen fehlerhaft sein sollen. Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht mit den Einwendungen der Klä-
  260. - 14 -
  261. gerseite auseinandergesetzt, ohne dass die Revision insoweit einen Rechtsoder Verfahrensfehler dartut oder ein solcher aus anderen Gründen erkennbar
  262. ist. Die Revision stellt lediglich noch in Frage, dass die vereinnahmten Gelder
  263. vertragsgemäß in Termingeschäfte angelegt worden seien; dieser nur pauschale Vortrag genügt indes den Anforderungen an die der Klägerseite obliegende
  264. gesteigerte Darlegungslast nicht.
  265. Wiechers
  266. Joeres
  267. Maihold
  268. Vorinstanzen:
  269. LG Berlin, Entscheidung vom 09.02.2012 - 5 O 52/10 KG Berlin, Entscheidung vom 07.12.2012 - 9 U 37/12 -
  270. Grüneberg
  271. Menges